Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 27. Juni 2024 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einem Neurostimulationsanzug Exopulse Mollii Suit.
Die 1981 geborene Klägerin leidet an Multipler Sklerose (MS) mit Erstdiagnose im Jahr 2003. Trotz verschiedener Therapieansätze kam es im Krankheitsverlauf zu einer signifikanten Zunahme der neurologischen Ausfallsymptomatik. Es besteht eine deutlich eingeschränkte Gehfähigkeit, die sich in einer zunehmend ausgeprägten Paraparese der Beine, spastisch-ataktischen Gangstörungen sowie Gleichgewichts- und Koordinationsproblemen zeigt. Seit Anfang 2024 war die Klägerin auf einen Rollator und seit Ende 2024 auf einen Rollstuhl angewiesen (Reha Bericht vom 11. Dezember 2024).
Am 14. März 2023 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage der Verordnung des Facharztes für Neurologie Dr G. vom 16. Februar 2023 die Kostenübernahme für einen Ganzkörper-Stimulationsanzug zur Aktivierung der geschwächten Muskulatur bei MS mit erheblicher Steigerung der alltagsrelevanten Tätigkeiten (Exopulse Suit). Dem Antrag war der Kostenvoranschlag des H. GmbH und Co. KG I. vom 15. März 2023 für einen Mollii Suit der Firma Otto Bock in Höhe von 8.178,19 EUR beigefügt.
Mit Bescheid vom 17. März 2023 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Bei der Behandlung mit dem Mollii Suit handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB), die bisher vom Gemeinen Bundesausschuss (GBA) noch nicht bewertet worden sei. Daher dürfe sich die Beklagte nicht an den Kosten eines Mollii Suit beteiligen.
Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Der Mollii Suit sei der erste elektronisch betriebene Neuromodulationsanzug zur Verbesserung von Mobilität, Gleichgewicht und Reduzierung von Spasmen. In Studien sei als sekundäre Wirkung das Gefühl allgemeinen Wohlbefindens und Verbesserung des Schlafs festgestellt worden. Der Anzug werde 60 Minuten täglich getragen. Die Tragedauer werde über eine Zeitschaltuhr geregelt. Die Stimulation mit dem Mollii Suit wirke auch dem Fatigue Syndrom entgegen, unter dem sie leide. Dies habe sich deutlich verbessert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2023 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei einer NUB im Sinne von § 135 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bestehe nur dann ein Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit dem Hilfsmittel, wenn die NUB vom GBA anerkannt worden sei. Bei der beantragten transkulanten unterschwelligen Ganzkörper-Elektrostimulation mit einem Ganzkörper-Elektrostimulationsanzug handele es sich um eine unkonventionelle Methode, für die der GBA noch keine positive Empfehlung ausgesprochen habe. Das Krankheitsbild der Klägerin keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung im Sinne des § 2 Abs 1a SGB V dar. Deshalb könnten die Kosten für den Mollii Suit Anzug nicht übernommen werden.
Die Klägerin hat am 8. Juni 2023 Klage beim Sozialgericht (SG) Aurich erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Die schnelle technische Fortentwicklung von Hilfsmitteln stehe in deutlichem Widerspruch zu der langsamen Überprüfung neuer Hilfsmittel durch den Leistungsträger. Dies stehe einer bestmöglichen Versorgung der Versicherten entgegen. Die aktuelle Praxis der Kranken- und Pflegeversicherung habe mit der Wirklichkeit im Alltag nichts zu tun.
Im Juli 2023 hat sich die Klägerin den Mollii Suit selbst beschafft.
Mit Urteil vom 27. Juni 2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Im Kern der Streitigkeit stehe, ob der Mollii Suit der Krankenbehandlung iSd § 33 Abs 1 Satz 1, 1. Alt diene oder dem Behinderungsausgleich iSd § 33 Abs 1 Satz 1 3. Alt SGB V. Denn in diesem Falle stünde die Versorgung unter dem Vorbehalt des § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V, sprich einer positiven Empfehlung des GBA.
Die Versorgung mit dem Mollii Suit diene vorliegend nicht dem Behinderungsausgleich, sondern sei (führend) auf das Versorgungsziel der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung iSd § 33 Abs 1 Satz 1, 1. Alt. SGB V ausgerichtet. Ein Hilfsmittel diene diesem Versorgungsziel dann, wenn es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werde, um den mit ärztlicher Behandlung und weiteren Therapien erreichten Zustand zu unterstützen oder zu sichern (unter Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 8. Juli 2015 - B 3 KR 5/14 R, Rn 20 mwN). Das sei hier der Fall.
Der Mollii Suit ersetze nicht die ausgefallenen Körperfunktionen in konkreten Alltagssituationen im Rahmen des Behinderungsausgleichs nach § 33 Abs 1 Satz 1, 3. Alt. SGB V. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der Anzug nicht zur Ausübung einer gezielten Bewegung getragen werde, sondern nach Empfehlung des Anbieters und Vortrag der Klägerin für eine Stunde am Tag, respektive alle zwei Tage getragen werde, je nachdem, wie lange der Effekt anhalte. Damit ersetze der Mollii Suit nicht direkt die ausgefallene Körperfunktion in Alltagssituationen, sondern wirke über eine sukzessive Verbesserung der Muskulatur durch einen (nach Angaben des Herstellers) „carry-over-Effekt“ nachhaltig. Anders als etwa das System Bioness L300 des gleichen Herstellers, das elektrische Impulse zum Zeitpunkt des Gehens an die vom zentralen Nervensystem nicht mehr angesteuerten Nerven sende, ziele der Mollii Suit auf eine nachhaltige Wirkung ab (unter Hinweis auf SG Köln, Gerichtsbescheid vom 20. Januar 2022 – S 31 KR 1648/21, juris-Rn 28 ff.; SG Augsburg, Urteil vom 18. September 2023 – S 10 KR 160/23, juris-Rn. 19 ff; a.A. SG Potsdam, Urteil vom 15. Februar 2024 – S 3 KR 255/21).
Da es sich beim Mollii Suit um eine NUB handele, stehe einer Versorgung der Klägerin mit dieser Ganzkörperprothese gemäß § 33 Abs 1 Satz 1, 1. Alt. SGB V die Sperrwirkung des § 135 Abs 1 SGB V entgegen. Danach dürfe eine NUB in der vertragsärztlichen Versorgung zulasten der Krankenkasse nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hierfür eine positive Empfehlung abgegeben habe. Eine solche liege für die Ganzkörperorthese Mollii Suit nicht vor.
Die Ausnahmevorschrift des § 2 Abs 1a SGB V greife hier nicht ein, da die MS in der Rechtsprechung nicht als unmittelbar lebensbedrohlich oder wertungsmäßig vergleichbar eingeschätzt werde. Entscheidend für die Anwendung des § 2 Abs 1a SGB V sei eine notstandsähnliche Situation in dem Sinne, dass sofortiger Handlungsbedarf bestehe, um eine ansonsten zu erwartende, nicht wiedergutzumachende Verschlechterung zu verhindern. Das gelte aber nicht, wenn – wie hier – die Einschränkung der Gehfähigkeit bereits eingetreten sei und durch die gegenständliche Behandlung wieder verbessert werden solle (unter Hinweis auf Landesozialgericht <LSG> Baden-Württemberg, Urteil vom 10. August 2021 – L 11 KR 4247/19, juris-Rn 40).
Gegen das ihr am 4. Juli 2024 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. Juli 2024 Berufung beim LSG Niedersachsen-Bremen eingelegt und ihr Begehren weiterverfolgt. Die Versorgung mit dem Mollii Suit habe im Rahmen des unmittelbaren Behinderungsausgleichs zu erfolgen. Der Umstand, dass der Anzug nicht dauerhaft getragen werde und sich ein sog „carry-over-Effekt“ einstelle, stehe der Einordnung als Hilfsmittel des unmittelbaren Behinderungsausgleichs nicht entgegen. Das SG Potsdam habe ausführlich und schlüssig dargelegt, warum der Mollii Suit im Rahmen des unmittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht werden könne. Die Klägerin hat ein Testvideo zum Mollii Suit zum Nachweis der individuellen Gebrauchsvorteile und den Reha Bericht vom 11. Dezember 2024 vorgelegt. Darüber hinaus hat sie die Rechnung über den selbstbeschafften Mollii Suit vom 17. Juli 2023 über 8.721,74 Euro eingereicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 27. Juni 2024 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. März 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 2023 aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für die Versorgung mit dem Mollii Suit der Firma Otto Bock in Höhe von 8.721,74 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nachdem eine Vielzahl an Verfahren zu dem streitgegenständlichen Hilfsmittel geführt worden sei, sei die Beklagte nochmals an den Medizinischen Dienst (MD) herangetreten. Dieser habe mitgeteilt, dass die Einschätzung dieses Hilfsmittels im MD Nordrhein sich in den letzten zwei Jahren nicht geändert habe. Nach den verbindlichen Angaben des Herstellers zur Zweckbestimmung in der Gebrauchsanweisung sei das Hilfsmittel vorrangig zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung bestimmt. Da die Studienlage nicht ausreichend sei, könne eine Kostenübernahme weiterhin sozialmedizinisch nicht empfohlen werden. In Bezug auf ein Versorgungsziel „Behinderungsausgleich“ sei anzumerken, dass der Hersteller unverändert eine Nutzung des Mollii Suit jeden zweiten Tag für eine Stunde empfehle. Die meisten Studien schlössen vor allem Patienten mit ICP, Hirninfarkt, finalem Trauma und Fibrymoalgie ein. Der therapeutische Erfolg werde in jüngst erschienenen Reviews bestenfalls als nicht eindeutig beurteilt. Für Patienten mit MS lägen lediglich Daten von 15 Patienten vor. Wegen des Fehlens einer Kontrollgruppe und der niedrigen Zahl von Patienten sei eine Aussage hinsichtlich der Wirksamkeit nicht möglich.
Mit Verfügung vom 20. März 2025 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Beschluss angehört worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte über die Berufung gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden. Nach dieser Vorschrift kann das Landessozialgericht, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das SG hat durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden. Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Beschluss angehört worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die gemäß §§ 143 ff SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.
Da sich die Klägerin den Neurostimulationsanzug Mollii Suit nach ablehnender Bescheidung im Juli 2023 selbst beschafft hat, wandelt sich ihr ursprüngliches Begehren auf Kostenübernahme in einen Antrag auf Kostenerstattung um. Ein Anspruch auf Kostenerstattung besteht nicht, da der zugrundeliegende Sachleistungsanspruch fehlt.
Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung ist § 13 Abs 3 SGB V.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs 3 SGB V setzt voraus, dass die Beklagte eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind.
Vorliegend hat die Beklagte die begehrte Leistung zu Recht abgelehnt. Der Kostenerstattungsanspruch ist in seinem Umfang abhängig vom Sachleistungsanspruch. Er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung oder Leistung zu den Leistungen gehört, die die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12 Rn 11; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9 Rn 13 mwN; BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25 Rn 15 mwN).
Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1.Alt), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alt) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alt), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Voraussetzung ist nicht, dass das Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis gelistet ist.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG dient ein Hilfsmittel ausgehend von der nach Funktionalität und schwerpunktmäßigen Zielrichtung bzw Zwecksetzung der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung nach § 33 Abs 1 Alt 1 SGB V, wenn es im Rahmen einer Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 1 SGB V) , dh zu einer medizinisch-therapeutischen Behandlung einer Erkrankung als der Kernaufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V eingesetzt wird (BSG Urteil vom 18. April 2024 – B 3 KR 13/22 R, Rn 13). In Abgrenzung dazu dient beim unmittelbaren Behinderungsausgleich das Hilfsmittel dem Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst (BSG, Urteil vom 25. Februar 2015 – B 3 KR 13/13 R, Rn 19).
Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem begehrten Neurostimulationsanzug Mollii Suit um ein Hilfsmittel zur Krankenbehandlung und nicht um ein Hilfsmittel, das dem Behinderungsausgleich zuzuordnen ist (so auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 26. März 2025 – L 5 KR 1837/24 -, Rn 27). Nach der Herstellerbeschreibung dient der Neuromodulationsanzug Mollii Suit zur Entspannung spastischer und angespannter Muskeln, zur Aktivierung schwacher Muskeln und Linderung der damit verbundenen Schmerzen. Das Wirkprinzip des Anzugs ist die sogenannte Antagonisten Hemmung. Dieser physiologische Reflexmechanismus wird durch elektronische Impulse ausgelöst. Die kombinierte Wirkung aus Entspannung angespannter Muskeln und der aktivierungsschwachen Muskeln ermöglicht den Anwendern ein aktives tägliches Leben mit weniger Schmerzen. Der Anzug dient nach der Herstellerbeschreibung der Symptomlinderung. Dementsprechend ersetzt der Neuromodulationsanzug anders als etwa eine myoelektrisch gesteuerte Unterarmprothese (vgl Beschluss des erkennenden Senats vom 16. März 2018 – L 16 KR 362/17 -) nicht eine ausgefallene Körperfunktion – im Falle der Unterarmprothese: das Halten und das Greifen. Vielmehr dient der begehrte Mollii Suit im Sinne einer Antagonisten Hemmung nahezu dem gesamten Körper. Im Einklang mit der Herstellerbeschreibung berichtet die Klägerin auch von einem verbesserten Schlaf und Zurückdrängen ihrer Erschöpfung. In diesem Zusammenhang spricht das SG zutreffend von einem carry-over-Effekt, der lange nachwirkt.
Aufgrund der beschriebenen Wirkweise unterscheidet sich auch die Anwendung grundsätzlich von dem Einsatz einer Prothese, die zum Ausgleich der beeinträchtigten Funktion ständig getragen werden muss. Der Hersteller empfiehlt für den Neuromodulationsanzug die Anwendung über 1 Stunde alle zwei Tage bei Spastik und 1 Stunde pro Tag bei verbundenen chronischen Schmerzen. In dieser Weise setzt die Klägerin den Mollii Suit ein und berichtet von einer Zeitschaltuhr, die die 1-stündige Anwendung begrenzt.
Der Anspruch auf ein Hilfsmittel zur Krankenbehandlung unterliegt dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 2 Abs 1 iVm § 12 SGB V. Dazu hat die Beklagte hat im Berufungsverfahren vorgetragen, dass der MD nach erneuter Konsultation darauf hingewiesen hat, dass die Studienlage nicht ausreichend ist. Für die hier maßgebliche MS-Erkrankung gibt es nur Daten über 15 Patienten, sodass die Beobachtungen wegen der zu kleinen Zahl an Probanden sowie dem Fehlen einer Vergleichsgruppe keine Aussagen zur Wirksamkeit zulassen.
2. Zudem unterliegt ein Hilfsmittel, das – wie der Neurostimulationsanzug - einem kurativen Zweck dient, der Sperrwirkung des § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift dürfen NUB in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA eine Empfehlung abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung.
Bei dem streitgegenständlichen Neurostimulationsanzug Mollii Suit handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung beschreibt der Begriff der "Behandlungsmethode" eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSG Urteil vom 19. Oktober 2023 - B 1 KR 16/22 R – Rn 23 mwN).
Die Prüfung und Bewertung durch den GBA hat dabei nicht einzelne ärztliche Maßnahmen zum Gegenstand, die nur Bestandteil eines methodischen Konzepts sind, sondern bezieht sich auf leistungsübergreifende methodische Konzepte, die auf ein bestimmtes diagnostisches oder therapeutisches Ziel ausgerichtet sind (BSG vom 19.Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R - BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 Rn 29; vgl zB Ihle in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, Stand 15. Juni 2020, § 135 RdNr 21). Das theoretisch-wissenschaftliche Konzept einer Methode beschreibt die systematische Anwendung bestimmter auf den Patienten einwirkender Prozessschritte (Wirkprinzip), die das Erreichen eines diagnostischen oder therapeutischen Ziels in einer spezifischen Indikation (Anwendungsgebiet) wissenschaftlich nachvollziehbar erklären kann (vgl etwa 2. Kapitel § 31 Abs 3 VerfO GBA oder § 3 Abs 3 der Verordnung über die Voraussetzungen für die Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse nach § 137h SGB V <Medizinproduktemethodenbewertungsverordnung - MeMBV> vom 15. Dezember 2015, BGBl I 2340).
Nach der Rechtsprechung des BSG ist eine Behandlungsmethode "neu", wenn sie (bisher) nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist oder wenn sie zwar im EBM-Ä aufgeführt ist, deren Indikation aber wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfahren hat (BSG vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/05 R - SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 20 mwN). Sinn und Zweck der Methodenbewertung nach § 135 Abs 1 SGB V bestehen vor allem darin, Wirksamkeit und Qualität der vertragsärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen vor ihrer Anwendung sicherzustellen und dadurch die Gesundheit der Patienten und die Beiträge der Versicherten zu schützen (BSG vom 30.Januar 2002 - B 6 KA 73/00 R - SozR 3-2500 § 135 Nr 21 S 110 f; Roters in BeckOGK, Stand 1.September 2020, § 135 SGB V RdNr 4). Nach diesem Schutzzweck ist es Aufgabe des GBA als fachkundig besetztem Gremium, Methoden auf Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu bewerten. Seine Aufgabe ist es auch, die sachgerechte Anwendung der neuen Methode durch die Aufstellung von Qualifikationsanforderungen zu sichern. Der GBA bürgt nach der Konzeption des Gesetzes für die erforderliche Verbindung von Sachkunde und interessenpluraler Zusammensetzung. Dies rechtfertigt es, diesem Gremium im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die für jede untergesetzliche Normsetzung kennzeichnende Gestaltungsfreiheit zukommen zu lassen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2023 – B 1 KR 16/22 R, Rn 24 u 25).
Vorliegend fehlt es an einer positiven Empfehlung des GBA. Darauf hat die Beklagte bereits im Ablehnungs- und Widerspruchsbescheid hingewiesen. Ein Ausnahmefall, in dem eine neue Behandlungsmethode ohne positive Empfehlung des GBA zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden kann, besteht nicht. Insbesondere liegt kein Systemversagen vor. Insoweit fehlt bereits an einem Antragsverfahren beim GBA (vgl LSG Baden-Württenberg aaO, Rn 33).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein Grund, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), ist nicht erkennbar.