Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. September 2024 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht (noch) das Ruhen des Anspruchs der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 12. März 2020 bis 14. April 2020 nach einer Beschäftigung auf einem Kreuzfahrtschiff und gezahlter Urlaubsabgeltung sowie die darauf gestützte Erstattungsforderung der Beklagten.
Die 1992 geborene Klägerin war seit Oktober 2017 regelmäßig auf Kreuzfahrtschiffen der AIDA Cruises - beschäftigt. Nach den Fahrten kehrt die Klägerin zu ihrem Wohnort nach Bn zurück und bezieht in Deutschland Alg.
Die Arbeitgeberin hat ihren Sitz in I. Die Arbeitsverträge unterliegen dem italienischen Recht. Es werden Beiträge zur italienischen Sozialversicherung entrichtet. Die Arbeitgeberin schloss am 26. Juni 2013 einen Tarifvertrag über „Beschäftigungsbedingungen für EU-Arbeitnehmer Guest Service (Gästeservice) auf AIDA-Schiffen“ ab, welcher unter § 12 regelt, dass der Urlaub in Kalendertagen je vollen Monat Seedienst ermittelt wird und der hinsichtlich des Urlaubsanspruchs auf die Gehaltsordnung des Arbeitgebers verweist. Entsprechend war die Klägerin zuletzt vor dem Streitzeitraum vom 17. Oktober 2019 bis 29. Februar 2020 auf einem AIDA-Kreuzfahrtschiff als „Gastgeber“ befristet versicherungspflichtig beschäftigt (vgl Seafarer Employment Agreement vom 3. September 2019< im Folgenden: Arbeitsvertrag –AV>).
Der AV weist einen monatlichen Grundlohn (basic wage) iHv 1.439,- €, eine monatliche Abfindung (severance pay) iHv 107,- €, eine monatliche Navigationsentschädigung (navigation indemnity) iHv 204,- € (total wage = 1.750,- €) und unter „PAID LEAVE DAYS Holidayentitlementdays 10.0“ aus. Zudem ist geregelt, dass der Monatslohn alle geleisteten Überstunden sowie die Arbeit an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen und alle geldwerten Leistungen, wie sie in dem zwischen dem Reeder/Arbeitgeber und den italienischen Gewerkschaften unterzeichneten Tarifvertrag festgelegt sind, wie zum Beispiel Schifffahrtsentschädigung, Abfindung, Weihnachts- und Osterbonus und alle Verpflegungszulagen umfasst („The salary includes all overtime work performed and as well work performed on Saturdays, Sundays and Holidays“).
Zum Urlaubsanspruch weist der befristete Arbeitsvertrag unter „LEAVE ENTITLEMENT“ aus: "Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlten Urlaub. Die Anzahl der Urlaubstage ist im Tarifvertrag festgelegt. Bei unbefristeten Arbeitsverträgen werden die Urlaubstage gemäß dem Rotationsplan gewährt und wenn sie bis zum Ende der Beschäftigung nicht vollständig verbraucht werden können, werden sie ausbezahlt. Bei befristeten Verträgen werden die Urlaubstage bei Vertragsende in jedem Fall ausgezahlt." Auf die weiteren Einzelheiten des AV wird Bezug genommen.
Die Klägerin meldete sich zum 1. März 2020 persönlich arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 4. März 2020 bewilligte die Beklagte für die Zeit ab 1. März 2020 vorläufig Alg für 189 Tage iH eines Leistungsbetrags von tgl 28,- €. Am 6. Juli 2020 nahm die Klägerin wieder eine Beschäftigung auf.
Die vorgelegte Gehaltsabrechnung für Februar 2020 sowie die Bescheinigung U1-Bescheinigung des italienischen Sozialversicherungsträgers weisen aus, dass die Klägerin eine Urlaubsabgeltung („HOLIDAY DECREASE“; „indennità sostitutiva delle ferie“) für 45 Tage erhalten habe.
Mit (drei) Bescheiden vom 20. November 2020 stellte die Beklagte das Ruhen des Alg-Anspruchs vom 1. März 2020 bis 14. April 2020 fest, bewilligte endgültig Alg für die Zeit ab 15. April 2020 bis 5. Juli 2020 und verlangte von der Klägerin Erstattung des für die Zeit vom 1. März 2020 bis 14. April 2020 vorläufig gezahlten Alg iHv 1.232,- €, weil die Alg-Bewilligung „aufgehoben worden sei“. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2020 forderte die Beklagte erneut Erstattung des für die Zeit vom 1. März 2020 bis 14. April 2020 gewährten Alg. Der Widerspruch der Klägerin, mit dem diese darauf verwies, es habe sich nicht um eine Urlaubsabgeltung, sondern um eine Freizeitausgleichszahlung gehandelt, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2021).
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin mit Urteil vom 24. September 2024 die Beklagte antragsgemäß unter Änderung der Bescheide vom 20. November 2020 und 22. Dezember 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 2021 verurteilt, der Klägerin Alg auch für die Zeit vom 12. März 2020 bis 14. April 2020 zu zahlen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ruhe der Anspruch in dem genannten Zeitraum nicht. Nach dem Wortlaut von § 157 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der „Urlaubsabgeltung“ erforderlich. Dieser liege hinsichtlich der in dem Formular U1 bescheinigten Tage nur im Umfang von 11 Tagen vor, weil die Klägerin nach der für die Republik Italien geltenden Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) einen Mindesturlaubsanspruch für die in Rede Beschäftigungsdauer von 11 Tagen gehabt habe. Bei den im AV genannten 10 „Holidayentitlementdays“ pro Monat handele es sich nicht nur um Urlaubstage, sondern wegen der Arbeit an Samstagen, Sonn- und Feiertagen auch um eine Kompensation für diese Arbeit und nicht in Anspruch genommene Ruhezeiten.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Die Urlaubstage seien für das maßgebende Arbeitsverhältnis zutreffend bescheinigt worden. Dass der Urlaub während der Vertragsdauer nicht habe genommen werden können, führe entgegen der Auffassung des SG nicht dazu, dass es sich nicht um eine Urlaubsabgeltung handele. Der Inhalt der Bescheinigung PD U1 sei im Übrigen vorbehaltlich einer hier nicht erfolgten Korrektur durch die ausstellende Behörde verbindlich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. September 2024 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das angefochtene SG-Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat für den (nur) noch streitigen Zeitraum vom 12. März 2020 bis 14. April 2020 keinen Anspruch auf Alg, weil der Anspruch (auch) in dieser Zeit nach § 157 Abs. 2 SGB III wegen einer erhaltenen Urlaubsabgeltung ruht.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind das angefochtene SG-Urteil sowie die Bescheide der Beklagten vom 20. November 2020 ua mit der endgültigen Bewilligungsentscheidung, soweit diese den Zeitraum vom 12. März 2020 bis 14. April 2020 betreffen, sowie der Erstattungsbescheid vom 22. Dezember 2020 allesamt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 2021. Der zunächst ergangene vorläufige Alg-Bewilligungsbescheid vom 4. März 2020 hat sich nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) durch die endgültige Leistungsentscheidung erledigt (vgl zB Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 8. Februar 2017 – B 14 AS 22/16 R – juris – Rn 9 mwN).
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Alg-Anspruch der Klägerin ruhte (auch) für die Zeit vom 12. März 2020 bis 14. April 2020 aufgrund gezahlter Urlaubsabgeltung nach § 157 Abs. 2 SGB III. Der entsprechende Erstattungsanspruch der Beklagten folgt aus § 157 Abs. 3 SGB III.
Die Klägerin erfüllte zunächst die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen für einen Alg-Anspruch (vgl §§ 136 Abs. 1 Nr 1, 137 ff SGB III). Sie hatte sich bei der Beklagten persönlich arbeitslos gemeldet sowie die Zahlung von Alg beantragt. Sie stand in keinem Beschäftigungsverhältnis, bemühte sich, ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden und stand den Vermittlungsbemühungen der Beklagten objektiv und subjektiv zur Verfügung. Die Klägerin hatte zudem als Grenzgängerin unter Berücksichtigung der nach italienischen Rechtsvorschriften zurückgelegten Beitragszeiten die Anwartschaftszeit (vgl § 142 SGB III) erfüllt.
Die Rechtsgrundlagen für die Anerkennung der Versicherungs- und Beschäftigungszeiten finden sich in der zur sozialen Absicherung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer erlassenen Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, der Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und zur Festlegung des Inhalts ihrer Anhänge sowie der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.
Aus Art. 61 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VO (EG) Nr. 883/2004 ergibt sich, dass grundsätzlich ausländische Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten (die keine Versicherungszeiten waren) und Zeiten selbstständiger Erwerbstätigkeit (die keine Versicherungszeiten waren) zur Erfüllung der Anwartschaftszeiten iSv § 142 SGB III und der Festsetzung der Anspruchsdauer nach § 147 SGB III für einen Anspruch auf Alg zu berücksichtigen sind. Hinsichtlich der Leistungszuständigkeit geht die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 im Grundsatz vom Recht des Staates der letzten Beschäftigung aus (vgl. Art. 61 Abs. 2 VO [EG] Nr 883/2004 und Art. 11 Abs. 2 Buchst. a VO [EG] Nr 883/2004). Ausländische Versicherungs- und Beschäftigungszeiten können für einen Anspruch auf Alg oder zur Erhöhung der Anspruchsdauer somit grundsätzlich nur dann berücksichtigt werden, wenn zwischen der Auslandsbeschäftigung und dem Eintritt der Arbeitslosigkeit und Antragstellung in Deutschland eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland ausgeübt wurde (vgl nur Europäischer Gerichtshof <EuGH>, Urteil vom 9. Juli 1975 – 20/75 [d'Amico] – Slg. 1975, 891 = SozR 6050 Artikel. 45 Nr 1 - juris; EuGH, Urteil vom 23. November 1976 – 40/76 [Kermaschek] – Slg. 1991, 2543 = SozR 3-6050 Artikel 67 Nr 1).
Ausnahmen von der Notwendigkeit einer "Vorbeschäftigung" sieht die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nur für sogenannte "echte" Grenzgänger, "unechte" Grenzgänger und Personen mit "Kurzarbeit oder sonstigem vorübergehenden Arbeitsausfall" vor. Gemäß Art. 65 Abs. 5 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 erhält der in Art. 65 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004 bezeichnete Arbeitslose Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, als ob diese Rechtsvorschriften für ihn während seiner letzten Beschäftigung gegolten hätten. Der Begriff des "unechten" Grenzgängers ist nicht legal definiert. Art. 65 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 5 Buchst. b der VO (EG) Nr. 883/2004 setzt jedoch die Figur des "unechten" Grenzgängers nach seiner Systematik voraus. Danach gehört zu den "unechten" Grenzgängern eine vollarbeitslose Person, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit ihren Wohnort in einem Mitgliedstaat hatte und nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates beschäftigt oder selbstständig erwerbstätig war, ohne echter Grenzgänger gewesen zu sein (vgl EuGH, Urteil vom 17. Februar 1977 – 76/76 [Di Paolo] – Slg 1977, 315 ff; Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 12. Dezember 1990 – 11 RAr 141/90 = SozR 3-6050 Art 71 Nr 2). Den Begriff des "Wohnorts" definiert Art. 1 Buchst. j VO (EG) Nr. 883/2004 als den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person, in dem sich der gewöhnliche Mittelpunkt seiner Interessen befindet.
Nach dem Beschluss Nr. U2 der Verwaltungskommission vom 12. Juni 2009 (zum Geltungsbereich des Art. 65 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bei anderen Vollarbeitslosen als Grenzgängern, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit im Gebiet eines anderen als des zuständigen Mitgliedstaats gewohnt haben) gilt Art. 65 Abs. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 insbesondere für: Seeleute (vgl Art. 11 Abs. 4 VO [EG] Nr. 883/2004), Personen, die ihre Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausüben (vgl Art. 13 VO [EG] Nr. 883/2004) und Personen, für die eine Vereinbarung nach Art. 16 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 gilt. Zwar hat die Klägerin vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit und Beantragung von Alg keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland ausgeübt. Auch war sie kein echter Grenzgänger im Sinne der Verordnung. Sie fällt jedoch als bei einem italienischen Arbeitgeber Beschäftigte auf einem Kreuzfahrtschiff mit Wohnsitz in Deutschland unter den Beschluss Nr. U2 der Verwaltungskommission.
Der Anspruch der Klägerin auf Alg ruhte indes nach § 157 Abs. 2 SGB III ab dem 1. März 2020 bis zum 14. April 2020, wie mit der endgültigen Bewilligung festgestellt, und damit auch in dem vorliegend (nur) noch streitigen Zeitraum vom 12. März 2020 bis 14. April 2020.
§ 157 Abs. 2 SGB III bestimmt, dass der Alg-Anspruch für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs ruht, wenn die oder der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen hat. Der Zeitraum des Ruhens beginnt mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses.
Die Regelung gründet darauf, dass es ist im Interesse der Versichertengemeinschaft nicht gerechtfertigt ist, wenn Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen im Anschluss an das Arbeitsverhältnis Arbeitsentgelt in Form der Urlaubsabgeltung erhalten und abweichend von § 157 Abs. 1 SGB III daneben die Lohnersatzleistung beziehen würden (vgl BT-Drucks. 9/846 S. 44 zu Nr. 35a). Es tritt für die Dauer des abgegoltenen Urlaubs ein Ruhen des Anspruchs ein, weil mit der Arbeitgeberleistung dem Arbeitnehmer ermöglicht wird, den früher entgangenen Urlaub nachzuholen. Die Urlaubsabgeltung ist ein reiner Geldanspruch und entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei noch bestehendem und noch nicht erfülltem Urlaubsanspruch unabhängig von der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs in einem gedachten fortbestehenden Arbeitsverhältnis. Der Urlaubsanspruch richtet sich in Deutschland nach dem Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz – BUrlG) oder nach den einschlägigen Tarifverträgen. Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Woche, erhöht sich oder vermindert sich die Urlaubsdauer entsprechend (vgl zB Bundesarbeitsgericht <BAG>, Urteil vom 20. Juni 2000 –9 AZR 309/99 – BAGE 95, 117 ff. – Rn 36). Der Urlaub ist in natura im laufenden Kalenderjahr, bei dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen bis spätestens 31. März des folgenden Kalenderjahres zu nehmen (vgl. § 7 Abs. 3 BUrlG). Selbst wenn ein Rechtsanspruch auf die tatsächlich ausgezahlte Urlaubsabgeltung nicht bestanden hätte, würde die Zahlung zu einem Ruhen des Anspruchs auf Alg führen (vgl BSG, Urteil vom 29. Juli 1993 – 11 RAr 17/92 – juris – Rn 16).
Nach der vorliegenden Entgeltabrechnung für Februar 2020 und der U1-Bescheinigung des italienischen Trägers hatte die Klägerin 45 Tage Urlaubsabgeltung zu beanspruchen und diese auch tatsächlich erhalten. Die U1-Bescheinigung hat für die anderen Mitgliedstaaten Bindungswirkung (vgl EuGH, Urteil vom 11. Juli 2018 – C-356/15 [Kommission/Königreich Belgien] – ZESAR 2019, 225 ff. = juris – Rn 82 ff.; vgl auch BSG, Urteil vom 17. März 2016 – B 11 AL 4/15 R = SozR 4-4300 § 143 Nr. 2 – Rn 19). Zweifel über die Richtigkeit können von den Leistungsträgern und auch von den nationalen Gerichten der Mitgliedstaaten nur im Wege des in der Verordnung (EG) 883/2004 und der Verordnung (EG) 987/2009 vorgesehenen Verfahrens korrigiert werden. Insofern bestimmt Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 987/2009, dass die vom Träger eines Mitgliedstaats ausgestellten Dokumente, in denen der Status einer Person für die Zwecke der Anwendung der Grundverordnung und der Durchführungsverordnung bescheinigt wird, sowie Belege, auf deren Grundlage die Dokumente ausgestellt wurden, für die Träger der anderen Mitgliedstaaten so lange verbindlich sind, wie sie nicht von dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgestellt wurden, widerrufen oder für ungültig erklärt werden. Falls die Gültigkeit des Dokuments oder die Richtigkeit des bescheinigten Sachverhalts zweifelhaft ist, wird in Konkretisierung der Verpflichtung das Verfahren des Dialogs und der Vermittlung zwischen den betroffenen Trägern beschrieben (vgl BSG, Urteil vom 23. Oktober 2018 – B 11 AL 20/17 R = SozR 4-6065 Art. 61 Nr. 1 – Rn 26 mwN).
Die Richtigkeit des in der U1-Bescheinigung ausgewiesenen Sachverhalts ist nach der Überzeugung des Senats nicht zweifelhaft, so dass weitere Ermittlungen nicht angezeigt sind.
Der Klägerin stand ausweislich des Arbeitsvertrages ein Urlaubsanspruch im Umfang von 10 Tagen im Monat zu. Dass sich die ausgewiesenen Urlaubstage auf den vollen Monat Seedienst beziehen, folgt aus dem AV und aus der tatsächlichen arbeitsvertraglichen Übung, die sich aus den vorliegenden Entgeltabrechnungen ergibt. Dieser hohe Urlaubsanspruch wurde monatlich bescheinigt und führt rechnerisch nachvollziehbar zu der gewährten Urlaubsabgeltung im Umfang von 45 Tagen. Der Arbeitgeber erbrachte die Urlaubsabgeltung auch „wegen der Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses. Denn der Abgeltungsanspruch bestand ausdrücklich nicht bereits während oder bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Er entstand erst mit und aufgrund der Beendigung des befristeten Vertrages. Auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Regelung war bei befristeten Verträgen keine Urlaubsgewährung entsprechend des Rotationsplans und keine Abgeltung während des bestehenden Arbeitsvertrages, wenn die Urlaubstage nicht vollständig bis zum Ende des Jahres verbraucht werden konnten, vereinbart, sondern vielmehr ausdrücklich die Auszahlung der Urlaubstage bei Vertragsende. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung war damit an die Beendigung des befristeten Arbeitsvertrages geknüpft.
Dem Begehren der Klägerin und der Rechtsauffassung des SG, die bescheinigten Tage rechnerisch in (echte) Urlaubstage und eine nachträgliche Zahlung für geleistete Dienste an Wochenenden und Feiertagen aufzuspalten, steht – unabhängig von der Bindungswirkung der U1-Bescheinigung und der fehlenden Verpflichtung der Beklagten, die vorliegend nach italienischem Arbeitsrecht zu beurteilende Rechtmäßigkeit arbeitsvertraglicher und tarifvertraglicher Regelungen zu überprüfen – vorliegend die tatsächlich getroffene arbeitsvertragliche Regelung und die tatsächlich bestehende Unmöglichkeit entgegen, danach den „reinen Urlaub“ rechnerisch zwingend einheitlich für vergleichbare Arbeitsverhältnisse zu ermitteln (vgl zum Ganzen in einem identischen Sachverhalt Sächsisches Landessozialgericht <LSG>, Urteil vom 11. November 2021 – L 3 AL 70/17 – juris – Rn 48ff; Sächsisches LSG, Urteil vom 11. November 2021 – L 3 AL 161/18 – juris – Rn 37ff).
Die Höhe des vereinbarten Urlaubsanspruchs ist dem Umstand geschuldet, dass während der Heuer ohne Unterbrechung gearbeitet werden musste und sich daher ein größerer Erholungsbedarf ergab. Der AV weist ausdrücklich aus, dass das Monatsfestgehalt alle Überstunden sowie die Arbeit an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen (und weitere Leistungen entsprechend des Tarifvertrages) umfasst. Ein (herauszurechnender) Anspruch auf weitere Zahlungen wegen eines abzugeltenden Freizeitausgleichs bestand danach nicht und ergibt sich auch nicht aus sonstigen Regelungen des AV. Vereinbart war allein der höhere Urlaubsanspruch. Entsprechend hat auch das LSG Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 20. Oktober 2020 (Az. L 2 AL 29/19 – juris - Rn 32) in einem gleichgelagerten Fall entschieden, dass ohne vertragliche Grundlage der zum Ausgleich für die hohe Arbeitsleistung an jedem Wochentag gewährte Urlaubsanspruch von im dortigen Fall acht Tagen je Beschäftigungsmonat nicht teilweise in einen Freizeitausgleich umgedeutet werden kann. Danach führt eine Urlaubsabgeltung in voller Höhe zum Ruhen des Anspruchs auf Alg, auch wenn der höhere Urlaubsanspruch nicht nur an die Beschäftigungsdauer anknüpft, sondern der Erholungsbedarf auch besondere Erschwernisse erfasst, die mit der Erbringung der Arbeitsleistung unmittelbar verbunden sind (so für einen vergleichbaren Fall LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. März 2019 – L 7 AL 171/17 – juris – Rn 36; L. Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB III, 2. Ergänzungslieferung 2025, § 157 Rn 58 ). Soweit die tatsächlich auf den Monat entfallenden Wochenenden und Feiertage vom vereinbarten Urlaubsanspruch nach dem Willen der Klägerin abgezogen werden sollen und nur die verbleibende Zeit als (echter) Urlaub gewertet werden soll, würde dies dazu führen, dass letztlich praktisch kein (echter) Urlaub verbliebe. Denn allein 8 bis 9 Tage entfallen monatlich auf die Wochenenden. Hinzu treten gelegentliche Feiertage. Im Ergebnis läge der Urlaubsanspruch bspw für Dezember 2019 bei null Tagen. Dies hätte eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer und zudem ein Unterschreiten des nach Art. 7 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung bestehende Anspruches auf Mindestjahresurlaub zur Folge.
Einer Berechnung des Ruhenszeitraumes unter Heranziehung der in der U1 bescheinigten vollen Urlaubsabgeltung stehen Artikel 62 VO (EG) 883/2004 und Artikel 5 VO (EG) 883/2004 nicht entgegen. Es bestehen keine Zweifel, dass die nach italienischem Recht gewährte Urlaubsabgeltung mit den inländischen Leistungen nach Motivation und Funktion gleichzustellen ist. Bei einer Heuer nach deutschen Recht würde sich die Rechtsfrage aufgrund § 64 Abs. 1 Satz 1 des Seearbeitsgesetzes (SeeArbG) mit den gleichen Auswirkungen auf den Anspruch auf Alg nicht stellen. Danach verlängert sich das Heuerverhältnis, wenn das Besatzungsmitglied bei Beendigung des Heuerverhältnisses noch nicht den ihm zustehenden Urlaub erhalten, um die Dauer des nicht gewährten Urlaubs, es sei denn, dass eine Verlängerung des Heuerverhältnisses infolge des Eingehens eines neuen Rechtsverhältnisses nicht möglich ist (Nummer 1) oder das Besatzungsmitglied aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage ist, den Urlaub während des Zeitraums der Verlängerung zu nehmen (Nummer 2), dh ein Anspruch auf Alg wäre während des Zeitraums der Urlaubsabgeltung ebenfalls nicht gegeben. Dem dient vorliegend das Ruhen des Alg-Anspruchs aufgrund gewährter Urlaubsabgeltung nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Das Ruhen nach § 156 SGB II tritt unabhängig von der Höhe und vom Umfang der ruhensbegründenden Sozialleistung ein (vgl LSG Niedersachsen-Bremen aaO Rn 41 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 10. Oktober 1978 – 7 RAr 56/77 = SozR 4100 § 151 Nr. 10 – Rn 17). Diese Grundüberlegung gilt erst recht für den Ruhenstatbestand nach § 157 Abs. 2 SGB III, der bereits in seinem Wortlaut die Rechtsfolge nicht an einen bestimmten Betrag der Urlaubsabgeltung pro Tag anknüpft.
Die Beklagte hat den Alg-Ruhenszeitraum danach (auch) für den vorliegend streitigen Zeitraum vom 12. März 2020 bis 14. April 2020 beanstandungsfrei festgestellt. Für diesen Zeitraum hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von Alg. Entsprechend ist auch der Erstattungsbescheid nach § 157 Abs. 3 SGB III in dem noch angefochtenen Umfang rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.