Detailreiche Erinnerungen allein lassen keinen zwingenden oder auch nur hinreichenden Rückschluss auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen zu. Aus dem Vorliegen bestimmter Gesundheitsstörungen kann nicht auf konkrete Ursachen geschlossen werden.
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 1. Juli 2022 – Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren zum Az.: S 66 VE 63/18 – wird zurückgewiesen.
Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die 1970 geborene Beschwerdeführerin hat den Beruf der Erzieherin erlernt. Sie wandte sich mit Schreiben ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten vom 6. März 2013 an das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie (NLSV), beantragte dort Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) und zeigte in diesem Zusammenhang an, im Sommer 1983 Opfer einer vollendeten Vergewaltigung geworden zu sein. Sie habe mittags am ersten Ferientag Freunde in der F. gesucht, wo zahlreiche Polizeibeamte unterwegs gewesen seien. Wegen eines Herzinfarktes ihrer Mutter sei sie betrunken gewesen und von einem Polizeibeamten im Stadtwald vergewaltigt worden. Der Name des Täters sei ihr unbekannt, allerdings habe sie 1987 eine Anzeige bei der Polizei G. erstattet. Die Staatsanwaltschaft Hannover habe das Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt. Unterlagen lägen nicht mehr vor, Zeugen seien nicht bekannt. Durch das Ereignis habe sie eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) erlitten, die mit weiteren sich entwickelnden psychischen Erkrankungen nunmehr zum Erwerbsminderungsrentenbezug geführt habe.
Das NLSV versuchte, von der Polizei sowie der Staatsanwaltschaft Hannover die Ermittlungsunterlagen beizuziehen; dies gelang nicht, weil das Verfahren bei Polizei und Staatsanwaltschaft unbekannt war und auch die Beschwerdeführerin über keine Unterlagen verfügte. Die Staatsanwaltschaft Hannover teilte mit, der Name der Beschwerdeführerin sei in der dortigen Namenkartei nicht enthalten.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2013 lehnte das NLSV den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Beschädigtenversorgung im Hinblick auf die behauptete Vergewaltigung durch einen Polizeibeamten im Sommer 1983 ab. Unterlagen seien nicht vorhanden, ein genauer Handlungsablauf nicht geschildert worden. Vor diesem Hintergrund habe nicht festgestellt werden können, ob sich der Vorfall tatsächlich ereignet habe.
Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin Widerspruch ein und legte zur Begründung ein 18 Seiten umfassendes maschinengeschriebenes und undatiertes „Manuskript“ vor.
Daraus ergab sich u.a. Folgendes:
Es sei der erste Sommerferientag im Jahr 1983 und sie damals zwölf Jahre alt gewesen. Ihre Mutter habe zu Hause einen Herzinfarkt erlitten und sei in das Krankenhaus gebracht worden. Sie selbst sei alleine zu Hause zurückgeblieben. Ihre Oma, die zu diesem Zeitpunkt auf H. gelebt habe, sei verständigt worden und habe noch am selben Abend kommen sollen. In der Hoffnung, ihre Freunde zu treffen, um mit ihrer Angst nicht mehr alleine zu sein, sei sie in den Stadtwald gegangen. Dort habe sie allerdings nur den Kioskbesitzer getroffen, der sie gekannt habe. Sie habe sich am Kiosk ein Bier gekauft und dieses ausgetrunken, und dann noch eins und noch eins. Es sei das erste Mal gewesen, dass sie Alkohol getrunken habe. Irgendwann an diesem Tag sei es im Stadtwald hektisch geworden. Sie vermute, dass zu diesem Zeitpunkt eine Razzia stattgefunden habe. Gefühlt seien 50 Polizeibeamte um sie herum gewesen. Zwei Polizeibeamte seien auf sie zugekommen, hätten ihr ihre Ausweise unter die Nase gehalten und ihre Personalien sehen wollen. Sie habe einen Heulkrampf bekommen und den Beamten erzählt, was passiert sei. Einer der Polizeibeamten habe sie getröstet und nach Hause bringen wollen, in der Hoffnung, dass ihre Oma schon angekommen sei. Auf dem Weg habe er beruhigend den Arm um ihre Schultern gelegt, sie habe das Gefühl gehabt, Passanten hätten sie angestarrt. Als sie an einer Tannenschonung vorbeigegangen seien, habe er sie so festgehalten, dass er ihr fast die Schultern zusammengequetscht habe. Hierüber habe sie sich so erschrocken, dass sie keinen Ton herausbekommen habe. Eigentlich hätten die anderen Menschen, die ihnen begegnet seien, etwas bemerken müssen; anscheinend sei aber jeder mit sich so beschäftigt gewesen, dass ein vermeintlicher Vater mit seiner vermeintlich bockigen Tochter gar nicht weiter aufgefallen sei. Er habe sie dann in die Tannenschonung geschoben und mit einem Polizeigriff sofort in die Knie gezwungen. Als sie am Boden gelegen habe, habe er ihren Slip heruntergezogen, den sie unter ihrem Rock getragen habe. Sie sei ihm in der Situation völlig ausgeliefert gewesen. Er habe sie oral, anal und vaginal vergewaltigt. Sie habe ihre Zähne fest zusammengebissen, dabei sei ihr sogar ein Backenzahn abgebrochen und er habe ihr ihren Unterkiefer zusammengedrückt, sodass sie den Mund habe öffnen müssen. Nachdem er in ihr abgespritzt habe, habe er von ihr abgelassen und sie weggeschoben wie Gammelfleisch. Er sei einfach gegangen, als ob nichts geschehen sei. Er sei sich mit den Fingern noch einmal durch die Haare gefahren, habe den Sitz seiner Kleidung überprüft und sei gegangen. Irgendwie sei sie nach Hause gekommen, ihre Oma sei noch nicht da gewesen. Ihre verschmutzte Kleidung habe sie in den Wäschekorb gelegt, den blutigen Slip eingewickelt in einer Plastiktüte in den Müll getan und sodann geduscht. Inzwischen sei es früher Nachmittag gewesen und sie habe sich in ihr Bett gelegt und getan, als ob sie schlafen würde, bis ihre Oma am frühen Abend gekommen sei. Aus Angst vor deren Reaktion habe sie ihrer Oma nichts über das Geschehen erzählt.
In der letzten Ferienwoche sei ihre Regel ausgeblieben und sie habe Panik bekommen. Sie habe sich einen Schwangerschaftstest gekauft, der positiv gewesen sei. Zu Hause habe sie sich die längste und dünnste Stricknadel gesucht, sei zur Toilette gegangen und habe so lange in sich herumgeprokelt, bis Blut, Matsch und wahnsinnige Schmerzen gekommen seien. Danach habe sie alles gereinigt, die Stricknadel an ihren Platz gelegt und sich selbst ins Bett.
Ihr Bruder sei aus ihrer Sicht „entsorgt“ und in ein Heim nach I. verbracht worden, als sie sechs Jahre alt gewesen sei. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten sie ein sehr inniges Verhältnis gehabt, es habe sich angefühlt, als ob man ein Stück aus ihr herausreißen würde. Ab diesem Zeitpunkt habe ihr Berufsziel festgestanden, sie habe Erzieherin werden und die Welt verbessern wollen. Sie könne sich allerdings an eine Szene in den Ferien erinnern, wo sie beim Spielen in Streit geraten seien und ihr Bruder einen Stein nach ihr geschmissen habe. Dieser habe sie an der Stirn getroffen, die Narbe habe sie heute noch. Es habe eine andere Szene zu Hause gegeben; ihr Bruder sei sehr wütend gewesen, sei zu ihr gekommen, habe ihren rechten Arm gepackt, festgehalten und über seinem Knie gebrochen. Der Mutter hätten sie erzählt, dass sie beim Toben hingefallen sei, weil sie Panik vor Schlägen mit dem Kleiderbügel gehabt hatten, allerdings habe immer nur ihr Bruder den Kleiderbügel zu spüren bekommen und sie habe jedes Mal mit ihm gelitten. Ihr Opa sei für sie nicht mehr so präsent, er sei gestorben, als sie noch ziemlich klein gewesen sei. Sie wisse nur noch, dass er im Rollstuhl gesessen habe, weil ihm die Beine amputiert worden seien. Mit ihrer Mutter habe sie über die Vergewaltigung aufgrund deren Herzerkrankung nicht sprechen können. Nach etwa zwei Wochen Schulzeit habe sie ihren Vergewaltiger wiedergesehen: Dieser sei auf der anderen Straßenseite gegangen und habe sie gesehen. Ihre Schule habe sich in der Nähe der berittenen Polizei und des LKA befunden. Insgesamt sei die Prozedur des Verfolgens und des Drohens, ihrer Familie etwas anzutun, vier Jahre gegangen und sie habe vier Jahre lang geschwiegen. Sie habe die Vergewaltigung in ihren Traumreisen immer wieder erlebt und auch versucht, sich während der Traumreisen selber Schaden zuzufügen. Irgendwann sei sie anlässlich einer solchen Traumreise in ein Kinderkrankenhaus mit angrenzender Psychiatrie gekommen. Sie habe sich dort einer Therapeutin anvertraut, deren Kommentar gewesen sei, dass sie denke, sie wolle sich nur interessant machen und habe alles erfunden. Zu diesem Zeitpunkt sei sie 14 Jahre alt gewesen. Sie habe damals mitbekommen, dass ihr Vergewaltiger im LKA gearbeitet habe, sie habe ihn des Öfteren dort im Gebäude gesehen. Sie meine auch, ein paar Mal dessen Frau und Kinder dort gesehen zu haben. Es sei im Sommer 1986 gewesen, ihre Mutter sei nach ihrem zweiten Herzinfarkt wieder in eine Reha-Klinik und sie alleine zu Hause gewesen. Der Täter habe es verstanden, sich unbemerkt zu nähern und wieder zu gehen. Mittlerweile habe sie ihre Ausbildung zur Erzieherin begonnen. Die Wohnungstür habe über eine Fensterklappe verfügt, die man habe von innen öffnen können. Gegen 21:00 Uhr habe es an der Wohnungstür geklopft und sie sei davon ausgegangen, dass es ein Freund von gegenüber sei. Sie habe die Klappe geöffnet und gleich wieder zugeknallt und höre noch heute die Worte: „Jetzt bringe ich dich um!“ Sie habe sich in ihrem Kleiderschrank versteckt, wo sie lange gesessen habe. Nach diesem Ereignis habe sie den Vergewaltiger nach vier Jahren angezeigt. Die Sache habe dann ihren Lauf genommen, sie sei schriftlich vorgeladen worden, auch ihre Mutter. Zu diesem Zeitpunkt habe sie ihrer Mutter von der Vergewaltigung erzählt, diese sei mit zur Polizei, zum Jugendrichter und zum Staatsanwalt gekommen. Jedes Mal habe eine Psychologin in einer Ecke gesessen und sich Notizen gemacht. In ihren Verhören habe sie sich an den Pranger gestellt gefühlt. Sie habe ihre Emotionen heruntergeschluckt und versucht, alle Fragen zu beantworten. Ihre Personenbeschreibung sei vorbildlich gewesen, inklusive der kleinen Warze hinter seinem linken Ohr. Ca. zehn Wochen später sei ein Schreiben vom Gericht gekommen, dass das Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt worden sei, es aber keine Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit gäbe. Für ihren weiteren Lebensweg habe man ihr alles Gute gewünscht. Die Person, zu der die Beschreibung gepasst habe, habe zu diesem Zeitpunkt mit einem Gips im Krankenhaus gelegen. Dieses Schreiben habe sie verbrannt.
Das LSVA unternahm daraufhin einen erneuten Versuch, bei der Staatsanwaltschaft Hannover die früheren Ermittlungsakten zu erhalten. Aus den übersandten Unterlagen ergab sich erneut, dass Vorgänge bezüglich der von der Beschwerdeführerin behaupteten Vorgänge nicht auffindbar waren. Das LSVA zog außerdem eine schriftliche Aussage des J. bei, dem sich die Beschwerdeführerin im Februar 2011 anvertraut und ihm von der Vergewaltigung berichtet hatte sowie Unterlagen der Deutschen Rentenversicherung Bund zum Erwerbsminderungsrentenverfahren der Beschwerdeführerin. Hierunter befand sich auch ein Reha-Entlassungsbericht der K., in der die Beschwerdeführerin im Frühjahr 2011 behandelt worden war. Dort hatte die Beschwerdeführerin angegeben, in ihrem Beruf als Erzieherin seit Januar 2011 krankgeschrieben zu sein, sie selbst führe ihre Symptomatik auf die mannigfachen psychosozialen Belastungen der letzten Jahre (chronische Erkrankung des Ehemannes, fehlende familiäre Unterstützung, Konflikte am Arbeitsplatz) zurück. Sie leide auch an den Folgen einer PTBS nach einer Vergewaltigung durch einen LKA-Beamten im Alter von zwölf Jahren. Ebenso befand sich darunter ein Bericht des Dipl.-Psych. L. vom Juli 2012, worin dieser darüber berichtete, die Beschwerdeführerin befinde sich seit dem 22. März 2011 bei ihm in Langzeittherapie. Weiter zog das LSVA eine schriftliche Aussage der M. bei, der die Beschwerdeführerin ebenfalls von dem Missbrauch durch den Polizeibeamten in der N. berichtet hatte.
Das LSVA führte weitere Ermittlungen durch und zog einen Befundbericht des Dipl.-Psych. L. und einen Entlassungsbrief des Kinderkrankenhauses O. bei, in dem die Beschwerdeführerin vier Tage im Januar 1986 wegen psychogener Krampfanfälle behandelt worden war. Daraus ergab sich, dass die Beschwerdeführerin seit August 1985 an Anfällen litt, während derer sie in einer Zeit von 1 bis 10 Minuten nicht ansprechbar war; diese Zustände seien anfangs einmal im Monat, zuletzt einmal wöchentlich und am Aufnahmetag sogar mehrmals aufgetreten. Ausweislich des Berichtes ergab sich in einem zwischen der Oberärztin der Abteilung und der Beschwerdeführerin geführten Gespräch, dass die Beschwerdeführerin die Anfälle vorgetäuscht habe. Bei dem Gespräch sei eine sehr ausgeprägte Familienproblematik zutage getreten, außerdem gab die Beschwerdeführerin an, im Frühjahr 1985 Drogen (auch Heroin) konsumiert zu haben.
Weiter gelangte noch ein Entlassungsbrief des Klinikums P. vom Januar 2014 zum Vorgang. Dorthin war die Beschwerdeführerin nach einer am 1. Januar 2014 erlittenen Mischintoxikation aus mutmaßlich Lorazepam, Alkohol und Cannabis aus der Q. (R.) am 2. Januar 2014 bei fortbestehender Eigengefährdung verlegt worden. Die Beschwerdeführerin konnte sich nicht daran erinnern, was zur Aufnahme in der R. geführt hatte; aus dem psychiatrischen Konsil der R. war aber zu erfahren, dass die Beschwerdeführerin bei Aufnahme berichtet hatte, mit ihrem Mann und einem befreundeten Ehepaar Silvester gefeiert zu haben, ihr Mann sei dann entgegen der Absprache mit einem Freund bis 7.00 Uhr morgens feiern gewesen und sei stark alkoholisiert nach Hause gekommen, woraufhin die Beschwerdeführerin eine Alkoholabhängigkeit ihres Mannes vermutet habe und dies nicht mehr habe ertragen können. Von den Ärzten des Klinikums P. dazu befragt, was sie dorthin führe, berichtete die Beschwerdeführerin hingegen über die angebliche Vergewaltigung durch den LKA Beamten und darüber, von diesem vier Jahre lang verfolgt worden zu sein. Im 14./15. Lebensjahr sei sie zwei Wochen lang in Behandlung des Kinderkrankenhauses S. gewesen. Im 16. Lebensjahr habe der Täter sie in der Wohnung besucht, habe ihr gegenüber Morddrohungen ausgesprochen, damals sei die erste polizeiliche Anzeige gegen ihn erfolgt. Außerdem berichtete die Beschwerdeführerin hier, ihr großer Bruder (+5 Jahre) habe sie regelmäßig ab dem sechsten Lebensjahr missbraucht. In den letzten Stunden vor Weihnachten 2013 habe sich für sie der „Verständniskreis“ geschlossen. Sie befinde sich in Behandlung bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten mit drei Sitzungen pro Woche, aktuell hätten sie ein „großes Stück aufgedeckt“.
Die Beschwerdeführerin erklärte im Februar 2014 gegenüber dem LSVA, das große Stück, welches aufgedeckt worden sei, sei der Missbrauch an ihr durch ihren Vater gewesen.
Das LSVA holte sodann ein Gutachten über die Beschwerdeführerin von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T. ein. Dieser berichtete die Beschwerdeführerin u. a. seit ihrem 5./6. Lebensjahr habe ihr Bruder sie angefasst und gedroht. Dieser Drohung habe er mitunter Nachdruck verliehen, ihr einmal den linken Unterarm über seinem Knie gebrochen. Er habe vor ihr onaniert und sie dann mit seinem Ejakulat eingeschmiert. Zu gewalttätigen Übergriffen sei es im Verlauf immer häufiger gekommen, er habe auch versucht, sie in einem Planschbecken zu ertränken. Die gesamte Tragweite der Gewalt durch ihren Bruder sowie deren Bedeutung für sie habe sie erst im Rahmen ihrer Erzieherinnenausbildung zu erkennen begonnen. Nachdem sie das Schreiben von der Staatsanwaltschaft erhalten hatte, dass man ihr zwar ihre Aussage bezüglich der angezeigten Vergewaltigung im Stadtpark glaube, für eine Verurteilung jedoch nicht genügend Beweise vorhanden seien und das Verfahren somit eingestellt werde, habe sie das Schreiben verbrannt und die Toilette hinuntergespült. Nachfolgend habe sie sich mit Drogen abgeschossen und sei nach einiger Zeit der Beschaffungsprostitution auf hohem Niveau nachgegangen. Über einen Kumpel ihres Bruders sei sie sowohl an Drogen, als auch an Freier gekommen. Als sie dann festgestellt habe, dass sie sich den Verstand wegschieße, habe sie sich einschließen lassen und kalt entzogen. Die Träume von der Tat hätten etwa drei Monate später eingesetzt, seien damals aber noch nicht so heftig gewesen. Erst seit der Reha sei ihr klar, dass sie schwer traumatisiert sei. Bezüglich des sexuellen Missbrauchs und der körperlichen Gewalt durch ihren Bruder leide sie an Intrusionen, die durch bestimmte Musik angetriggert würden. Diese Erlebnisse seien für sie bis heute nicht abgeschlossen. Zu ihrem Bruder habe sie keinen Kontakt. An einen sexuellen Missbrauch durch ihren Vater, der in ihrer Therapie „aufgedeckt“ worden sei, könne sie sich nicht erinnern. Überhaupt habe sie an ihren Vater wenig Erinnerungen. Ein weiteres einschneidendes Lebensereignis sei die Trennung von ihrem Ex-Mann, einem Polizisten und Ausbilder beim Bundesgrenzschutz gewesen. Sie habe ihn „samt Tür aus der Wohnung getreten“, als er einmalig 1992 in angetrunkenem Zustand gegen sie gewalttätig geworden sei. Sie könne nicht darüber sprechen. Sie wisse, wie es sei, wenn Schamhaare abgebrannt würden und einem in den Mund gepinkelt werde. Sie habe sich danach krankschreiben lassen, sei „nicht mehr aus der Badewanne rausgekommen“, dann sei es „wieder gegangen“. Anteilig an ihren psychischen Symptomen und Beschwerden sei dieses Ereignis „das Allerwenigste“, das habe sie eigentlich auch abgeschlossen. Sie vermute, das sei ihr deshalb gut gelungen, weil sie es geschafft habe, ihn „durch die Tür zu treten“. 1999 habe sie im Rahmen ihrer finanziellen Situation und der Situation mit ihrem Bruder, der ihr gegenüber Morddrohungen geäußert gehabt habe, nachdem sie ihn um Schuldenregulierung gebeten hatte, einen Suizidversuch unternommen. Zum Jahreswechsel 2013 zu 2014 habe sie einen weiteren Suizidversuch unternommen, nachdem aufgedeckt worden sei, dass ihr Vater sie missbraucht haben müsse. Da sei ihre Welt völlig weggebrochen. Ihr zweiter Ehemann, mit dem sie gemeinsam lebe, sei Alkoholiker, trinke täglich, werde unter Alkoholeinfluss verbal aggressiv. Sie selbst konsumiere Cannabis in Form von „Piece“ in unregelmäßigen Abständen und trinke selten Alkohol. Von der Sachverständigen zu den Missbrauchserlebnissen befragt fiel auf, dass es der Beschwerdeführerin schwerfiel, Erlebnisse oder Details im Zusammenhang mit erlebter sexueller Gewalt konkret auszusprechen, sie verwandte Umschreibungen oder äußerte, dass sie nicht darüber sprechen könne. Die Sachverständige stellte unter anderem die Diagnosen chronifizierte Depressionen, Zwangsstörungen, chronische PTBS und gelangte zu der Einschätzung, sämtliche Gesundheitsstörungen seien im ursächlichen Zusammenhang mit der Tat vom Sommer 1983 zu sehen. Die Schädigungsfolgen sein mit einem GdS von 60 zu bewerten.
Das LSVA beteiligte seinen beratungsärztlichen Dienst, der sich kritisch mit dem Gutachten auseinandersetzte. Im Ergebnis wurden erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Beschwerdeführerin geäußert und die Durchführung einer aussagepsychologischen Begutachtung angeregt.
Im Herbst 2014 legitimierte sich eine neue Prozessbevollmächtigte für die Beschwerdeführerin, die im Oktober 2014 auch wegen der von der Mutter, dem Bruder, dem Vater, sowie dem ersten Ehemann der Beschwerdeführerin ausgehenden Gewalt Entschädigung nach dem OEG für die Beschwerdeführerin beantragte. Die Beschwerdeführerin werde – begleitet von ihrem Therapeuten – die Erlebnisse aufarbeiten. Sie, die Prozessbevollmächtigte, gehe davon aus, dass dann Ende November ein entsprechend begründeter Antrag gestellt werde. Im Februar 2015 teilte die Prozessbevollmächtigte mit, die Aufarbeitung mit dem Therapeuten nehme noch etwas Zeit in Anspruch, es werde um Fristverlängerung gebeten. Im August 2015 übersandte die Prozessbevollmächtigte eine fünfseitige schriftliche Stellungnahme des Therapeuten der Beschwerdeführerin, Dipl.-Psych. L., vom 27. Juli 2015 und erklärte hierzu, der Inhalt werde hiermit vorgetragen und eine Glaubhaftigkeitsbegutachtung angeregt. Die Beschwerdeführerin befinde sich seit über vier Jahren in einer analytisch orientierten Langzeittherapie dieses Therapeuten. Dieser sei aufgrund seiner Berufserfahrung zu genauen Analysen in der Lage und könne damit beweisen, dass die über Jahre hinweg erlittene körperliche und sexuelle Gewalt überwiegend für die psychischen Funktionsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin ursächlich sei.
Das LSVA holte weitere schriftliche Aussagen von U. und dem Bruder der Beschwerdeführerin, V. ein.
Schließlich veranlasste das LSVA ein aussagepsychologisches Gutachten der Dipl.-Psych. W.. Diese gelangte in ihrem Gutachten vom 12. September 2016 zu der abschließenden Einschätzung, die Ausführungen der Beschwerdeführerin zu den fraglichen Übergriffen durch ihren Bruder seien aus aussagepsychologischer Sicht mit relativer Wahrscheinlichkeit als erlebnisfundiert anzusehen. Dies gelte für die weiteren Schilderungen der Beschwerdeführerin nicht. Die weiteren Angaben entbehrten zum Kern jener Qualität, die eine Unterscheidung zwischen einer bloßen Behauptung und tatsächlich Erlebtem zulasse (N.) bzw. die Aussagezuverlässigkeit sei durch die Entstehungsbedingungen der Aussage (Vater) zu stark eingeschränkt, als dass eine Analyse sinnvoll habe durchgeführt werden können. Angaben zu fraglichen Erlebnissen mit dem ersten Ehemann habe die Beschwerdeführerin nicht gemacht.
Das LSVA unternahm einen dritten Versuch, von den Polizeibehörden Unterlagen im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin behaupteten Vergewaltigung in der N. zu erhalten, der auch dieses Mal ohne Erfolg verblieb.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2017 half das LSVA dem Widerspruch der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 27. Juni 2013 insoweit ab, als es gesundheitliche Folgen der durch sexuelle Übergriffe des Bruders V. in der Zeit zwischen dem fünften und sechsten Lebensjahr erlittenen Schädigung in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) anerkannte, den Grad der Schädigungsfolgen ab dem 1. März 2013 mit 30 bewertete sowie der Beschwerdeführerin entsprechende Beschädigtenversorgung bewilligte. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin erneut Widerspruch ein mit der Begründung, der nunmehr anerkannte GdS sei mit 30 zu gering bemessen. Zu Unrecht sei in den Bescheid nur davon ausgegangen worden, dass die sexuellen Übergriffe ihres Bruders stattgefunden hätten. Darüber hinaus habe auch die Vergewaltigung in der N. durch einen Polizeibeamten stattgefunden sowie der Missbrauch durch ihren Vater. Das Gutachten der Dipl.-Psych. W. sei fehlerhaft. Unabhängig davon sei aber auch die Bewertung der Schädigungsfolgen mit einem GdS von lediglich 30 zu niedrig. Bei ihr liege nicht lediglich eine PTBS als Folge der Schädigung vor. Daneben bestünden weitere psychische Erkrankungen, was sich aus dem Gutachten der Dr. T. ergebe. Diese habe die psychischen Störungen mit einem GdS von 60 bewertet. Aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen liege bei ihr eine vollständige Erwerbsminderung vor, die gesundheitlichen Einschränkungen führten zudem zu vielfältigen Einschränkungen im Alltag. Sie sei häufig nicht in der Lage, das Haus ohne Begleitung zu verlassen. Dadurch ergebe sich, dass die Annahme einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten gerechtfertigt und der GdS danach mit mindestens 50 zu bewerten sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2018 wies das LSVA den Widerspruch der Beschwerdeführerin, soweit er über den Teil-Abhilfebescheid hinausging zurück. Die Schädigungsfolgen bezeichnete es wie folgt neu: „psychoreaktive Störung“. Nach nochmaliger Prüfung der Aktenlage seien weiterhin nur die sexuellen Übergriffe durch den Bruder glaubhaft gemacht. Das so anerkannte schädigende Ereignis habe aus versorgungsärztlicher Sicht nur eine Teilsymptomatik des bei der Beschwerdeführerin bestehenden psychiatrischen Störungskomplexes herbeiführen können. Die Bewertung der schädigungsbedingten Symptomatik mit einem GdS von 30 sei nicht zu beanstanden.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 22. November 2018 wurden zwei Klagen vor dem Sozialgericht (SG) erhoben. Die erste Klage ging von der Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 12. Dezember 2018 beim Sozialgericht ein (S 66 VE 64/18). Dieses Verfahren ist mit Beschluss vom 13. August 2019 mit dem Verfahren S 66 VE 63/18 unter diesem Aktenzeichen verbunden worden. Außerdem zeigte am 18. Dezember 2018 ein anderer Prozessbevollmächtigter gegenüber dem SG an, die Beschwerdeführerin zu vertreten und erhob für sie Klage gegen den streitigen Widerspruchsbescheid (S 66 VE 66/18). Die Klage zum Aktenzeichen S 66 VE 66/18 nahm die Beschwerdeführerin zurück. In dem von der Beschwerdeführerin fortgesetzten Klageverfahren S 66 VE 63/18 führte ihr neuer Prozessbevollmächtigter zur Begründung des Klageanspruchs aus, das Gutachten der Psychologin W. sei nicht verwertbar. Die Sachverständige habe ihren Sitz beim kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. in Hannover. Genau dort habe die Beschwerdeführerin auch eine Mitarbeiterin des LKA Niedersachsen im Vorzimmer angetroffen. Als die Beschwerdeführerin von diesen Beziehungen der Gutachterin zum LKA Niedersachsen erfahren habe, sei sie nicht mehr unbefangen gewesen. So sei sie nicht mehr in der Lage gewesen, sich im Rahmen der Begutachtung zu öffnen. Als sie gegenüber der Gutachterin eine genaue Täterbeschreibung abgegeben habe, habe diese die Augen aufgerissen und die Beschwerdeführerin einen Moment lang angestarrt, sodass diese den Eindruck hatte, die Gutachterin wüsste, von wem sie spreche. Eine direkte oder auch nur indirekte Einflussnahme durch widerstreitende Interessen lasse sich nicht ausschließen. Die Ereignisse in ihrer ersten Ehe seien für die hier zu beantwortenden Fragen und ihre gesundheitliche Schädigung völlig irrelevant, zumal sie längst im Rahmen ihrer Therapie bei Herrn L. aufgearbeitet und bewältigt worden seien. Im Hinblick auf die Angaben zu dem durch den Vater erlittenen Missbrauch habe das Gutachten in keiner Weise die Umstände der sogenannten infantilen Amnesie berücksichtigt, die zur Folge habe, dass nahezu zwei Drittel des Erlebten an Erinnerungen verloren gingen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache seien die erinnerten Erlebnisse an die Ereignisse mit dem Vater sehr wohl ausreichend detailliert geschildert worden. Auch bei dem Tatkomplex mit dem Polizeibeamten habe das Gutachten außeracht gelassen, dass die Beschwerdeführerin bei dieser Tat noch ein Kind gewesen sei. Die Methodik des Gutachtens im Hinblick auf eine offenkundig gezielte Retraumatisierung allein schon durch die Umstände der Untersuchung bestätige ihren Verdacht, wonach die Anschuldigungen gegen den Polizeibeamten offenkundig im Sande verlaufen sollten. Ihr werde hier der Krümel der Anerkennung des Missbrauchs durch den Bruder vorgeworfen, um andererseits die Vorwürfe gegen den Polizeibeamten vom Tisch zu haben.
Unter dem 22. Juli 2019 hat die Beschwerdeführerin ergänzt, ausweislich der wissenschaftlich fundierten Angaben ihres behandelnden Psychiaters sei sie im Alter von zwölf Jahren von dem Polizeibeamten vergewaltigt und im Alter von drei Jahren vom Großvater sexuell misshandelt worden. Die Gutachterin aus dem Hause des LKA sei nicht geeignet, ein objektives Gutachten zu erstatten. Die Erschwernisse der Begutachtung hätten nicht die Wahrheitsfindung optimiert, sondern im Gegenteil, sie im Interesse der Täter verhindert.
Aufgrund des Wohnortes der Beschwerdeführerin fand zum 1. Januar 2021 ein Beklagtenwechsel statt. Ab diesem Zeitpunkt führte das Land Schleswig-Holstein als Beklagte das Verfahren.
Mit Beschluss vom 1. Juli 2021 hat das SG den Antrag der Beschwerdeführerin, ihr für die erste Instanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen, abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Gegen den ihr am 13. Juli 2021 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 4. August 2021 Beschwerde eingelegt.
II.
Die statthafte Beschwerde ist zulässig. Sie ist aber als unbegründet zurückzuweisen.
Das Sozialgericht hat mit seinem hier angegriffenen Beschluss die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht des Klageverfahrens zu Recht abgelehnt. Auf die zutreffenden Ausführungen, die der Senat sich zu eigen macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG.
Lediglich mit Rücksicht auf den Beschwerdevortrag weist der Senat auf Folgendes hin:
Es wird voraussichtlich nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin im Kindesalter durch ihren Vater sexuell missbraucht (1a) und/oder im Sommer 1983 von einem Polizeibeamten in der X. vergewaltigt worden (1b) und damit Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG geworden ist. Darüber hinaus gibt es keinen hinreichenden Anhaltspunkt für die Annahme, die durch die Taten des Bruders der Beschwerdeführerin wesentlich verursachten Gesundheitsfolgen und Funktionsbeeinträchtigungen seien zu Lasten der Beschwerdeführerin fehlerhaft mit einem GdS von 30 bewertet worden (2).
1. Grundsätzlich bedarf die Feststellung eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG des Vollbeweises. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 KOVVfG, der gemäß § 6 Abs. 3 OEG auch im Opferentschädigungsrecht anzuwenden ist, sind hinsichtlich des schädigenden Vorgangs bei der Entscheidung die Angaben des Antragstellers, die sich auf mit der Schädigung im Zusammenhang stehende Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen und Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind. Die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOVVfG ist auch dann anwendbar, wenn für den schädigenden Vorgang keine Zeugen vorhanden sind (vgl. grundlegend BSG, Urteil vom 31. Mai 1989 – 9 RVg 3/89 – BSGE 65, 123, 125). Nach dem Sinn und Zweck des § 15 Satz 1 KOVVfG sind damit nur Tatzeugen gemeint, die zu den zu beweisenden Tatsachen aus eigener Wahrnehmung Angaben machen können (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013, Az.: B 9 V 3/12 R).
Selbst dann, wenn unter Zugrundelegung dieser Grundsätze der erleichterte Beweismaßstab des § 15 KOVVfG angewendet werden könnte, wäre das Vorliegen eines sexuellen Missbrauchs der Beschwerdeführerin durch ihren Vater bzw. die von ihr behauptete Vergewaltigung durch einen Polizeibeamten zur Überzeugung des Senats nicht glaubhaft gemacht i.S.d. § 15 KOVVfG.
Glaubhaftmachung i.S. des § 15 Satz 1 KOVVfG bedeutet die Darlegung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 128 RdNr. 3d m.w.N.), d.h. der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 S. 14 f m.w.N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d.h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 128 RdNr. 3d m.w.N.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses (kein deutliches) Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht dagegen nicht aus, um die Beweisanforderung zu erfüllen.
Die Behauptungen der Beschwerdeführerin zum sexuellen Missbrauch durch ihren Vater sowie die im Sommer 1983 erlittene Vergewaltigung durch einen Polizeibeamten sind schon aus sich heraus nicht glaubhaft.
a) Unstreitig hat die Beschwerdeführerin den von ihr behaupteten, durch ihren Vater erlittenen Missbrauch erstmals in der bei dem Dipl.-Psych. L. seit März 2011 durchgeführten Langzeittherapie „aufgedeckt“ und „erarbeitet“, wobei sie sogar noch im Mai 2013 gegenüber der Gutachterin Dr. T. eingeräumt hatte, sich an diesen Missbrauch gar nicht erinnern zu können (vgl. Seite 13 des Gutachtens). Hieraus ergeben sich schon Zweifel, ob die Klägerin die Beweiserleichterung aus § 15 KOVVfG insoweit für sich in Anspruch nehmen kann. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat nach eigener Prüfung folgt, (BSG Urteil vom 30. November 2006, B 9a VS 1/05 R Rn. 24 zitiert nach juris; zustimmend Schmidt in ders. SGB XIV § 117 Rn. 9; Lober in Knickrehm/Rademacher, LPK – SGB XIV, § 117 SGB XIV Rn. 11 jeweils mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Senatsentscheidung vom 17. November 2022, L 10 VE 36/20. Erstmalige Beschreibungen des behaupteten Missbrauches finden sich in dem Gutachten der Dipl.-Psych. W. vom September 2016. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat insoweit auf Seite 27 des Gutachtens, dem auch zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführerin hier darüber berichtet hatte, die Erinnerungen an den väterlichen Missbrauch im Dezember 2014 generiert zu haben, nachdem ihr Therapeut Dipl.-Psych. L. ihr über den Rücken gestreichelt hatte und sie sich bei ihm auf den Schoß setzen sollte.
Das Phänomen des „späten Wiedererinnerns“ ist dem Senat aus einer Vielzahl ähnlich gelagerter Streitsachen bekannt. Zugleich ist ihm auch bekannt, dass Therapeuten immer wieder auf diesen Umstand hinweisen. Davon zu unterscheiden ist nach Auffassung des Senats aber die Frage, wie die Erlebnisbasiertheit solcher spät und sukzessive geäußerten Erinnerungen zu beurteilen ist. Nach Kenntnis des Senates geht die ganz herrschende Lehrmeinung im Bereich der Gedächtnisforschung davon aus, dass späte und sukzessive Tatschilderungen eher Zweifel an der Erlebnisbasiertheit begründen. Diese Erkenntnis hat der Senat zum Gegenstand seiner ständigen Rechtsprechung gemacht und hält hieran auch weiterhin fest. Die Annahme, Erinnerungen an traumatische Ereignisse würden sich generell von anderen Erinnerungen qualitativ dahingehend unterscheiden, dass sie gar nicht oder allenfalls fragmentiert erinnert werden könnten, findet durch empirische Untersuchungen keine systematische Unterstützung; im Gegenteil: Traumatische Erlebnisse können i.d.R. besonders langfristig erinnert werden (vgl. Volbert/Steller in: Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Auflage 2015, S. 697) und generell ist davon auszugehen, dass emotional bedeutsame Ereignisse besonders dauerhaft behalten und in der Regel auch explizit erinnert werden können (vgl. auch: Julia Shaw, Das trügerische Gedächtnis, S. 186, 187). Eine traumabedingte Amnesie ist jedenfalls sicherlich nicht die typische Folge eines stressreichen Erlebnisses (vgl. Volbert in: Beurteilung von Aussagen über Traumata, 2004, S. 98, so auch schon Senatsurteil vom 21. September 2017, L 10 VE 25/14 veröffentlicht in juris). Substanzielle Beeinträchtigungen der expliziten Erinnerung, die deutlich über normale Vergessensprozesse hinausgehen, treten als Folge von traumatischen Ereignissen insbesondere auch bei PTBS-Patientin in der Regel nicht auf (vgl. Volbert/Steller in: Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6.Auflage 2015, S. 697). Die Auffassung, dass traumatische Erinnerungen im Gegensatz zu alltäglichen Erinnerungen in einer reproduktiven, nonrekonstruktiven Weise bis zur Entdeckung der Erinnerung bzw. der Möglichkeit der weiteren Verarbeitung erhalten bleiben, steht im Widerspruch zu gedächtnispsychologischen Erkenntnissen, nach denen durchgängig gezeigt wurde, dass Erinnern ein konstruktiver Prozess ist, bei dem nicht nur gespeicherte Bilder aktiviert werden (vgl. Volbert in: Beurteilung von Aussagen über Traumata, S. 92). Zeitweise nicht zugängliche Erinnerungen können somit gerade nicht als zuverlässig eingestuft werden: Menschen neigen dazu, Informationen ihren eigenen Schemata hinzuzufügen. Sind Menschen intrusiven, irritierenden, nicht einzuordnenden fragmentarischen Erinnerungen ausgesetzt, ist zu vermuten, dass sie diese fragmentarischen Erinnerungen mit Schemata versehen, unabhängig davon, ob die so einer fragmentierten Erinnerung zugeordnete Bedeutung mit dem Ursprungserlebnis etwas zu tun hat oder nicht. Solche „Erinnerungen“ können richtig sein, aber auch völlig falsch. Unter therapeutischen Gesichtspunkten können auch wenig mit der historischen Wahrheit korrespondierende Erinnerungskonstruktionen ihre Funktion erfüllen, ein Beleg für die Zuverlässigkeit der Erinnerung ergibt sich daraus nicht (Volbert in: Beurteilung von Aussagen über Traumata, S. 92). Bei der Wiederherstellung von Erinnerungen im wirklichen Leben ist nur eins klar: Wenn keine unanfechtbare Bestätigung vorliegt, kann ein Außenstehender nicht eindeutig sagen, ob eine bestimmte Erinnerung echt oder fabriziert ist (Volbert in: Beurteilung von Aussagen über Traumata, S. 92). Es gibt bislang keine Methode, die eine Differenzierung zwischen suggerierten, subjektiv aber als wirklich erachteten und tatsächlich erlebnisfundierten Aussagen erlaubt. Dies liegt u.a. darin begründet, dass lediglich vorgestellte, imaginierte bzw. intern generierte Pseudoerinnerungen nach denselben Organisationsprinzipien im menschlichen Gedächtnis repräsentiert sein können wie Erlebnisse in der Wachwirklichkeit. Folglich tragen die entsprechend rekonstruierten Gedächtnisinhalte bzw. Aussagen ein ähnliches Merkmalsgepräge und sind u.U. weder durch die betroffene Person selbst, noch durch Dritte hinsichtlich ihres Wirklichkeitsstatus unterscheidbar (vgl. Greuel: Was ist Glaubhaftigkeitsbegutachtung (nicht)? In: Themenheft Glaubhaftigkeitsbegutachtung der DGfPI, Heft 2 2009, S. 78).
Dies berücksichtigend, können die von der Beschwerdeführerin während der bei Dipl.-Psych. L. seit März 2011 durchgeführten Langzeittherapie erarbeiteten Erinnerungen an einen durch ihren Vater erlittenen sexuellen Missbrauch nicht zur positiven Überzeugungsbildung des Senates beitragen.
In diesem Zusammenhang weist der Senat auch auf die von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 22. Juli 2019 behauptete sexuelle Misshandlung durch ihren Großvater im Alter von drei Jahren hin, obwohl sie früher dargelegt hatte, ihr Opa sei gestorben, als sie noch ziemlich klein gewesen sei; sie wisse nur noch, dass er nach erfolgter Amputation seiner Beine im Rollstuhl gesessen habe (vgl. das von der Beschwerdeführerin im Juli 2013 zum Verwaltungsvorgang gereichte „Manuskript“, Bl. 30 der Verwaltungsakte). Das Wiederentdecken immer neuer und weiterer Missbrauchshandlungen im Verlauf der Zeit spricht nach der Einschätzung des Senates nicht für einen Erlebnisbezug des Behaupteten.
b) Der Senat hält es auch nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin im Sommer 1983 im Alter von 12 Jahren von einem Polizeibeamten in der X. vergewaltigt worden ist.
Soweit die Beschwerde wiederholt darauf abstellt, die Erinnerungen der Beschwerdeführerin seien detailreich und von dieser stets – auch über die vielen Jahre hinweg – identisch und konstant wiedergegeben worden, so lässt allein dies keinen zwingenden oder auch nur hinreichenden Rückschluss auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen zu. Richtig ist, dass Detailreichtum und Konstanz zu den Merkmalen der inhaltsorientierten Glaubhaftigkeitsanalyse zählen. Hierbei handelt es sich aber nur um einen Ausschnitt der Überzeugungsbildung. Daneben fließen viele andere Faktoren in die Überzeugungsbildung ein, wie z.B. die Darstellung des Kerngeschehens, strukturelle Kriterien der Aussage wie Tempo, Nichtsteuerungskriterium einschließlich Umkehrungen, gegenseitige Bestätigung, Verflechtungen etc., aber auch – außerhalb der inhaltsorientierten Glaubhaftigkeitsanalyse – u.a. die Glaubwürdigkeit als Personenmerkmal, körperliche Verfassung und Befindlichkeit der Aussageperson, Stimmigkeit von Daten und Fakten, Plausibilität des Vorgebrachten, Berücksichtigung von Naturgesetzen und wissenschaftlichen Erkenntnissen, etc. Nur in ihrer Gesamtheit tragen diese Faktoren zur Überzeugungsbildung bei. Keines der Merkmale trägt die zwingende Sicherheit in sich, je nach seinem Vorliegen oder Nichtvorliegen sei in jedem Falle vom Wahrheits- oder Unwahrheitsgehalt der Aussage auszugehen: Aus dem Vorliegen einer Aussage mit bestimmten Realitätsmerkmalen einer gewissen Qualität im Sinn der Aussageanalyse folgt noch nicht, dass die Aussage auch wahr sein müsste; es gibt keinen wie auch immer gearteten Schwellenwert i.S. einer Anzahl an Glaubhaftigkeitsmerkmalen, ab dem bzw. ab der eine Aussage stets erlebnisbasiert sein müsste (vgl. Häcker in: Bender/Häcker/Schwarz, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 5. Auflage 2021, Rn. 332). Ein Detailreichtum des Erzählten lässt keinen zwingenden Rückschluss auf die Erlebnisbasiertheit zu, solange keine objektiven Parameter bekannt sind, an denen die behaupteten Details abgeglichen werden können. Nur dann, wenn objektive Parameter zu den angesprochenen Details vorhanden und bekannt sind, und das Erinnerte bzw. Behauptete sich daran messen lässt, ist der Detailreichtum einer Aussage ein guter Indikator als Realitätsmerkmal. Ohne das Vorhandensein überprüfbarer Parameter, an denen die behaupteten Details abgeglichen werden können, ist ein Detailreichtum möglicherweise allein Indiz für die Fantasie des Erzählers. Vergleichbares gilt für die Frage der Konstanz einer Aussage: Diese kann, muss aber nicht ein Indiz für den Realitätsgehalt von Behauptungen sein, wobei das Vorhandensein von Inkonstanzen für unterschiedliche Aspekte in unterschiedlicher Weise in erlebnisbasierten Aussagen sogar zu erwarten ist (vgl. Häcker in: Bender/Häcker/Schwarz, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 5. Auflage 2021, Rn. 501).
Insgesamt hält der Senat die Behauptungen der Beschwerdeführerin, als 12jährige mittags in der N. nach dem (erstmaligen) Konsum von (vier) Bier in eine Drogenrazzia geraten und in der Folge von einem Polizeibeamten oral, anal und vaginal vergewaltigt worden zu sein, mit anschließender Schwangerschaft, sodann mit Stricknadeln selbst herbeigeführtem Schwangerschaftsabbruch und danach folgender mehrjähriger Verfolgung und Bedrohung durch den Täter für wenig glaubhaft.
Der Senat sieht sich in seiner Einschätzung bestätigt durch den Entlassungsbericht der Kinder- und Jugendpsychiatrie O., wo die Beschwerdeführerin als 15jährige (also relativ zeitnah zu dem angeschuldigten Geschehen) für einige Tage wegen psychogener Krampfanfälle behandelt worden ist. In einem mit der Oberärztin geführten Gespräch gab die Beschwerdeführerin zu, die Anfälle vorzutäuschen; eine Vergewaltigung oder sexueller Missbrauch ist hier von der Beschwerdeführerin – entgegen ihrer späteren Darstellung – aber nicht angesprochen worden. Stattdessen ist eine sehr ausgeprägte Familienproblematik zu Tage getreten und der Drogenkonsum der Beschwerdeführerin (auch Heroin) thematisiert worden (vgl. Entlassungsbericht vom 10. März 1986, Bl. 9 VA). Weiter berücksichtigt der Senat für seine Überzeugungsbildung den Umstand, dass trotz wiederholter Nachforschungen keinerlei Unterlagen über die von der Beschwerdeführerin behaupteten Vorgänge bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft auffindbar sind, obwohl nach der Darstellung der Beschwerdeführerin 1987 ein umfangreiches Ermittlungsverfahren – einschließlich ihrer Vernehmungen durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendrichter im Beisein einer Psychologin – stattgefunden haben soll. Richtig ist, dass auch die Unterlagen der Polizei- und Justizbehörden nur gewissen Aufbewahrungsfristen unterliegen und danach ausgesondert werden. Aus anderen OEG-Verfahren hat der Senat in den zurückliegenden Jahren aber durchaus die Erfahrung gewonnen, dass häufig auch nach sehr langen Zeiträumen noch Unterlagen auffindbar sind, sei es auch nur in Form einzelner verbliebener Dokumente oder rudimentärer Daten. Demgegenüber ist im vorliegenden Fall der Name der Beschwerdeführerin nicht einmal in der Namenskartei der Staatsanwaltschaft Hannover enthalten (vgl. Schreiben der StA vom 29. Mai 2013, Bl. 16 VA). Auch die Beschwerdeführerin selbst verfügt über keine Unterlagen mehr. Den von ihr angeblich erhaltenen „Einstellungsbescheid“ will sie verbrannt (vgl. „Manuskript“ der Beschwerdeführerin, Bl. 35 VA) bzw. „verbrannt und die Toilette hinuntergespült“ haben (vgl. Gutachten der Dr. T., Seite 12). Schließlich sieht sich der Senat in seiner Bewertung durch das aussagepsychologische Gutachten der Dipl.-Psych. W. gestützt, die zu der zusammenfassenden Bewertung gelangt ist, die Angaben der Beschwerdeführerin seien von einer bloßen Behauptung nicht abgrenzbar.
Soweit die Beschwerdeführerin geltend gemacht, aus der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörung sei darauf zu schließen, dass sie Opfer von Gewalttaten geworden sein müsse, ist auch dieser Gesichtspunkt dem Senat aus einer Vielzahl von Fällen bekannt. Die ständige Rechtsprechung des Senates geht auf der Grundlage der herrschenden medizinischen Lehrmeinung und aus juristischen Erwägungen heraus aber in die entgegengesetzte Richtung, dass nämlich aus dem Vorliegen bestimmter Gesundheitsstörungen nicht auf konkrete Ursachen geschlossen werden kann (vgl. u.a. Urteil des Senats vom 29. September 2016, L 10 VE 44/11; Urteil vom 10. Mai 2015, L 10 VE 67/18, vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Februar 2018, L 13 VG 26/14, alle Entscheidungen veröffentlicht in juris).
2. Das Vorstehende berücksichtigend, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Höhe des GdS zu Lasten der Beschwerdeführerin fehlerhaft zu niedrig mit 30 bemessen worden ist. Zwar weist die Beschwerdeführerin zu Recht darauf hin, die Gutachterin Dr. T. habe im Mai 2013 eine GdS von 60 empfohlen. Dieser Einschätzung lagen aber in erster Linie die von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der von ihr behaupteten Vergewaltigung geschilderten Angstzustände zu Grunde: So berichtete die Beschwerdeführerin, sie schlafe nicht gut, mache im Schlaf „Traumreisen“, in denen sie die Vergewaltigung „wie in Endlosschleifen“ durchlebe, was ein „reines Gefühls-, Geruchs- und Geschmacksszenario“ sei. Sie erlebe dies in fast allen Nächten (vgl. Seite 5 des Gutachtens). Aus diesem Grund sei sie immer sehr müde. Sie wache sieben bis acht Mal aus den „Traumreisen“ auf, schätze, dass sie maximal drei Stunden Tiefschlaf nachts habe, könne nicht im Dunkeln schlafen, lasse bei geöffneter Schlafzimmertür das Licht im Nebenraum an, kratze sich im Schlaf mit den Fingernägeln an Händen, Gesicht, Bauch und Brust, spreche manchmal nachts im Schlaf (vgl. Seite 7 des Gutachtens). Nach Nächten mit solchen Träumen traue sie sich gar nicht bzw. nur in Begleitung nach draußen, aber auch zu Hause fühle sie sich nicht sicher; nirgends fühle sie sich sicher, sei ständig angespannt und unruhig, denke, „es könne wer kommen“. Auch die von der Gutachterin aufgeführten somatischen Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen (Angstzustände, Gewaltfantasien (jemand könne den Hund der Beschwerdeführerin erschießen), Verkrampfungen, Schmerzen in den Armen, Schmerzen im Rücken, Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Beschwerden beim Toilettengang, Einnässen) standen im Zusammenhang einerseits mit den „Traumreisen“ und andererseits mit konkreten Ängsten der Beschwerdeführerin vor einem Stalker ihrer Tochter (vgl. Seite 6 des Gutachtens). Auch berichtete die Beschwerdeführerin der Gutachterin davon, bei der Wahrnehmung von Blicken, Gesten oder Körpergerüchen, die sie an die Vergewaltigung erinnerten, „zur Salzsäule“ zu erstarren und dann „absolut handlungsunfähig“ zu sein und auch nicht sprechen zu können, wobei die Starre bis zu 15 Minuten anhalten könne. In ihrem Bewusstsein herrsche dann ein „Mischmasch“ aus dem „alten Film“ der Vergewaltigung und der Wahrnehmung ihrer aktuellen Umwelt, wobei der „alte“ Film stets ein Erinnerungsfilm sei und keinen Gegenwartscharakter habe. Ihr liefen dann die Tränen, ohne dass sie dies steuern könne (vgl. Seite 6 des Gutachtens). Im Zusammenhang mit der behaupteten Vergewaltigung berichtete die Beschwerdeführerin außerdem über Vermeidungsverhalten (sie vermeide Polizisten, die N., weiße Röcke, die Benutzung von Bussen und Bahnen mangels „Fluchtweg“; vgl. Seite 8, 9 des Gutachtens). Das Vorgesagte macht deutlich, dass der überaus größte Anteil der von der Beschwerdeführerin berichteten Funktionsbeeinträchtigungen wesentlich im Zusammenhang mit der von ihr behaupteten Vergewaltigung in der N. bzw. den Ängsten vor einem Stalker (ihrer Tochter) standen. Zu den Folgen der Taten ihres Bruders befragt, berichtete die Beschwerdeführerin der Gutachterin hingegen nur von Intrusionen, die durch bestimmte Musik angetriggert würden, weshalb sie es vermeidet, Radio zu hören (vgl. Seite 13 des Gutachtens).
Auch nach der ausdrücklichen Einschätzung der Gutachterin waren sämtliche von ihr benannten Gesundheitsstörungen im ursächlichen Zusammenhang mit der von der Beschwerdeführerin behaupteten Vergewaltigung zu sehen, wohingegen das Verhalten des Bruders lediglich eine ganz untergeordnete Rolle gespielt hat (vgl. Seiten 22, 23 des Gutachtens). Wenn die Gutachterin Dr. T. also alle die von ihr benannten Funktionsbeeinträchtigungen als Folge der Vergewaltigung eingeordnet und in ihrer Gesamtheit mit einem GdS von 60 bewertet hat (vgl. Gutachten Seite 22), erscheint es nicht fehlerhaft, wenn das beklagte Land zu Gunsten der Beschwerdeführerin davon ausgeht, die Folgen der Taten des Bruders seien mit einem GdS von 30 zu bewerten. Denn hatte das Verhalten des Bruders der Beschwerdeführerin eine nur ganz untergeordnete Rolle für das Entstehen der vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. dazu auch die Ausführungen der Gutachterin auf Seite 23 des Gutachtens), so war es – streng betrachtet – schon nicht wesentlich ursächlich für bestehende Gesundheitsstörungen. Auf keinen Fall aber erlauben die Feststellungen der Gutachterin Dr. T. zu den einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen und deren Ursache den Rückschluss darauf, die Gesundheitsschäden der Klägerin seien in ihrer Gesamtheit Folge der Taten des Bruders.
Dabei ist auch noch nicht berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin sowohl ausweislich des Akteninhalts, als auch nach eigenem Bekunden seit ihrem 14. Lebensjahr (Frühjahr 1985) Drogen konsumiert hat und dies möglicherweise auch immer noch tut. Dies ist bereits im Kinderkrankenhaus O. thematisiert worden, wo die Beschwerdeführerin im März 1986 eingeräumt hatte, in der Vergangenheit Drogen und auch Heroin konsumiert zu haben. Gegenüber der Gutachterin Dr. T. hatte die Beschwerdeführerin im Mai 2013 berichtet, nach Erhalt des Einstellungsbescheides der Staatsanwaltschaft – was also nach der Anzeigenerstattung im Jahr 1987 der Fall gewesen sein muss – sich „mit Drogen abgeschossen“ und nach einiger Zeit der Beschaffungsprostitution „auf hohem Niveau“ nachgegangen zu sein. Über einen Kumpel ihres Bruders sei sie sowohl an Drogen, als auch an Freier gekommen (vgl. Seite 12 des Gutachtens). Im Mai 2013 hatte die Beschwerdeführerin außerdem den Konsum von Cannabis in Form von „Piece“ in unregelmäßigen Abständen von wöchentlich bis halbjährlich (vgl. Seite 19 des Gutachtens) eingeräumt. Es ist allgemein bekannt, dass Heroin und Cannabis zu Persönlichkeitsstörungen, affektiven Störungen, Angststörungen, Depressionen und bipolaren Störungen führen können und das Risiko erhöhen, an einer Psychose zu erkranken, so dass weitere Ermittlungen zum psychischen Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin keine Erkenntnisse im Hinblick auf in der Kindheit erlittene psychische Funktionseinschränkungen versprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
C. Y. Z.