Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11.10.2023 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen ein Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD).
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich pflegeversichert und bezieht seit Januar 2018 Pflegeversicherungsleistungen nach Pflegegrad 1. Am 02.03.2022 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung höherer Leistungen aus der Pflegeversicherung. Der SMD begutachtete den Kläger daraufhin am 23.09.2022 in seinem häuslichen Umfeld durch die Pflegefachkraft R. und am 08.02.2023 durch die Pflegefachkraft T.. Beide bewerteten die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit und der Fähigkeiten des Klägers mit insgesamt 21,25 gewichteten Punkten.
Mit Bescheid vom 06.10.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2023 lehnte die Beklagte den Höherstufungsantrag vom 02.03.2022 ab, hiergegen erhob der Kläger am 09.08.2023 Klage. Das Verfahren wird unter den Aktenzeichen S 14 P 355/23 (Sozialgericht Gelsenkirchen) bzw. L 5 P 121/24 geführt.
Am 14.03.2023 hat der Kläger „Klage gegen das Gutachten vom 23.01.2023“ vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Zur Begründung führte er aus, er berufe sich auf ein Gutachten von C., dieser habe am 08.07.2021 festgestellt, dass schon seit langer Zeit Pflegegrad 2 vorliege.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, das Gutachten des SMD vom 23.09.2022 aufzuheben.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, ein Pflegegutachten vom 23.01.2023 sei ihr nicht bekannt, außerdem handele es sich bei einem erstellten Pflegegutachten nicht um einen rechtsmittelfähigen Bescheid.
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.10.2023 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
„Die Klage ist bereits unzulässig, weil eine Anfechtungsklage gegen ein Gutachten des SMD unstatthaft ist.
Gemäß § 54 Absatz 1 SGG kann mit der Anfechtungsklage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes oder seine Abänderung begehrt werden. Unabdingbare Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage ist das Vorliegen eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Wesentliches Merkmal eines Verwaltungsaktes stellt dabei die Regelung dar, mithin die unmittelbare Rechtswirkung nach außen. Das Gutachten des SMD vom 23.09.2022 stellt keinen Verwaltungsakt dar. Hier fehlt es bereits an einem eigenständigen Regelungscharakter. Bei der Erstellung eines Gutachtens liegt mangels eines rechtlichen Bindungswillens keine Regelung vor (BSG, Urteil vom 29.10.2003 – B 11 AL 47/02). Eine Regelung liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat, insbesondere, wenn durch die Maßnahme ohne weiteren Umsetzungsakt Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt werden, oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte abgelehnt wird. Ein solcher Erklärungsinhalt ist der Übersendung eines für den Versicherten negativen SMD-Gutachtens nicht zu entnehmen. Diese ist eher als unverbindliche Information, gegebenenfalls als informell formulierte Anhörung, zu verstehen (vgl. SG Darmstadt vom 17.08.2020 – S 13 KR 524/16 – juris, Rn. 39).“
Gegen den am 17.10.2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19.10.2023 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11.10.2023 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, das Gutachten des SMD vom 23.09.2022 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11.10.2023 zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf das Vorbringen in erster Instanz.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage des Klägers zu Recht als unzulässig abgewiesen.
Verstanden als Anfechtungsklage ist diese nicht statthaft. Zur Begründung nimmt der Senat diesbezüglich vollumfänglich auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Ferner ist die Klage auch nicht als Leistungs- (§ 54 Abs. 5 SGG) oder Feststellungsklage (§ 55 SGG) zulässig.
Eine Leistungsklage – hier auf Berichtigung (§ 84 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) oder Löschung von Sozialdaten (§ 84 Abs. 2 SGG) – ist nicht zulässig. Nach § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage eine Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Im klassischen Über-und Unterordnungsverhältnis zwischen Bürger und Staat, das durch die Befugnis der Verwaltung geprägt ist, die Rechtsbeziehungen durch Verwaltungsakt regeln zu dürfen, kommt die echte Leistungsklage nur ausnahmsweise in Betracht (Söhngen in jurisPK-SGG, § 54 SGG, Rn. 72 [Stand: 15.06.2022]). Sie scheidet schon vom Wortlaut her aus, wenn ein Verwaltungsakt zu ergehen hat, weil eine Regelung mit Außenwirkung zu treffen ist (BSG, Urteil vom 21.03.2006 – B 2 U 24/04 R –, Rn. 24 nach juris). Die Entscheidung über die Berichtigung und Löschung von Sozialdaten hat durch Verwaltungsakt nach § 31 SGB X zu erfolgen und die hiergegen zu erhebende Klage ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1, 2 SGG (BSG a.a.O.), deren Voraussetzungen vorliegend mangels Verwaltungsakt nicht gegeben sind.
Die Klage ist auch als Feststellungsklage unzulässig. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein Rechtsverhältnis ist die Rechtsbeziehung zwischen mehreren Personen oder zwischen Personen und Sachen, die sich aus der Anwendung einer Rechtsnorm auf das Verhältnis von mehreren Personen zueinander oder auf das Verhältnis einer Person zu einer Sache ergeben (Senger in jurisPK-SGG, § 55 SGG Rn. 35 m.w.N. [Stand: 25.09.2024]). Dieses ist nur dann feststellungsfähig, wenn zwischen den Beteiligten ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite fordern zu können (BSG, Urteil vom 09.02.1995 – 7 RAr 78/93 – Rn. 26 nach juris).
Die Frage nach der Richtigkeit eines Gutachtens bzw. der darin festgestellten Pflegebedarfe ist weder ein Rechtsverhältnis noch geht es um einzelne Rechte und Pflichten aus dem Rechtsverhältnis (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 13.07.2017 – L 4 AS 449/16). Der Umfang des pflegerischen Bedarfs des Klägers ist eine Vorfrage, die für ein Rechtsverhältnis des Klägers und der Beklagten von Bedeutung sein kann. Die Feststellung eines Elements eines Rechtsverhältnisses ist grundsätzlich nicht möglich (vgl. Senger a.a.O. Rn. 43). Die von der Rechtsprechung entwickelte Ausnahme, dass eine Feststellungsklage dann zulässig sein soll, wenn sicher anzunehmen ist, dass durch sie der Streit zwischen den Beteiligten insgesamt bereinigt ist (BSG, Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 2/13 R –, Rn. 9 m.w.N. nach juris), ist nicht gegeben. Auch die „Aufhebung“ eines von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachtens führt nicht ohne weiteres zur Bewilligung höherer Pflegeleistungen, die zwischen den Beteiligten – wie der am selben Tag verhandelte Rechtsstreit L 5 P 121/24 zeigt – im Streit sind, sondern würde allenfalls eine weitere Begutachtung nach sich ziehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG.