Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts NordrheinWestfalen vom 14. Januar 2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
G r ü n d e :
I
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Der Kläger begehrt die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) nach § 231 Abs 4b SGB VI für seine Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 22.5.2012 bis zum 16.3.2016.
2
Der Kläger ist seit 22.5.2012 Pflichtmitglied der örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer (RAK) sowie des zu 2. beigeladenen Versorgungswerks und seit Oktober 2007 als Referatsleiter Personal beim Beigeladenen zu 1. tätig. Die Beklagte lehnte insoweit den im Juni 2012 gestellten Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV ab. Es handele sich nicht um eine berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit (Bescheid vom 19.10.2012; Widerspruchsbescheid vom 17.4.2013). Die hiergegen erhobene Klage ist vor dem SG Köln anhängig (S 25 R 621/19 WA). Im Klageverfahren wies der Kläger auf die geplante Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte und deren voraussichtliche Rückwirkung hin (Schriftsatz vom 19.1.2015). Er teilte ferner gegenüber dem SG mit, dass ein Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gestellt worden sei (Schreiben vom 2.5.2016, eingegangen am 3.5.2016). Das vom SG weitergeleitete Schreiben ging am 6.5.2016 bei der Beklagten ein. Mit Schriftsatz vom 17.1.2017 beantragte der Kläger, über den "vorsorglich gestellten Rückwirkungsantrag" zu entscheiden.
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Die RAK ließ den Kläger für die Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 1. als Syndikusrechtsanwalt zu (Antrag vom 17.3.2016; Bescheid vom 13.12.2016). Die Beklagte befreite ihn insoweit ab dem 17.3.2016 von der Versicherungspflicht in der GRV (Bescheid vom 20.7.2017). Eine rückwirkende Befreiung lehnte sie ab. Der Antrag vom 6.5.2016 sei nicht innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist bis 1.4.2016 gestellt worden (Bescheid vom 22.11.2017; Widerspruchsbescheid vom 13.11.2018).
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Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Der Bescheid vom 22.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.11.2018 sei nicht Gegenstand des früheren Verfahrens (S 25 R 621/19 WA) geworden. Es lägen insoweit verschiedene Regelungsgegenstände vor. Die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV sei zu Recht abgelehnt worden. Ein dafür erforderlicher Antrag sei nicht rechtzeitig bis zum 1.4.2016 gestellt worden (Urteil des SG vom 24.7.2019; Urteil des LSG vom 14.1.2022).
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Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 6, 231 Abs 4b SGB VI, § 96 SGG sowie der Art 12 und 14 GG. Ein separater Antrag auf rückwirkende Befreiung sei nicht erforderlich, wenn der Beklagten das Befreiungsbegehren bereits bekannt sei. Jedenfalls erfordere die rückwirkende Befreiung dann keinen erneuten Antrag, wenn bei der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ein offenes Befreiungsverfahren nach § 6 Abs 1 Satz 1 SGB VI für dieselbe noch nach alter Rechtslage zu beurteilende Tätigkeit bei Gericht anhängig sei. § 231 Abs 4b SGB VI sei teleologisch zu reduzieren, um eine geschlossene Versicherungsbiographie zu ermöglichen.
6
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts NordrheinWestfalen vom 14. Januar 2022 und des Sozialgerichts Köln vom 24. Juli 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. für die Zeit vom 22. Mai 2012 bis zum 16. März 2016 rückwirkend von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
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Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
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Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
II
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Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist zulässig (dazu 1.), hat aber in der Sache keinen Erfolg (dazu 2.). Der Kläger hat keinen Anspruch auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV.
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1. Die Anfechtungs und Verpflichtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.11.2018 ist zulässig (vgl § 54 Abs 1 Satz 1 iVm § 56 SGG; BSG Urteil vom 23.9.2020 B 5 RE 3/19 R BSGE 131, 32 = SozR 42600 § 231 Nr 8, RdNr 10).
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Die Klage ist insbesondere nicht wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (vgl § 17 Abs 1 Satz 2 GVG idF des Vierten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 17.12.1990, BGBl I 2809). Der hier angefochtene Verwaltungsakt ist nicht nach § 96 Abs 1 SGG (idF des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444) Gegenstand des vor dem SG anhängigen Klageverfahrens (S 25 R 621/19 WA) über die 2012 beantragte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht geworden. Er hat den Verwaltungsakt vom 19.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2013 weder abgeändert noch ersetzt im Sinne dieser Vorschrift, da die Regelungsgegenstände beider Verwaltungsakte nicht (teil)identisch sind. Das Verfahren der rückwirkenden Befreiung für eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt (§ 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes zur Organisationsreform in der GRV vom 9.12.2004, BGBl I 3242, iVm § 231 Abs 4b SGB VI iVm § 46 Abs 2, § 46a Bundesrechtsanwaltsordnung <BRAO> idF des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015, BGBl I 2517) ist vom Verfahren auf Befreiung von der Versicherungspflicht als Rechtsanwalt (§ 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) zu trennen (vgl BSG Urteil vom 28.6.2018 B 5 RE 2/17 R SozR 42600 § 6 Nr 17 RdNr 16; BSG Beschluss vom 22.3.2018 B 5 RE 12/17 B juris RdNr 21 ff).
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2. Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.11.2018 ist im angefochtenen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat den für die rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs 4b SGB VI erforderlichen Antrag (dazu a) nicht fristgerecht gestellt (dazu b). Er kann auch nicht so gestellt werden, als wäre ein solcher Antrag fristgerecht eingegangen (dazu c). In Grundrechten ist er deshalb nicht verletzt (dazu d).
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a) Die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV nach § 231 Abs 4b SGB VI setzt als Tatbestandsvoraussetzung einen gesonderten Antrag voraus (vgl BSG Urteil vom 26.2.2020 B 5 RE 2/19 R SozR 42600 § 231 Nr 7 RdNr 17; BSG Urteil vom 23.9.2020 B 5 RE 3/19 R BSGE 131, 32 = SozR 42600 § 231 Nr 8, RdNr 13; BTDrucks 18/5201 S 46 zu Art 5 Nr 2). Dies gilt auch dann, wenn ein Verfahren auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI zum Zeitpunkt der Rechtsänderung der BRAO zum 1.1.2016 oder der danach erteilten Zulassung als Syndikusrechtsanwalt noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war (vgl BTDrucks 19/13808 S 6 zu Frage 5).
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Der Wortlaut des § 231 Abs 4b Satz 1 und 6 SGB VI setzt ausdrücklich einen Antrag voraus. Nach § 231 Abs 4b Satz 1 SGB VI wirkt eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt "auf Antrag" vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Dieses Antragserfordernis greift § 231 Abs 4b Satz 6 SGB VI auf und verbindet es mit einer gesonderten Frist. Danach konnte der "Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2" nur bis zum Ablauf des 1.4.2016 gestellt werden. Eine Ausnahme von diesem Antragserfordernis im Falle eines zuvor beantragten laufenden Befreiungsverfahrens nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI ist dem Wortlaut des § 231 Abs 4b SGB VI nicht zu entnehmen.
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Auch die Gesetzessystematik spricht für das Erfordernis eines separaten Antrags. Die im Fünften Kapitel - Sonderregelungen - des SGB VI enthaltene Vorschrift des § 231 Abs 4b Satz 1 SGB VI knüpft an eine aktuelle Befreiung als Syndikusrechtsanwalt gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI nach der ab 1.1.2016 geltenden Rechtslage an. Diese ist nach der allgemeinen Regelung des § 6 Abs 2 SGB VI (idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754) zu beantragen. Davon getrennt stellt § 231 Abs 4b Satz 6 SGB VI das Antragserfordernis für die nur übergangsweise ermöglichte rückwirkende Befreiung auf. Dass bei dessen Einführung auch (noch) offene Altverfahren im Blick waren, ergibt sich bereits aus § 231 Abs 4b Satz 5 SGB VI. Danach gelten die vorangegangenen Sätze nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt aufgrund einer vor dem 4.4.2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. Für eine separate Antragspflicht sprechen auch die unterschiedlichen Rechtsfolgen: § 231 Abs 4b SGB VI ermöglicht unter eigenständigen Voraussetzungen , "eine über § 6 Absatz 4 SGB VI hinausgehende Rückwirkung der Befreiung herbeizuführen."(BTDrucks 18/5201 S 46 zu Art 5 Nr 2).
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Auch die Gesetzeshistorie spricht für die Notwendigkeit eines eigenen Antrags auf rückwirkende Befreiung. Nach den Gesetzesmaterialien eröffnet § 231 Abs 4b SGB VI "für bestimmte Syndikusrechtsanwälte bzw. Syndikuspatentanwälte die Möglichkeit, auf zusätzlichen Antrag (neben dem Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) eine über § 6 Absatz 4 SGB VI hinausgehende Rückwirkung der Befreiung herbeizuführen" (vgl BTDrucks 18/5201 S 46 zu Art 5 Nr 2). Erst recht ist daher ein separater Antrag erforderlich für eine Beschäftigung, die vor Einführung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt zum 1.1.2016 (vgl §§ 46 bis 46c BRAO idF des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015, BGBl I 2517) gar nicht befreiungsfähig war.
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Sinn und Zweck der zeitlich befristeten und separaten Antragsmöglichkeit nach § 231 Abs 4b SGB VI stehen dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Die Abhängigkeit der Befreiung (§ 6 Abs 2 SGB VI) wie auch deren Rückwirkung (§ 231 Abs 4b SGB VI) von einem Antrag ermöglicht und überlässt es dem Betroffenen, die mit der (doppelten) Versicherungspflicht für ihn jeweils aktuell verbundenen Vor und Nachteile selbst abzuwägen. Die Befristung des Antrags dient dabei dem grundsätzlichen Erfordernis einer möglichst zeitnahen Klärung versicherungs, leistungs und beitragsrechtlich relevanter Fragen. Diese Notwendigkeit besteht hier in besonderem Maße, weil es um eine dem Beitragsrecht grundsätzlich fremde Rückwirkung über einen längeren Zeitraum geht. Den Betroffenen ist es zumutbar, eine eigene aktuelle Entscheidung darüber zu treffen, ob sie das "Angebot" einer rückwirkenden Befreiung annehmen wollen. Erst ein gesonderter Antrag lässt den Betroffenen auch die Möglichkeit offen, sich vor dem Hintergrund der neu eingetretenen Gesetzeslage bewusst für oder auch gegen die rückwirkende Befreiung zu entscheiden, weil zB inzwischen Wartezeiten in der GRV erfüllt sind. Eine Prüfung der Beklagten von Amts wegen, ob die Entscheidung der Betroffenen vermeintlich eindeutig zugunsten einer auch rückwirkenden Befreiung ausfallen müsste, ist nicht vorgesehen. Auch § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI räumt den Betroffenen nur ein Befreiungsrecht ein, um eine doppelte Beitragspflicht zur GRV und zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu verhindern sowie eine "geschlossene Versicherungsbiographie" (vgl BTDrucks 13/2590 S 18 unter A. I.) aufzubauen. Daran knüpft die vorübergehend geschaffene Möglichkeit der rückwirkenden Befreiung nach § 231 Abs 4b SGB VI an (vgl BSG Urteil vom 23.9.2020 B 5 RE 3/19 R BSGE 131, 32 = SozR 42600 § 231 Nr 8, RdNr 29). Mit ihr hat der Gesetzgeber auf die Urteile des BSG vom 3.4.2014 (B 5 RE 13/14 R BSGE 115, 267 = SozR 42600 § 6 Nr 12, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R, jeweils juris) reagiert und "wie bisher" unter bestimmten Voraussetzungen auch rückwirkend eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zugunsten der Versorgungswerke ermöglichen (vgl BTDrucks 18/5201 S 2 unter B., S 22 unter A. II. 8., S 46 zu Art 5 Nr 2; BVerfG Beschluss vom 19.7.2016 1 BvR 2584/14 juris RdNr 21), aber nicht kraft Gesetzes erteilen wollen.
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Eine teleologische Reduktion des Antragserfordernisses nach § 231 Abs 4b SGB VI ist nicht geboten. Hierfür ist nur dann Raum, wenn die auszulegende Vorschrift auf einen Teil der vom Wortlaut erfassten Fälle nicht angewandt werden soll, weil der Sinn und Zweck der Norm, ihre Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (vgl BVerfG Beschluss vom 31.10.2016 1 BvR 871/13 ua - juris RdNr 22; BSG Urteil vom 10.10.2017 B 12 KR 1/16 R BSGE 124, 188 = SozR 42500 § 240 Nr 33, RdNr 16). Die Grenzen der Auslegung sind weiter, soweit die vom Gericht im Wege der Rechtsfortbildung gewählte Lösung dazu dient, den verfassungsmäßigen Rechten des Einzelnen zum Durchbruch zu verhelfen (vgl BVerfG Beschluss vom 31.10.2016 aaO RdNr 20 mwN; BSG Urteil vom 6.9.2017 B 13 R 33/16 R SozR 42600 § 96a Nr 17 RdNr 38). Die Antragspflicht ist jedoch ein gesetzliches Erfordernis, das in verhältnismäßiger Weise der zeitnahen Abgrenzung und der eindeutigen Klärung des versicherungsrechtlichen Status dient.
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b) Den hiernach erforderlichen Antrag hat der Kläger nicht fristgerecht bis zum 1.4.2016 gestellt. Unter Zugrundelegung der maßgeblichen Grundsätze (dazu aa) sind weder der Antrag gegenüber der Beklagten vom Juni 2012 (dazu bb) noch der Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt (dazu cc) oder die an das SG gerichteten Schriftsätze (dazu dd) dafür ausreichend.
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aa) Ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht ist eine einseitige empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die sofern das Sozialrecht keine speziellen Regelungen trifft die Vorschriften des BGB entsprechende Anwendung finden (zum Antrag auf eine Sozialleistung vgl BSG Urteil vom 11.7.2019 B 14 AS 51/18 R SozR 44200 § 37 Nr 9 RdNr 22 ff). Der Antrag nach § 231 Abs 4b SGB VI bedarf keiner besonderen Form. Er ist beim zuständigen "Leistungsträger" hier der Beklagten (Annexkompetenz aus § 6 Abs 3 Satz 2 SGB VI idF des Gesetzes zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom 5.12.2012, BGBl I 2474, iVm § 231 Abs 4b SGB VI) zu stellen (analog § 16 Abs 1 Satz 1 SGB I). Der Antrag ist erst mit Eingang beim zuständigen Leistungsträger gestellt, sofern nicht ausnahmsweise die Regelung in § 16 Abs 2 Satz 2 SGB I zur Anwendung kommt (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2022 B 12 R 27/21 B juris RdNr 18). Die Erklärung muss in erkennbarer Weise zum Ausdruck bringen, dass von einem Antragsrecht Gebrauch gemacht wird. Maßgebend für die Auslegung eines Antrags ist unter Berücksichtigung aller Umstände der erkennbare wirkliche Wille des Antragstellers (§ 133 BGB idF der Bekanntmachung vom 2.1.2002, BGBl I 42, in entsprechender Anwendung, vgl BSG Urteil vom 2.4.2014 B 4 AS 29/13 R BSGE 115, 225 = SozR 44200 § 37 Nr 6, RdNr 16).
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bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist es nicht zu beanstanden, dass das LSG dem im Juni 2012 gestellten Antrag lediglich Wirkung für die Befreiung nach alter Rechtslage und nicht für die streitgegenständliche rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs 4b SGB VI beigemessen hat. Ein (Gestaltungs)Antrag auf Befreiung kann grundsätzlich erst dann wirksam gestellt werden, wenn die betreffende gesetzliche Regelung und die danach maßgeblichen tatsächlichen Umstände überblickt werden können (vgl BSG Urteil vom 24.11.2005 B 12 RA 9/03 R SozR 42600 § 6 Nr 5 RdNr 17). Dies war zum damaligen Zeitpunkt nicht der Fall, da die Vorschrift mit Wirkung zum 1.1.2016 in Kraft getreten ist (Art 9 Abs 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015, BGBl I 2517, 2524).
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cc) Der bei der RAK gestellte Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt (vgl § 46a BRAO) enthält nicht zugleich einen Antrag auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV iS von § 231 Abs 4b SGB VI. Dem steht bereits entgegen, dass bei verschiedenen Trägern gesonderte Anträge zu stellen sind (vgl § 46a Abs 1 BRAO, § 6 Abs 2 SGB VI und § 231 Abs 4b SGB VI).
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dd) Auch der Schriftsatz an das SG vom 19.1.2015 kann nicht als Antrag iS von § 231 Abs 4b SGB VI ausgelegt werden. Der Kläger hat darin lediglich auf die geplante Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte und eine voraussichtliche Rückwirkung hingewiesen; die genaue Ausgestaltung war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bekannt. Ebenso wenig stellt die Mitteilung vom 2.5.2016 über die beantragte Zulassung als Syndikusrechtsanwalt einen Antrag auf rückwirkende Befreiung dar. Abgesehen davon ist diese auch erst nach Fristablauf sowohl beim SG als auch bei der Beklagten eingegangen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob ein rechtzeitiger Eingang beim SG ausreichend gewesen wäre (vgl dazu BSG Urteil vom 12.12.2024 B 12 R 8/22 R zur Veröffentlichung vorgesehen).
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c) Der Kläger kann schließlich nicht auf andere Weise so gestellt werden, als sei in dem an das SG gerichteten und an die Beklagte weitergeleiteten Schreiben vom 2.5.2016 oder in dem Schreiben vom 17.1.2017 ein fristgerecht gestellter Antrag zu erblicken.
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aa) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB X für den Fall, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, kommt hier nicht in Betracht. Dabei kann dahinstehen, ob auf die Frist des § 231 Abs 4b Satz 6 SGB VI das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung überhaupt zur Anwendung kommt. Jedenfalls ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass der Kläger unverschuldet verhindert gewesen wäre, die Antragsfrist einzuhalten.
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bb) Die Regelung des § 28 SGB X (idF der Bekanntmachung vom 18.1.2001, BGBl I 130) über die Nachholung eines Antrags erfasst Anträge auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV nicht. Nach dieser Vorschrift wirkt, wenn ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrags auf eine Sozialleistung abgesehen hat, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und diese Leistung versagt wird oder sie zu erstatten ist, der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist (Satz 1, jetzt Abs 1 Satz 1). Dies gilt auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzung unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre (Satz 2, jetzt Abs 2).
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Der Wortlaut des § 28 SGB X zielt auf "Sozialleistungen", nicht auf (Gestaltungs)Anträge zur Befreiung von der Versicherungspflicht. Die Regelung soll rechtsunkundigen Sozialleistungsberechtigten Nachteile ausgleichen, die aufgrund der zum Teil komplizierten Vorschriften des Sozialrechts entstehen können, wenn sie in der Erwartung eines positiven Leistungsbescheids einen Antrag auf eine andere Sozialleistung nicht stellen (vgl BTDrucks 8/4022 S 81 f zu § 26a; Vogelgesang in Hauck/Noftz SGB X, § 28 RdNr 1, Stand Juni 2012). Der Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV verfolgt jedoch nicht die Inanspruchnahme von Sozialleistungen, sondern das gegenläufige Ziel des Verzichts auf Sozialleistungen durch Ausscheiden aus dem Kreis der gesetzlich rentenversicherten Personen. Zwar hat der Gesetzgeber mit § 28 SGB X gleichzeitig prozessökonomische Gesichtspunkte im Blick gehabt, indem die Verwaltung vor einer Vielzahl nur vorsorglich gestellter Anträge bewahrt werden soll (vgl BTDrucks 8/2034 S 48 zu Art 1 §§ 25, 26). Allein dies rechtfertigt die Heranziehung des § 28 SGB X gegen seinen Wortlaut und unter Außerachtlassung des weiteren beschriebenen Zwecks jedoch nicht.
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Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Anträge zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV scheitert bereits am Erfordernis der vergleichbaren Interessenlage. Der Gesetzgeber hat sich im Bewusstsein der Problematik ausdrücklich dafür entschieden, Sozialleistungsberechtigte nur im Fall unterlassener Leistungsanträge zu schützen (vgl BTDrucks 8/2034 S 48 zu Art 1 §§ 25, 26; BTDrucks 8/4022 S 81 f zu § 26a).
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cc) Der Kläger kann auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als sei der Antrag bei der Beklagten fristgerecht eingegangen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustands gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt demnach eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die (als wesentliche Bedingung) kausal zu einem sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten geführt hat. Außerdem ist erforderlich, dass durch die Vornahme einer zulässigen Amtshandlung der Zustand hergestellt werden kann, der bestehen würde, wenn die Behörde ihre Verpflichtungen gegenüber dem Berechtigten nicht verletzt hätte (stRspr; vgl BSG Urteil vom 16.3.2016 B 9 V 6/15 R SozR 43100 § 60 Nr 7 RdNr 29 mwN).
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Eine hierfür erforderliche kausale Pflichtverletzung durch die Beklagte liegt nicht vor. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) kannte der anwaltlich vertretene Kläger die Vorschrift des § 231 Abs 4b SGB VI. Seine Schriftsätze zeigen, dass er sich der Problematik der Antragstellung bewusst war. Ein Beratungsanlass bestand für die Beklagte nicht. Dass der anwaltlich vertretene Kläger die Vorschrift abweichend rechtlich gewürdigt und einen Antrag nicht für erforderlich gehalten hat, rechtfertigt kein abweichendes Ergebnis. Auch eine Beratungspflicht der RAK bestand nicht. Unabhängig davon wäre eine Pflichtverletzung durch die RAK der Beklagten nicht zuzurechnen (vgl zu den Voraussetzungen BSG Urteil vom 17.2.2009 B 2 U 34/07 R juris RdNr 29 mwN). Die RAK bildet mit der Beklagten weder eine Funktionseinheit noch wirken sie arbeitsteilig zusammen. Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist zwar für die Befreiung von der Versicherungspflicht Voraussetzung. Nach § 46a Abs 2 Satz 4 BRAO besteht auch eine Bindungswirkung der Beklagten in Verfahren nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI bei bestandskräftiger Entscheidung der Kammer. Ein arbeitsteiliges Zusammenwirken begründet dies jedoch nicht.
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d) Verfassungsrecht steht dem Ergebnis nicht entgegen. Die Anknüpfung an eine Stichtagsregelung ist zulässig (zur Information in Fachzeitschriften vgl Ruland in Ruland/Lueg/Försterling, GKSGB VI, § 231 RdNr 41, Stand April 2024). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor. Dieser verwehrt es dem Gesetzgeber nicht, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, auch wenn jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Einführung des Stichtags und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientieren und damit sachlich vertretbar sind (vgl BVerfG Beschluss vom 19.5.2015 2 BvR 1170/14 juris RdNr 41 mwN). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die dreimonatige Fristenregelung nach Einführung des § 231 Abs 4b SGB VI sowie die Zulassungsmöglichkeit als Syndikusrechtsanwalt nach § 46a BRAO zum 1.1.2016 entspricht der üblichen Zeitspanne für Rückwirkungsfristen, wie sie etwa auch in § 6 Abs 4 Satz 1 SGB VI enthalten ist. Sie trägt dem von der Verfassung vorgegebenen Grundsatz der formellen Publizität Rechnung (vgl Art 82 Abs 1 Satz 1 GG), der im Gegenteil das ausnahmsweise Anknüpfen an den Zeitpunkt individueller Kenntniserlangung rechtfertigungsbedürftig erscheinen ließe. Die Antragsfrist ist im Übrigen Folge der erforderlichen Abwägung der Interessen des einzelnen Betroffenen mit dem Bestands und Finanzierungsinteresse der Versichertengemeinschaft (vgl BSG Urteil vom 24.11.2005 B 12 RA 9/03 R SozR 42600 § 6 Nr 5 RdNr 22).
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Eine Verletzung von Art 14 Abs 1 GG oder Art 12 Abs 1 GG ist nicht ersichtlich. Weder ist der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt (vgl BVerfG Beschluss vom 26.6.2007 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 SozR 42600 § 2 Nr 10 RdNr 25, 27; BSG Urteil vom 28.6.2018 B 5 RE 2/17 R SozR 42600 § 6 Nr 17 RdNr 48) noch ergibt sich aus Art 14 GG oder Art 12 GG ein allgemeiner Grundsatz der Vermeidung von "Doppelversicherungen" (vgl BSG aaO RdNr 49). Soweit der Kläger ausführt, das Urteil des LSG verletze "Art. 14 GG/Art. 12 GG in der Auslegung des BVerfG in seinen Beschlüssen vom 19.7. und 22.7.2016", unterscheidet sich der dort vom BVerfG entschiedene Sachverhalt von diesem Rechtsstreit schon insoweit, als hier nicht über eine "bestandskräftig abgelehnte" Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs 4b Satz 5 SGB VI zu entscheiden ist.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.