L 6 SB 3001/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 1869/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3001/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 4. Oktober 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die höhere Erstfeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 20.

Er ist 1967 geboren, hat nach der mittleren Reife keine Berufsausbildung abgeschlossen und ist als Maschinenführer tätig. Der Kläger ist verheiratet, hat vier Kinder und bewohnt ein Eigenheim (vgl. Reha-Entlassungsbericht).

Am 25. Februar 2015 beantragte bei dem Landratsamt B1 (LRA) erstmals die Feststellung des GdB. Vorgelegt wurde der Bericht des K1 nach ambulanter Untersuchung vom 11. Dezember 2014, in dem ein lumbaler Bandscheibenvorfall mit Radikulopathie beschrieben wurde. Weiter wurde der Entlassungsbericht über die stationäre Rehabilitation vom 5. bis 26. Januar 2015 in der Rehabilitationsklinik S1 beigezogen. Danach habe sich zum Entlassungszeitpunkt an der unteren Lendenwirbelsäule (LWS) eine reizlose, 4 cm lange Operationsnarbe ohne Rötung, Schwellung oder Überwärmung gezeigt. Es habe keine Druckdolenz über der Dornfortsatzreihe bestanden, die Rückenmuskulatur sei noch gering verspannt. Der Gang sei frei, Fersen- und Zehengang könnten beidseits ohne Absinktendenz demonstriert werden. Der Einbeinstand sei beidseits sicher. Es bestünden keine sensiblen oder motorischen Defizite, das Zeichen nach Lasègue sei negativ.

Nach Stellungnahme des P1 (operierter Bandscheibenschaden [Teil-GdB 10], Colitis ulcerosa [Teil-GdB 10]) lehnte das LRA mit Bescheid vom 23. Juli 2015 die Feststellung eines GdB ab.

Am 10. Juli 2017 beantragte der Kläger erneut die Feststellung des GdB und legte den Entlassungsbericht der S2-Kliniken über die stationäre Behandlung vom 17. bis 19. Januar 2017 vor. Es habe eine Synkope, am ehesten neurokardiogen bestanden. Der Kläger arbeite als Büroleiter in einer größeren Firma. Stuhlgang und Miktion seien unauffällig, es bestünden kein Alkohol- oder Nikotinkonsum und keine Allergien. Der Kläger befinde sich in leicht reduziertem Allgemein- und guten Ernährungszustand (Gewicht 79 kg bis 178 cm Körpergröße). Die Herztöne seien rein und rhythmisch, die periphere Sauerstoffsättigung habe bei 93 % gelegen. Über der Wirbelsäule habe kein Klopfschmerz bestanden, die neurologische Untersuchung sei grob orientierend unauffällig. In der Schrittmacherkontrolle habe sich eine regelrechte Schrittmacherfunktion gezeigt. Der zuvor implantierte Eventrekorder sei ausgelesen worden, zum Zeitpunkt des Ereignisses habe eine Sinusbrachykardie bestanden. In Anbetracht der bereits mehrfach stattgehabten Synkopen sei die Indikation zur Schrittmacher-Implantation gesehen worden. Das Röntgen-Thorax habe eine regelrechte Lage der Schrittmachersonden sowie fraglich einen minimalen Pneumothorax rechts ergeben.

Der I1 führte in seinem Befundschein an das LRA aus, dass sich bei dem Kläger audiometrisch eine leichtgradige linksbetonte Innenohrschwerhörigkeit, wahrscheinlich nach bekanntem abgelaufenen Hörsturz links gezeigt habe. Ein Tinnitus-Counselling sei durchgeführt und es seien Copingstrategien besprochen worden. Weiter legte er das Tonaudiogramm vom 30. Januar 2017 vor.

K1 bewertete versorgungsärztlich die Herzrhythmusstörungen mit Herzschrittmacher, die Colitis ulcerosa und den operierten Bandscheibenschaden je mit einem Teil-GdB von 10. Die Schwerhörigkeit links mit Ohrgeräuschen bedinge keinen Teil-GdB, ein Bronchialasthma sei nicht nachgewiesen.

Den Antrag lehnte das LRA mit Bescheid vom 8. September 2017 ab.

Im Widerspruchsverfahren wurde der Befundbericht des D1 über die ambulante Untersuchung vom 19. September 2017 vorgelegt. Danach sei seit 2003 ein Asthma bekannt, der Kläger wäre aktuell beschwerdefrei. Im Allergietest vor Jahren habe sich keine Sensibilisierung gezeigt, Allergien seien keine bekannt. Hinweis auf eine Ventilationsstörung habe sich keiner ergeben. Klinisch und lungenfunktionell bestehe ein gut eingestelltes Asthma bronchiale, eine ICS-Monotherapie sei ausreichend.

Die chirurgische Praxisklinik R1 beschrieb nach ambulanter Untersuchung vom 16. März 2017 einen Druckschmerz im Bereich des Ansatzes der Plantarfaszie medial am rechten Fuß bei Spreizfußdeformität. Über den Dornfortsätzen der mittleren Brustwirbelsäule (BWS) liege ein Druckschmerz bei ansonsten regelrechtem klinischen Befund vor. Krankengymnastik für die BWS sowie eine Einlagenversorgung für den Fuß seien verordnet worden.

Der Entlassungsbericht der S2 Kliniken über die stationäre Behandlung vom 6. bis 8. Dezember 2017 beschrieb einen Präkollaps bei Kreislaufdysregulation und verneinte eine Koronarinsuffizienz. Der Kläger befinde sich in normalem Allgemein- und Ernährungszustand. Die Atemgeräusche seien beidseits physiologisch, die Herztöne rein. Neurologisch finde sich kein Hinweis hielt an der bisherigen Bewertung fest. Zusätzlich könne ein Bronchialasthma mit einem Teil-GdB von 10 berücksichtigt werden, wodurch sich der Gesamt-GdB nicht erhöhe.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S3 mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2018 zurück.

Am 6. Oktober 2021 beantragte der Kläger – hier streitgegenständlich – zum dritten Mal die Feststellung des GdB. Vorgelegt wurde neben dem bereits aktenkundigen Entlassungsbericht der S2 Kliniken von 2017 (vgl. oben) das ärztliche Attest des P2. Danach sei 1997 eine Colitis ulcerosa bei dem Kläger festgestellt, 2014 ein Bandscheibenvorfall operiert worden. Wegen aufgetretener Synkopen sei 2017 ein Schrittmacher implantiert worden, seit 2003 bestehe ein Asthma bronchiale. Im Befundbericht der S2-Kliniken über die Schrittmacherkontrolluntersuchung vom 18. Mai 2020 wurde der Kläger als aktuell beschwerdefrei beschrieben. Es habe sich eine regelrechte Schrittmacherfunktion gezeigt. Entsprechendes ergab sich aufgrund der Kontrolluntersuchung vom 23. November 2020.

Das G1 legte in seinem Bericht vom 3. September 2021 dar, dass hinsichtlich der Colitis ulcerosa eine medikamentöse Therapie etabliert sei unter der der Kläger aktuell schubfrei sei. Die wiederkehrenden Schübe schränkten den Kläger in seiner Arbeitsfähigkeit ein.

Die S4 bewertete die Herzrhythmusstörungen, den Herzschrittmacher und den Bluthochdruck nunmehr mit einem Teil-GdB von 20. Die Colitis ulcerosa, der operierte Bandscheibenschaden und das Bronchialasthma seien weiter mit einem Teil-GdB von je 10 zu bewerten. Das Herzleiden bei hypertensiver Herzkrankheit könne höher bewertet werden. Die Colitis ulcerosa sei bei aktueller Schubfreiheit ausreichend gewürdigt, der Tinnitus ohne nachgewiesene psychische Begleiterscheinungen.

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2021 stellte das LRA einen GdB von 20 seit dem 6. Oktober 2021 fest.

Im Widerspruchsverfahren führte Z1 versorgungsärztlich aus, dass alle Behinderungen entsprechend den Vorgaben gewürdigt seien. Das Wirbelsäulenleiden sei ohne sensomotorische Ausfälle, bei hypertensiver Herzerkrankung mit Herzschrittmacherimplantation bestehe eine normale Herzpumpfunktion. Rezidivierende Schübe einer Colitis ulcerosa seien nicht nachgewiesen.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S3 mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2023 zurück. Aufgrund des Neufeststellungsantrags nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei der GdB auf 20 erhöht worden. Eine weitergehende Änderung sei nicht eingetreten. Die vorgenommene Erhöhung des GdB auf 20 gebe das Ausmaß der tatsächlich eingetretenen Änderung des Gesundheitszustandes wieder.

Am 29. August 2023 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, welches zur weiteren Sachaufklärung sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt hat.

Der K1 hat über eine letzte Behandlung des Klägers am 3. März 2015 berichtet und keine aktuellen Angaben machen können.

Der G1 hat bekundet, den Kläger seit 2. Januar 2019 zu behandeln. Zuletzt habe er sich im April und Juli 2021 vorgestellt und über einen klinisch guten Zustand unter Medikation berichtet. Es komme zu keinen Diarrhoen oder Blut im Stuhl, solange die Medikation eingenommen werde. Bei der letzten Vorstellung im September 2023 hätten keine Auffälligkeiten bestanden. Der Schweregrad der Colitis ulcerosa sei als gering einzuschätzen (GdB 10 bis 20). Eine Prognose zum Verlauf der Erkrankung sei nicht möglich.

Der D1 hat eine einmalige Behandlung des Klägers 2017 angegeben und das Asthma bronchiale als geringfügig eingeschätzt. Bei seiner Untersuchung sei der Kläger klinisch beschwerdefrei gewesen, der Lungenfunktionsbefund habe im Normalbereich gelegen.

Der J1 hat eine geringfügige Plantarfaszitis, eine thorakale Skoliose, leicht bis mittel und eine leichte Narbelhernie beschrieben. Der versorgungsärztlichen Einschätzung sei zu folgen. Weiter hat er den Bericht über die Computertomographie (CT) des linken Fußes vom 15. August 2023 vorgelegt.

Der B2, S2 Klinik, hat über eine Behandlung seit Januar 2017 berichtet. Es seien regelmäßige Schrittmacherkontrollen erfolgt, am 21. Juli 2023 habe sich der Verdacht auf einen Defekt der ventrikulären Sonde ergeben, bei trotzdem voll funktionsfähigen Schrittmachersystem. Das Sick-Sinus-Syndrom mit Zustand nach Schrittmacherimplantation führe nur zu einer leichtgradigen Behinderung. Der GdB sei auf 20 einzuschätzen, das Auftreten von Beschwerden bei stärkerer Belastung sei denkbar. Im letzten Belastungs-EKG seien 125 Watt erreicht, der Abbruch wegen Ermüdung erfolgt. Das EKG zeige keine signifikanten ischämietypischen ST-Streckensenkungen. Ergänzend hat er seine Befundberichte vorgelegt.

Auf den Rücknahmehinweis des SG hat der Kläger den Bericht der S2 Klinik über die Schrittmacherkontrolle vom 14. Juni 2024 vorgelegt. Danach zeige sich eine regelrechte Schrittmacherfunktion. Es bestehe der bekannte Defekt der Ventrikelsonde, wobei diese nicht benötigt werde. Weiter sind der bereits aktenkundige Bericht aus 2017 und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu den Akten gereicht worden.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 4. Oktober 2024 abgewiesen. Der Gesamt-GdB sei mit 20 zutreffend bewertet, der Teil-GdB von 20 im Funktionssystem „Herz und Kreislauf“ sei ausreichend. Im Funktionssystem „Verdauung“ sei kein höherer Teil-GdB als 10 anzunehmen, ebenso im Funktionssystem „Rumpf“ für die Wirbelsäulenbeschwerden. Wegen des Bronchialasthmas finde seit 2017 offenbar keine fachärztliche Behandlung mehr statt, ein Teil-GdB von mehr als 10 komme nicht in Betracht. Weder die Plantarfaszilitis noch der Tinnitus führten zu einem Teil-GdB.

Am 14. Oktober 2024 hat der Kläger Berufung beim SG eingelegt. Der GdB sei mit 20 nicht angemessen bewertet, er sei in zahlreichen Bereichen sehr stark beeinträchtigt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 4. Oktober 2024 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 3. Dezember 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2023 einen Grad der Behinderung von 50 seit dem 6. Oktober 2021 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Zur weiteren Sachaufklärung hat der Senat die behandelnden Ärzte nochmals als sachverständige Zeugen befragt.

Der H1 hat über eine erstmalige Behandlung des Klägers am 16. März 2017 sowie über weitere Behandlungen am 24. August 2023 und 17. Juni 2024 berichtet. Bei der Untersuchung der Wirbelsäule habe sich eine S-förmige Thorakalskoliose kurzbogig der mittleren BWS gezeigt. Es bestehe ein Druckschmerz über den Dornfortsätzen der mittleren BWS bei sonst regelrechtem klinischen Befund. Bei der peripher neurologischen Untersuchung hätten sich die Kraftgrade der Kennmuskulatur an der unteren Extremität bei 5/5 gezeigt. Die Reflexe seien unauffällig, es fänden sich keine Hypästhesien, die Gang- und Standvaria seien ohne Einschränkungen vorführbar. Harnblasen- oder Mastdarmsymptomatik bestehe keine, das Zeichen das Lasègue sei negativ. Die Hüftgelenke zeigten einen unauffälligen Bewegungsumfang. Bei Nabelhernie bestehe der typische Druckschmerz, bei körperlicher Belastung komme es zu Beschwerden. Die Nierenzyste sei asymptomatisch. Bei Spreizfußdeformität bestehe ein Druckschmerz im Bereich des Ansatzes der Plantarfaszie medial am rechten Fuß.

Der B2, S2 Kliniken, hat Untersuchungen des Klägers nach dem 21. Juli 2023 am 26. Januar 2024, 14. Juni 2024, 8. Januar 2025 und 19. Februar 2025 beschrieben. Es liege ein Sick-Sinus-Syndrom mit Zustand nach rezidivierenden Synkopen vor, am 5. April 2017 sei ein Zwei-Kammer-Herzschrittmacher implantiert worden. Bei den genannten Terminen seien EKG-Untersuchungen, Schrittmacherkontrollen, ein Belastungs-EKG und eine Echokardiographie erfolgt. Sämtliche Untersuchungen seien ohne pathologischen Befund gewesen. Veränderungen gegenüber 2023 hätten sich nicht ergeben. Die Echokardiographie vom 19. Februar 2025 habe eine normale linksventrikuläre Pumpfunktion gezeigt, ein pathologischer Befund bestehe nicht. Im Belastungs-EKG habe sich der Kläger gut belastbar gezeigt, der Frequenzanstieg unter Belastung sei regelrecht. Ergänzend hat er seine Ambulanzbriefe vorgelegt, in denen jeweils vermerkt ist, dass der Kläger beschwerdefrei und die Schrittmacherfunktion regelrecht sei. Im Ambulanzbrief über die ambulanten Untersuchungen vom 8. Januar 2025 und 19. Februar 2025 ist festgehalten, dass der Kläger aktuell vollkommen beschwerdefrei sei und sich gut belastbar fühle. Medikation werde keine eingenommen. Im Belastungs-EKG sei der Abbruch bei 125 Watt wegen muskulärer Erschöpfung erfolgt. Im EKG habe sich ein durchgehender Sinusrhythmus ohne Schrittmacherstimulation mit regelrechter Überleitung auf die Kammer gezeigt. Pathologische Kammerendstreckenveränderungen bestünden nicht. In der Echokardiographie habe sich eine normale systolische und diastolische Pumpfunktion gezeigt. Es bestehe kein Parikarderguss und keine pulmonale Hypertonie.

Der G1 hat mitgeteilt, dass bei dem Kläger eine Colitis ulcerosa bestehe, der Kräfte- und Ernährungszustand sei unauffällig. In der letzten drei Monaten sei eine medikamentöse Umstellung erfolgt, seitdem bestehe eine klinische Remission. Die medikamentöse Umstellung sei erfolgt, nachdem es unter der bisherigen Therapie vermehrt zu Diarrhoen und Blutabgängen gekommen sei.

Mit Verfügung vom 20. März 2025, zugestellt am 20. März 2025, ist zur Stellung eines Antrages nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine Frist bis 16. April 2025 gesetzt und der Fristverlängerungsantrag abgelehnt worden.

Zuletzt hat der Kläger einen bereits aktenkundigen Befundbericht zu den Akten gereicht.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) entscheidet, ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 4. Oktober 2024 mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) auf Feststellung eines höheren GdB als 20 unter Abänderung des Bescheides vom 3. Dezember 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 3. August 2023 abgewiesen worden ist.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 3. Dezember 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch zur Überzeugung des Senats hat der Beklagte den GdB nicht rechtswidrig zu niedrig festgestellt, was sich durch die ergänzende Sachaufklärung im Berufungsverfahren bestätigt hat. Das SG hat die Klage mithin zu Recht abgewiesen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt eine Erst- und keine Neufeststellung vor. Zwar hat der Kläger zuvor bereits zweimal die Feststellung eines GdB beantragt, diese ist indessen zweimal abgelehnt worden (vgl. die Bescheide vom 23. Juli 2015 und vom 8. September 2017), sodass keine Verwaltungsakte mit Dauerwirkung vorliegen
, da die Regelung in rechtlicher Hinsicht keine Wirkungen über den Bekanntgabezeitpunkt hinaus erzeugt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 2022 – B 2 U 17/20 R – juris, Rz. 13), und damit kein Fall des § 48 SGB X.

Der Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Vierzehntes Buches zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, juris, Rz. 14 f.). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 – B 9 SB 17/97 R –, juris, Rz. 24). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird. Das Schwerbehindertenrecht kennt nur einen Gesamtzustand der Behinderung, den gegebenenfalls mehrere Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit bestimmen (vgl. BSG, Beschluss vom 1. Juni 2015 – B 9 SB 10/15 B –, juris, Rz. 15).

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagte den GdB mit 20 nicht rechtswidrig zu niedrig festgestellt hat.


Die bewertungsrelevanten Funktionseinschränkungen liegen bei dem Kläger im Funktionssystem „Herz und Kreislauf“, welches versorgungsärztlich mit einem Teil-GdB von 20 bereits großzügig bewertet worden ist, nachdem die objektivierten Funktionseinschränkungen einen solchen Teil-GdB nicht tragen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 9 ist für die Bemessung des GdB bei Herz- und Kreislauferkrankungen weniger die Art einer Herz- oder Kreislauferkrankung maßgeblich, als die Leistungseinbuße. Bei der Beurteilung des GdB ist zunächst von dem klinischen Bild und von den Funktionseinschränkungen im Alltag auszugehen. Ergometerdaten und andere Parameter stellen Richtwerte dar, die das klinische Bild ergänzen. Elektrokardiographische Abweichungen allein gestatten keinen Rückschluss auf die Leistungseinbuße.

Eine Einschränkung der Herzleistung bedingt nach VG, Teil B, Nr. 9.1.1 Ziff. 1 ohne wesentliche Leistungsbeeinträchtigung einen GdB von 0 bis 10, nach Ziff. 2 beträgt der GdB 20 bis 40 bei einer Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung sowie Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei einer Ergometerbelastung mit 75 Watt. Nach Implantation eines Herzschrittmachers beträgt der GdB 10 (vgl. VG, Teil B, Nr. 9.1.6).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist den aktenkundigen Unterlagen, die der Senat im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) verwertet, zwar zu entnehmen, dass bei dem Kläger 2017 ein Herzschrittmacher implantiert worden ist. Hieraus folgt jedoch kein höherer Teil-GdB als 10, zumal den Schrittmacherkontrollen bei dem B2 jeweils zu entnehmen ist, dass diese unauffällig gewesen sind, sich also keine pathologischen Befunde zeigten. Korrespondierend hierzu ist jeweils vermerkt, dass der Kläger bei den Vorstellungen über eine Beschwerdefreiheit berichtet hat. Dementsprechend hat das zuletzt durchgeführte Belastungs-EKG eine Belastbarkeit bis 125 Watt bestätigt, der Abbruch erfolgte wegen muskulärer Erschöpfung, also nicht aus kardialen Gründen. Pathologische Messdaten sind von B2 verneint worden, sodass keine bewertungsrelevante Einschränkung der Herzleistung objektiviert ist. Soweit B2 in den Befundberichten über die Schrittmacherkontrollen auf eine defekte Sonde verweist, führt er selbst aus, dass diese schon gar nicht benötigt wird, sodass auch hieraus keine funktionellen Einschränkungen folgen.

Einen pathologischen Befund hinsichtlich eines Bluthochdrucks (vgl. VG, Teil B, Nr. 9.3), wovon versorgungsärztlich ausgegangen worden ist, hat B2 schon gar nicht mitgeteilt, sondern vielmehr darauf verwiesen, dass keine medikamentöse Behandlung stattfindet.

Im Funktionssystem „Verdauung“ rechtfertigt sich kein höherer Teil-GdB als 10.

Nach den VG, Teil B, Nr. 10.2 ist bei organischen und funktionellen Krankheiten des Magen-Darmkanals der GdB nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und nach der Notwendigkeit besonderer Diätkost zu beurteilen. Bei allergisch bedingten Krankheiten ist auch die Vermeidbarkeit der Allergene von Bedeutung. Eine Colitis ulcerosa mit geringen Auswirkungen (geringe Beschwerden, keine oder geringe Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, selten Durchfälle) ist mit einem GdB von 10 bis 20 zu bewerten, mittelschwere Auswirkungen (häufig rezidivierende oder länger anhaltende Beschwerden, geringe bis mittelschwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige Durchfälle) führen zu einem GdB von 30 bis 40.

Hiervon ausgehend hat G1 zuletzt herausgestellt, dass durch eine medikamentöse Umstellung eine Remission der Erkrankung hat erreicht werden können. Daneben hat er ausdrücklich bestätigt, dass bei dem Kläger keine Einschränkung des Kräfte- und Ernährungszustandes besteht, was indessen nach den Vorgaben der VG einen bewertungsrelevanten Umstand darstellt. Anders als der Kläger glauben machen will, verhält es sich nicht so, dass erst durch die kürzlich erfolgte medikamentöse Umstellung ein therapeutischer Erfolg hat erzielt werden können. Vielmehr ist den vorangegangenen Berichten des G1 zu entnehmen, dass unter der vormaligen Therapie ebenfalls eine Schubfreiheit hat erreicht werden können. In seiner sachverständigen Zeugenauskunft beim SG hat er dementsprechend berichtet, dass es unter der Medikation zu keinen Diarrhoen oder Blut im Stuhl gekommen ist. Der Umstand allein, dass eine – zeitweilige – Verschlechterung eingetreten ist und die Medikation hat angepasst bzw. umgestellt werden müssen, stellt keine bewertungsrelevante dauerhafte Befundänderung dar, zumal die Therapie erfolgreich hat angepasst werden können. Vor diesem Hintergrund hat G1 schon vor der medikamentösen Umstellung nur eine geringe Beeinträchtigung gesehen.

Im Funktionssystem „Atmung“ ist ebenfalls kein höherer Teil-GdB als 10 anzunehmen, da hinsichtlich des wohl seit 2003 bestehenden Asthmas (vgl. VG, Teil B, Nr. 8.5) 2017 eine Beschwerdefreiheit beschrieben worden ist und sich keine Anhaltspunkte – worauf das SG bereits zu Recht hingewiesen hat – für eine fachärztliche Behandlung und dementsprechend auch nicht für eine Befundänderung ergeben.

Im Funktionssystem „Rumpf“ ist kein Teil-GdB festzustellen, nachdem es an objektivierten Funktionseinschränkungen gänzlich fehlt.


Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten „Postdiskotomiesyndrom“) primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte „Wirbelsäulensyndrome“ (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.

Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz-dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Hiervon ausgehend sind wenigstens leichtgradige Funktionseinschränkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bei dem Kläger nicht objektiviert. Solche folgen nicht daraus, dass der Kläger 2014/2015 wegen eines lumbalen Bandscheibenvorfalls operativ behandelt worden ist. Bereits nach der im Anschluss an den Eingriff durchgeführten stationären Rehabilitation war nur noch eine Druckdolenz über der Dornfortsatzreihe gegeben und die Rückenmuskulatur verspannt. Der Gang ist als frei beschrieben worden, Fersen- und Zehengang konnten ohne Absinktendenz demonstriert werden und der Einbeinstand war beidseits sicher. Bei negativem Zeichen nach Lasègue bestanden keine sensiblen oder motorischen Defizite, sodass die Behandlung erfolgreich durchgeführt worden ist und bleibende Funktionsbeeinträchtigungen nicht bestanden. Dementsprechend zeigte sich während der stationären Behandlung 2017 kein Klopfschmerz an der Wirbelsäule, die neurologische Untersuchung war unauffällig. Ebenso wurde durch die chirurgische Praxis R1 nur ein Druckschmerz über den Dornfortsätzen der BWS bei ansonsten regelrechtem Befund gesehen. Eine wesentliche Befundänderung ist nicht eingetreten, wie die vom Senat erhobene sachverständige Zeugenauskunft des H1 belegt. Dieser hat weiterhin nur einen Druckschmerz über den Dornfortsätzen der mittleren BWS festgestellt können, ansonsten aber einen regelrechten Befund erhoben. Bei der peripher neurologischen Untersuchung waren die Kraftgrade unbeeinträchtigt, die Reflexe unauffällig und Hypästhesien nicht festzustellen. Die Gang- und Standvaria konnten ohne Einschränkungen vorgeführt werden, sodass weder neurologische noch motorische Ausfallerscheinungen objektiviert sind. Letztlich weist H1 auf eine freie Beweglichkeit der Hüftgelenke hin.

Weitere bewertungsrelevante Funktionseinschränkungen in anderen Funktionseinschränkungen sind nicht objektiviert. Im Funktionssystem „Ohren“ (vgl. VG, Teil B, Nr. 5.2) hat I1 nur eine leichtgradige linksbetonte Innenohrschwerhörigkeit beschrieben, die zu keinem Teil-GdB führt (vgl. die versorgungsärztliche Stellungnahme des K1). Ebenso bedingt die von dem J1 beschriebene geringfügige Plantarfaszie keinen Teil-GdB im Funktionssystem „Beine“ (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.14).

Der versorgungsärztlich angenommene Teil-GdB von 20 im Funktionssystem „Herz und Kreislauf“ entspricht somit dem Gesamt-GdB und ist bereits großzügig eingeschätzt. Eine höhere Bewertung scheidet folglich aus.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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