L 3 U 37/19

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 36 U 167/17
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 3 U 37/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Lehnt eine Behörde (hier: die Geschäftsführung des beklagten Unfallversicherungsträgers) während des gerichtlichen Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Versicherungsfalls die Anerkennung des von der Klägerin geltend gemachten Versicherungsfalls nach nochmaliger Sachprüfung erneut ab, um einen Fehler im vorangegangenen Verwaltungsverfahren (hier: sachliche Unzuständigkeit des Rentenausschusses) zu korrigieren, so steht einer Einbeziehung des neuen Verwaltungsakts gemäß § 96 Abs 1 SGG nicht entgegen, dass dieser Verwaltungsakt nicht durch dieselbe Behörde erlassen worden ist, die auch den ursprünglich mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (Abgrenzung zu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Januar 2024 - L 3 U 156/22 -, juris).

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. März 2019 wird zurück­gewiesen.

Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 6. Januar 2025 wird abgewiesen.

Der Beklagte hat 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Feststellung einer Berufskrankheit <BK> nach Nr 1318 (Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol [BK 1318]) und einer BK nach Nr 2402 (Erkrankungen durch ionisierende Strahlen [BK 2402]) der Anl 1 zur Berufskrankheiten­verordnung <BKV>.

Die 1958 geborene Klägerin absolvierte ab dem 1. April 1975 eine dreijährige Ausbildung zur Kranken­schwester im J. <K. > in L. (heute: M.) und war dort im Anschluss bis Ende März 1994 im erlernten Beruf tätig. Ab 1980 war sie als Stations­schwester eingesetzt.

Im Juli 2016 zeigte sie dem Beklagten ihre Erkrankung an einer Akuten myeloischen Leukämie <AML> an und beantragte die Anerkennung der Erkrankung als BK. Dazu äußerte sie ihre Ver­mutung, dass die Ursache ihrer Leukämieerkrankung in häufigem ungeschützten Kontakt zu Medi­kamenten (ua Zytostatika) und Desinfektion­smitteln während ihrer Arbeit im Krankenhaus liegen könnte (Schreiben vom 28. Juli 2016).

Auf Nachfrage des Beklagten machte die Klägerin ausführliche Angaben zu ihrer beruflichen Tätig­keit sowie den Stoffen und Materialien, mit denen sie bei Ausübung der Tätigkeit Kontakt gehabt hatte. Dabei erklärte sie ua, dass „Waschbenzin bzw. Wund­benzin […] von uns auch als Wasch­ether bezeichnet“ zur Hautreinigung, zB zum Entfernen von Pflasterresten, genutzt sowie nach Opera­tionen und zB zur Hautentfettung eingesetzt worden sei (Schreiben vom 19. September 2016). Außerdem legte sie zahlreiche Unterlagen mit Bezug zu ihrer Tätigkeit oder den betrieb­lichen Verhältnissen des K. vor.

Eine Anfrage des Beklagten beim N. Klinikum O. zur Tätigkeit der Klägerin wurde dahin beantwortet, dass dort Personal­akten nur bis zu zehn Jahre nach dem Ausscheiden auf­bewahrt würden und keine Unter­lagen mehr vor­handen seien (Schreiben vom 7. November 2016).

Der Präventionsdienst des Beklagten kam in seiner Stellung­nahme Arbeits­platz­exposition vom 8. Dezember 2016 nach ergänzender Befragung der Klägerin (Schrei­ben vom 23. No­vember 2016; Antwortschreiben der Klägerin vom 27. November 2016) zu dem Ergebnis, dass sich keine berufliche Benzol­exposition feststellen lasse.

Die Fachärztin für Arbeitsmedizin Prof. Dr. P. führte in ihrer beratungsärztlichen Stellung­nahme vom 4. Januar 2017 aus, dass das Krankheitsbild der AML allein unter die BKen 1318 und 2402 falle. In Bezug auf die in der Stellungnahme des Präventionsdienstes aufgeführten Pro­dukte bzw deren Inhalts­stoffe sei die Verursachung einer AML nach bisheriger wissen­schaft­­licher Datenlage nur bei Einwirkungen durch Benzol gesichert. Hierfür müsse eine Expo­sitions­­höhe von mindestens 8-10 ppm Benzoljahren nach­gewiesen sein. Für die übrigen in der Stellung­nahme aufgeführten Produkte bzw deren Inhalts­stoffe sei die Auslösung einer AML nicht wissenschaftlich belegt. Zur Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen könne aktuell nicht Stellung genommen werden, da die vom Präven­tions­dienst zitierte Äußerung der Klägerin nicht in den Aktenunterlagen ent­halten sei. Grundsätzlich sei jedoch an­zunehmen, dass im Krankenhausbereich die zulässigen Grenzwerte eingehalten würden und außerhalb der dosimetrisch überwachten Bereiche keine nennenswerte Strahlen­exposition vorliege.

Mit Bescheid seines Rentenausschusses vom 2. Februar 2017 lehnte der Beklagte die An­erkennung der AML der Klägerin als BK 1318 und als BK 2402 ab. Nach der arbeits­technischen Stellungnahme seines Präventionsdienstes sei die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Schwestern­schülerin und Krankenschwester des K. im Zeit­raum vom 1. April 1975 bis 31. März 1994 nicht gegenüber Benzol exponiert gewesen. Eine bedeut­same Einwirkung von ionisierenden Strahlen in diesem Beschäftigungsverhältnis sei für sie nicht anzunehmen und die Einwirkung daher zu vernachlässigen. Damit lägen die Voraus­setzungen zur Anerkennung einer BK 1318 und einer BK 2402 nicht vor.

Aufgrund des von der Klägerin mit Schreiben vom 16. Februar 2017 erhobenen Wider­spruchs befragte der Beklagte erneut seinen Präventionsdienst, der ausführte, dass die Ver­wendung von benzolhaltigen Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen und damit Einwirkungen im Sinne einer BK 1318 für die Tätigkeiten der Klägerin im K. nicht nachzuweisen seien. Deshalb erübrige sich eine Dosis­berechnung und eine Befragung der Klägerin sei nicht mehr notwendig (Aktenvermerke vom 4. April 2017 und 10. Mai 2017).

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2017 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 28. Juli 2017 hat die Klägerin beim Sozialgericht <SG> Hannover Klage erhoben und dort vorgetragen, dass sie im Zeitraum ihrer Tätigkeit als Krankenschwester im K. besonders intensiv und regelmäßig Kontakt mit formaldehydhaltigen Desinfektionsmitteln ohne Mund­schutz und Schutzkleidung gehabt und danach unter signifikanten, anfall­artigen Hustenanfällen, Wortfindungs­störungen, Sehstörungen und extremen Kopfschmerzen gelitten habe. Die Art und Weise des Kontaktes mit dem Des­infek­tions­mittel sei zur Verursachung einer AML geeignet. Ferner habe Kontakt mit Quecksilber, Iso­propyl­alkohol 70 %, Isopropanol, Braunovidon, Jod­tinktur, Grotanatpulver, Waschbenzin zur Hautreinigung, Wasserstoffsuperperoxid, Kalium­per­manganat, Mercurochromlösung, Rivanol­lösung, Gentianaviolett und Zytostatika bestanden. Es liege prima facie auf der Hand, dass bei dem engen, immer wiederkehrenden Kontakt mit den in den Desinfek­tions­mitteln vorhandenen Giftstoffen über Haut und Lunge über einen Zeit­raum von 17 Jahren Krebs generiert werden könne. Aus diesem Grund sei sie von der Q. <R. > darauf hingewiesen worden, dass die bei ihr diagnostizierte Leukämie durch die Schadstoffe, mit denen sie während ihrer Arbeit in Kontakt gekommen sei, verursacht worden sei.

Das SG Hannover hat den Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. S. gutachtlich gehört. Der Sach­verständige ist zu der Einschätzung gelangt, dass das Vorliegen einer BK 1318 oder einer BK 2402 aus medizinischer Sicht nicht hinreichend wahrscheinlich sei. Es seien bereits die arbeits­technischen Voraussetzungen beider BK-Ziffern nicht erfüllt. Eine Exposition der Klägerin gegen­über Benzol bzw benzolhaltigen Arbeitsstoffen habe nach den plausiblen und nach­vollzieh­baren Ergebnissen der arbeitstechnischen Sach­aufklärung nicht zweifelsfrei belegt werden können. Eine berufliche Exposition zu ionisierender Strahlung habe nach eigenen Angaben der Klägerin nicht vorgelegen (Gutachten vom 9. Juli 2018 mit ergänzenden Stellung­nahmen vom 13. September 2018 und 18. September 2018).

Mit Urteil vom 22. März 2019 hat das SG Hannover die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass es sich bei der Erkrankung der Klägerin nicht um eine BK 1318 oder eine BK 2402 handele. Zur Überzeugung des Gerichts fehle es an den arbeits­technischen Voraus­setzungen. Die Kammer stütze sich hierbei maßgeblich auf das Gutachten des Sach­verständigen Dr. S., dessen Ausführungen in sich schlüssig und nachvoll­ziehbar seien. Ein beruflicher Kontakt mit Benzol könne nicht als nachgewiesen gelten, wenn dieser Stoff nach den offiziellen Sicherheitsdatenblättern in keinem der Produkte, mit denen die Klägerin gearbeitet habe, enthalten gewesen sei. Es sei weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Sachverständige bei seiner Recherche Produkte nicht einbezogen oder falsche Schlüsse gezogen hätte. Auch hinsichtlich der BK 2402 sei keine fehlerhafte Beurteilung durch den Sachverständigen zu erkennen. Die Klägerin sei nicht etwa im Bereich der Röntgen­einheiten, sondern auf den Stationen beschäftigt gewesen, sodass die Annahme eines nicht nennens­werten Kontaktes mit ionisierenden Strahlen schlüssig sei. Soweit die Klägerin maß­geblich auf die schädigende Wirkung der zu verwendenden Desinfektionsmittel abhebe, habe der Sach­verständige zutreffend den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zugrunde gelegt. Zwar sei nicht auszuschließen, dass die Inhaltsstoffe allein oder in ihrer Kombination schädliche Auswirkungen auf den menschlichen Organismus entfalteten und ggf sogar kanzero­gen wirkten. Nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand sei aber die Geeignetheit zur Verur­sachung einer AML zu verneinen. Soweit der Klageantrag der Klägerin auch sämtliche anderen Ziffern der Anl 1 zur BKV umfasse, sei die Klage bereits unzulässig, da diesbezüglich keine gerichtlich über­prüfbare Entscheidung des Beklagten vorliege.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 26. März 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. April 2019 Berufung beim Landessozialgericht <LSG> Niedersachsen-Bremen eingelegt, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und – insbesondere in Bezug auf ihren Umgang mit Wund- oder Waschbenzin im stationären Bereich der Chirurgie – ergänzt. Sie beanstandet, dass der Beklagte die arbeitstechnischen Voraussetzungen in Bezug auf ihren Umgang mit Benzol nicht ermittelt habe. Ein dafür erforderliches Gespräch sei mit ihr nicht geführt worden.

Zur Unterstützung ihres Vorbringens in Bezug auf den Umgang mit Wund- oder Waschbenzin hat die Klägerin Stellungnahmen ihres Hausarztes, des vormals als Stationsarzt in der chirur­gischen Abteilung des K. tätigen Dr. T. („Ärztliche Bescheinigungen“ vom 17. Juni 2019, 15. Juli 2020 und 2. Februar 2021) sowie ein Schreiben des früheren Chefarztes der Abteilung Allgemein­­chirurgie des K. Dr. U. vom 8. Juni 2019 vorgelegt. Sie hat außerdem Stellung­nahmen des Toxikologen Dr. V. vom 1. August 2019 zu ihrer beruflichen Exposition gegen­über formaldehydhaltigen Desinfektionsmitteln, Benzol als Lösungs­mittel in Waschbenzin und Zyto­statika sowie vom 22. Februar 2021 zu der im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahme des Präventionsdienstes des Beklagten vom 12. Januar 2021 in das Verfahren eingeführt. Darin geht Dr. V. zuletzt von einer beruflichen Gesamtbelastung der Klägerin von ca 14 ppm-Benzol­jahren aus.

Nach einem Hinweis des Senats auf die Unzuständigkeit des Rentenausschusses für die Ablehnung eines Versicherungsfalls (Verfügungen vom 10. Dezember 2024 und 20. Dezember 2024) hat der Beklagte einen neuen Bescheid erlassen, mit dem er die Anerkennung einer BK 1318 und einer BK 2402 erneut abgelehnt hat (Bescheid vom 6. Januar 2025).

Die Klägerin beantragt,

            1.  das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. März 2019 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 6. Januar 2025 aufzuheben,

            2.  festzustellen, dass die bei ihr bestehende Akute myeloische Leukämie eine Berufs­krankheit nach Nr 1318 und eine Berufskrankheit nach Nr 2402 der Anl 1 zur Berufs­krankheiten­verordnung ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 6. Januar 2025 abzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und den angefochtenen Verwaltungsakt <VA>.

Zur weiteren Aufklärung des Sach­verhalts hat der Berichterstatter die Klägerin in zwei Terminen zur Erörterung (am 10. Juli 2020) bzw zur Erörterung und Beweis­aufnahme (am 30. Juni 2021) persönlich angehört und im zweiten Termin Dr. U. und Dr. T. als Zeugen vernommen. Außerdem hat der Senat eine Auskunft des W. (vom 6. Oktober 2020) eingeholt und die frühere Sachbearbeiterin und Leiterin der Wirtschafts­abteilung des K., X., schrift­lich als Zeugin gehört (Schreiben vom 24. August 2021; schrift­liche Aussage der Zeugin X. vom 19. September 2021).

Auf Veranlassung des Senats hat der Beklagte weitere Stellungnahmen seines Präventions­dienstes vom 12. Januar 2021, 29. März 2022 und 13. Juni 2022 vorgelegt. In seiner Stellung­nahme vom 12. Januar 2021 hat der Präventionsdienst ausgeführt, dass das in Kranken­häusern verwendete Wundbenzin nicht zwangsläufig, sondern nur möglicherweise und wenn dann nur in Spuren Benzol enthalten habe. Messwerte zur Belastung der Luft mit Benzol in den Arbeitsbereichen der Klägerin, die Hinweise auf die tatsächliche Verwendung von benzol­haltigem Wundbenzin (oder auf Einwirkungen durch Benzol anderer Ursache) hätten geben können, lägen nicht vor.

Sodann hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Sach­verständigen Dr. S. eingeholt. Der Sachverständige ist zum Ergebnis gekommen, dass der Kausal­zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit der Klägerin und dem Auftreten der AML auch bei Zugrunde­legung einer beruflichen Exposition gegenüber Benzol im Umfang einer kumulativen Dosis von 4,3 ppm-Benzoljahren nicht als hinreichend wahrscheinlich anzusehen sei (gutachtliche Stellungnahme vom 25. Januar 2023).

Schließlich ist auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz <SGG> der Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. Dipl.-Chem. Y. (nachfolgend: Dr. Y.) gutachtlich gehört worden. Dieser Sachverständige vertritt die Auffassung, dass die Argumente für eine Aus­lösung der AML durch stattgehabte Benzol-Expositionen überwögen, sodass eine BK 1318 anzuerkennen sei (Gutachten vom 29. Februar 2024 und 23. Mai 2024).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Soweit darüber im Berufungs-verfahren noch zu befinden ist, hat das SG Hannover die Klage im Ergebnis zu Recht ab­gewiesen. Die Klage gegen den im Berufungsverfahren ergangenen Bescheid des Beklagten vom 6. Januar 2025 ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet.

A. Der Senat hat über die Berufung der Klägerin nur noch insoweit zu entscheiden, als das SG Hannover ihre Klage auf Feststellung, dass ihre Erkrankung an einer AML eine BK 1318 und eine BK 2402 ist, abgewiesen hat.

Demgegenüber ist das Urteil vom 22. März 2019 gegenstandslos geworden, soweit das SG auch die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2017 abgewiesen hat. Denn der neue Bescheid des Beklagten vom 6. Januar 2025 hat den ursprünglich angefochtenen VA gemäß § 96 Abs 1 SGG in vollem Umfang ersetzt, wodurch die allein den ersetzten Bescheid betreffende erstinstanz­liche Entscheidung über die Anfechtungsklage gegenstandslos geworden ist (vgl Schmidt in: Meyer-Lade­wig/Keller/Schmidt, 14. Aufl 2023, § 96 Rn 5 ff mwN).

Ursprünglicher Gegenstand der Klage (§ 95 SGG) war der Bescheid vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2017, mit dem der Rentenausschuss die Anerkennung der AML der Klägerin als BK 1318 und als BK 2402 abgelehnt hat. Der im Berufungsverfahren ergangene Bescheid der Geschäftsführung des Beklagten vom 6. Januar 2025 hat den an­ge­foch­tenen VA ersetzt und ist damit vollständig an dessen Stelle getreten. Das folgt aus § 96 Abs 1 SGG, nach dessen Regelung ein neuer VA nach Klageerhebung nur dann Gegenstand des Klageverfahrens wird, wenn er nach Erlass des Widerspruchs­bescheides ergangen ist und den angefochtenen VA abändert oder ersetzt.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil der Bescheid vom 6. Januar 2025 nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2017 ergangen ist und den Bescheid vom 2. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2017 als Gegenstand des anhängigen gerichtlichen Verfahrens ersetzt hat. Geändert oder ersetzt wird ein VA immer dann, wenn er denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsbescheid betrifft und in dessen Regelung so eingreift, dass die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (vgl Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 20. Juli 2005 – B 13 RJ 23/04 R –, SozR 4-1500 § 96 Nr 3, Rn 14 mwN). Dem steht es gleich, wenn die Verwaltung – etwa aufgrund neuer Um­stände – die von ihr getroffene Regelung zum Streitgegenstand über­prüft und daraufhin neu ent­scheidet, in der Sache aber an ihrer Regelung festhält (vgl dazu BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 37/14 R –, SozR 4-4200 § 27 Nr 2, Rn 13 mwN). Ausschlaggebend ist dabei stets, dass der Regelungsgehalt der Bescheide identisch ist, was auch dann der Fall ist, wenn der Verfügungssatz eines vorangegangenen Bescheides nicht geändert, sondern mit dem Ziel wiederholt wird, einen Fehler im Verwaltungsverfahren zu korrigieren (vgl BSG, Beschluss vom 30. November 2016 – B 6 KA 35/16 B –, juris Rn 15). Dabei hängt die Anwendbarkeit von § 96 SGG nicht davon ab, ob der neue Bescheid den zuvor erlassenen Bescheid ausdrücklich aufhebt (BSG aaO).

Nach diesen Grundsätzen ist der Bescheid des Beklagten vom 6. Januar 2025 ganz an die Stelle des ursprünglichen VA getreten und hat diesen mithin ersetzt. Das folgt bereits aus der Identität der Regelungsgehalte beider Bescheide. Soweit im neuen Bescheid die Feststellung der Versicherungsfälle einer BK 1318 und einer BK 2402 (erneut) abgelehnt worden ist, handelt es sich nicht um eine sog wiederholende Verfügung ohne Regelungsgehalt, sondern um eine neue Sachentscheidung (sog Zweitbescheid, zur Differen­zierung vgl BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 38/13 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr 47, Rn 27; Harks in: Hennig, SGG, Stand: 57. EL Oktober 2014, § 96 Rn 31), die im Wege der Anfechtungsklage gerichtlich überprüfbar ist. Das ergibt die Auslegung des Bescheides vom 6. Januar 2025, für die maß­gebend der Empfänger­horizont eines verständigen Beteiligten ist, der die Zusammenhänge berück­sichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl BSG, Urteil vom 30. März 2023 – B 2 U 1/21 R –, SozR 4-2700 § 2 Nr 62, Rn 44). Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs hat der Beklagte im Anschluss an den (der Klägerin bekann­ten) Hinweis des Senats auf die Un­zuständigkeit des Renten­ausschusses und die daraus folgende formelle Rechts­widrig­keit des ursprünglichen VA erkennbar – nunmehr durch seine Geschäftsführung als zu­stän­dige Behörde – eine erneute Sachentscheidung getrof­fen, um den Fehler im Verwal­tungs­verfahren zu korri­gieren. Soweit sich das nicht aus dem Bescheid vom 6. Januar 2025 selbst ergibt, hat der Beklagte dies jedenfalls durch die Bezug­nahme auf die Verfügung vom 20. Dezember 2024 in dem an die Prozess­bevoll­mächtigten der Klägerin gerichteten Begleit­schreiben hinreichend klar zum Ausdruck gebracht. Als Adressatin des neuen Bescheides musste die Klägerin diesen daher so verstehen, dass damit eine erneute Sach­entscheidung der nunmehr zuständigen Behörde des Beklagten getroffen worden ist, die an die Stelle des ursprüng­lichen Bescheides getreten ist.

Der Umstand, dass der neue VA nicht von „derselben Behörde“ erlassen worden ist, steht der Einbeziehung dieses VA gemäß § 96 Abs 1 SGG nicht entgegen. Abgesehen davon, dass der Wortlaut der Norm als solcher keine derartige Voraussetzung enthält, ist es für die Einbeziehung eines neuen Bescheides gemäß § 96 Abs 1 SGG jedenfalls nicht stets erforderlich, dass der neue VA von derselben Behörde erlassen worden ist wie der bis dahin den Streitgegenstand des anhängigen Klageverfahrens bildende VA (aA LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Januar 2024 – L 3 U 156/22 –, juris Rn 98 mit unvollständigem Zitat von Schmidt aaO, § 96 Rn 6). Insoweit ist vielmehr entscheidend, dass der als Beklagter (§ 69 Nr 2 SGG) bereits am Verfahren beteiligte Versicherungsträger (s § 70 Nr 1 SGG) den neuen VA erlässt, weil § 96 SGG nur innerhalb des bestehenden Prozessrechtsverhältnisses wirkt und kein neues begründet (vgl Harks aaO, Rn 29). Ergeht ein neuer Bescheid durch einen anderen als den beklagten Versicherungsträger, muss deshalb zusätzlich die Klage im Wege einer Klage­änderung gemäß § 99 Abs 1 SGG gegen den noch nicht am Verfahren beteiligten Versicherungsträger umgestellt werden, damit in dem schon anhängigen Verfahren auch eine Entscheidung über den neuen VA ergehen kann (vgl BSG, Urteil vom 21. Dezember 2023 – B 5 R 3/22 R –, SozR 4-2600 § 8 Nr 4 <vorgesehen>, Rn 41). Diese Problematik besteht im vorliegenden Verfahren aber schon deshalb nicht, weil der Rentenausschuss und die Geschäfts­führung zwei Behörden innerhalb desselben – hier beklagten – Unfallversicherungs­trägers sind (vgl Spellbrink/Karmanski, Die Gesetzliche Unfallversicherung in der Recht­sprechung des Bundessozialgerichts [Teil I], in: SGb 2021, 461, 466; LSG Berlin-Brandenburg aaO, Rn 96 jeweils mwN), dessen Passivlegitimation und Prozessführungsbefugnis sich deshalb auch auf den neuen Bescheid erstreckt.

Der Umstand, dass für die Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides vom 2. Februar 2017 der Rentenausschuss zuständig wäre, vermag daran nichts zu ändern (aA wohl LSG Berlin-Brandenburg aaO). Zwar ergibt sich im Umkehrschluss aus § 44 Abs 3 Zehntes Buch Sozial­gesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – <SGB X>, dass die zustän­dige Behörde über die Rücknahme eines von einer anderen Behörde erlassenen rechtswidrigen Verwaltungsakts erst nach dem Eintritt von dessen Unanfechtbarkeit entscheiden darf. Bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit entscheidet die Ausgangsbehörde – also die Behörde, die den VA erlassen hat – unabhängig von der Frage, ob diese Behörde auch für den Erlass des nunmehr auf­zuhebenden VA zuständig war (vgl LSG Berlin-Brandenburg aaO; Baumeister in: jurisPK-SGB X, Stand: 15. November 2023, § 44 Rn 186 mwN; Schütze in: ders, SGB X, 9 Aufl 2020, § 44 Rn 38; aA – jeweils ohne nähere Begründung – Pohl in: von Koppenfels-Spies/Wenner, SGB X, 3. Aufl 2020, § 44 Rn 25 und Siewert in: Diering/Timme/Stähler, SGB X, 6. Aufl 2022, § 44 Rn 58). Anders als § 48 Abs 5 Verwaltungsverfahrensgesetz <VwVfG>, dessen Anwendungsbereich durch den Verweis auf § 3 VwVfG auf die örtliche Zuständigkeit beschränkt ist (vgl Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Dezember 1999 – 7 C 42/98 –, juris Rn 14), findet § 44 Abs 3 SGB X auch in Bezug auf die sachliche Zuständigkeit Anwendung (vgl BSG, Urteil vom 23. Mai 2012 – B 14 AS 133/11 R –, SozR 4-1300 § 44 Nr 25, Rn 13 mwN). Deshalb wäre vorliegend der Rentenausschuss berufen (gewesen), seinen bei Erlass des Bescheides vom 6. Januar 2025 noch nicht unanfechtbaren Bescheid vom 2. Februar 2017 selbst zurückzunehmen. Dies berührt aber nicht die Frage, ob der neue Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden ist, sondern wäre eine Frage der formellen Rechtmäßigkeit einer Rücknahmeentscheidung, die hier aber gar nicht angefochten ist und durch welche die Klägerin ohnehin nicht beschwert ist.

Aus der Ersetzung des ursprünglich angefochtenen VA ergibt sich schließlich auch, dass sich der im neuen Bescheid nicht ausdrücklich aufgehobene VA gemäß § 39 Abs 2 SGB X auf sonstige Weise erledigt hat. Folgerichtig hat die Klägerin an der Anfechtungsklage gegen diesen nicht mehr wirksamen Bescheid nicht mehr festgehalten.

Mit der Beschränkung des Feststellungs­antrags auf die BKen 1318 und 2402 hat sie die Klage überdies insoweit konkludent zurück­genommen, als diese noch in der Berufungsschrift vom 4. April 2019 pauschal auf die Fest­stellung einer BK ohne Beschränkung auf einzelne Nrn der Anl 1 zur BKV und einer Wie-BK gemäß § 9 Abs 2 Siebtes Buch Sozial­gesetzbuch – Gesetz­liche Unfallversicherung – <SGB VII> gerichtet war (vgl hierzu auch Schmidt in aaO, § 102 Rn 7b mwN). Das trägt dem Umstand Rechnung, dass es insoweit von vornherein an einem für die Zulässigkeit einer Fest­stellungsklage erforder­lichen Feststellungsinteresse fehlte, weil der Beklagte weder Ent­schei­dungen über andere BK-Tatbestände als die BKen 1318 und 2402 noch über eine Wie-BK getroffen hat (vgl dazu BSG, Beschluss vom 27. Juni 2006 – B 2 U 77/06 B –, SozR 4-1500 § 55 Nr 4, Rn 8 ff mwN).

B. Über die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 6. Januar 2015 entscheidet der Senat erstinstanzlich auf Klage (vgl B. Schmidt aaO, § 96 Rn 7 mwN).

C. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1, 55 Abs 1 Nr 1, 56 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Insbesondere bedarf es im Hinblick auf die Ersetzung des ursprünglich angefochtenen VA durch den Bescheid vom 6. Januar 2025 keines (erneuten) Vorverfahrens (vgl Schmidt aaO, § 96 Rn 7 und 11c mwN).

D. Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 6. Januar 2025 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass ihre Erkrankung an einer AML eine BK 1318 oder eine BK 2402 ist.

I. BKen sind gemäß § 9 Abs 1 S 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Insoweit ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krank­heiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann BKen sind, wenn sie durch Tätig­keiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind (§ 9 Abs 1 S 2 SGB VII).

Aus diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestands­merkmale ableiten, die ggf bei einzelnen BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer – grundsätzlich – versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Ein­wir­kungen von Belastungen, Schadstoffen oÄ auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausa­lität). Dabei müssen die „versicherte Tätigkeit“, die „Verrichtung“, die „Einwirkungen“ und die „Krank­heit“ iSd Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor­liegen. Dafür ist zwar keine absolute Gewissheit erforderlich; verbliebene Restzweifel sind bei einem Voll­beweis jedoch nur so lange unschädlich, wie sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln ver­dichten (vgl BSG, Urteil vom 24. November 2010 – B 11 AL 35/09 R –, juris Rn 21 mwN). Demgegen­über genügt für den Nachweis der Ursachenzusammenhänge die (hin­reichende) Wahrschein­lichkeit (nicht allerdings die bloße Möglichkeit), die zu bejahen ist, wenn mehr für als gegen die Annahme des Ursachenzusammenhangs spricht und ernste Zweifel aus­scheiden (vgl BSG, Urteil vom 30. März 2023 – B 2 U 2/21 R –, SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3102 Nr 2, Rn 12). Sind – wie häufig – mehrere Bedingungen für den Eintritt des Schadens ursächlich im natur­wissen­schaftlichen Sinn gewesen, gilt die Kausalitätslehre der wesentlichen Bedin­gung. Danach sind nur die Ursachen wesentlich (und damit rechtserheblich), die rechtlich die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallen­den Gefahr darstellen (vgl BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 2 U 6/15 R –, SozR 4-5671 Anl 1 Nr 1103 Nr 1, Rn 16; Urteil vom 6. Mai 2021 – B 2 U 15/19 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr 77, Rn 21).

Die hier streitbefangenen BK-Tatbestände hat der Verordnungsgeber in Nr 1318 der Anl 1 zur BKV als „Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol“ bzw in Nr 2402 der Anl 1 zur BKV als „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“ bezeichnet.

II. Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben sind die Voraussetzungen einer BK 1318 nicht erfüllt.

1. Bei ihrer Ausbildung zur Krankenschwester und der anschließenden Tätigkeit als examinierte Kranken­schwester im Zeitraum vom 1. April 1975 bis zum 31. März 1994 unterlag die Klägerin als Beschäftigte gemäß § 539 Abs 1 Nr 1 Reichs­versicherungsordnung grund­sätz­lich dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Weitere versicherte Tätigkeiten, die zur Entstehung der AML geführt oder dazu beigetragen haben könnten, werden von der Klägerin nicht geltend gemacht und sind auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Insbesondere ist sie nach ihren eigenen Angaben bei ihrer Tätigkeit als Krankenschwester im Rheuma-Zentrum Z. (Beschäftigungs­zeitraum: 1. Juli 1994 bis 20. Juli 1998), die sie tatsäch­lich nur einige Monate lang ausgeübt hat, mit „gar keinen even­tuell krankmachenden Stoffen in Berührung gekom­men“ (Schreiben vom 30. Oktober 2016).

2. Die Erkrankung der Klägerin an einer AML entspricht auch dem Krankheitsbild einer BK 1318.

Die Klägerin ist an einer zweifelsfrei gesicherten AML vom Subtyp M4 der sogenannten FAB-Klassi­fikation erkrankt; die Erstdiagnose ist im Juli 2000 gestellt worden. Der Senat stützt sich dabei auf die übereinstimmende Beurteilung des Sach­verständigen Dr.  S. und der behandelnden Ärzte (Arztbriefe Prof. Dr. AA. ua vom 21. Mai 2015 und 20. Juni 2016), deren Richtigkeit auch von keinem der Beteiligten in Zweifel gezogen wird.

Die AML ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems und zählt als solche nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zu den Krankheitsbildern, die vom Tat­bestand der Nr 1318 der Anl 1 zur BKV umfasst sind (vgl Schönberger/Mehr­tens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 10. Aufl 2024, S 1011 f; ferner Merkblatt zur BK 1318, Bek des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales <BMAS> vom 30. Dezember 2009, GMBl 5/6/2010, S 94 ff, Abschnitt III Ziff 3; Wissenschaftliche Begründung zur BK 1318, Bek des BMAS vom 1. September 2007, GMBl 49-51/2007, S 974 ff, Abschnitt 1.3.2).

3. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin infolge der Ausübung ihrer ver­sicherten Tätigkeit Einwirkungen durch Benzol aus­gesetzt war. Damit fehlt es bereits an den arbeitstechnischen Voraus­setzungen der geltend gemachten BK 1318.

a) In arbeitstechnischer Hinsicht setzt der Tatbestand der BK 1318 Einwirkungen „durch Ben­zol“ voraus. Es handelt sich insoweit um vom Verordnungsgeber konkretisierte Einwir­kungen ohne vorgegebene Einwirkungsintensität (zur Fassung normativer Vorgaben im Rahmen der sog Listen-BKen vgl BSG, Urteil vom 27. September 2023 – B 2 U 8/21 R –, SozR 4-5671 Anl 1 Nr 1301 Nr 1 [vor­gesehen] = juris Rn 20 mwN). Aufgrund dessen kommt es im vorliegenden Rechtsstreit von vornherein nur auf den Kontakt zu solchen Arbeitsstoffen an, die Benzol enthielten.

b) Eine Exposition der Klägerin gegenüber Benzol am Arbeitsplatz ist nicht bewiesen.

aa) Die Klägerin hat schon im Verwaltungsverfahren zahlreiche Mittel (insbesondere: Desinfek­tions­mittel und Medikamente) benannt, mit denen sie bei ihrer Tätigkeit im K. in Kontakt gekommen war. Mit Ausnahme der von ihr dargelegten Verwendung von Wund- oder Wasch­benzin (dazu unter bb)) trägt sie jedoch schon selbst nicht vor, dass in diesen Mitteln Benzol ent­halten gewesen wäre. Das war auch tatsächlich nicht der Fall.

Bei seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung stützt sich der Senat in dieser Hinsicht auf die im Verwaltungsverfahren erstatteten Stellung­nahmen und Ver­merke des Präventionsdienstes des Beklagten zur beruflichen Expo­sition der Klägerin gegen­über benzol­haltigen Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen. Derartige prä­ven­tions­dienst­liche Stel­lung­­nahmen sind unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben zur Beschäftigung von Aufsichtspersonen (§ 18 Abs 1 und 2 S 1 SGB VII) regelmäßig von einer besonderen tech­nischen Sach­kunde getragen und deshalb häufig – und so auch hier – eine unverzichtbare Ent­scheidungs­grundlage für die Frage des Vorliegens einer BK (vgl LSG Nieder­sachsen-Bremen, Urteil vom 15. September 2022 – L 14 U 45/18 –, juris Rn 32; Senatsurteil vom 10. Oktober 2023 – L 3 U 132/16 –, S 7 f des Umbruchs; zur Berücksichtigung der Ermittlungs­ergebnisse der früheren Tech­nischen Auf­sichts­dienste vgl BSG, Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 25/03 R –, juris Rn 18). Der Umstand, dass sie durch einen Beschäftigten des beklagten Unfallversicherungsträgers erstattet werden, schließt ihre Berücksichti­gung für sich genommen nicht aus; insofern gilt nichts anderes als für den Vortrag der Klägerin. Dafür, dass dem Präventionsdienst des Beklagten die notwendige Sachkunde fehlt oder seine Beur­teilung inhaltliche Fehler aufweist, lassen sich dem Vorbringen der Klägerin (mit Ausnahme der unter bb) gesondert betrachteten Verwendung von Wund- oder Waschbenzin) keine aus­rei­chen­den Anhalts­punkte entnehmen.

Ausweislich seiner Stellungnahme vom 8. Dezember 2016 hat der Präventionsdienst bei seiner Prüfung sämtliche in den Stellungnahmen der Klägerin vom 19. September und 27. November 2016 konkret benannten Stoffe und Stoffgruppen (im Einzelnen: Des­derman, Sterilium, Kodanspray, Quecksilber aus Thermometern, Isopropanol <synonym: Iso­pro­pyl­alkohol>, Brauno­vidon, Jodtinktur, Grotanatpulver, Waschbenzin/Wund­benzin/Wasch­ether, Wasser­stoff­super­oxid, Kaliumpermanganat, Mercuro­chrom, Rivanol Tbl, Genzian­violett/Genzian­­blau, Zytostatika, Novalgin und aldehydhaltige Des­infektionsmittel; außerdem: Bacto­bad und Dismozon) berücksichtigt. Unter Heranziehung der vorhandenen Sicher­heits­datenblätter ist er nach­voll­zieh­bar zu dem Ergebnis gekom­men, dass diese Mittel nicht benzolhaltig sind.

Konkrete Ein­wendungen hat die Klägerin dagegen nicht erhoben. Soweit sie beanstandet, dass der Präventionsdienst sie diesbezüglich nicht in einem Gespräch befragt habe, lässt das nicht erkennen, zu welchem anderen Ergebnis ein solches Gespräch hätte führen sollen. Etwaige eigene Erkenntnisse zur Benzolhaltigkeit verwendeter Arbeitsstoffe hätte die Klägerin jederzeit im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren schriftlich vorbringen können. Dass sie dies nicht getan hat lässt nur den Schluss zu, dass sie darüber keine weitergehenden Erkenntnisse hat. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass der Präventionsdienst ein ursprünglich geplantes Gespräch nach dem Ergebnis seiner Prüfung nicht mehr für erforderlich gehalten hat.

Die Einschätzung des Präventionsdienstes ist zudem durch den bereits erstinstanzlich vom SG gehörten Sach­verstän­digen Dr. S. bestätigt worden. Der Sachverständige, der aus­weis­lich seiner abgeschlos­senen Weiterbildung zum Facharzt für Arbeitsmedizin über die not­wendigen Kenntnisse zur Beurteilung arbeits­bedingter Gesundheitsgefährdungen ein­schließ­lich solcher durch chemische Einwirkungen und deren Ur­säch­lichkeit für die Entstehung von Erkran­kungen verfügt (s dazu bspw Abschnitt B – Gebiet Arbeitsmedizin der [Muster-]Weiter­bildungs­ordnung 2018 der Bundesärztekammer), ist in seinem Gutachten nach eigener Über­prüfung der aktenkundigen Sicherheitsdatenblätter der angeschuldigten Produkte eben­falls zum Ergebnis gekom­men, dass sich Benzol als Inhaltsstoff und damit eine Benzol­expo­sition der Klägerin nicht feststellen lasse.

Hiervon abweichende Erkenntnisse können auch nicht den von der Klägerin privat ein­geholten und in das Ver­fahren ein­geführten Stellungnahmen von Dr. V., die der Senat als qualifiziertes Beteiligten­vorbringen würdigt (vgl Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt aaO, § 128 Rn 7g mwN), entnommen werden. Auch Dr. V. geht im Ergebnis lediglich von einer Expo­sition gegen­über Benzol bei dem von ihm angenommenen Umgang mit Wasch­benzin aus. Soweit er ausführt, „eine zusätz­liche Benzolexposition durch heute nicht mehr nachvoll­ziehbare Zusätze in Reinigungs- und Desinfektionsmitteln“ sei wahrscheinlich, ist das schon aus dem Grunde nicht nachvollziehbar, dass er seine Annahme nicht näher erläutert und insbesondere weder die vermuteten Zusätze noch konkrete Reinigungs- und Desinfektions­mittel benennt, auf die seine Vermutung zutreffen könnte. Darauf kommt es letztlich aber auch nicht an, weil eine bloße Wahrscheinlichkeit von Einwirkungen nicht ausreichend wäre und Dr. V. selbst davon aus­geht, dass eine solche „zusätz­liche Benzol­exposition“ nicht mehr nach­gewiesen werden könne. Ein Vollbeweis von Einwir­kungen durch Benzol außerhalb der Arbeiten mit Wund- oder Wasch­benzin lässt sich damit ebenso wenig erzielen wie Anhaltspunkte für mögliche weitere Sach­ermittlungen. Die außer­dem von Dr. V. betrachteten formaldehyd­haltigen Desinfektionsmittel und Zytostatika waren auch nach dem Inhalt seiner Ausführungen nicht benzolhaltig und spielen deshalb für die Frage des Vorliegens einer BK 1318 keine Rolle. Es kommt deshalb im vor­liegenden Rechtsstreit auch nicht darauf an, ob solche Mittel generell zur Verursachung einer AML geeignet sind.

Auch der Sachverständige Dr. Y. geht lediglich von einer Exposition der Klägerin gegen­über Benzol durch die Verwendung von Wund- sowie möglicherweise Wasch­benzin aus. Auch seine Gutachten enthalten keine Hin­weise auf eine mögliche berufliche Verwendung anderer benzol­haltiger Mittel.

bb) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die Klägerin bei der Verwendung von Wund- oder Waschbenzin am Arbeitsplatz Einwirkungen durch Benzol ausgesetzt war.

(1) Dabei geht der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon aus, dass die Klägerin bei ihrer Tätigkeit – ins­besondere zum Ablösen von sog braunen Pflastern bzw Resten hiervon – regelmäßig medizinisches Wundbenzin verwendet hat.

Schon die ursprünglichen Angaben der Klägerin im Schreiben vom 19. September 2016 („Wasch­benzin bzw. Wundbenzin… von uns auch als Waschether bezeichnet“) deuten darauf hin, dass die Klägerin und ihre Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz ein bestimmtes zur Hautreinigung und zum Entfernen von Pflasterresten verwendetes Mittel mit verschiedenen Begriffen bezei­chnet haben. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die für den Senat plausible, im Rahmen der persönlichen Anhörung der Klägerin getätigte Aussage, dass es sich bei dem in Rede stehen­den Mittel immer um dasselbe Material gehandelt habe. Wer Hersteller dieses Mittels war und wie es sich zusammensetzte, ist der Klägerin indes unbekannt.

Auf der Grundlage der umfangreichen Ermittlungen des Senats lässt sich auch nicht mehr klären, um welches Produkt es sich handelte und ob es benzolhaltig war. Insbesondere konnten die für die Feststellung von Einwirkungen durch Benzol grundlegenden Angaben wie Hersteller, Produktbezeichnung und Inhaltsstoffe auch durch die Befragung des N. Klinikums O. und der Zeugen nicht ermittelt werden.

Der Chefarzt Dr.  U. hat bekundet, es seien Wasch­benzin und Ether verwendet worden. Er kann jedoch weder Her­steller noch Produkt­bezeichnungen benennen und auch die chemischen Inhalte des oder der verwendeten Stoffe sind ihm nicht bekannt. Der Zeuge Dr.  T. hat in seinen von der Klägerin vorgelegten schrift­lichen Angaben zunächst einen Umgang mit „Benzin“ oder „Wasch­benzin“ bestätigt. Bei seiner Vernehmung als Zeuge hat er hingegen erklärt, es sei Wund­benzin ver­wendet worden. Erst auf Nachfrage nach der Bezeichnung des Arbeitsstoffs hat er angegeben, er habe sich damals nicht darum gekümmert, wie dieser bezeichnet gewesen sei und könne nicht bezeugen, ob es sich um Waschbenzin oder Wundbenzin gehandelt habe. Diese Aussage belegt das, worauf schon die eigenen Angaben der Klägerin hindeuteten, nämlich dass das eingesetzte Mittel von den Beschäftigten mit verschiedenen Begriffen bezeichnet wurde, die jedenfalls teil­weise nicht der zutreffenden Bezeichnung entsprachen.

Der Beklagte hatte bereits im Verwaltungsverfahren beim früheren Arbeitgeber der Klägerin (bzw dessen Rechtsnachfolger) nach einem beruflichen Kontakt der Klägerin zu Benzol sowie nach den verwendeten Stoffen und Materialien gefragt. Die Klinikum AB. hat dies zunächst lediglich dahin beantwortet, dass Personalakten nur bis zu zehn Jahren nach dem Ausscheiden auf­bewahrt würden und von 1994 keine Unterlagen mehr vorhanden seien. Da die hier maßgebenden tatsächlichen Fragen jedoch weniger durch den Inhalt von Personal­akten als vielmehr durch betriebliche Unterlagen zB über den Einkauf und die Verwen­dung von Arbeitsmaterialien sowie durch Kenntnisse der im Beschäftigungszeitraum der Klägerin im K. tätigen Personen aufzuklären sein dürften, hätte es nahegelegen, diesbezüglich noch einmal konkret nachzufragen. Die insoweit unter­blie­benen Ermitt­lungen hat der Senat im Berufungs­verfahren ua durch Nachfrage beim N. Klinikum O. und die Anhörung von Zeugen nachgeholt; sie haben aber im Ergebnis keine zusätz­lichen Erkenntnisse über das tatsächlich verwendete Produkt und dessen Zusammensetzung erbracht.

Der Kaufmännische Direktor des N. Klinikums O. hat auf die schriftliche Frage nach einem Kontakt der Klägerin zu benzolhaltigen Arbeitsstoffen sowie zur Verwendung von Wund­benzin, Waschether oder Waschbenzin im hier maßgebenden Beschäftigungs­zeit­raum erklärt, dass dazu keine genaue Angabe gemacht werden könne und die damalige Oberin, deren Vernehmung als Zeugin in Betracht gekommen wäre, inzwischen verstorben sei. Auch die Aussage der Zeugin X., deren Tätig­keit als Mitarbeiterin und Leiterin der Wirt­schafts­abteilung des K. sich mit dem Beschäftigungszeitraum der Klägerin überschnitt, ist insoweit unergiebig. Die Verwendung von medizinischem Wundbenzin, technischem Waschbenzin oder Wundether sind ihr nicht erinnerlich und ihr ist auch nicht bekannt, ob die in Rede stehenden Arbeitsstoffe Benzol ent­hielten. Soweit sie es für möglich hält, dass tech­nisches Waschbenzin in den Werkstätten ein­gesetzt wurde, ist das für sich genommen zwar nachvollziehbar. Darauf kommt es jedoch nicht an, weil die Klägerin nicht in Werkstätten, sondern auf der Station gearbeitet hat.

Danach lassen sich schon eine konkrete Produktbezeichnung und der Her­steller des ver­wendeten Mittels nicht mehr ermitteln. Damit sind von vornherein auch die Zusam­men­setzung des Stoffs und ein möglicher Benzolgehalt nicht mehr aufklärbar.

Trotz uneinheit­­licher Aussagen der Klägerin und der gehörten Zeugen geht der Senat allerdings davon aus, dass für die in Rede stehenden Ver­rich­tun­gen tatsächlich Wundbenzin und kein Waschbenzin eingesetzt wurde. Der Senat stützt sich insoweit auf die plausible und über­zeugende Ein­schätzung des insoweit sachkundigen Präven­tions­dienstes des Beklagten zu den all­ge­meinen Erkenntnissen über die Verwendung von Wund- oder Waschbenzin in Kranken­häusern. Danach wurde für die in Rede stehenden Tätigkeiten in Krankenhäusern in der Regel nur medizinisches Wundbenzin und kein technisches Wasch­benzin verwendet. Das steht inso­weit mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr.  Y. im Einklang, als dieser in seinem Gutachten vom 29. Februar 2024 ausgeführt hat, dass nur Wundbenzin (und nicht auch Wasch­­benzin und Petrol­ether) äußerlich am Menschen habe angewendet werden dürfen. Soweit der Sachverständige dargelegt hat, dass Wundbenzin im damaligen Zeitraum ein bundes­weit gängiges Hilfsmittel in der Chirurgie gewesen sei, wenn braune Pflasterreste entfernt werden sollten, ist das demzufolge für den Senat nachvollziehbar. Die von Dr. Y. aufgezeigte Möglich­keit, dass es beim Umfüllen des als Fassware eingekauften Wundbenzins in handliche Alu-Flaschen zu Verwechslungen mit den zur Verwendung im Bereich der Haustechnik gelagerten Wasch­benzinen (Petrolether) gekommen sein könnte, reicht für den Vollbeweis eines Umgangs der Klägerin mit Waschbenzin nicht aus; das sieht der Sachverständige ebenso („nicht belegbar“).

Anhaltspunkte dafür, dass die Annahme einer regelmäßigen Verwendung von Wundbenzin in Krankenhäusern unzutreffend sein könnte, ergeben sich auch nicht aus den von der Klägerin in den Rechtsstreit eingeführten Ausführungen des Dr. V.. Soweit er von einer Verwendung von Waschbenzin ausgeht, ist das nach den vorstehenden Fest­stellungen nicht bewiesen und von ihm schon im Ansatz nicht erläutert worden. Seine Ausfüh­rungen vom 1. August 2019 und 22. Februar 2021 stützen sich vielmehr ausschließlich auf die Angaben der Klägerin, die aber schon bei ihrer ersten Befragung durch den Beklagten selbst beide Begriffe, also Wundbenzin und Waschbenzin verwendet und später erklärt hat, es habe sich nach ihrer Erinnerung immer um ein und dasselbe Mittel gehandelt. Soweit Dr. V. in seiner ersten Stellungnahme darauf hinweist, dass Benzol in der Vergangen­heit in der Regel nicht in reiner Form, sondern ins­beson­dere bei handwerklichen Tätigkeiten als nicht deklarierter Rezeptur­bestand­teil in Löse­mitteln oder anderen Zubereitungen aufgetreten sei, lassen diese pauschal gebliebenen Aus­führungen keine Rückschlüsse auf die von der Klägerin eingesetzten Mittel zu, abgesehen davon, dass sie keine handwerkliche Tätigkeit ausgeübt hat.

Die der Einschätzung von Dr. V. zugrunde gelegten Annahmen von Pflaumbaum (BK 1318 – Ermittlung der Benzol­dosis, abrufbar unter https://www.dguv.de/medien/landesverbaende/de/ veranstaltung/bk-tage/2016/documents/14_pflaum­baum.pdf) ent­halten ihrerseits keine Hin­weise darauf, dass in der Kranken­pflege tätige Personen in den vergangenen Jahrzehnten bei der Behandlung von Patienten Waschbenzin ein­gesetzt hätten. Die dort durchgeführte Ermitt­lung der Benzoldosis bezieht sich auf das Beispiel eines Kfz-Mechanikers, dessen Tätigkeit erkenn­bar nicht mit derjenigen einer Krankenschwester vergleichbar ist. Dieses Beispiel spricht für die Richtigkeit der Darstellung des Sachverständigen Dr. Y., dass es sich bei Wasch­benzin um ein Produkt handelt, das insbesondere für die Reinigung von Metallteilen zum Einsatz kommt.

Hinweise auf die Ver­wendung von Waschbenzin in Kranken­häusern finden sich auch weder im Merkblatt noch in der Wissen­schaftlichen Begründung zur BK 1318 (jeweils aaO). Als Einsatz­bereiche werden dort „u.a. Betriebe der Elektro- und Elektro­nik­industrie“ genannt (Merkblatt zur BK 1318 aaO, Abschnitt I. Vorkommen und Gefahren­quellen). Das ist zwar keine abschließende Aufzählung (vgl auch die Wissenschaftliche Begrün­dung zur BK 1318 aaO, Ziff 3.2.2). Die fehlende Nen­nung von Einrichtungen der Krankenpflege spricht aber nicht dafür, dass solche Ein­rich­tungen im All­gemeinen sowie die unmittelbar der Versorgung der Patienten dienenden Stations­bereiche von Krankenhäusern im Besonderen zu den typischerweise aufgrund einer Verwendung von Waschbenzin benzol­belasteten Arbeits­bereichen zählten.

Nach alledem ist es nicht einmal überwiegend wahrscheinlich und umso weniger zur vollen Überzeugung des Senats feststellbar, dass bei den von der Klägerin beschrie­benen Arbeiten technisches Wasch­benzin eingesetzt worden ist. Demzufolge bedarf es auch keiner weiteren Aufklärung, ob Benzol als Inhaltsstoff oder Verunreinigung im hier maßgebenden Zeitraum stets in Waschbenzin ent­halten war. Die von Pflaumbaum (aaO, S 4) veröffentlichten durchschnitt­lichen Benzolgehalte beziehen sich jedenfalls allein auf das Spezialbenzin 80/110, für dessen Verwendung im Stationsbereich des Krankenhauses nach den dargelegten Ergebnissen der Ermittlungen des Beklagten und des Senats keine tat­sächlichen Anknüp­fungs­punkte bestehen.

(2) Sofern danach nur eine Verwendung von Wundbenzin in Betracht kommt, ergibt sich daraus ebenfalls kein Vollbeweis von Einwirkungen durch Benzol.

Nach den schlüssigen und im Übrigen von der Klägerin unwidersprochenen Darlegungen des Präventions­dienstes des Beklagten in seiner Stellung­nahme vom 12. Januar 2021 war in dem in Krankenhäusern verwendeten Wundbenzin nicht zwangs­läufig, sondern nur möglicherweise und wenn dann nur in Spuren Benzol enthalten. Dies deckt sich auch mit dem Projekt­verzeichnis zu dem Bericht des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfall­versicherung zur Entwicklung eines photometrischen Messverfahrens zur Bestimmung von Benzol in Wundbenzin (Projekt-Nr IFA 2098 – Stand 9. März 2021 –), wonach in den sechziger und siebziger Jahren Benzolgehalte von bis zu 10 % ermittelt wurden (Hervorhebung durch den Senat). Ob dies bei dem im K. verwendeten Mittel der Fall war, ist nach dem Ergebnis der Befragung des N. Klinikums O. und der Anhörung der früher dort tätigen Zeugen nicht mehr aufklärbar. Hierbei berücksichtigt der Senat auch den Umstand, dass nach den unstreitig geblie­benen Ausführungen in der Stellungnahme des Präven­tions­dienstes vom 12. Januar 2021 keine Messwerte zur Belastung der Luft mit Benzol in den Arbeits­bereichen der Klägerin vorliegen, die Hinweise auf die tatsächliche Verwendung von benzolhaltigem Wund­benzin (oder auf Einwirkungen durch Benzol anderer Ursache) geben könnten.

Auf die insbesondere von Dr. Y. hervorgehobenen Regeln zum maximal zulässigen Benzolgehalt von Wundbenzin kommt es schon deshalb nicht an, weil derartige Werte nichts über einen tatsächlichen Benzolgehalt in konkreten Handelsprodukten besagen, sondern nur einen Hinweis darauf geben, dass Benzol in Wundbenzinen enthalten gewesen sein kann.

Nach alledem lässt sich nicht mehr mit dem für den Vollbeweis von Einwirkungen durch Benzol erforderlichen Grad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit aufklären, ob die Klägerin bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit Einwirkungen durch Benzol ausgesetzt war. Weitere Beweismittel, die hierüber Auf­schluss geben könnten, sind von ihr nicht benannt worden und auch von Amts wegen nicht ersichtlich.

Der Umstand, dass sich nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten keine Einwirkungen durch Benzol während und aufgrund ihrer versicherten Tätigkeit im Vollbeweis feststellen lassen, geht nach den allgemeinen Grundsätzen der materiellen Beweislast zulasten des Beteiligten, der hieraus ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil herleitet (vgl BSG, Urteil vom 10. August 2021 – B 2 U 2/20 R –, juris Rn 22 mwN). Das ist hier die Klägerin, die aus den geltend gemachten Einwirkungen und weiteren Umständen einen Anspruch auf Anerkennung einer BK 1318 geltend macht.

III. Unter Zugrundelegung der zuvor aufgezeigten Vorgaben sind auch die Voraussetzungen einer BK 2402 nicht erfüllt.

Auch hinsichtlich dieser BK fehlt es an der Erfüllung der arbeits­tech­nischen Voraussetzungen, weil nicht feststell­bar ist, dass die Klägerin während und aufgrund ihrer unter II. 1. dargelegten versicherten Tätigkeiten als Schwesternschülerin und exami­nierte Krankenschwester Einwir­kungen durch ionisierende Strahlen ausgesetzt war. Etwas Anderes macht sie selbst nicht geltend, sodass das Begehren der Feststellung einer BK 2402 schon nicht nachvollzogen werden kann. Die im Schreiben des Beklagten vom 5. September 2016 gestellte Frage, ob sie beruflich ionisierender Strahlung (zB Röntgenstrahlen) ausgesetzt gewesen sei, hat die Klägerin in ihrer 33 Seiten umfassenden Stellungnahme vom 19. Sep­tember 2016 nicht beantwortet. Der Präventions­dienst des Beklagten hat diese Fragestellung im Schreiben vom 23. November 2016 erneut aufgegriffen. Dazu hat die Klägerin nachvollziehbar vorgebracht, dass Tätigkeiten im Röntgen­bereich nicht zu den Aufgaben einer examinierten Kranken­schwester gehörten, sondern es dafür eine eigenständige Berufs­ausbildung zur Röntgen­assistentin gibt (Stellungnahme vom 27. November 2016). Soweit sie nicht ausschließen kann, dass sie gelegentlich bei Röntgen­untersuchungen unter­stützend und unter Verwendung einer Schutzschürze mitgewirkt hat, er­gibt sich daraus lediglich die Möglichkeit von Einwirkungen durch ionisierende Strahlen, die für den insoweit notwendigen Vollbeweis der Einwirkungen nicht ausreicht. Im gerichtlichen Ver­fahren hat die Klägerin nichts anderes be­haup­tet, sodass auch die Ablehnung der Anerken­nung einer BK 2402 in der Sache rechtmäßig ist.

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage lediglich zu einem kleineren Anteil Erfolg hat, weil die im Ergebnis erreichte Auf­hebung des ursprünglichen Bescheides des Rentenausschusses des Beklagten auf­grund seiner bloßen formellen Rechtswidrigkeit gegenüber der begehrten Feststellung einer BK 1318 und einer BK 2402 von untergeordneter Bedeutung ist. Im Rahmen des ihm insoweit zustehen­den Ermessens hält es der Senat für sachgerecht, dem Beklagten die Erstattung eines Drittels der außergerichtlichen Kosten der Klägerin auf­zu­erlegen (vgl dazu auch LSG Berlin-Branden­burg, Urteil vom 17. Januar 2024 – L 3 U 156/22 – sowie Hessisches LSG, Urteil vom 27. September 2024 – L 9 U 56/23 –, beide juris, die jeweils die Erstattung lediglich eines Zehntels der Kosten als angemessen ansehen).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich.

 

Rechtskraft
Aus
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