Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.10.2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt im Wege eines Verschlimmerungsantrags einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50.
Mit Teil-Abhilfebescheid des Landratsamts A1 vom 12.09.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.09.2018 wurde der GdB bei der im Februar 1961 geborenen Klägerin mit 40 festgestellt. In der zugrunde liegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme wurden als Gesundheitsstörungen ein Bronchialasthma nebst Allergie mit einem Einzel-GdB von 20, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung mit einem weiteren Einzel-GdB von 20 sowie eine Migräne mit seelischer Störung mit einem weiteren Einzel-GdB von 20 und der Gesamt-GdB mit 40 bewertet. Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht Ulm (SG) blieb ohne Erfolg.
Am 07.05.2020 stellte die Klägerin den hier streitgegenständlichen Erhöhungsantrag wegen Verschlimmerung. Nach Beiziehung und Auswertung medizinischer Unterlagen (unter anderem ein Bericht des Lungenzentrums U1 über eine mittelgradige obstruktive Schlafapnoe vom Januar 2020 mit der Indikation zur cPAP-Therapie) gab der versorgungsärztliche Dienst im Mai 2020 folgende Stellungnahme ab:
Bronchialasthma, Allergie |
Einzel-GdB 20 |
degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung |
Einzel-GdB 20 |
Migräne, seelische Störung |
Einzel-GdB 20 |
Schlafapnoe-Syndrom |
Einzel-GdB 20 |
Er bewertete den Gesamt-GdB weiterhin mit 40.
Mit Bescheid vom 29.05.2020 lehnte das Landratsamt A1 daraufhin die beantragte Neufeststellung des GdB ab und wies den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2020 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 07.08.2020 Klage beim SG erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. K1, hat in seiner Stellungnahme vom Oktober 2020 über 2 Behandlungen im Sommer 2020 mit einer Verbesserung innerhalb kurzer Zeit berichtet. Der K2, der die Klägerin als Hausarzt behandelt, hat in seiner Stellungnahme vom November 2020 den Schwerpunkt der Leiden auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gesehen. Außerdem würde ein Leidensdruck durch sichtbare Hautveränderungen und durch den Abdruck der cPAP-Maske, welche die Klägerin nachts tragen müsse, bestehen. Der S1 hat im November 2020 über ein leichtgradiges Schlafapnoe-Syndrom berichtet, wobei hier eine Normalisierung/Besserung unter der Maskentherapie eingetreten sei. Bezüglich des leicht- bis mittelgradigen allergischen Asthmas sei seit 2018 unter Inhalationsbehandlung keine Verschlechterung eingetreten. Der P1 hat im Dezember 2020 über eine Lichen ruber-Erkrankung berichtet. Er habe einzelne Erytheme mit lichenoiden Papeln, disseminiert, festgestellt.
Der Beklagte hat zum Beweisergebnis des SG die versorgungsärztliche Stellungnahme des B1 vom Januar 2021 vorgelegt. Dieser hat bei Beibehaltung eines Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen, die Gesundheitsstörungen bei der Klägerin wie folgt zu bewerten:
Bronchialasthma, Allergie, Schlafapnoesyndrom |
Einzel-GdB 20 |
degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung |
Einzel-GdB 20 |
Migräne, seelische Störung |
Einzel-GdB 20 |
Lichen ruber |
Einzel-GdB 20 |
Refluxkrankheit der Speiseröhre, chronische Magenschleimhautentzündung, Ösophagusgleitbruch |
Einzel-GdB 10 |
Das SG hat mit Urteil vom 06.10.2021 auf die mündliche Verhandlung vom selben Tag den Bescheid vom 29.05.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2020 abgeändert und den Beklagten verurteilt, einen GdB von 50 seit 07.05.2020 festzustellen. Das SG ist dabei davon ausgegangen, dass für die Lungenfunktionsbeeinträchtigung „höchstens“ ein Einzel-GdB von 20 anzusetzen sei, der sich dessen ungeachtet durch den Einzel-GdB von 20 für das Schlafapnoe-Syndrom auf 30 erhöhe. Dieser sei „wegen der psychischen Erkrankungen und der Schlafapnoe auf insgesamt 50 zu erhöhen“.
Gegen das der Klägerin am 25.02.2022 und dem Beklagten am 24.02.2022 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22.03.2022 Berufung eingelegt und diese mit einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des G1 vom März 2022 begründet, in welcher dieser im Einzelnen begründet hat, weshalb erhebliche Zweifel bestehen würden, dass ein zusammenfassender GdB von 30 für das Funktionssystem „Atmung“ gerechtfertigt sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.10.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt wörtlich:
Zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin unter einer ausgeprägten Anosmie leidet, berufen wir uns auf das sachverständige Zeugnis des K3, E1.
Zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin eine Verschlechterung an der Wirbelsäule erlitten hat, wodurch auch Stürze ausgelöst werden, berufen wir uns auf das Zeugnis des B2, R1.
Zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin an einer nicht heilenden Wunde am linken Unterschenkel leidet, berufen wir uns auf das sachverständige Zeugnis der P2, B3.
Wir beantragen die Ladung der R2 (Gutachterin nach § 109 SGG).
Die Berufung zurückzuweisen sowie die Kosten des Gutachtens nach § 109 SGG bei R2 auf die Staatskasse zu übernehmen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat darauf hingewiesen, dass durch die Entwicklung des sehr starken Reizhustens und des allergischen Asthmas der Klägerin der Besuch von kulturellen Einrichtungen nicht mehr möglich sei. So sei die Klägerin schon in Zeiten vor Corona mehrfach durch andere Besucher und auch durch Personal der jeweiligen Einrichtungen des Hauses verwiesen worden, weil diese sich durch den starken Reizhusten der Klägerin gestört gefühlt hätten. Der vom SG zugesprochene Gesamt-GdB von 50 sei die unterste Grenze des bei der Klägerin angemessenen Gesamt-GdB. Zutreffender wäre eher ein Gesamt-GdB von 70 bis 80, da sich auch die anderen, gerichtsfest nachgewiesenen Erkrankungen wechselseitig zu großen Teilen drastisch verstärken würden. Auch sei zu berücksichtigen, dass sämtliche Therapien, insbesondere medikamentöse, bei der Klägerin zu ganz erheblichen Nebenwirkungen führen würden. Bei der Klägerin würde außerdem die bisher unheilbare Autoimmunkrankheit Lichen ruber planus vorliegen, die sich auch die meiste Zeit des Jahres auf der Haut der Klägerin, sichtbar für Dritte, darstellen würde; dies gelte insbesondere beim Tragen eines Badeanzugs oder Bikinis. Der Klägerin, die zeitlebens gerne zum Schwimmen gegangen sei, sei der Besuch von Freibäder nicht nur wegen ihres Schamgefühls nicht mehr möglich, sondern auch weil die gesamte Bevölkerung hinsichtlich der Affenpockenkrankheit sensibilisiert worden sei und so sei die Klägerin mehrfach angepöbelt und sogar des Schwimmbads verwiesen worden.
Der Prozessbevollmächtigte hat weiterhin die Unzulässigkeit der Berufungseinlegung durch den Beklagten geltend gemacht. Die Berufung vom 22.03.2022 sei von einer „M1“ signiert worden; angesichts der Ähnlichkeit dürfte es sich hierbei um die Mitarbeiterin des Beklagten mit dem Namen „M2“ handeln, deren “Versand-Account” offensichtlich auch von Dritten für die Übermittlung von bestimmten, formell wichtigen Schriftsätzen benutzt werde. Es stehe nicht zweifelsfrei fest, dass die hier angeführte „M2“ den Berufungsschriftsatz vom 22.03.2022 tatsächlich selbst verfasst und auch selbst versendet habe; mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei aufgrund des unvollständigen und sogar falsch geschriebenen Namens (ohne Akzentstrich) im Berufungsschriftsatz vom 22.03.2022 von einer Berufungseinlegung durch eine dritte Person wie z.B. einer Kollegin oder Sekretärin auszugehen. Das sei jedoch im Sinne der Signatur-Gesetze und der Ausführungen der obersten Bundesgerichte unzulässig und die Berufung wegen dieses Formfehlers unzulässig und nunmehr verfristet. Hierzu hat der Beklagte unter dem 18.04.2023 Stellung genommen und erklärt, die Berufungseinlegung vom 22.03.2022 sei von der zu verantwortenden Person signiert und über einen sicheren Übermittlungsweg – zwischen dem besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo) und dem elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) – übermittelt worden. Der Berichterstatter hat in einer Aufklärungsverfügung vom 11.05.2023 mitgeteilt, dass nach vorläufiger Einschätzung keine Zweifel an einer zulässigen Berufungseinlegung bestehen würden.
Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter vom 26.09.2022 hat die Klägerin ergänzend dargelegt, dass sie die Maskentherapie als belastend empfinde, weil die Schläuche sie beim Schlafen stören würden und morgens die Kollegen sie spöttisch fragen würden, ob ein Auto über ihr Gesicht gefahren sei. In neurologischer bzw. psychiatrischer Behandlung wegen ihrer Migräne und Depression befinde sie sich weiterhin nicht.
Der Senat hat den Reha-Entlassbericht des Reha-Zentrums S2 über den dortigen Aufenthalt der Klägerin im Frühjahr 2022 beigezogen. Dort ist ein chronisches degeneratives Zervikal- und Lumbalsyndrom mit ausreichender Beweglichkeit diagnostiziert worden. Es habe sich ein situationsgerechtes Verhalten ohne psychische Auffälligkeiten gezeigt.
Hierzu hat der H1 für den Beklagten im Dezember 2020 Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass sich aus dem Reha-Entlassbericht eine nur geringe Einschränkung der Wirbelsäule ergebe.
Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens eine Verschlechterung ihrer Rückenproblematik geltend gemacht. Der Senat hat daraufhin die benannten Orthopäden und Neurologen als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Der H2 hat in seiner Stellungnahme über eine Behandlung im Mai 2023 berichtet, bei der sich bei bekannter Bandscheibenprotrusion L5/S1 eine gute Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule mit Finger-Boden-Abstand von 0 cm und eine freie Beweglichkeit der unteren Extremitäten gezeigt habe. Der B4 hat gleichfalls über eine Vorsprache der Klägerin im Mai 2023 berichtet, wobei sich bei der Klägerin keine relevante Behinderung gefunden habe.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat die R2 das neurologisch-psychiatrische Fachgutachten vom Oktober 2023, gestützt auf eine ambulante Untersuchung der Klägerin im September 2023, erstattet. Die Sachverständige hat bei der Klägerin einen Migränekopfschmerz (Frequenz 0 bis 4 mal im Monat, nicht sicher einzuschätzen wegen Überlagerung mit analgetikainduziertem Kopfschmerz, Einzel-GdB 10), eine leichtgradige depressive Episode (Einzel-GdB 10) und ein sensibles Karpaltunnelsyndrom rechts mit nächtlichen Kribbelmissempfindungen ohne Hinweise auf motorische Beteiligung (Einzel-GdB <5) festgestellt. Aufgrund ihrer histrionischen Persönlichkeitsstruktur neige die Klägerin sowohl bei der Wahrnehmung ihrer Beschwerden als auch bei der expansiven Beschwerdeschilderung zu Übertreibungen. Dies erkläre ihre Eigenwahrnehmung, sei aber keine Störung mit psychiatrischem Krankheitswert.
In der Folgezeit hat der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 10.11.2023, 05.01.2024 und 06.03.2024 Fristverlängerung, zuletzt bis Ende Juli 2024, beantragt und diese damit begründet, es solle noch geprüft werden, ob die Klage zurückgenommen werden könne. Darüber hinaus seien „sowohl der behandelnde Hausarzt als auch einer der Fachärzte – im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. BSG, Urteil v. 26.11.2020, Az. B 14 AS 13/19 R) – der Auffassung, dass zur aktuellen und damit relevanten Beurteilung der Erkrankungen der Klägerin und damit auch des Gutachtens unbedingt aktuelle Aufnahmen (MRT) von den Wirbelsäulen-Abschnitten am Hals (HWS) und der Lende (LWS) erforderlich“ seien. Die Klägerin habe Termine für eine MRT-Untersuchung der Lendenwirbelsäule am 07.05.2024 und der Halswirbelsäule am 01.07.2024 vereinbart.
Unter Bezugnahme hierauf hat der Bevollmächtigte der Klägerin am 26.04.2024 um 15.20 Uhr, einem Freitag, beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung auf frühestens Ende Juli 2024 zu legen. Die „plötzliche“ Terminierung zur mündlichen Verhandlung mit Ladung vom 11.04.2024 sei für die Klägerin eine „Überraschungsentscheidung“. Der Antrag auf Terminsverlegung ist mit Verfügung des Senats vom 29.04.2024 abgelehnt worden.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Prozessakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist erfolgreich.
1.
Der Senat konnte auch ungeachtet des schriftlichen Verlegungsgesuchs der Klägerin vom 26.04.2024 in der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2024 über die Berufung entscheiden, weil Gründe, die eine Verlegung der mündlichen Verhandlung geboten hätten, von der Klägerin nicht vorgebracht worden und auch sonst nicht ersichtlich sind. Gem. § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann aus erheblichen Gründen ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Dabei sind nach § 227 Abs. 1 S. 2 ZPO erhebliche Gründe insbesondere nicht 1. das Ausbleiben eines Beteiligten oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, sofern nicht das Gericht dafür hält, dass der Beteiligte ohne sein Verschulden am Erscheinen verhindert ist, 2. die mangelnde Vorbereitung eines Beteiligten, wenn nicht der Beteiligte dies genügend entschuldigt sowie 3. das Einvernehmen der Beteiligten allein. Einen solchen erheblichen Grund hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie hat die Verlegung vielmehr mit den aus ihrer Sicht notwendigen weiteren Ermittlungen von Amts wegen begründet. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ist weiterhin unter Beachtung von § 110 Abs. 1 Satz 1 SGG, wonach Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung den Beteiligten in der Regel 2 Wochen vorher mitzuteilen sind, geschehen. Die Ladung ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 12.04.2024 und damit knapp 3 Wochen vor der mündlichen Verhandlung zugestellt worden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im Übrigen in der mündlichen Verhandlung den Verlegungsantrag nicht mehr aufrechterhalten.
Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, dass es sich um eine „Überraschungsladung“ gehandelt habe, womit wohl sinngemäß ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs geltend gemacht wird. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger ist bereits mit gerichtlicher Verfügung vom 19.10.2023 darauf hingewiesen worden, dass nach dem für die Klägerin ungünstigen Ausgang der Begutachtung durch die Sachverständige ihres Vertrauens keine weiteren Ermittlungen mehr beabsichtigt seien. Die Klägerin ist aufgefordert worden, die Sinnhaftigkeit der Fortführung des Berufungsverfahrens zu prüfen. Mit Schreiben vom 10.11.2023 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin um Fristverlängerung um 8 Wochen gebeten, um zu prüfen, ob die Klage zurückgenommen werden kann. Außerdem wolle die Klägerin ihre Ärzte befragen. Dieser Fristverlängerung ist mit Verfügung vom selben Tag entsprochen worden. Am 05.01.2024 hat dann der Prozessbevollmächtigte neuerlich mitgeteilt, es solle die Rücknahme der Klage geprüft werden, hierfür seien aber noch Arzttermine im Januar und Februar 2024 avisiert, welche die Klägerin abwarten wolle. Es wurde neuerlich um Fristverlängerung, nun bis 06.03.2024, ersucht. Mit Verfügung vom 08.01.2024, dem Prozessbevollmächtigte am selben Tage zugestellt, ist dieser Antrag auf Fristverlängerung dann abgelehnt worden. Es ist ferner darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit in absehbarer Zeit im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Für die Klägerin konnten nun endgültig keine Zweifel mehr bestehen, dass der Rechtsstreit seitens des Senats für entscheidungsreif erachtet wird und eine solche Entscheidung in Kürze beabsichtigt ist. Hieran vermag auch nichts zu ändern, dass der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 06.03.2024 neuerlich einen Antrag auf Fristverlängerung bis Ende Juli 2024 gestellt hat und diesen damit begründet hat, es solle weiterhin geprüft werden, ob die Klage zurückgenommen werden könne; andererseits seien Termine für eine MRT-Untersuchung am 07.05.2024 und am 01.07.2024 bestimmt, welche abgewartet werden sollten. Der Prozessbevollmächtigte ist darauf hingewiesen worden, dass für die Bestimmung des GdB Funktionseinschränkungen im Vordergrund stehen würden und am 11.04.2024 ist dann die Ladung zur mündlichen Verhandlung ergangen. Damit konnten bei der Klägerin (weiterhin) keine Zweifel mehr über die Einschätzung seitens des Senats bestehen. Der Klägerin haben für eine Stellungnahme zu dem auf ihren Antrag hin eingeholten Gutachten der R2 wie auch der Absicht des Senats, den Rechtsstreit nun zu entscheiden, nahezu 7 Monate zur Verfügung gestanden. Sie hat damit in ausreichendem Maße Gelegenheit erhalten, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör liegt mit der mündlichen Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits am 06.05.2024 damit nicht vor.
2.
Die Berufung des Beklagten ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben.
Dies gilt auch, soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus der im Berufungsverfahren verwendeten Signatur „M1“ glaubt, ableiten zu können, es habe nicht die Person dieses Namens die Berufung für den Beklagten eingelegt, weil die Mitarbeiterin in der Vergangenheit bei einer anderen Behörde des Landes den Namenszug „M2“ verwendet habe. Es bestehen zur Überzeugung des Senats keine Bedenken an einer frist- und formgerechten Berufungseinlegung durch den Beklagten. Gem. § 65a SGG muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Ein solcher sicherer Übermittlungsweg ist gemäß § 65a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGG der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts. Als sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 65a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGG gilt das besondere einheitliche Behördenpostfach, dessen sich hier der Beklagte bedient hat. Für die einfache Signatur genügt wiederum die Namensnennung, wobei der Nachname ausreicht (Stäbler in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., Stand: 05.05.2023, § 65a Rn. 29). Ausweislich des Prüfvermerks vom 22.03.2022 erfolgte die Übermittlung der Berufung auf einem sicheren Übermittlungsweg („Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Behördenpostfach“). Das Schreiben war auch mit dem Nachnamen der zuständigen Mitarbeiterin des Beklagten signiert („M1“).
Soweit die Klägerin eine wirksame Übermittlung der Berufung unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 05.06.2020 (10 AZN 53/20, juris) in Zweifel zieht, der sich das Bundessozialgericht (BSG) mittlerweile angeschlossen hat (BSG, Beschluss vom 16.02.2022, B 5 R 198/21 B, juris), wonach ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden ist, wenn die das Dokument signierende und somit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt, geht dieses Vorbringen vorliegend ins Leere. Denn die zuständige Mitarbeiterin des Beklagten, die die Berufungseinlegung signiert hat – und die regelmäßig in Berufungsverfahren des Beklagten vor dem Senat auftritt und sowohl in den dortigen Terminen wie auch in den Briefköpfen sämtlicher dem Senat bekannt gewordenen Schreiben mit dem Namenszug „M1“ firmiert – hat nach ihren Angaben im Schriftsatz vom 18.04.2023 selbst die Übermittlung auf dem sicheren Übermittlungsweg vorgenommen. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dem Senat Anlass zum Zweifel an dieser Aussage geben würden. Soweit die Mitarbeiterin des Beklagten während ihrer früheren Tätigkeit in einer anderen Abteilung des Regierungspräsidiums, wohl dem für Planfeststellung zuständigen Referat, ihren vollständig ausgeschriebenen und zusätzlich noch mit einem Akzentzeichen versehenen Namen verwendet hat („M2“), während sie nun in ihrem gegenwärtigen Tätigkeitsfeld beim Landesversorgungsamt durchgehend nur noch als Namen „M1“ verwendet, liegt dies in ihrer persönlichen Gestaltungsfreiheit und besitzt keine Relevanz für die Wirksamkeit der unter diesem Namen vorgenommenen Erklärungen.
3.
Die Berufung ist auch begründet.
Streitgegenständlich ist das Urteil des SG vom 06.10.2021, mit welchem dieses den Bescheid vom 29.05.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2020 abgeändert und den Beklagten verurteilt hat, einen GdB von 50 seit 07.05.2020 festzustellen.
a)
Es liegt zunächst kein Verstoß gegen § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG vor. Nach dieser Norm sind im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil ist nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen 5 Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27.04.1993, GmS-OGB 1/92, juris). Die Kammervorsitzende des SG hat das in der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2021 verkündete Urteil schriftlich mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehen am 24.02.2022 und damit noch nicht ganz 5 Monate nach Verkündung an die Geschäftsstelle übergeben.
b)
Die Berufung ist aber begründet, weil der Klägerin für den hier streitigen Zeitraum seit 07.05.2020 kein GdB von wenigstens 50, mithin die Schwerbehinderteneigenschaft, zusteht. Vielmehr ist der Gesamt-GdB in den angefochtenen Entscheidungen des Beklagten mit 40 jedenfalls nicht zu niedrig bewertet. Das SG ist in seinem Urteil zu Unrecht – unter anderem in doppelter Berücksichtigung des GdB für die Schlafapnoe – zu einem Gesamt-GdB von 50 gelangt. Das Urteil war daher auf die Berufung des Beklagten hin aufzuheben.
c)
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen. Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Beschluss vom 17.04.2013, B 9 SB 69/12 B, juris). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Für die Ermittlung des GdB gilt folgendes: Rechtsgrundlage für die GdB-Feststellung ist § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX liegt eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie die Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden nach § 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Gemäß § 152 Abs. 1 Satz 6 SGB IX ist eine Feststellung nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.
Nach § 153 Abs. 2 SGB IX wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 241 Abs. 5 SGB IX, dass – soweit noch keine Verordnung nach § 153 Absatz 2 erlassen ist – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab 01.01.2009 an die Stelle der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ (AHP) getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 249), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) sowie das Gesetz vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem 1. Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem 2. Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem 3. Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris). Nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.
Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB IX; danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
d)
Nach diesen Maßstäben ist der Gesamt-GdB bei der Klägerin auch für die Zeit ab 07.05.2020 nicht mit einem GdB von 50 zu bemessen.
(1.)
Der GdB für das Funktionssystem „Atmung“ (vergleiche hierzu VG, Teil A, Nr. 2 Buchst. e) beträgt 20.
aa)
Bei der Klägerin liegt zum einen ein Schlafapnoe-Syndrom vor. Ein Schlafapnoe-Syndrom ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung ist mit einem GdB von 0 bis 10, mit Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung mit einem GdB von 20 und bei nicht durchführbarer nasaler Überdruckbeatmung mit einem GdB von 50 zu bewerten. Folgeerscheinungen oder Komplikationen (z.B. Herzrhythmusstörungen, Hypertonie, Cor pulmonale) sind zusätzlich zu berücksichtigen (VG, Teil B, Nr. 8.7). Ausweislich der sachverständigen Zeugenaussage des S1 ist die Schlafapnoe der Klägerin maskenpflichtig und ist durch die im Schlaflabor eingeleitete Überdruckbeatmung (cPAP-Maskenbeatmung) eine Normalisierung der nächtlichen Atempausen und insgesamt eine Verbesserung eingetreten. Es handelt sich demgemäß bei dem Schlafapnoe-Syndrom unter Therapie um eine nur noch leichtgradige Gesundheitsstörung, die entsprechend den Vorgaben der VG mit einem GdB von 20 zu bewerten ist, so zu Recht der versorgungsärztliche Dienst in den im Klage- und Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahmen, zuletzt G1.
Soweit die Klägerin mit teils dramatischen Beschreibungen („sehe aus wie eine Schwester von Hannibal Lecter“) die Schwierigkeiten mit dem Gebrauch der Maske thematisiert, handelt es sich im Wesentlichen um Beeinträchtigungen, wie sie wohl regelhaft mit einer Maskenbeatmung einhergehen dürften und wie sie in der Einschätzung des GdB in den VG bereits berücksichtigt sind. So stört sich die Klägerin daran, dass die Plastikbänder, mit welchen die Maske am Kopf befestigt wird, am Hinterkopf schaben und ihre Frisur beeinträchtigen würden. Auch würden die Haltebänder Abdrücke hinterlassen und zusätzlich kleine Pickel an ihren Wangen hervorrufen. Das mitunter bemüht wirkende Beanstanden eher nebensächlicher Effekte ist, so R2, Ausdruck der histrionischen Persönlichkeitsstruktur, aufgrund derer die Klägerin sowohl bei der Wahrnehmung ihrer Beschwerden als auch bei der expansiven Beschwerdeschilderung zu Übertreibungen neigt. Bei der Klägerin liegen keine zusätzlich zu berücksichtigende Folgeerscheinungen oder Komplikationen vor; schon gar nicht ist die Überdruckbeatmung nicht durchführbar.
bb)
Das bei der Klägerin hinzutretende allergische Bronchialasthma führt entgegen der Auffassung des SG zu keiner Erhöhung des GdB für das Funktionssystem „Atmung“. Der T1, der mit S1 in einer Praxis praktiziert und die Klägerin zuvor behandelt hat, hat in seinen Berichten in den Jahren 2018 und 2019 über eine nicht zuordenbare Hustensymptomatik bei unauffälligem MRT und normalem Lungenfunktionsbefund berichtet und ist zum Ergebnis gelangt, dass der Husten vom Schlafapnoe-Syndrom aggraviert wird. Mit Aufnahme der Behandlung des Schlafapnoe-Syndroms mit Überdruckbehandlung finden sich folgerichtig in den nachfolgenden Berichten keine anamnestischen Angaben mehr über dauerhafte Hustensymptomatiken, worauf G1 zutreffend hingewiesen hat, und was im Widerspruch zu den wortreichen Ausführungen der Klägerin zu ihrer angeblichen Stigmatisierung in öffentlichen Räumen aufgrund der Hustensymptomatik steht. Auch im Reha-Entlassbericht aus dem Frühjahr 2022 findet sich hierzu nichts. Die R2 hat darauf hingewiesen, dass auch sie in der zweistündigen Untersuchungssituation weder asthmatische Beschwerden noch Husten beobachten konnte. Die Klägerin selbst hat der Sachverständigen gegenüber berichtet, der Reizhusten habe sich nach Meidung von Ramipril – Reizhusten ist eine bekannte Nebenwirkung des Medikaments, so die Sachverständige – komplett zurückgebildet. Damit kommt unter Berücksichtigung der Vorgaben in den VG, Teil B, Nr. 8.5 für das Bronchialasthma kein GdB von 20 in Betracht, weshalb dem vom SG angenommenen GdB von dann 30 für das Funktionssystem „Atmung“ von vornherein der Boden entzogen ist, so im Ergebnis auch G1.
cc)
Ohnedies ist die Argumentation des SG, mit welchem dieses einen GdB von 30 für das Funktionssystem „Atmung“ begründet, nicht nachvollziehbar. So erachtet das SG, insoweit zutreffend, die Bewertung des Bronchialasthmas mit einem GdB von 20 für grenzwertig hoch („höchstens“). Dessen ungeachtet soll zusammen mit dem Einzel-GdB von 20 für das Schlafapnoe-Syndrom ein GdB von dann 30 gerechtfertigt sein, mit anderen Worten: eine definitionsgemäß nur leichte Funktionsbeeinträchtigung (vergleiche VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d ee), bei der von vornherein schon vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen, wird durch eine allenfalls leichte Funktionsbeeinträchtigung zu einer Funktionsbeeinträchtigung mittleren Ausmaßes – diese Einschätzung des SG ist mit den Vorgaben zur Bildung eines Gesamt-GdB nicht vereinbar. Davon abgesehen kann ein zusammenfassender GdB von 30 für das Funktionssystem „Atmung“ selbst bei einem angenommenen, ausgefüllten GdB von 20 für das Bronchialasthma nicht begründet werden, da zusätzlich zu dem behandlungsbedürftigen, aber gut maskentherapierten Schlafapnoe-Syndrom weder eine relevante Lungenfunktionseinschränkung noch relevante asthmatische Beschwerden zu berücksichtigen sind, so G1.
(2.)
Die Wirbelsäulenerkrankung der Klägerin ist mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten.
aa)
Gemäß den VG, Teil B, Nr. 18.9 sind Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität mit einem Einzel-GdB von 0, solche mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) mit einem Einzel-GdB von 10, solche mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) mit einem Einzel-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) mit einem Einzel-GdB von 30, solche mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in 2 Wirbelsäulenabschnitten mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40 und solche mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) mit einem Einzel-GdB von 50 bis 70 zu bewerten. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z.B. Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z.B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.
Nach diesen Maßgaben ist die Wirbelsäulenerkrankung mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. So wurde bereits im Rahmen eines Reha-Aufenthalts im Reha-Zentrum S2 2018 eine freie Beweglichkeit der Wirbelsäule festgehalten. K4 hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage eine chronische Lumbalgie diagnostiziert und im beigefügten Befundbericht über eine nicht bewegungseingeschränkte Wirbelsäule berichtet. Hinsichtlich der von der Klägerin beklagten Wirbelsäulenschmerzen hat sich unter seiner Schmerztherapie eine Verbesserung innerhalb kurzer Zeit (6 Wochen) eingestellt.
Im Reha-Entlassbericht des Reha-Zentrums S2 vom März 2022 wurde bei Diagnose eines chronisch-degenerativen Zervikal- und Lumbalsyndroms im Abschlussbefund der gesamte Untersuchungsgang als flüssig und unauffällig bezeichnet. Es bestand keine Stand- und Gangunsicherheit. Die im Abschlussbericht erhobenen Funktionswerte für die Wirbelsäule sind teilweise sogar optimal und lassen jedenfalls keine Einschränkungen erkennen, die über das altersentsprechende Maß hinausgehen:
Halswirbelsäulenbeweglichkeit:
|
Klägerin |
Normwerte |
Vor-/Rückneigung |
50/0/70 Grad |
40-50/0/50-70 Grad |
Seitneigung rechts/links |
35/0/40 Grad |
30-40/0/30-40 Grad |
Rotation rechts/links |
60/0/80 Grad |
60-80/0/60-80 Grad |
Brustwirbelsäulen-/Lendenwirbelsäulenbeweglichkeit:
|
Klägerin |
Normwerte |
Seitneigen rechts/links |
30/0/30 Grad |
30-40/0/30-40 Grad |
Drehen im Sitzen rechts/links |
55/0/50 Grad |
30-50/0/30-50 Grad |
Finger-Boden-Abstand |
5 cm |
|
Aus dem Bericht des Reha-Zentrums S2 geht damit hervor, dass zwar ein chronisch-rezidivierendes Zervikal- und Lumbalsyndrom besteht, die objektivierbare Beweglichkeit der Wirbelsäule dabei, wenn überhaupt, nur gering eingeschränkt ist, so H1.
Auch die als sachverständige Zeugen durch den Senat vernommenen H2 und B4 habe diese Einschätzung bestätigt. H2 hat im Juni 2023 über einen Druckschmerz über den Dornfortsätzen der unteren Lendenwirbelsäule mit Punktum maximum über den Facettengelenken L5/51 links sowie der ISG-Fuge links berichtet. Er hat eine gute Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule mit Finger-Boden-Abstand von 0 cm (!), ohne neurologischen Ausfälle und eine freie Bewegung beider Hüften und Kniegelenke bei beidseits negativem Lasegue festgestellt. Die von ihm veranlasste Röntgenuntersuchung hat eine Skoliose der Lendenwirbelsäule sowie eine Verringerung des Zwischenwirbelraums L5/S1 gezeigt. B4 hat gleichfalls keinen relevanten Befund erhoben.
Es liegen somit keine objektivierbaren Funktionseinschränkungen vor, die die Annahme wenigstens mittelgradiger funktionellen Einschränkungen rechtfertigen könnten. Aber auch die wohl vom Beklagten vertretene Annahme, bei der Klägerin würden mittelgradige funktionelle Einschränkungen mit einem GdB von 20 in Gestalt von häufig rezidivierenden und über Tage andauernden Wirbelsäulensyndromen oder Nervenwurzelreizerscheinungen vorliegen, ist nicht vertretbar; solche sind nicht nachgewiesen. Nervenwurzelreizerscheinungen wurden von den behandelnden Ärzten ausgeschlossen. Aber auch rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome lassen sich den vorliegenden ärztlichen Bekundungen nicht entnehmen. Dabei sind wiederum die Feststellungen der R2 zu berücksichtigen, wonach die Klägerin persönlichkeitsimmanent sowohl bei der Wahrnehmung ihrer Beschwerden als auch bei der Beschwerdeschilderung zu Übertreibungen neigt. So hat die Sachverständige den von der Klägerin vermittelten Leidensdruck (auch) bezüglich der Wirbelsäule als nicht sehr authentisch beschrieben; auffallend war auch, dass die Klägerin, obgleich die Wirbelsäulenproblematik nach ihren anamnestischen Angaben ein so großes Gewicht besitze, diese Schmerzen in ihrer sehr umfangreichen Darstellung gegenüber der Sachverständige zunächst gar nicht angesprochen hat und erst am Ende des Gesprächs mit einer wenig nachvollziehbaren Episode von hervorgehobenen Suizidwünschen thematisiert hat. Auch hat die Klägerin gegenüber der Sachverständigen über ein ausgesprochen anspruchsvolles tägliches Sportprogramm berichtet. Eine Bewertung der Wirbelsäulenproblematik mit einem Einzel-GdB von 20, wie von dem Beklagten vorgeschlagen, ist daher nicht sachgerecht; die nachgewiesenen Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigen nur einen Einzel-GdB von 10.
bb)
Soweit der Prozessbevollmächtigte sinngemäß weitere Ermittlungen im Hinblick auf im Mai und im Juli 2024 geplante Untersuchungen der Wirbelsäule mittels MRT und – erstmalig in der mündlichen Verhandlung – im Hinblick auf eine neu aufgenommene Behandlung beim B2 in R1 beantragt hat, besteht kein Anlass, diese Untersuchungen abzuwarten bzw. B2 als sachverständigen Zeugen zu befragen. Maßgeblich für die Bewertung des GdB für die Lendenwirbelsäule sind nicht so sehr bildgebende Verfahren, sondern primär das Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte (VG, Teil B, Nr. 18.9). Eine Verschlechterung gegenüber den im Rahmen der Behandlung durch H2 2023 diesbezüglich erhobenen Befunde hat die Klägerin indes nicht geltend gemacht. Die Klägerin hat vielmehr die Verschlechterung der Wirbelsäulenerkrankung bereits 2023 vorgetragen, woraufhin der Senat den H2 und den B4 als sachverständige Zeugen vernommen hat. Diese haben aber keine Verschlimmerung, sondern vielmehr eine weitere Besserung festgestellt ( H2), bzw. konnten schon keine Behinderung feststellen (B4). Weder hat die Klägerin vorgetragen, es sei nun aktuell eine weitere Verschlechterung gegenüber dem von H2 und B4 (wie auch der Sachverständigen) 2023 erhobenen Befund eingetreten, noch hat sie irgendwelche Befundunterlagen, Atteste oder sonstige medizinische Unterlagen, beispielsweise des B2, vorgelegt, denen sich eine solche Verschlechterung auch nur ansatzweise entnehmen ließe. Es war deshalb keine Vernehmung des B2 als sachverständigen Zeuge geboten. Auch erfolgte die Verordnung der MRT-Untersuchung durch den behandelnden Hausarzt nach Angaben der Klägerin, um „im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung des BSG“ das Gutachten nach § 109 SGG der R2 beurteilen zu können. Der Senat nimmt zur Kenntnis, dass der Hausarzt der Klägerin vergleichsweise knappe Ressourcen des Gesundheitswesens zur kritischen Prüfung eines seitens der Klägerin veranlassten Gutachtens zur Erlangung eines höheren GdB einsetzt. Bei fehlendem Vorbringen der Klägerin zu einer neuerlichen Verschlechterung der Wirbelsäulenerkrankung mögen diese Aufnahmen zur Feststellung der Ursächlichkeit der Erkrankung bzw. zum Ausschluss von bestimmten Ursachen einen Beitrag leisten; für die sich im vorliegenden Verfahren stellenden Fragen sind sie indes unerheblich.
(3.)
Bei der Klägerin ist, wie sich dem Entlassbericht des Reha-Zentrums S2 entnehmen lässt, das Krankheitsbild einer Osteoporose (verminderte Knochenqualität) festgestellt worden. Empfohlen werden eine Basistherapie und eine Kontrolle in 2 Jahren. Die Klägerin hat keine relevanten Beschwerden durch diese Erkrankung.
Bei ausgeprägten osteopenischen Krankheiten (z.B. Osteoporose, Osteopenie bei hormonellen Störungen, gastrointestinalen Resorptionsstörungen, Nierenschäden) ist der GdB vor allem von der Funktionsbeeinträchtigung und den Schmerzen abhängig (VG, Teil B, Nr. 18.1). Eine ausschließlich messtechnisch nachgewiesene Minderung des Knochenmineralgehalts rechtfertigt noch nicht die Annahme eines GdB. Bei fehlenden Funktionsbeeinträchtigungen und Schmerzen für die Osteoporose ist vorliegend kein GdB zu vergeben, so H1.
(4.)
Für das Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ kommt kein höherer GdB als 10 in Betracht.
aa)
Die Klägerin ist an einer Depression, derzeit leichte depressive Episode, erkrankt, die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten ist.
Gemäß den VG, Teil B, Nr. 3.7 sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Einzel-GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem Einzel-GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem Einzel-GdB von 80 bis 100 zu bewerten.
Gestützt auf die Berichte des G2 vom April 2020 gegenüber dem Beklagten über seine ambulante psychotherapeutische Behandlung und die Stellungnahme des K2 über eine depressive Erkrankung, wobei eine Tagesmüdigkeit im Vordergrund stehe, und unter Berücksichtigung, dass weder eine nervenärztliche Behandlung noch eine medikamentöse Therapie stattfindet, hat das SG in Übereinstimmung mit den Stellungnahmen des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten einen GdB von 20, entsprechend einer leichteren psychischen Störung, angenommen. Dem widerspricht allerdings, dass während des Reha-Aufenthalts im Reha-Zentrum S2 2022 kein auffälliger psychischer Befund erhoben und deshalb auf Therapien wegen psychischen Beeinträchtigungen verzichtet wurde. Folgerichtig enthält der Reha-Entlassbericht auch keine Diagnosen auf nervenärztlichem Gebiet.
Die auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin beauftragte R2 hat bei der Klägerin dementsprechend auch nur eine leichtgradige depressive Episode festgestellt, wobei sie die subjektiv empfundene Schwere dieser Erkrankung angesichts einer nicht ausgeschöpften Therapie nicht nachvollziehen konnte. Angesichts des von der Sachverständigen erhobenen Befunds unter sorgfältiger Auswertung der Aktenlage ist auch der Senat überzeugt, dass bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum allenfalls eine leichtgradige depressive Episode, die, so die Sachverständige, nur einen Einzel-GdB von 10 rechtfertigen kann, vorliegt. Die Sachverständige hat die Klägerin insgesamt kaum bedrückt und phasenweise beschwingt gesehen; die affektive Schwingungsfähigkeit war dabei nicht wesentlich reduziert. Auch der Antrieb zeigte sich nicht wesentlich reduziert, ein strukturierter Tagesablauf wird aufrechterhalten. Die Klägerin hat zwar über eine vorzeitige Erschöpfung und reduzierte Ausdauer berichtet. Es ließ sich aber kein sozialer Rückzug feststellen und spontane Aktivitäten sind der Klägerin weiterhin möglich. Auch liegt kein wesentlicher Interessenverlust bzw. eine Aufgabe von Hobbys vor. Die Summe der geschilderten Beeinträchtigungen reicht bei erhaltener Arbeitsfähigkeit, aktiver Freizeitgestaltung, Fahrtauglichkeit und eigenfinanzierten Heilversuchen (private Psychotherapiestunden, da die Krankenkasse diese nicht mehr genehmigt, Osteopathie, Vermeidung von Facharztbehandlung und stattdessen Eigenmedikation, wissentliche Überdosierung von Analgetika) sowie einem sehr aktiven Sportprogramm nicht aus, aus den Einzelwerten eine mehr als nur leicht behindernde Gesundheitsstörung zu machen, so die Sachverständige. Von Seiten der Persönlichkeitsstruktur zeigte sich eine Neigung zur passiven Aggression über Vorwürflichkeiten, verbal deutlich expansiv bis logorrhoeisch, mit wenig Selbstreflexion. Zusammenfassend hat die Sachverständige eine leichtgradig gereizt-depressive Symptomatik und eine histrionische Persönlichkeitsakzentuierung festgestellt und eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sicher ausgeschlossen.
bb)
Bei der Klägerin liegt weiterhin ein migräneartiger Kopfschmerz vor, der gleichfalls mit einem GdB von 10 zu bewerten ist.
Die echte Migräne ist gemäß den VG, Teil B, Nr. 2.3 je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen zu bewerten. Dabei ist eine leichte Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) mit einem Einzel-GdB von 0 bis 10, eine mittelgradige Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) mit einem Einzel-GdB von 20 bis 40 und eine schwere Verlaufsform (lang andauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, Anfallspausen von nur wenigen Tagen) mit einem Einzel-GdB von 50 bis 60 zu bewerten.
Eine Therapie oder fachärztliche Untersuchungen der Kopfschmerzen sind bislang nicht erfolgt. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren ein Migränetagebuch vorgelegt, aus welchem sich Anfälle alle 3 Wochen ergeben. Allerdings ist, so die R2, zu berücksichtigen, dass zugleich ein ausgeprägter Schmerzmittelabusus besteht, der bereits zu analgetikainduzierten Kopfschmerzen geführt hat. Solche analgetikainduzierte Kopfschmerzen können aber auch zu migräneartigen Kopfschmerzen führen. Insofern sind die aktuell angegebenen Kopfschmerzen nicht alleine der vorbekannten, sei dem Jugendalter beklagten Migräne zuzuschreiben. Denn eine Migräne wird im Alter deutlich besser. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Auslösung der Symptome – jedenfalls zumindest teilweise – aktiv durch eine nicht geeignete Eigenmedikation und ohne fachärztliche Behandlung erfolgt. Die Frequenz von echten Migränekopfschmerzen, die von der Klägerin gegenüber der Sachverständigen mit 0- bis 4-mal im Monat angegeben wurde, lässt sich wegen der Überlagerung mit diesem analgetikaindizierten Kopfschmerz nicht sicher einschätzen. Hinzu treten die histrionischen Züge der Klägerin, die zu einer Übertreibung bei der Wahrnehmung der Beschwerden wie auch deren Schilderung führen, so die Sachverständige. Vor diesem Hintergrund ist allenfalls eine leichte Verlaufsform einer echten Migräne nachgewiesen und ist mit der Sachverständigen ein Einzel-GdB von maximal 10 in Ansatz zu bringen. Da die analgetikainduzierten Kopfschmerzen wiederum durch einen eigenverantwortlichen Schmerzmittelabusus ausgelöst bzw. unterhalten werden, kann diesbezüglich nicht von einer Erkrankung gesprochen werden, für die ein GdB in Ansatz zu bringen wäre, so zu Recht die Sachverständige.
cc)
Soweit die Sachverständige aus den beiden GdB von 10 für die Psyche und die migränebedingten Kopfschmerzen einen GdB von 20 für das Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ (unter Einschluss des Karpaltunnel-Syndroms, welches keinen GdB von wenigstens 10 erreicht und nicht diesem Funktionssystem zuzurechnen ist) bildet, ist dies nicht überzeugend. Auch wenn, so die Sachverständige, keine Überlappung zwischen der leichtgradigen depressiven Episode und der Migräne besteht, ergibt sich hieraus nicht ohne weitere Begründung, dass bei 2 definitionsgemäß leichten Gesundheitsstörungen mit einem GdB von jeweils 10, die grundsätzlich nur in – hier nicht gegebenen – Ausnahmefällen zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, bereits die Voraussetzungen für eine leichte Funktionsstörung mit einem GdB von 20 vorliegen. Eine Bewertung des Funktionssystems mit einem Einzel-GdB von 10 trägt den nach den Feststellungen der Sachverständigen nur leichten Gesundheitsstörungen ausreichend Rechnung.
(5.)
Das Karpaltunnel-Syndrom erreicht nicht das Ausmaß einer Funktionsbeeinträchtigung, die einen Einzel-GdB von wenigstens 10 rechtfertigen könnte, so die R2. Es handelt sich um ein geringfügiges, rein sensibles und unter konservativer Therapie gebessertes Karpaltunnelsyndrom rechts mit nächtlichen Kribbelmissempfindungen ohne Hinweise auf motorische Beteiligung, welches nach zutreffender Einschätzung der Sachverständigen mit einem GdB von unter 10 zu bewerten ist.
(6.)
Die Lichen ruber-Erkrankung ist mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten.
aa)
Das Lichen ruber planus, hierbei handelt es sich um eine chronische, entzündliche Autoimmunerkrankung der Haut und der Schleimhäute, wird in den VG nicht ausdrücklich erwähnt. Sachgerecht ist eine Bewertung analog den Vorgaben für Ekzeme. Die VG sehen in Teil B, Nr. 17.1 für Kontaktekzemen bei einer geringen Ausdehnung und bis zu zweimal im Jahr für wenige Wochen auftretend einen GdB von 0 bis 10 und ansonsten von 20 bis 30 vor. Bei einem atopischem Ekzem ist bei einer geringen, auf die Prädilektionsstellen begrenzten Ausdehnung bis zu zweimal im Jahr für wenige Wochen auftretend ein GdB von 0 bis 10 und bei länger dauerndem Bestehen von 20 bis 30 vorgesehen. Bei länger dauerndem Bestehen mit generalisierten Hauterscheinungen, insbesondere Gesichtsbefall, beträgt der GdB 40 und mit klinischer oder vergleichbar intensiver ambulanter Behandlungsnotwendigkeit mehrmals im Jahr 50. Generell ist bei der Beurteilung des GdB von Hautkrankheiten Art, Ausdehnung, Sitz, Auswirkungen auf den Allgemeinzustand, Begleiterscheinungen (wie Jucken, Nässen, Brennen, unangenehme und abstoßende Gerüche) und die Rezidivbereitschaft bzw. die Chronizität sowie die Notwendigkeit wiederholter stationärer Behandlung zu berücksichtigen (VG, Teil B, Nr. 17).
P1 hat in seiner Stellungnahme gegenüber dem SG über eine Lichen ruber-Erkrankung bei der Klägerin berichtet. Er hat einzelne Erytheme (Rötungen) mit lichenoiden Papeln (Erhebungen unterhalb von 1 cm), über den Körper verteilt, befundet. Es liegt ein stabiler Zustand vor. Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter konnten bei der Klägerin Rötungen und aufgekratzte Stellen auf dem linken Unterschenkel festgestellt werden; im Gesicht und im Hand-/Armbereich zeigten sich vereinzelte Spuren früherer Entzündungsherde bzw. von kleinen Bläschen, die gerade im Entstehen waren. Die Sachverständige hat im Rahmen ihrer kursorischen körperlichen Befundung einen krustig belegten Ausschlag an der linken Schienbeinkante festgestellt.
Angesichts dessen liegt nicht mehr nur ein geringer Befall für wenige Wochen im Jahr vor und ist ein Bewertungsrahmen von 20 bis 30 eröffnet. Innerhalb dieses Bewertungsrahmens ist aber zu berücksichtigen, dass kein ausgedehnter und auch kein stark beeinträchtigender lokaler Befall vorliegt, weshalb mit einem GdB von 20 die Funktionsbeeinträchtigung angemessen abgebildet ist, so B1. Soweit die Klägerin geltend macht, sie empfinde ihre Erkrankung entstellend und sie sei im Zusammenhang mit der Affenpockenerkrankung deswegen in Schwimmbädern angepöbelt worden, zeigen sich auch hier die von der Sachverständigen beschriebenen ausgeprägten histrionischen Züge der Klägerin. Wie die Sachverständige festgestellt hat, zeigt sich die Klägerin entgegen ihrer ersichtlich übertriebenen Beschwerdeschilderung nicht bedrückt und ist auch ihre Neigung zur passiven Aggression bis hin zu Vorwürfen über Ausgrenzung durch Mitmenschen Teil dieser Persönlichkeit. Der bemühte Zusammenhang mit der vor 2 Jahren kurzzeitig diskutierten Gefahr einer Affenpockenepidemie wirkt wiederum abwegig.
bb)
Den erstmalig in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Vernehmung der P2, in B3, lehnt der Senat ab. Der Prozessbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Klägerin würde P2 erstmalig am 26.09.2024 für eine Venenuntersuchung aufsuchen. Über eine angeblich nicht heilende Wunde gibt es keinerlei (ärztlichen) Zeugnisse über die Behauptung des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung hinaus. Die Sachverständige hat wie dargestellt im September 2023 einen krustig belegten Ausschlag an der linken Schienbeinkante festgestellt. P1, der behandelnde Hautarzt, hat über keinen auffälligen Befund am linken Unterschenkel berichtet. Für eine zwischenzeitliche Verschlechterung, und insbesondere das Auftreten einer Wundheilungsstörung, gibt es keine Anhaltspunkte; eine solche Verschlechterung wird von der Klägerin auch nicht vorgetragen. Es wäre im Übrigen zu erwarten gewesen, dass die Klägerin, die sich in einer sehr engmaschigen und umfassenden medizinischen Betreuung befindet bzw. eine solche einfordert, beim Auftreten einer solchen erheblichen Erkrankung sich bereits in (fach)-ärztliche Behandlung begeben hätte.
(7.)
Bei der Klägerin liegt daneben noch eine Refluxkrankheit der Speiseröhre mit chronischer Magenschleimhautentzündung und Ösophagusgleitbruch vor, die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten ist, so B1.
(8.)
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erstmalig in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, diese würde unter einer ausgeprägten Anosmie (Verlust des Geruchs sind) leiden, kann sich der Senat vom Vorliegen einer solchen Funktionsbeeinträchtigung nicht überzeugen.
Die Klägerin hat vorgetragen, bereits seit langer Zeit unter diesem Geruchsverlust zu leiden. Dessen ungeachtet haben weder der langjährige K2 in der sehr ausführlichen Auflistung von Diagnosen in seiner sachverständigen Zeugenaussage noch die sonstigen, von der Klägerin benannten und vom SG bzw. dem Senat als sachverständige Zeugen vernommenen Ärzte über eine solche Erkrankung berichtet. Über diese Problematik hat die Klägerin auch nicht in der ausführlichen Anamnese bei der Aufnahme im Reha-Zentrum S2 im Frühjahr 2022 berichtet; es findet sich auch keine entsprechende Diagnose oder auch nur Erwähnung im Reha-Entlassungsbericht. Auch gegenüber der R2 hat die Klägerin in ihrer außerordentlich detailreichen und ausführlichen Beschwerdeschilderung (so R2) die Anosmie noch nicht mal erwähnt. Dies muss umso mehr verwundern, als die Klägerin bei der erstmaligen Geltendmachung dieser Erkrankung im Rahmen ihres Verlegungsantrags vom Mai 2024 schriftsätzlich vortragen hat lassen, „dass sie tagtäglich alle Speisen von ihrem Partner "geruchs-kontrollieren" lassen muß, um sich nicht versehentlich zu vergiften. Schließlich hatte die Klägerin schon ua mehrfach frischen (!) Fisch zubereitet, den der Ehemann schon bei der Heimkehr an der Tür am Geruch als 'absolut verfault" erkannte und sogar deutlichen Brechreiz verspürte, die Klägerin jedoch nicht nicht einmal ahnte, dass der Fisch schon verdorben war“. Angesichts einer solchen ausgeprägten Beeinträchtigung wäre, ungeachtet der gleichermaßen ausgeprägten Neigung zur Beschwerdeschilderung bis hin zur Beschwerdeübertreibung (so die Sachverständige), zu erwarten gewesen, dass die Klägerin diese Beeinträchtigung bereits zu einem früheren Zeitpunkt gegenüber Ärzten oder zumindest zuletzt gegenüber der Sachverständigen thematisiert hätte. Tatsächlich aber hat die Sachverständige im Rahmen der Begutachtung einen unauffälligen Befund hinsichtlich des Riechvermögens für aromatische Substanzen erhoben. Angesichts dessen ist der Senat überzeugt, dass der behauptete Geruchsverlust bei der Klägerin tatsächlich nicht vorliegt.
Einer Vernehmung des K3 als sachverständigen Zeugen bedarf es daher nicht. Ohnedies ist völlig unklar, ob und wann K3 die Klägerin untersucht hat. Auffällig ist, dass ein vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Bezug genommenes „ärztliches Attest“ des K3, angeblich vom 25.04.2024, weder, wie angekündigt, mit dem Verlegungsantrag vom 03.05.2024 noch in der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden ist. Entscheidend aber ist, dass die Sachverständige im Rahmen ihrer Begutachtung im Herbst 2023 einen laut Angaben der Klägerin seit langer Zeit bestehenden totalen Geruchsverlust sicher ausgeschlossen hat, ohne dass es an dieser Feststellung der Sachverständigen irgendwelche begründete Zweifel geben würde.
Ohne dass es danach noch darauf ankommen würde, ist darauf hinzuweisen, dass der völlige Verlust des Richtvermögens nur bei einer damit verbundenen Beeinträchtigung der Geschmackswahrnehmung einen Einzel-GdB von 15 rechtfertigen kann (VG, Teil B, Nr. 6.3). Eine Beeinträchtigung des Geschmackssinns hat die Klägerin indes nicht vorgebracht. Vielmehr hat die Klägerin gegenüber Sachverständigen beklagt, dass sie wegen ihres Sodbrennens eigentlich auf magenschonende Ernährung umsteigen sollte, was ihr aber geschmacklich nicht behage: „nur gedämpftes Gemüse ohne Salz macht mich auf Dauer nicht glücklich“. Bei der in den VG, Teil B, Nr. 6.3 vorausgesetzten starken Beeinträchtigung der Geschmackswahrnehmung sollte indes eine magenschonende, auf Gewürze etc. verzichtende Ernährung keine Probleme bereiten.
(9.)
Den erstmalig im Verlegungsantrag vom 03.05.2024 gestellten und in der mündlichen Verhandlung ohne weitere Präzisierung oder Begründung wiederholten Antrag auf „Ladung der Gutachterin, R2, zur Befragung in der mündlichen Verhandlung, insbesondere zum Ausräumen einer Vielzahl von Unstimmigkeiten und Mißverständnissen im Gutachten v 02 10.2023“ lehnt der Senat ab.
aa)
Die Beteiligten haben aus § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 397, 402, 411 ZPO das Recht, Sachverständigen sachdienliche Fragen zu stellen. Zu diesem Zweck können sie grundsätzlich die Anhörung eines Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zur Erläuterung des erstellten schriftlichen Gutachtens beantragen. Das Fragerecht an den Sachverständigen nach § 116 Satz 2 SGG dient dabei in erster Linie nicht der Aufklärung des Sachverhalts; vielmehr umfasst der Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich auch die Anhörung gerichtlicher Sachverständiger (Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Kammerbeschluss vom 06.03.2013, 2 BvR 2918/12, juris); dies gilt auch dann, wenn der betreffende Sachverständige wie hier ein Gutachten nach § 109 SGG erstellt hat (BSG, Beschluss vom 15.09.2015, B 13 R 201/15 B, juris). Gerade weil das Fragerecht an den Sachverständigen der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs dient, muss der Beteiligte aber alles getan haben, um die Anhörung des Sachverständigen zu erreichen. Er muss einen hierauf gerichteten Antrag rechtzeitig gestellt, dabei schriftlich objektiv sachdienliche Fragen angekündigt und das Begehren bis zum Schluss aufrechterhalten haben (BSG, a.a.O.; BSG, Beschluss vom 28.09.2015, B 9 SB 41/15 B, juris).
Eine Ladung des gerichtlichen Sachverständigen, der sein schriftliches Gutachten erstattet hat, zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens kommt im sozialgerichtlichen Verfahren darüber hinaus nur in bestimmten Fallkonstellationen in Betracht. Denn im Rahmen der sozialmedizinischen Sachaufklärung kommt es in der Regel nicht alleine auf die medizinischen Kenntnisse des Sachverständigen an, sondern die für die Entscheidung des konkreten Falles relevanten Fragen lassen sich regelmäßig nur in Kenntnis und damit nach Auswertung der Akten, ggf. der Auswertung von Ergebnissen bildgebender Verfahren und gegebenenfalls entsprechender zusätzlicher Recherchen in Bezug auf besondere Fragestellungen beantworten. Dies gilt speziell im Hinblick auf sich nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens ergebende Rückfragen, insbesondere bei erforderlichen Stellungnahmen auf Vorhalte des Gerichts oder der Verfahrensbeteiligten in Bezug auf zu berücksichtigende Tatsachen, Erwägungen und/oder Erläuterung von Argumentationsketten. Dementsprechend ist das BSG in ständiger Rechtsprechung der Auffassung, dass der gerichtliche Sachverständige nur in bestimmten Fällen vom Gericht zur Erläuterung seines Gutachtens in die mündliche Verhandlung geladen werden muss. Dies ist vor allem dann der Fall (BSG, Beschluss vom 09.01.2006, B 1 KR 52/05 B, juris), wenn zuvor objektiv sachdienliche Fragen angekündigt worden sind bzw. zumindest ein entsprechender Fragenkomplex konkret umschrieben worden ist, soweit der Sachverständige die Fragen nicht bereits beantwortet hat oder (BSG, Beschluss vom 27.04.2006, B 7a AL 242/05 B, juris) wenn der Sachverhalt noch nicht zweifelsfrei geklärt ist und die bestehenden Zweifel durch schriftliche Nachfragen nur unzulänglich geklärt werden können.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung objektiv sachdienliche Fragen in den Raum gestellt oder zumindest einen entsprechenden Fragenkomplex konkret umschrieben. Weder hat der Prozessbevollmächtigte konkrete Einwendungen vorgebracht, noch aufgezeigt, welche Fragen an die Sachverständige im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur weiteren Aufklärung hätten gerichtet werden sollen. Soweit der Prozessbevollmächtigte im Schriftsatz vom 03.05.2024 behauptet hat, er habe in jedem Schriftsatz seit Erhalt des Gutachtens darauf hingewiesen, dass selbiges zahlreiche unzutreffende Feststellungen enthalte, die widerlegt werden sollten, erfüllt dies nicht die vorstehenden Anforderungen. Tatsächlich hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nämlich in den Schriftsätzen vom 10.11.2023, vom 05.01.2024 und 06.03.2024 mitgeteilt, die Klägerin prüfe eine Rücknahme der Berufung und außerdem erscheine das Gutachten der Sachverständigen zumindest derzeit in Teilen widersprüchlich und fehlerhaft. Er hat aber diese Fehlerhaftigkeit oder Widersprüchlichkeit weder benannt, geschweige denn ansatzweise näher präzisiert. In den Schriftsätzen vom 05.01.2024 und vom 06.03.2024 hat der Prozessbevollmächtigte selbst eingeräumt, die substantiierte Prüfung, ob und inwiefern Widersprüche und Fehler im Gutachten zu einer anderen Bewertung der Einzel-GdB und des Gesamt-GdB führen könnten, sei aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls leider noch nicht abschließend erfolgt; auch dabei wurden die angeblichen Widersprüche und Fehler im Gutachten nicht näher bezeichnet. Im Schriftsatz vom 26.04.2024 hat der Prozessbevollmächtigte überhaupt keine Mängel des Gutachtens mehr beanstandet, geschweige denn Fragen, Zweifel oder wenigstens Fragenkomplexe im Hinblick auf das Gutachten umschrieben. Erstmalig im Schriftsatz vom 03.05.2024 hat der Prozessbevollmächtigte dann den vorgenannten Antrag auf Ladung der Sachverständigen zur Befragung in der mündlichen Verhandlung, „insbesondere zum Ausräumen einer Vielzahl von Unstimmigkeiten und Mißverständnissen im Gutachten“, gestellt, die auszuräumenden Unstimmigkeiten und Missverständnisse im Gutachten aber wiederum nicht benannt. Zuletzt hat der Prozessbevollmächtigte auch in der mündlichen Verhandlung keine objektiv sachdienlichen Fragen, die der Sachverständigen unterbreitet werden könnten, beschrieben. Er hat behauptet, bei der Klägerin würde eine Anosmie vorliegen und hat einen Schmerzmittelmissbrauch der Klägerin bestritten, ohne hierfür eine Begründung zu geben, oder sich mit den Darlegungen im Gutachten und beispielsweise dem dort anhand der Angaben der Klägerin gegenüber der Sachverständigen aufgezeigten Medikamentenkonsum auseinanderzusetzen. Irgendwelche Fragenkomplexe oder gar konkrete Fragen an die Sachverständige seitens des Prozessbevollmächtigten liegen damit bis zum heutigen Tage nicht vor.
bb)
Darüber hinaus war der Antrag, die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung anzuhören, auch verspätet. Seinen Obliegenheiten, alles getan zu haben, um eine Anhörung des Sachverständigen zu erreichen, kommt ein Beteiligter dann nicht nach, wenn er den Antrag nicht rechtzeitig gestellt hat. Ein Antrag auf Befragung eines Sachverständigen ist regelmäßig nicht mehr als rechtzeitig gestellt anzusehen, wenn er erst so kurz vor der bereits anberaumten mündlichen Verhandlung beim Gericht eingeht, dass diesem ohne Vertagung weder genug Zeit bleibt, den Sachverständigen zum Termin zu laden, noch von ihm eine schriftliche Antwort auf die kurzfristig gestellten Fragen zu erhalten (BSG, Beschluss vom 28.09.2015, a.a.O.). Demnach ist der am Nachmittag des 03.05.2024, einem Freitag, gestellte Antrag angesichts der mündlichen Verhandlung am Montag den 06.05.2024 als verspätet abzulehnen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sich irgendwelche Fragen im Zusammenhang mit dem Gutachten der Sachverständigen erst einen Werktag vor der mündlichen Verhandlung gestellt haben – davon abgesehen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bis heute keine Fragen bzw. Fragenkomplexe umschrieben hat, obwohl dem Prozessbevollmächtigten das Gutachten bereits mit Schriftsatz vom 19.10.2023 übermittelt worden ist und ihm somit über 6 Monate zur Verfügung gestanden haben, um das Gutachten mit der Klägerin zu besprechen und konkrete Einwendungen hiergegen zu erheben. Auch hat der Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung keine unerwartete Wendung genommen, weil beispielsweise bisher nicht erörterte, eventuell entscheidungserhebliche Gesichtspunkte aufgetaucht oder der Senat den Beteiligten mit einer geänderten Rechtsauffassung gegenübergetreten wäre (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 22.09.2009, B 2 U 182/09 B, juris).
(10.)
Ausgangspunkt für die Bildung des Gesamt-GdB sind die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem „Atmung“. Der dortige Einzel-GdB von 20 erhöht sich durch das Hinzutreten des Einzel-GdB von 20 für die Lichen ruber-Erkrankung auf dann 30. Der Einzel-GdB von 10 für die internistischen Leiden führt nicht zu einer Erhöhung des Ausmaßes der Behinderung. Gleiches gilt für die weiteren Funktionsbehinderungen: sowohl aus dem Einzel-GdB von 10 für die Wirbelsäulenerkrankung wie auch für das Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ lässt sich in Übereinstimmung mit Vorgaben zur Bildung des Gesamt-GdB keine Erhöhung auf einen Gesamt-GdB von 40 und schon gar nicht auf den von der Klägerin angestrebten Gesamt-GdB von 50 herleiten. Eine Berücksichtigung des – zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesenen – Geruchsverlusts mit dem nach den VG vorgesehenen maximalen Einzel-GdB von 15 würde demnach zu keinem der Klägerin günstigeren Ergebnis führen; selbst dann nicht, wenn man entgegen der Vorgaben der VG zur Bildung des Gesamt-GdB von einer wesentlichen Zunahme der Funktionsbeeinträchtigungen ausgehen und den Einzel-GdB von 15 als erhöhend berücksichtigen würde. Auch dann würde allenfalls ein Gesamt-GdB von 40, der seitens des Beklagten indes bereits festgestellt worden ist, in Betracht kommen.
Dieses Ergebnis ist in jeder Hinsicht einleuchtend. Zur Überzeugung des Senats und in Übereinstimmung mit den Beurteilungen in den im Laufe des Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahrens eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahmen und auch der Einschätzung der R2 erreicht das Ausmaß der bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen in keinem Fall einen Gesamt-GdB von 50. Dies ergibt auch der nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung gebotene Vergleich der Auswirkungen mit denjenigen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind. So ist ein GdB von 50 im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ im Bereich von psychischen Erkrankungen beispielsweise für schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (VG, Teil B, Nr. 3.7), für eine Erkrankung der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion mittleren Grades mit das gewöhnliche Maß übersteigender Atemnot bereits bei alltäglicher leichter Belastung (VG, Teil B, Nr. 8.3) oder für Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen wie z.B. bei Versteifung großer Teile der Wirbelsäule bzw. anhaltender Ruhigstellung durch Rumpforthese, die 3 Wirbelsäulenabschnitte umfasst, vorbehalten. Hinter dem Ausmaß der mit den genannten Beispielen einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen bleiben die Gesundheitsbeeinträchtigung der Klägerin doch deutlich zurück. Letztendlich ist festzuhalten, dass bei der Klägerin zwar eine Reihe von Gesundheitsstörungen vorliegen, es sich bei diesen jedoch durchgehend um leichte Funktionsbeeinträchtigungen mit höchstens einem GdB von 20 handelt. Ein Gesamt-GdB von 50 wird hierdurch nicht erreicht.
e)
Nach alledem war auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Trotz des Umstandes, dass keine ärztliche Äußerung vorliegt, die das Begehren der Klägerin tragen könnte und die Sachverständige des Vertrauens der Klägerin gleichermaßen eine Schwerbehinderung explizit verneint hat, sieht der Senat von der Verhängung von Missbrauchskosten gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ab, weil sich die Klägerin auf das – wie gesehen allerdings nicht vertretbare – Urteil des SG stützen kann und darüber hinaus die histrionische Persönlichkeit der Klägerin es ihr möglicherweise erschwert, die Missbräuchlichkeit ihrer Rechtsverteidigung zu erkennen.
5.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.