1. Der Verweis der Krankenkasse auf ein MDK-Gutachten war für die Mitteilung der wesentlichen Gründe im Sinne des § 8 S. 2 PrüfvV 2014 ausreichend.
2. Im Fall einer Verrechnung nach § 9 PrüfvV 2014 genügt es, dass die Höhe des konkreten Erstattungsanspruchs nach § 8 S. 1 PrüfvV 2014, erst im auf die Mitteilung der wesentlichen Gründe folgenden Verrechnungsschreiben genannt wurde, solange dies innerhalb der Frist des § 8 S. 3 PrüfvV 2014 erfolgte.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Krankenhausbehandlung.
Die am 00.00.0000 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte D. wurde in der Zeit vom 28.08.2016 bis zum 05.11.2016 vollstationär wegen zunehmender linksseitiger Schulterschmerzen, vornehmlich nachts, im Krankenhaus der Klägerin behandelt. Nach erfolgter Gastroskopie und entsprechender Biopsie konnte eine bösartige Tumorinfiltration nachgewiesen werden. Nach einem entsprechenden Beschluss in der Tumorkonferenz wurde die Versicherte am 16.09.2016 in die chirurgische Klinik der Klägerin verlegt. Dort wurde eine totale Gastrektomie (vollständige Entfernung des Magens) durchgeführt. Der sehr große Tumor war fest mit dem Lebersegment verwachsen. Nach histologischer Befundung stellte sich heraus, dass es sich um einen bösartigen Tumor des Magens mit Infiltration der Umgebung unter Einbeziehung des Zwerchfells und mit Lymphknotenmetastasen handelte.
Im postoperativen komplikationsreichen Verlauf erfolgte eine intensivmedizinische Behandlung. Es entwickelte sich eine Cholezystitis (Entzündung der Gallenblase), sodass am 23.09.2016 eine Cholezystektomie erfolgte. Es kam zudem zu einer Peritonitis (Bauchfellentzündung), die eine Relaparotomie (erneute Öffnung des Bauchraumens) am 30.09.2016 erforderte. Hierbei zeigte sich, dass der Ductus Choledochus (Hauptgallen-gang) perforiert war. Es musste eine biliodigestive Anastomose (d.h. eine operative Verbindung zwischen dem Gallenabflusssystem und dem oberen Teil des Dünndarms) angelegt werden. Die intensivmedizinische Behandlung wurde bis zum 04.10.2016 fortgeführt. Nach einer temporären Besserung zeigten sich dann im Verlauf tastbare Hauttumore. Die weitere Abklärung mittels Thorax- und Abdomen-Computertomographie (CT) zeigte neue Rundherde als Hinweis auf eine diffuse Metastasierung. Es kam zu Verwirrtheitszustän-den der Versicherten. In einem Schädel-CT wurden Hirnmetastasen nachgewiesen. Die Versicherte wurde am 05.11.2016 zur Durchführung einer palliativen Behandlung entlas-sen.
Mit Endabrechnung vom 29.12.2016 stellte die Klägerin der Beklagten unter Ansetzung der DRG G33Z (mehrzeitige komplexe OR-Prozeduren oder hochaufwendiges Implantat bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane) für die oben genannte Behand-
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lung einen Betrag in Höhe von 48.087,91 Euro in Rechhung. Die Beklagte beglich zunächst die. Rechnung in voller Höhe und beauftrage sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung N. (MDK) mit der Überprüfung des Falles. Dieser kam in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 24.02.2017 durch den Gutachter Dr. X. zu dem Ergebnis, dass die Hauptdiagnose nicht korrekt kodiert sei. Anstelle der Hauptdiagnose C16.1 (Bösartige Neubildung: Fundus ventriculi; Fundus ventriculi ist der kuppelför-mig gewölbte Teil des Magens) hätte die Klägerin C49.3 (Bösartige Neubildung: Bindegewebe und andere Weichteilgewebe des Thorax) kodieren müssen. Denn es sei das adhärente Zwerchfell mit einem Abstand von circa 1 cm zum Tumor mitreseziert worden. Ferner sei histologisch ein Gastrektomiepräparat mit einem 7 cm messenden undifferenzierten epitheloidzelligen Weichteilsarkom im Magencorpus/Zwerchfell beschrieben worden. So heiße es in einem Zitat aus dem pathologischen Befund: „Eine TNM-Klassifikation für Sarkome mit Ursprung in Hohlorganen ist nicht etabliert. Die hier vorliegende Lokalisation ist für diese Tumorentität ungewöhnlich. Unter der Annahme, dass der Tumor seinen Ursprung im Zwerchfell hat, lässt sich dies als TNM-Klassifikation formulieren: Lokalisation: ICD-C49.34." Daraus folge, dass die DRG l27A (Eingriffe am Weichteilgewebe oder kleinflächige Gewebetransplantationen mit bestimmter Diagnose und bestimmtem Eingriff, oder mit äußerst schweren CC oder BNB und schweren CC und bestimmter Diagnose und komplexem Eingriff) anzusetzen sei. Mit Schreiben vom 27.02.2017 teilte die Beklagte daraufhin unter Beifügung einer Kopie des MDK-Gutachtens vom 24.02.2017 der Klägerin mit, dass sie um Korrektur der Rechnungslegung bitte, da die DRG l27A einschlägig sei.
Nachdem die Beklagte unter dem 30.03.2017 erneut erfolglos um Rechnuhgskorrektur gebeten hatte, verrechnete sie am 14.06.2017 den Differenzbetrag dieser DRG zur von
- der Klägerin angesetzten DRG in Höhe von 15.023,14 Euro mit anderen unstreitigen Vergütungsforderungen der Klägerin, betreffend die stationären Behandlungen mit den Rechnungsnummern N01 und N02.
Die Klägerin wandte mit Schreiben vom 14.06.2017 ein, dass bei der Versicherten ein bösartiger Tumor des Magens mit Infiltration der Umgebung unter Einbeziehung des Zwerchfells und mit Lymphknotenmetastasen vorgelegen habe. Der Haupttumor habe seinen Sitz im Magenkorpus gehabt. Bei diesem Befund existiere keine TNM-Klassifikation, weshalb die des Zwerchfells verwendet worden sei. Diesem Schreiben waren mehrere pathologische Beurteilungen des Arztes Dr. Z. vom 21.09.2016,
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22.09.2016, 26.09.2016, 27.09.2016, 29.09.2016, 30.09.2016, 05.10.2016, 10.10.2016 sowie 23.05.2017 beigefügt.
Auf Zahlung des aufgerechneten Betrages in Höhe von 15.023,14 Euro richtet sich die von der Klägerin am 12.06.2018 erhobene Klage. Zur Begründung führt sie aus, dass es entscheidend sei, dass sich die Haupttumormasse im Magen befunden habe. Das lasse den Schluss zu, dass dort auch der Ursprungsort des Tumors gewesen sei. Ferner genüge die Mitteilung der Beklagten vom 27.02.2017 nicht den Anforderungen des § 8 der Prüfverfahrensvereinbarung vom 01.09.2014 (im Folgenden PrüfvV 2014). Denn es seien weder die wesentlichen Gründe, die zu einer Ablehnung geführt hätten, noch der daraus folgende Erstattungsanspruch konkret beziffert worden. Es genüge nicht allein, das MDK-Gutachten zu übersenden und das Krankenhaus zur Zahlung aufzufordern.
Nachdem die Klägerin zunächst schriftsätzlich beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.023,14 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.04.2017 zu zahlen, beantragt sie nunmehr,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.023,14 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.06.2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Kodierung der Klägerin nicht mit dem pathologischen Befundbericht übereinstimme.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines nach Aktenlage erstellten Gutachtens des Sachverständigen Dr. O., Facharzt für Innere Medizin. Dieser ist in seinem Gutachten vom 24.12.2018 zu dem Ergebnis gekommen, dass die von der Klägerin gewählte Abrechnung auf Grundlage der DRG G33Z gerechtfertigt sei. Denn es sei die dieser DRG zugrundeliegende Definition als mehrzeitige komplexe OR-Prozedur oder
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hochaufwendiges Implantat bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane entscheidend. Insbesondere die in vorliegendem Fall erfolgte Mehrzeitigkeit rechtfertige vollumfänglich die Abrechnung der DRG G33Z. Es habe ferner kein Magenkarzinom, sondern ein epitheloidzelliges Weichteilsarkom des Magens und Zwerchfells mit der Haupttumor-masse im Magen vorgelegen, mutmaßlich ausgehend vom Bindegewebe des Zwerchfells und diffuser Metastasierung. Es sei aus gutachterlicher Sicht unerheblich, ob der Tumor vom Zwerchfell ausgehend in den Magen infiltriert oder abgesiedelt sei. Es sei hinsichtlich der Hauptdiagnose weder die Kodierung der Klägerin noch die des MDK zutreffend gewesen. Es sei vielmehr C49.9G (Bösartige Neubildung: Bindegewebe und andere Weich-teilgewebe, nicht näher bezeichnet) als Hauptdiagnose zu kodieren. Als Nebendiagnose seien zum einen — wie bereits von der Klägerin bereits angesetzt - E87.6 (Rezidivierender Hypokaliämien) zum anderen T81.8 (Wundheilungsstörung rechter Oberbauch) zu kodieren. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens (BI. 23 ff. der Gerichtsakten) verwiesen.
Daraufhin hat die Beklagte den MDK unter Vorlage des Sachverständigengutachtens vom 24.12.2018 erneut mit einer Beurteilung des Falles beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 20.06.2019 durch die Gutachterin Dr. K. zu dem gleichbleibenden Ergebnis gekommen, dass als Hauptdiagnose C49.3 zu kodieren sei. Es sei gemäß Deutscher Kodierrichtlinie 0206a der primäre Entstehungsort des Tumors als Primärlokalisation zu verschlüsseln. Es könne aber kein Sarkom im Magen selbst entstanden sein, weshalb die Pathologie davon ausgehe, dass der Tumor im Zwerchfell entstanden sei. Denn ein Sarkom sei eine bösartige Neubildung von Bindegewebe und Weichteilgewebe mesenchymalen Ursprungs. Die von dem • Sachverständigen vorgeschlagene Hauptdiagnose C49.4 könne nicht kodiert werden, da bei einem Epitheloid-zellsarkom der histochemische Nachweis von Vimentin und Keratin regelhaft positiv sei. Vorliegend finde sich jedoch keine immunhistochemische Positivität für Keratin. Die Kodierung mit C49.3 sei vorliegend spezifischer als die Verschlüsselung mit C49.9.
Daraufhin hat die Klägerin entgegnet, dass ein Sarkom ebenso vom Magengewebe ausgehen könne. Der Tumor sei eindeutig vom Magen ausgegangen und habe sekundär das Zwerchfell infiltriert. Auch wenn ein primäres Sarkom des Magens selten sei, so sei ein primäres Sarkom vom Zwerchfell deutlich seltener. Sie hat diesbezüglich auf eine beigefügte Studie Bezug („Aggresive undifferentiated pleomorphic sarcoma of the stomach in-
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volving long-term survival", Molecular and clinical onkology 9, S.661-665, 2018) genommen, aus der sich ergibt, dass ein primäres Magensarkom grundsätzlich möglich sei.
Daraufhin hat das Gericht den Sachverständigen Prof. Dr. O. erneut um ergänzende Stellungnahme unter Bezugnahme auf das MDK-Gutachten vom 21.06.2019 gebeten. Dieser bleibt zusammenfassend in seinem nach Aktenlage erstellten Ergänzungsgutachten vom 15.11.2019 bei dem Ergebnis, dass C49.9 als Hauptdiagnose zu kodieren sei, da es sich nicht um ein thorakales Sarkom, sondern um ein Sarkom im Bereich der Verdauungsorgane handele, sei es mit Ausgang vom Magen oder Zwerchfell. Er halte insbesondere die DRG G33Z nach wie vor für gerechtfertigt, da es sich nicht um eine Operation oberflächlichen Weichteilgewebes oder um eine kleinflächige Gewebetransplantation handele, wie sie in der DRG 127A vom MDK vorgeschlagen werde. Diesbezüglich sei auch die Anzahl der Belegungstage als Begründung zu wählen, da die mittlere Verweildauer bei der DRG I27A 15,2 Tage betrage. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens (BI. 93 ff. der Gerichtsakten) verwiesen.
Die Beklagte hat dagegen eingewendet, dass der gerichtliche Sachverständige seine Ausführungen anhand der „Angemessenheit" der von ihm gewählten DRG begründe. Die DRG sei das Ergebnis eines Groupings, die nicht ausgewählt werden könne. Es könne keine Diskussion über die Anwendbarkeit einer DRG geführt werden.
In einer vom Gericht eingeholten weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 26.04.2021 hat der Sachverständige Prof. Dr. O. ausgeführt, dass es sich bei dem operierten Magentumor nicht um ein klassisch von Magenschleimhautzellen ausgehendes Magenkarzinom, sondern um ein von Bindegewebszellen ausgehenden Tumor handele. Es seien vom Magen ausgehende Sarkome bekannt. Es würde sich vorliegend aber nicht entscheiden lassen, ob der Tumor vom Zwerchfell oder vom Magen ausgegangen sei, sodass die allgemeine Kodierung C49.9 vorgeschlagen werde. Im Übrigen wiederholt er seine Ausführungen aus dem Vorgutachten.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung der Kammer durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
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Danach hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 23.12.2021 eingewendet, dass das Gutachten medizinisch und rechtlich nicht korrekt sei. Das klinische Bild lasse für Mediziner nur den einzigen Rückschluss zu, dass auch der Primärtumor im Magen zu finden gewesen sei. Daher sei die Sache noch nicht entscheidungsreif, es müsse ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden, was sie daher beantrage.
Wegen der darüber hinausgehenden Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt die Kammer Bezug auf die Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die beigezogene Patientendokumentation der Klägerin über den stationären Aufenthalt der Versicherten G.. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht hat nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die von den Beteiligten entsprechend abgegebene Einverständniserklärung zu dieser Verfahrensweise bestand zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer noch fort. Das Einverständnis nach § 124 Abs. 2 SGG verliert zwar seine Wirksamkeit, wenn sich nach seiner Abgabe die bisherige Tatsachen- oder Rechtsgrundlage und damit die Prozesssituation wesentlich ändert (Bundessozialgericht (BSG), Beschl. v. 06.10.2016, B 5 R 45/16 B, Rn. 18 m.w.N., juris). Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein Beteiligter einen Schriftsatz mit erheblichem neuen Vorbringen oder neuen Beweismitteln oder Anträgen einreicht (BSG, a.a.O.). Eine solche Konstellation lag hier aber nicht vor, weil die Klägerin allein mit dem zeitlich nachgelagerten Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens weder einen neuen Vortrag dargetan oder neue Beweismittel benannt hat noch einen rechtserheblichen neuen Antrag gestellt hat.
Streitgegenstand ist vorliegend nicht die Kostenübernahme für die stationäre Behandlung der Versicherten G. in der Zeit vom 28.08.2016 bis zum 05.11.2016, weil dieser Anspruch durch Erfüllung erloschen ist. Gegenstand der Klage ist vielmehr die Frage, ob der Beklagten aus diesem Behandlungsfall ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe von 15.023,14 Euro zusteht, den sie im Wege der Aufrechnung geltend gemacht hat. Bei der zu Grunde liegenden unstreitigen Hauptforderung, mit der die Aufrechnung erklärt wurde, handelt es sich um eine Vergütung aus einem Behandlungsfall anderer Versicherter mit den Rechnungsnummern N01 und N02, die die Beklagte mit
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Schreiben vom 14.06.2017 entsprechend identifiziert hat; um die Vergütung aus diesen Behandlungsfällen bis zur Höhe der Klageforderung geht es vorliegend.
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG unmittelbar zulässig, denn es geht bei einer auf Zahlung von Behandlungskosten für einen Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. etwa BSG, Urt. v. 23.07.2002, B 3 KR 64/01 R, juris).
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von 15.023,14 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.06.2017 nicht verlangen.
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses gegenüber einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind § 109 Abs. 4 S. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) i.V.m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHentgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und der Pflegesatzverein-barung der Beteiligten (vgl. ständige Rechtsprechung des BSG, etwa Urt. v. 19.03.2020, B 1 KR 20/19, juris).
Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, unabhängig von einer Leistungszusage, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (vgl. ständige Rechtsprechung des BSG, etwa Urt. v. 19.03.2020, B 1 KR 20/19 R, juris). Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 Nr.2 SGB V als Plankrankenhaus zugelassenen Krankenhauses.
Die Erforderlichkeit der hier streitigen stationären Behandlung der weiteren Versicherten der Beklagten und die ordnungsgemäße Abrechnung dieser Fälle sind zwischen den Be-
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teiligten unstreitig. Die Zahlungsansprüche aus diesen Fällen sind daher entstanden.
Die entsprechenden Vergütungsansprüche sind aber in Höhe von 15.023,14 Euro dadurch erloschen, dass die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten G. in der Zeit vom 28.08.2016 bis zum 05.11.2016 analog § 387 Bürgerliches Ge-
- setzbuch (BGB) die Aufrechnung erklärte. Schulden nach dieser Norm zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Ferner darf die Aufrechnung nicht ausgeschlossen sein und muss wirksam erklärt werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Die Aufrechnung ist hier nicht durch ein gesetzliches oder vertraglich vereinbartes Verbot ausgeschlossen. Insbesondere ist das konkludente Verrechnungsverbot nach § 15 Abs. 4 S. 2 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V vorliegend nicht anwendbar, weil für Behandlungen ab dem 01.01.2015 — wie vorliegend — die PrüfvV 2014 gilt. Die PrüfvV 2014 ist vom GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragspartner geschlossen worden, am 01.09.2014 in Kraft getreten und auf Behandlungsfälle ab dem 01.01.2015 anwendbar (abrufbar unter: www.gkv-spitzenverband.de). Sie regelt das Nähere zum Prüfverfahren, nach § 275 Abs. 1c SGB V (vorliegend in der am 01.01.2016 geltenden Fassung durch das Gesetz vom 10.12.2015, BGBl. I, S. 2229, im Folgenden: a.F.). Die PrüfvV 2014 ist hier sachlich anwendbar. Es kommt dabei nicht darauf an, dass nach den Kriterien der BSG-Rechtsprechung eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung vorgelegen hat (vgl. dazu etwa BSG, Urt. v. 23.05.2017, B 1 KR 24/16 R, juris), weil der MDK allein Diagnosen zu prüfen hatte. Denn insoweit ist maßgebend, dass § 275 Abs.1c S. 4 SGB V a.F. vorsieht, dass als Prüfung nach § 275 Abs.1 S. 1 SGB V a.F. jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen ist, mit der die Krankenkasse den MDK beauftragt und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordert. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen damit ab dem 01.01.2016 Auffälligkeitsprüfungen und Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Krankenhausabrechnung gleich behandelt werden. Dies rechtfertigt die Anwendung der PrüfvV 2014 auch für die Behandlungsfälle im Jahr 2016 (so ausdrücklich nunmehr BSG, Urteil vom 10.11.2021, B 1 KR 36/20 R, Terminbericht auf juris). Es ist auch unschädlich, dass die PrüfvV-Vertragsparteien nach der
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zum 01.01.2016 erfolgten Gesetzesänderung keine Klarstellung in der PrüfvV 2014 vorgenommen haben. Vielmehr ist im Wege einer ergänzenden Vertrags- bzw. Vereinbarungsauslegung nach § 157 BGB i.V.m. § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V (vgl. dazu BSG, Urt. v. 09.04.2019, B 1 KR 5/19 R, juris) davon auszugehen, dass die Einbeziehung der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung in den Anwendungsbereich der PrüfvV 2014 für die Behandlungsfälle ab dem 01.01.2016 dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien entspricht. Anderenfalls stünde die PrüfvV 2014 als untergesetzliches Vertragswerk insoweit auch im Widerspruch zum Gesetz und dem gesetzgeberischen Willen. Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass das BSG hinsichtlich der Abrechnungsbestimmungen eine eng am Wortlaut orientierte Auslegung verlangt (z.B. BSG, Urt. v. 17.12.2019, B 1 KR 19/19 R, juris), weil die PrüfvV — anders als die Abrechnungsbestimmungen — nicht unmittelbar im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes steht, sondern vornehmlich als Verfahrensvorschriften die nähere Ausgestaltung des Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1c SGB V regelt (so ausdrücklich BSG, Urt. v. 18.05.2021, B 1 KR 32/20 R, juris).
Damit ist der nordrhein-westfälische Landesvertrag gemäß § 11 S. 1 PrüfvV 2014 nicht anwendbar. Danach gelten die in der PrüfvV 2014 getroffenen Regelungen verbindlich in allen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, unabhängig davon, ob in einem Bundesland ein Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V zur Regelung der Durchführung einer Einzelfallprüfung existiert. In einem solchen Landesvertrag können lediglich ergänzende Regelungen zu denjenigen Fragestellungen getroffen werden, die nicht Gegenstand dieser Vereinbarung sind.
Daher findet hinsichtlich der Zahlungs- und Aufrechnungsregelungen vorrangig § 9 PrüfvV 2014 Anwendung. Die Krankenkasse kann danach einen nach Beendigung des Vorverfahrens einvernehmlich als bestehend festgestellten oder nach § 8 PrüfvV 2014 fristgerecht mitgeteilten Erstattungsanspruch mit einem unstreitigen Leistungsanspruch des Krankenhauses aufrechnen (§ 9 S. 1 PrüfvV 2014). Dabei sind der Leistungsanspruch und der Erstattungsanspruch genau zu benennen (§ 9 S. 2 PrüfvV 2014). Diese Voraussetzungen an eine wirksame Aufrechnungserklärung sind hier erfüllt.
In dem Schreiben vom 14.06.2017 hat die Beklagte die Forderung, die zur Aufrechnung herangezogen wird, konkret bezeichnet. Sie hat dargelegt, dass die unstreitige Forderung
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aus den Behandlungsfällen mit den Rechnungsnummern N01 und N02 im Umfang und in der Höhe von 15.023,14 Euro erlöschen soll.
Die Beklagte teilte der Klägerin auch innerhalb von neun Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige ihre abschließende Leistungsentscheidung mit, wie dies § 8 PrüfvV 2014 erfordert, die die wesentlichen Gründe der Entscheidung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch darlegt.
Bereits in der Mitteilung der Beklagten vom 27.02.2017 sieht die Kammer eine abschließende Leistungsentscheidung der Beklagten, die die wesentlichen Gründe ihrer Entscheidung im Sinne des § 8 S.2 PrüfvV 2014 darlegt, indem sie unter Bezugnahme auf die aus ihrer Sicht einschlägige DRG einen Erstattungsbetrag geltend macht.
In dieser Mitteilung - welche mit den Worten „Leistungsentscheidung nach § 8 PrüfvV" überschrieben ist — kommt nach dem objektiven Empfängerhorizont hinreichend klar zum Ausdruck, dass die Beklagte insoweit das Prüfverfahren als abgeschlossen betrachtet. In einer derartigen Mitteilung ist in dieser Hinsicht auch ein „Mehr" zu dem alleinigen Übersenden eines MDK-Gutachtens durch die Beklagte zu sehen (das dürfte nach der Entscheidung des BSG, Urt. v. 10.11.2021, B 1 KR 36/20 R gerade nicht für eine abschließende Leistungsentscheidung ausreichend sein; vgl. Terminbericht Nr. 42/21, juris).
Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts (SG) Duisburg, Urt. v. 17.06.2020, S 60 KR 566/19 ist die Kammer der Auffassung, dass der Verweis auf das MDK-Gutachten allerdings für die Mitteilung der wesentlichen Gründe im Sinne des § 8 S.2 PrüfvV 2014 ausreichend ist. Denn die Klägerin kann nach dem objektiven Empfängerhorizont in der konkreten Situation aus dieser Mitteilung in Kombination mit dem übersandten MDK-Gutachten erkennen, welche tragenden Erwägungen die Beklagte zur geforderten Rechnungskürzung veranlasst haben.
Eine Konkretisierung, aus welchen Gründen sich die Beklagte die Feststellungen des MDK zu eigen macht, hält die Kammer für nicht erforderlich, da das Prüfverfahren die Beklagten gerade gesetzlich dazu verpflichtet, dass diese den MDK zur Beurteilung von medizinischen Fragen zu Rate zieht. Letztlich verbleibt es der Beklagten daher lediglich, die ihr vorgelegten MDK-Gutachten in medizinischer Sicht einer Plausibilitätsprüfung zu un-
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terziehen. Daher dürfen die Voraussetzungen für die Mitteilung der wesentlichen Gründe im Sinne des § 8 S.2 PrüfvV 2014 nicht überstrapaziert werden.
Die Kammer erachtet es ferner als ausreichend, dass die Höhe des konkreten Erstattungsanspruchs, welche bereits nach dem Wortlaut des § 8 S.1 PrüfvV 2014 unzweifelhaft erforderlich sein dürfte, erst im Verrechnungsschreiben der Beklagten mit Schreiben vom 14.06.2017 genannt worden ist, solange diese innerhalb der Frist des § 8 S.3 PrüfvV 2014 erfolgt. Zum einen liegt es durch die Verwendung des Plurals bereits nach dem Wortlaut des § 8 S.3 PrüfvV 2014 („Die Mitteilungen nach Satz 1 und 2...") nahe, dass Erstattungsanspruch und wesentliche Gründe nicht in nur einer einzigen Mitteilung angegeben werden müssen. Zum anderen spricht auch der Zweck des § 8 PrüfvV 2014 nicht gegen eine derartige Auslegung: Die Kenntnis über den konkreten von der Beklagten geltend gemachten Erstattungsanspruch dient der Möglichkeit der Überprüfung und Nach-vollziehbarkeit der Aufrechnungshöhe.
Diesem Ergebnis steht auch nicht der Wortlaut des § 9 S.1 PrüfvV 2014 entgegen, der lediglich die Aufrechnung eines nach § 8 PrüfvV 2014 fristgerecht mitgeteilten Erstattungsanspruch zulässt. Denn aus dieser Vorschrift ergibt sich gerade nicht das Erfordernis der zeitlich vor der Verrechnung erfolgten Mitteilung.
Es bestand ferner eine Aufrechnungslage. Der Vergütungsanspruch der Klägerin (Hauptforderung) und der von der Beklagten geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (Gegenforderung) erfüllen die Voraussetzungen der Gegenseitigkeit und der Gleichartigkeit analog § 387 BGB. Die Hauptforderung ist zudem erfüllbar. Die Gegenforderung der Beklagten ist schließlich auch wirksam, fällig und durchsetzbar.
Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, denn die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus sind öffentlich-rechtlich geprägt. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten Bereicherung — §§ 812 ff. BGB —, mit der der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche
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als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung dienen. Diesbezüglich ist allgemein anerkannt, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, zurückgefordert werden können (vgl. BSG, Urt. v. 22.07.2004, B 3 KR 21/03 R, ju-ris).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die ihr in Rechnung gestellten und bezahlten Kosten des stationären Aufenthalts ihrer Versicherten G. im Krankenhaus der Klägerin in Höhe von 15.023,14 Euro ohne Rechtsgrund geleistet. Denn der Klägerin stehen keine weiteren 15.023,14 Euro als Differenzbetrag zwischen vergüteter DRG G33Z und abgerechneter DRG l27A zu. Denn nach Auffassung der Kammer sind die tatsächlichen Voraussetzungen der von der Klägerin kodierten Hauptdiagnose C16.1 nicht erwiesen. Für diese Tatsache trägt die Klägerin die objektive Beweislast. Es liegen ferner keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Anspruch der Klägerin höher ist als der von der Beklagten gezahlte Betrag.
Die Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung ergibt sich aus § 109 Abs.4 S.3 SGB V und § 17b KHG und wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung vereinbaren gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHentgG einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelten oder vorzunehmende Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den Fallpauschalenvereinbarungen auf Grundlage des § 9 Abs.1 S.1 Nr.3 KHEntgG.
Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die Diagnose nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten — dem ICD-10 — in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung verschlüsselt (§ 301 Abs.2 S.1 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung haben die Vertragspartner auf Bundesebene Kodierrichtlinien beschlossen.
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In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Code einer bestimmten DRG zugeordnet. Anhand dieser DRG wird dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkata-logs die zu zahlende Vergütung errechnet. Dieser Prozess, dem ein festgelegter Algorithmus zugrunde liegt, wird als „Groupierung" bezeichnet (vgl. BSG, Urt. v. 18.07.2013, B 3 KR 7/12 R, juris).
Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die Deutschen Kodier-Richtlinien 2016 (DKR) und der ICD-10-GM in der vom DIMDI für das Jahr 2016 herausgegebenen Version. Die Kodier-Richtlinien sind nach der ständigen Rechtsprechung des BSG streng nach dem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Auslegungsregeln zu handhaben (BSG, Urt. v. 18.09.2008, B 3 KR 1507 R, juris).
Die Kammer ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens gemäß § 128 Abs.1 S.1 SGG unter Berücksichtigung der dargelegten gesetzlichen Grundlagen und Grundsätze nicht davon überzeugt, dass die Klägerin den Abrechnungsfall mit der Hauptdiagnose ICD-10-GM C16.1 kodieren konnte. Denn zu ihrer Überzeugung steht nicht fest, dass eine bösartige Neubildung im Fudus ventriculi den stationären Aufenthalt der Versicherten G. veranlasst hat.
Nach DKR D002f wird die Hauptdiagnose definiert als die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Versicherten verantwortlich ist. Der Begriff „nach Analyse" bezeichnet die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war. Die dabei evaluierten Befunde können Informationen enthalten, die aus der medizinischen und pflegerischen Anamnese, einer psychiatrischen Untersuchung, Konsultationen von Spezialisten, einer körperlichen Untersuchung, diagnostischen Tests oder Prozeduren, chirurgischen Eingriffen und pathologischen oder radiologischen Untersuchungen gewonnen wurden. Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingehen, sind für die Kodierung heranzuziehen. Aus der DKR D0201n ergibt sich, dass das primäre Malignom als Hauptdiagnose-Kode zuzuweisen ist, wenn die Aufnahme zur Diagnostik, beziehungsweise Behandlung des primären Malignoms erfolgt. Ferner regelt die DKR D0206a, dass nur die Primärlokalisation zu kodieren ist, sofern sich die Ausbreitung eines Tumors von einer bekannten Primärlokalisa-
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tion auf ein Nachbarorgan oder -gebiet fortsetzt.
Es steht vorliegend zur Überzeugung der Kammer nicht fest, dass die Primärlokalisation des Tumors der Fundus ventriculi war.
Denn es steht allein fest, dass es sich um ein Sarkom im Weichteilgewebe, beziehungsweise Bindegewebe mit unklarer Primärlokalisation handelt. Insoweit folgt die Kammer den in dieser Hinsicht plausiblen Ausführungen des Sachverständigen, von denen sie sich auch nach eigener Durchsicht der Behandlungsdokumentation überzeugen konnte. Dieser legt überzeugend dar, dass es sich pathologisch gerade nicht entscheiden lässt, ob der Tumor im Magen(-bindegewebe) oder im Zwerchfell entstanden ist. In keinem der Pathologieberichte findet sich ein Hinweis zur Primärlokalisation des Tumors.
Es kann vorliegend — entgegen der Auffassung der Klägerin — weder in rechtlicher noch in medizinischer Hinsicht ein Rückschluss von der Haupttumormasse auf die Primärlokalisation gezogen werden. Zwar bestätigen sowohl die Ausführungen des Sachverständen als auch insbesondere der Pathologiebericht vom 23.05.2017 unzweifelhaft, dass sich die Haupttumormasse des Sarkoms im Magen befand. Allerdings folgt aus einer weitergehenden Auslegung des Wortlauts der DKR D0206a, dass die Primärlokalisation gerade nicht den Ort der Haupttumormasse, sondern den Ursprungs-, beziehungsweise Entstehungsort des Tumors bezeichnet. Die Kammer konnte sich entsprechend der klägeri-schen Ausführungen zwar davon überzeugen, dass es nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, dass ein Sarkom im Magen entstehen kann. Allerdings kann nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, der in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Haupttumormasse im Magen hinweist und diese somit in seine Begutachtung eingeschlossen hat, auch in medizinischer Sicht anhand des klinischen Bildes kein unmittelbarer Rückschluss von der Haupttumormasse auf die Primärlokalisation gezogen werden. Vielmehr bestätigt sich für die Kammer das Bild einer äußerst seltenen Ausprägung eines aggressiven Tumors, bei welchem sich die Natur erst durch extrem aufwändige immunhis-tochemische Zusatzuntersuchung ermitteln ließ, die Primärlokalisation allerdings unklar blieb.
Die Kammer stellt klar, dass sie sich bei diesen Ausführungen gerade nicht auf das Argument der Beklagten stützt, dass sich aus dem Pathologiebericht mit Eingangsdatum
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vom 21.09.2016 und Ausgangsdatum vom 23.05.2017 ergebe, dass sich die Primärlokalisation des Tumors im Zwerchfell befinde. Diese Tatsache lässt sich daraus nämlich ebenso wenig feststellen, da dort — wie erwähnt - keinerlei Klarstellungen zur Primärlokalisation getroffen worden sind. Insoweit geht aus dem oben genannten Bericht lediglich hervor — wie auch von der Klägerin nachvollziehbar vorgetragen -, dass, nur um das Ausmaß nach der Erkrankung nach der TNM-Klassifikation erfassen zu können, hilfsweise angenommen wurde, dass sich die Primärlokalisation im Zwerchfell befindet. Denn grundsätzlich können zwar Magenkarzinome, nicht aber Magensarkome von der Klassifikation erfasst werden können. Es sollte aber aufgrund des extrem ausgedehnten Tumors gerade nicht auf eine TNM-Klassifikation verzichtet werden.
An Vorstehendem kann auch der klägerische Hinweis auf den Pathologiebericht vom 21.09.2016, Ausgangsdatum 22.09.2016 nichts ändern, aus dem klinisch ein „Magencar-cinom" als Hauptdiagnose hervorgeht. Zum einen muss dieser Pathologiebericht im Zusammenhang mit der ergänzenden Stellungnahme vom 23.05.2017 gesehen werden. Es stellte sich überhaupt erst durch eine aufwändige Zusatzuntersuchung heraus, dass es sich nach scheinbar herausfordernder Diagnostik um ein Sarkom und nicht um ein Karzinom handelte. Die Befundung war zum Zeitpunkt des ersten Berichts also eindeutig noch nicht abgeschlossen. Zum anderen wird dennoch in beiden Berichten — das sei an dieser Stelle nochmals betont - keine eindeutige Aussage zur Primärlokalisation des Tumors getroffen.
Die objektive Beweislast für die Nichtnachweislichkeit des Kodes ICD-10-GM C16.1 und damit für eine höhere Vergütung ist vorliegend von der Klägerin zu tragen. Zwar ist nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen, nach denen jeder im Rahmen des anzuwendenden Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch, beziehungsweise geltend gemachte Einwendung begründen, grundsätzlich davon auszugehen, dass die Klägerin die objektive Beweislast für ihren Vergütungsanspruch und die Beklagte für das Vorliegen der Voraussetzungen für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch tragen (vgl. BSG, Urt. v. 20.11.2008, B 3 KN 4/08 KR R, juris). Es bleibt aber bei der objektiven Beweislast der Klägerin für die Erfüllung der Voraussetzungen ihres Vergütungsanspruchs trotz Zahlung der Beklagten, weil die Zahlung vorliegend unter einem die Beweislast wahrenden Vorbehalt erfolgte (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.20019, B 1 KR 24/08 R, juris). Da die Krankenkassen in § 15 Abs.1 S.1 Landesver-
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trag NRW vertraglich zur Zahlung in kurzer Zeit nach Rechnupgseingang verpflichtet sind, genügt es zur Vermeidung eines Beweislastwechsels im Erstattungsstreit, dass die Zahlung der Krankenkasse lediglich unter dem Vorbehalt medizinischer Überprüfung erfolgt. Diesen Anforderungen hat die Beklagte mit der Mitteilung über das von ihr eingeleitete Prüfverfahren der klägerischen Abrechnung Genüge getan.
Der Rechtsstreit war auch entscheidungsreif. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht erforderlich. Dem mit Schriftsatz vom 23.12.2021 gestellten „Beweisantrag" der
Klägerin, ein neues Sachverständigengutachten einzuholen, war nicht zu folgen. Insbesondere durfte es dazu keines gesonderten Beschlusses vor der Entscheidung durch Urteil (vgl. nur BSG, Beschl. v. 09.05.2011, B 13 R 112/11 B, juris). Dabei konnte es die Kammer dahinstehen lassen, ob es sich bei dem von der Klägerin gestellten Antrag tatsächlich um einen förmlichen Beweisantrag handelt. Dazu muss der Beweisantrag in pro-zessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich auf ein zulässiges Beweismittel beziehen und das Beweisthema möglichst konkret angeben. Gemäß § 118 Abs.1 SGG i.V.m. § 403 Zivilprozessordnung wird der Sachverständigenbeweis durch die Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte angetreten. Notwendig ist es dabei, dass der Beteiligte umreist, was die Beweisaufnahme ergeben soll (vgl. BSG, Beschl. v. 18.12.1997, 5 BH (J) 14/97, juris). Der Vortrag der Klägerin dürfte diesbezüglich zumindest dergestalt konkretisie-rungsbedürftig sein, dass sie im Hinblick auf die von ihr angeführte Fehlerhaftigkeit des bereits vorliegenden Sachverständigengutachtens nicht auf wissenschaftlicher Grundlage ausgeführt hat, an welchen offensichtlichen qualitativen Mängeln das Gutachten leide. Nur bei Vorliegen derartiger Mängel wäre das Gericht in der Pflicht, den Sachverständigen um ergänzenden Vortrag zu bitten oder ein neues Gutachten einzuholen.
Das war allerdings — wie erwähnt - nicht abschließend zu beurteilen, denn selbst unterstellt, ein förmlicher Beweisantrag der Klägerin würde vorliegen, bestand nach Auffassung der Kammer nach § 103 SGG keine Veranlassung für weitere Ermittlungen. Denn das Gericht war nicht objektiv dazu gehalten, den Sachverhalt zu. dem von der Klägerin vorgetragenen Punkt weiter aufzuklären. Zwar wird der Klägerin darin zugestimmt, dass die Ausführungen des Sachverständigen in rechtlicher Hinsicht nicht haltbar waren (dazu sogleich), Anlass an dessen medizinischen Ausführungen zu zweifeln, hatte die Kammer hingegen nicht. So stand für die Kammer nach der Beweiserhebung bereits fest, dass die Primärlokalisation des Sarkoms unklar ist, sodass es auf weitere Ermittlungen zu dieser
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Tatsache nicht mehr ankam (vgl. dazu BSG, Urt. v. 07.08.2014, B 13 R 420/13 B, Urt. v. 07.04.2011, B 9 SB 47/10 B, Urt. v. 06.02.2007, 8 KN 16/05 R, jeweils juris).
Wie bereits erwähnt, steht es für die Kammer auch nicht fest, dass die Primärlokalisation des Tumors eindeutig im Zwerchfell zu finden ist. Darauf kommt es aber auch nicht an. Für die Kodierung anderer vergütungsrelevanter Haupt- oder Nebendiagnosen liegen keine Anhaltspunkte vor. Vorliegend würden sowohl die Hauptdiagnose ICD-10-GM C49.3 als auch die vom Sachverständigen vorgeschlagene Hauptdiagnose ICD-10-GM C49.9 unstreitig in der durch die Beklagte vergüteten DRG 127A münden. Genauso sind die vom Sachverständigen vorgeschlagenen Nebendiagnosen ICD-10-GM T81.8 und E87.6 teilweise bereits ohnehin von der Klägerin kodiert, beziehungsweise nicht erlösrelevant. Es ist deshalb auch vorliegend nicht entscheidend, ob die Klägerin mit der Kodierung weiterer Haupt- und Nebendiagnosen im Hinblick auf § 7 Abs.5 PrüfvV 2014 gegebenenfalls präkludiert ist, da sich der Prüfauftrag des MDK sowohl auf die Haupt- als auch auf die Nebendiagnosen erstreckt hat. Dann nämlich dürfte eine (gedachte) Nachkodierung im Gerichtsverfahren nicht mehr geeignet sein, einen gleich hohen Vergütungsanspruch zu begründen, da eine entsprechende Rechnungsänderung unzulässig wäre (vgl. BSG, Urt. v. 18.05.2021, B 1 KR 34/20 R, B 1 KR 37/20 R, jeweils juris).
An diesem Ergebnis können auch die rechtlich unzutreffenden Ausführungen des Sachverständigen nichts ändern, welcher sowohl in seinem Ausgangsgutachten vom 24.12.2018 als auch in beiden Ergänzungsgutachten vom 15.11.2019 und vom 26.04.2021 die Angemessenheit der von der Klägerin abgerechneten DRG G33Z bestätigt. Diesbezüglich vermag die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen nicht zu folgen, da diese dem grundsätzlichen Abrechnungssystem zwischen Krankenhaus und Krankenkasse zuwiderlaufen. Der Sachverständige verkennt bei seinen Ausführungen, dass sich im Rahmen der oben beschriebenen „Groupierung" erst aus den ermittelten Haupt- und Nebendiagnosen sowie den durchgeführten Prozeduren die anzusetzende DRG in starrer Anwendung ergibt. Daher kann konsequenterweise nicht mit der „Angemessenheit" einer DRG, beziehungsweise der daraus folgenden typischerweise anzusetzenden durchschnittlichen Verweildauer argumentiert werden. Es obliegt insoweit den Vertragsparteien, die Angemessenheit der DRGs zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Ohnehin obliegt die Beurteilung von rechtlichen Fragen allein der Verantwortung des erkennenden Gerichts, da diese keinem Beweis zugänglich sind (vgl. nur LSG
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Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 18.03.2021, L 7 KO 7/18, juris).
Der Klägerin steht schließlich auch der geltend gemachte Zinsanspruch nicht zu, da die Hauptforderung nicht besteht.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach den §§ 197a Abs. 1 S.1 SGG, 155 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Davon sind auch die Kosten der Teilklagerück-nahme hinsichtlich des Zinsbeginns nach den §§ 197a Abs.1 S.1SGG, 155 Abs.2 VwGO erfasst.