L 11 AL 76/24 B ER

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
1. Instanz
SG Osnabrück (NSB)
Aktenzeichen
S 20 AL 11/24 ER
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 11 AL 76/24 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Zu den Voraussetzungen der Versagung der Verlängerung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
2. Das Fehlen der erforderlichen Zuverlässigkeit für die Ausübung der Arbeitnehmerüberlassung bedingt, dass nach § 3 Abs. 1 AÜG die Verlängerung der Erlaubnis dazu zwingend zu versagen ist.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 29. Oktober 2024 aufgehoben.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 50.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit der Versagung der Verlängerung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

Der Antragstellerin wurden durch die Antragsgegnerin seit dem 6. Januar 1996 befristete Erlaubnisse zur Arbeitnehmerüberlassung erteilt. Insgesamt beschäftigt die Antragstellerin 2.269 Arbeitnehmer, von denen die meisten im Rahmen von mit Dritten abgeschlossenen Werkverträgen eingesetzt werden sollen. Mit Stand November 2023 waren 268 Leiharbeitnehmer verliehen. Die Antragstellerin ist Mitglied im Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ). Im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung gilt dessen mit verschiedenen Einzelgewerkschaften des DGB vereinbartes Tarifwerk (Tarifwerk iGZ/DGB – vgl. Bl. 239 ff GA). Die Antragsgegnerin führte bei der Antragstellerin in den Jahren 2016 und 2021 Prüfungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung durch (Prüfung vom 17. November 2016 und Prüfung vom 8. November 2021), in deren Rahmen es zu verschiedenen Beanstandungen kam (vgl. dazu: Bescheide vom 13. Dezember 2016 und vom 23. November 2021).

Unter dem 14. September 2023 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Verlängerung der zuletzt mit Bescheid vom 27. Oktober 2022 erteilten und bis zum 5. Januar 2024 befristeten Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Die Antragsgegnerin kündigte daraufhin die Durchführung einer Betriebsprüfung nach § 7 Abs. 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) an und übermittelte in der Folgezeit eine Namensliste der Arbeitnehmer, deren Personalvorgänge stichprobenartig überprüft werden sollten. Die Prüfung fand schließlich am 27. November 2023 statt. Geprüft wurden die Personalvorgänge von 18 Leiharbeitnehmern (vgl. den Prüfbericht vom 29. November 2023).  

Die Antragsgegnerin lehnte sodann nach Anhörung mit Bescheid vom 22. Dezember 2023 den Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung ab. 

Zur Begründung gab sie an, dass die Antragstellerin nicht über die für die Durchführung der Arbeitnehmerüberlassung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG vorausgesetzte Zuverlässigkeit verfüge. Es könne zunächst nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin ihren Zahlungsverpflichtungen als Arbeitgeberin regelmäßig nachkommen könne. So habe das für die Antragstellerin zuständige Betriebsstättenfinanzamt F. mit Stand Anfang November 2023 steuerliche Rückstände i.H.v. 1.524.766,00 Euro mitgeteilt. Beitragsrückstände bestünden weiterhin bei der G. (H.) Niedersachsen i.H.v. 361.027,75 Euro, bei der I. Krankenkasse (J.) i.H.v. 358.808,61 Euro und bei der K. i.H.v. 482.664,24 Euro. Allein das Bestehen der Rückstände bedinge die Annahme der Unzuverlässigkeit, so dass es auf vorgelegte Stundungsabreden und Ratenzahlungsvereinbarungen nicht ankomme. Die Antragsgegnerin listete sodann von ihr festgestellte Rechtsverstöße der Antragstellerin auf, die einen Grund für die Versagung der Verlängerung der Genehmigung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG bildeten.

So werde entgegen § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG das Beschäftigungsrisiko teilweise auf die Leiharbeitnehmer übertragen, indem ihnen regelmäßig unbezahlte Freistellung gewährt werde, obgleich ein Resturlaubsanspruch vorhanden sei. Substantiierte Gründe für die grundsätzlich nur nachrangig mögliche Gewährung von unbezahltem Urlaub seien nicht dokumentiert (Ziffer 1 der Begründung des Bescheides vom 22. Dezember 2023 – Übertragung des Beschäftigungsrisikos – unbezahlter Urlaub).

Ausweislich der eingesehenen Lohnabrechnungen sei 3 Leiharbeitnehmern (L. M., N. O., P. Q.) der Garantielohn teilweise nicht ausgekehrt worden, indem die Antragstellerin nach ihren eigenen Angaben mit diesen Arbeitnehmern unzulässig Arbeitszeiten pro Monat vereinbart habe, welche sich nach der Anzahl der Arbeitstage bemessen würden. Dies sei bereits im Rahmen der Betriebsprüfungen vom 17. November 2016 und 8. November 2021 durch die Bescheide vom 13. Dezember 2016 und vom 23. November 2021 ausdrücklich beanstandet worden (Ziffer 2 - § 615 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - Garantielohn).

Darüber hinaus ergäben sich bei Durchsicht der vorgelegten Personalakten unzulässige auftragsbedingte Kündigungen von Leiharbeitnehmern im zeitlichen Zusammenhang mit dem Auslaufen der Einsatzzeiten bei den Kunden der Antragstellerin (Leiharbeitnehmer R. S., L. T., P. Q. und U. V.). Bei Leiharbeitnehmern reiche als Kündigungs- oder Befristungsgrund ein auslaufender bzw. befristeter Auftrag oder ein fehlender Anschlussvertrag regelmäßig nicht aus, um einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsverhältnisses zu begründen. Der Arbeitgeber müsse anhand der Auftrags- und Personalplanung vielmehr darstellen, warum es sich nicht nur um eine kurzfristige Auftragsschwankung, sondern um einen dauerhaften Auftragsrückgang handele und ein anderer Einsatz des Arbeitnehmers bei einem anderen Kunden bzw. im Rahmen eines anderen Auftrags – ggf. nach entsprechender Anpassungsfortbildung – nicht in Betracht komme. Das Betriebsrisiko liege insoweit nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG ausschließlich beim Verleiher. Dieser sei in Zeiten tatsächlicher Nichtbeschäftigung verpflichtet, die vereinbarte Vergütung weiter zu zahlen (sog. Garantielohn). Dieser Anspruch könne nicht durch alternative rechtliche Gestaltungsmittel umgangen werden (Ziffer 3 – Kündigungsverhalten).

Ferner seien 2 Leiharbeitnehmern (W. X. und Y. Z.) die Jahressonderzahlungen (Urlaubsgeld) nicht ausgezahlt worden. Dies sei auch schon bei der Betriebsprüfung am 8. November 2021 festgestellt und durch den Bescheid vom 23. November 2021 beanstandet worden (Ziffer 4 – Jahressonderzahlungen). Ein Leiharbeitnehmer (AA. AB.) sei nicht entsprechend seiner Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer bei einem Entleiher in die dafür laut Entgeltrahmentarifvertrag iGZ/DGB richtige Entgeltgruppe eingestuft worden (Ziffer 5 – Eingruppierung).

Bei Durchsicht der Lohnabrechnungen sei bei 3 Leiharbeitnehmern (P. Q., O. N., R. S.) festgestellt worden, dass diesen entgegen § 2 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) Feiertage teilweise nicht vergütet worden seien. Auf die gesetzlichen Regelungen zur Entgeltfortzahlung an Feiertagen sei bereits in den Bescheiden vom 13. Dezember 2016 und vom 23. November 2021 hingewiesen worden (Ziffer 6 – Entgeltfortzahlungsgesetz an Feiertagen).

Aus den eingesehenen Lohnabrechnungsunterlagen sei ersichtlich, dass bei zwei Leiharbeitnehmerinnen (U. V. und AC. AD.) die Lohnfortzahlung falsch berechnet worden sei (Ziffer 7 – Urlaubsentgelt und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall).

Aus einem geprüften Einzelnehmerüberlassungsvertrag ergebe sich, dass entgegen § 12 Abs. 1 Satz 4 AÜG die zur Kontrolle der korrekten Eingruppierung des Leiharbeitnehmers erforderliche Angabe von Tätigkeit und Qualifikation des Leiharbeitnehmers (AE. AF.) nicht korrekt erfolgt sei. Es handele sich dabei lediglich um ein Beispiel. Die Tätigkeitsbeschreibung bzw. Charakterisierung der vorgesehenen Tätigkeit sowie die Angabe zur Qualifikation sei zum größten Teil nicht in den abgeschlossenen Überlassungsverträgen vorzufinden (Ziffer 8 a – Überlassungsverträge - Tätigkeit und Qualifikation). Bei einem Einzelarbeitnehmerüberlassungsvertrag fehlten das Datum und die Unterschrift des Entleihers. Ein weiterer Vertrag sei erst nachträglich unterschrieben worden. Dies stelle einen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 5 AÜG dar (Ziffer 8 b - Bezeichnung Arbeitnehmerüberlassung).

Eingesehene Arbeitsverträge mit Leiharbeitnehmern entsprächen nicht vollständig den gesetzlichen bzw. tariflichen Anforderungen bzw. enthielten nicht die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AÜG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nachweisgesetz (NachwG) erforderlichen Mindestangaben (Ziffer 9 – Leiharbeitsverträge)

In einem Arbeitsvertrag seien nicht dem Tarifwerk iGZ entsprechende Jahressonderzahlungen vereinbart worden (Leiharbeitnehmerin AC. AD.). (Ziffer 9 a – Jahressonderzahlungen).

Die im Rahmen der Betriebsprüfung am 27. November 2023 geprüften Leiharbeitsverträge enthielten ferner nicht in vollem Umfang die nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AÜG erforderliche Garantielohnklausel, die zur Vermeidung der Verlagerung des dem Arbeitgeber obliegenden Beschäftigungsrisikos für verleihfreie Zeiten in die Arbeitsverträge aufzunehmen sei. Vielmehr sei nach § 4 Nr. 3 der geprüften Arbeitsverträge eine Regelung getroffen worden, dass für die Dauer einer verleihfreien Zeit zunächst bis zu 21 Minusstunden auf das Arbeitszeitkonto des Leiharbeitnehmers gebucht würden. Damit werde das Beschäftigungsrisiko auf die Leiharbeitnehmer übertragen. Auch dies sei bei den vorausgegangenen Betriebsprüfungen am 17. November 2016 und am 8. November 2021 bzw. in den in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheiden vom 13. Dezember 2016 und 21. November 2021 ausdrücklich beanstandet worden (Ziffer 9 b - Garantielohnklausel).

Entgegen § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 NachwG sei in den abgeschlossenen Arbeitsverträgen keine genaue Arbeitszeit vereinbart worden. Aus der einschlägigen Bestimmung der Arbeitsverträge (§ 3 Nr. 1) ergebe sich lediglich die regelmäßige monatliche Arbeitszeit für Vollzeit- bzw. Teilzeitbeschäftigte. Welches Arbeitszeitmodell jedoch jeweils konkret angewendet werde, sei weder für den Leiharbeitnehmer noch im Rahmen einer Prüfung ersichtlich. Die Ermittlung der Arbeitszeiten sei nur auf der Grundlage einer Rückfrage bei Mitarbeitern der Antragstellerin möglich gewesen. (Ziffer 9 c – Arbeitszeiten).

Unter Verstoß gegen § 4.2. des anzuwendenden Manteltarifvertrags (MTV) iGZ/DGB sei in den Arbeitsverträgen ein Ausschluss eines Nachtarbeitszuschlags für solche Tätigkeiten vorgesehen, die aus sachlichen Gründen typischerweise nachts verrichtet werden müssten, z.B. Reinigungsdienste (Ziffer 9 d – Zuschläge Nachtarbeit).

Bei Durchsicht der Stundenzettel sei bezüglich eines Leiharbeitnehmers eine nicht mehr tolerable massive Überschreitung der monatlichen Höchststundenzahl festgestellt worden (Leiharbeitnehmer R. S.) und bei einem weiteren die Nichteinhaltung von Ruhepausen (Leiharbeitnehmer AG. AH.) (Ziffer 10 – Arbeitszeitgesetz).

Trotz Vorankündigung der Betriebsprüfung und Übermittlung einer Liste der zu überprüfenden Leiharbeitnehmer seien im Prüfungstermin nicht alle erforderlichen Geschäftsunterlagen vorgelegt worden. Des Weiteren hätten bezüglich eines Arbeitnehmers (gemeint: Arbeitnehmer AI.) eine Kündigung sowie die erforderlichen Passunterlagen gefehlt (Ziffer 11 – Fehlende Geschäftsunterlagen).

Ferner sei bei einem Leiharbeitnehmer (R. S.) bei seiner Wiedereinstellung unzulässig erneut eine Probezeit vereinbart worden (Ziffer 12 – Probezeitregelung).

Bei Durchsicht der Lohnabrechnungen habe festgestellt werden müssen, dass bei einem Leiharbeitnehmer (Y. Z.) entgegen § 2 Entgelttarifvertrag iGZ/DGB ein verstetigtes Gehalt und keine Stundenentgelte vereinbar worden seien (Ziffer 13 – Lohnabrechnungen).

Nach § 11 Abs. 2 Satz 4 AÜG bestehe die Verpflichtung, einen überlassenen Mitarbeiter bei Zuweisung eines Einsatzes bzw. eines neuen Einsatzes vor Beginn der Überlassung auf seine Tätigkeit als Leiharbeitnehmer einzelfallbezogen hinzuweisen und ihm in Textform die Firma und die Anschrift des Entleihers mitzuteilen. Dies sei nach den eingesehenen Geschäftsunterlagen bei zwei Leiharbeitnehmern nicht vollumfänglich erfolgt (AJ. AK., AL. AM.) - (Ziffer 14 – Erweiterte Offenlegung).

Die dargestellten Verstöße, insbesondere zu den Arbeitsverträgen, dem Kündigungsverhalten sowie den fehlenden Geschäftsunterlagen des Leiharbeitnehmers AI., machten insgesamt eine mangelnde betriebliche Organisation deutlich (Ziffer 15 – Betriebsorganisation).

Insgesamt habe man bei der aktuellen Betriebsprüfung wiederholt Verstöße vorgefunden, die nicht nur formeller Natur seien, sondern zu finanziellen Nachteilen der Leiharbeitnehmer führten. Die fehlende Garantielohnklausel i.V.m. der Regelung, dass vorab in das Arbeitszeitkonto in verleihfreien Zeiten 21 Minusstunden gebucht würden, habe zum dritten Mal beanstandet werden müssen. Die Arbeitsverträge hätten zu Teilen nicht den Vorgaben des Tarifwerks iGZ/DGB entsprochen; konkrete Angaben zur Arbeitszeit gemäß NachwG und dem Tarifwerk fehlten. Am schwerwiegendsten wögen die Verstöße finanzieller Natur, welche teilweise wiederholt vorgefunden worden seien. Neben fehlerhafter oder fehlender Vergütung an Feiertagen und den nicht gezahlten Jahressonderzahlungen seien zudem Garantielohnverstöße sowie auftragsbedingte Kündigungen festgestellt worden. Bereits durch die Bescheide vom 13. Dezember 2016 und 23. November 2021 seien entsprechende Pflichtverletzungen beanstandet worden, ohne das Optimierungsmaßnahmen eingeleitet worden seien. Die Versagung sei daher geboten.

Gegen den nach dem aufgebrachten Eingangsstempel bei ihr am 3. Januar 2024 eingegangenen Bescheid legte die Antragstellerin, zunächst vertreten durch Rechtsanwalt AN. AO., AP. mit Schreiben vom 5. Januar 2024 Widerspruch ein. Nach Mandatsniederlegung erfolgte eine Fortführung durch den im gerichtlichen Verfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt AQ..

Zur Begründung wurde angegeben, dass nicht von einer Unzuverlässigkeit der Antragstellerin ausgegangen werden könne. Eine dementsprechende Prognose könne nicht auf die Verletzung der Pflicht zur Abführung von Steuern bzw. von Sozialversicherungsbeiträgen bzw. auf eine fehlende Fähigkeit zur Bedienung von Zahlungsverpflichtungen gestützt werden. Steuerliche und beitragsrechtliche Zahlungspflichten seien aufgrund gewährter Ratenzahlungen bzw. Stundungen sämtlich eingehalten worden Dies werde durch Unbedenklichkeitsbescheinigungen des zuständigen Finanzamtes F. bzw. der zuständigen Krankenkassen bestätigt. Mit der H. AR. sei hinsichtlich der Beitragsrückstände i.H.v. 390.000,00 Euro zwischenzeitlich eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen worden. Es sei somit von der erforderlichen finanziellen Grundausstattung der Antragstellerin auszugehen. Unbezahlter Urlaub sei nur auf Antrag der Arbeitnehmer und bei Vorliegen sachlicher Gründe gewährt worden, in der Regel bei längerfristigen Heimaturlauben im Ausland. Insoweit sei keine unzulässige Verlagerung des Beschäftigungsrisikos erfolgt. Die gerügten betriebsbedingten Kündigungen von Leiharbeitnehmern zum Ende des jeweils laufenden Einzelarbeitnehmerüberlassungsvertrages seien gerechtfertigt gewesen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt hätten keine anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten bestanden. Auch könne eine etwaige Sozialwidrigkeit einer solchen Kündigung nur bei Erhebung einer individuellen Kündigungsschutzklage geprüft werden, was hier nicht erfolgt sei. Im Falle der rechtswirksamen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses finde die Vorschrift des § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG keine Anwendung. Sofern falsche Jahressonderzahlungen beanstandet würden, werde dies geprüft. Ggf. erfolge eine Nachzahlung. Angesichts von nahezu 300 beschäftigten Leiharbeitnehmern sei dies allenfalls als fahrlässiger Einzelfall zu werten. Bei der bemängelten falschen Eingruppierung eines Arbeitnehmers sei es zu keinen finanziellen Nachteilen gekommen. Der Arbeitnehmer habe eine übertarifliche Prämie und damit sogar einen höheren Stundenlohn als nach der angesetzten Entgeltgruppe erhalten. Bezüglich der beanstandeten Entgeltfortzahlung an Feiertagen erfolge eine Prüfung und ggf. Nachzahlung. Auch die bemängelte Abrechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle werde geprüft und ggf. entsprechend korrigiert. Soweit in einem Fall in einem Überlassungsvertrag nicht die erforderliche Qualifikation angegeben worden sei, handele es sich um ein Versehen. Allerdings sei bei einfachsten Produktionshilfetätigkeiten in der Regel keine besondere Qualifikation erforderlich. Es habe daher regelmäßig die Eingruppierung in die unterste Entgeltstufe zu erfolgen. Es sei nicht nachvollziehbar, welche besondere Qualifikation benannt werden solle. Soweit fehlende oder verspätete oder nicht datierte Unterschriften von Entleihern kritisiert würden, falle dies in den Verantwortungsbereich der Entleiher und stelle allenfalls einen geringfügigen Verstoß dar, der eine Pflichtwidrigkeit des Verleihers nicht begründe. Soweit in einem Leiharbeitsvertrag eine vom Tarifwerk abweichende Bestimmung für die Jahressonderzahlung aufgenommen worden sei, greife zu Gunsten des Arbeitnehmers das einschlägige Tarifwerk mit den den Arbeitnehmer begünstigenden Regelungen. Dies sei ausdrücklich in der Präambel der Arbeitsverträge festgehalten. Es sei jedem Arbeitnehmer unbenommen, das jeweils aktuelle Tarifwerk einzusehen und dort die richtige Höhe der Jahressonderzahlungen nachzuvollziehen. Soweit in den regelmäßig in den Individualarbeitsverträgen vereinbarten Zeitkonten für die Dauer einer verleihfreien Zeit zunächst bis zu 21 Minusstunden in das Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers eingebucht würden, entspreche das der Ziffer 3.2.2 des einschlägigen Manteltarifvertrages (MTV) iGZ/DGB. Damit werde nicht unzulässig das Beschäftigungsrisiko auf den Leiharbeitnehmer übertragen. Soweit bemängelt werde, dass aus dem Individualarbeitsvertrag die tatsächlich vereinbarte Arbeitszeit nicht ersichtlich sei, sei darauf hinzuweisen, dass jeder Arbeitnehmer regelmäßig wisse, mit welcher Stundenzahl er eingestellt worden sei. Dies sei in den Personal- bzw. Lohnunterlagen, insbesondere den Lohnabrechnungen, klar ersichtlich. Zwar widerspreche die in den Arbeitsverträgen bezüglich der Zuschläge zur Nachtarbeit enthaltene Klausel der Bestimmung in § 3.2.2 des Manteltarifvertrags iGZ/DGB. Die tarifvertragliche Regelung sei jedoch aufgrund des Günstigkeitsprinzips vorrangig, so dass keine Benachteiligung der Leiharbeitnehmer entstehe. Die Vorwürfe im Hinblick auf die angeblichen Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz bzw. nicht eingehaltene Ruhepausen seien nicht ausreichend substantiiert und daher nicht nachprüfbar. Grundsätzlich bewege sich jedoch die Arbeitszeit des Leiharbeitnehmers S. von 220 Stunden monatlich im Bereich des rechtlich Möglichen. Soweit bezüglich eines Leiharbeitnehmers das Fehlen von Unterlagen gerügt worden sei, entspreche dies nicht den Tatsachen. Die Unterlagen seien zum Zeitpunkt der Prüfung vorhanden gewesen. Die wiederholte Vereinbarung einer Probezeit sei ein bedauerlicher Einzelfall. Nachteile für den Arbeitnehmer seien nicht entstanden; dieser sei noch immer bei der Antragstellerin beschäftigt. Soweit bei einem Arbeitnehmer ein verstetigtes monatliches Gehalt kritisiert werde, errechne sich unter Berücksichtigung des MTV iGZ/DGB exakt der tarifliche Stundenlohn. Als rudimentärer Verstoß zu betrachten sei, dass zwei Arbeitnehmern nicht vollständig die Anschrift der Entleihbetriebe mitgeteilt worden sei. Dies könne unproblematisch dem Internet entnommen werden. Unzulässig sei es ferner, aus vereinzelten formellen Verstößen bei einzelnen Arbeitnehmern eine generell fehlende bzw. mangelhafte Betriebsorganisation abzuleiten. Dies gelte auch deshalb, weil erhobene Vorwürfe hinsichtlich des Kündigungsverhaltens bzw. des Nichtvorhaltens der Arbeitspapiere schlicht und ergreifend nicht zuträfen. Bei der Gesamtzahl von Arbeitnehmern könnten Verstöße im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden. In der Gesamtschau könne aber nicht von Versagungsgründen i.S.d. § 3 AÜG ausgegangen werden.

Die mit dem anwaltlichen Schreiben vom 24. Januar 2024 gleichzeitig beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs lehnte die Antragsgegnerin am 12. Februar 2024 ab.

Die Antragstellerin hat am 13. Februar 2024 beim Sozialgericht (SG) Osnabrück um die Gewährung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht.

Zur Begründung hat sie auf ihren Widerspruch vom 24. Januar 2024 verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass keine Unzuverlässigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht bestehe.

Ausweislich einer Bescheinigung des Betriebsstättenfinanzamts F. vom 7. Mai 2024 seien Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Lohnsteuer innerhalb der letzten 24 Monate immer oder überwiegend pünktlich gezahlt worden. Zum angegebenen Datum bestünden keine fälligen Steuerrückstände. Auch habe die H. AR., bei der ca. 80 v.H. der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer versichert seien, unter dem 15. April 2024 schriftlich bescheinigt, dass sie bis einschließlich Februar 2024 den Zahlungen für die Sozialversicherung nachgekommen sei. Die Ausstellung einer solchen Bescheinigung wäre nicht erfolgt, soweit weiterhin Beitragsrückstände i.H.v. 390.000,00 Euro bestanden hätten. Das Gleiche ergebe sich aus einer Bestätigung der AS. AT. vom 15. April 2024 für 124 weitere Arbeitnehmer. Ferner werde auch die mit der AU. AV. getroffene Ratenzahlungsabrede hinsichtlich des Beitragsrückstands ausweislich einer Bescheinigung vom 25. Oktober 2023 regelmäßig bedient. Dies belege eine erneute Bescheinigung der AU. AV. vom 29. Januar 2024, die bis zum 29. Januar 2024 eine Reduzierung des Beitragsrückstands von 687.902,52 Euro auf 511.381,18 Euro dokumentiere. Unbezahlter Urlaub sei Arbeitnehmern nur auf deren ausdrücklichen eigenen Wunsch hin gewährt worden.  Sämtliche Urlaubsanträge seien in den Personalakten enthalten. Die im Kontext Garantielohnverstöße bemängelte Entlohnung von Arbeitnehmern sei korrekt erfolgt bzw. korrigiert worden. Insoweit habe seinerzeit schlicht und einfach ein Versehen vorgelegen. Es bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kein Kündigungsverbot aus betriebsbedingten Gründen. Das BAG habe einem Verleiher grundsätzlich gestattet, bei Erfüllung der Voraussetzungen des KSchG wie ein normaler Arbeitgeber ordentlich zu kündigen. Ohne Erhebung einer Kündigungsschutzklage sei die ausgesprochene arbeitgeberseitige Kündigung sowieso materiell rechtmäßig. Die tariflichen Sonderzahlungen (Urlaubsgeld) für die Arbeitnehmer Z. und P. seien ausgezahlt worden. Es treffe ferner nicht zu, dass ein Arbeitnehmer falsch eingruppiert worden sei, da er ganz überwiegend nur als einfacher Produktionshelfer eingesetzt worden sei. Aufgrund der Zahlung von einsatzbezogenen Zulagen sei ihm kein finanzieller Nachteil entstanden. Bei der Entgeltfortzahlung an Feiertagen sei entweder eine korrekte Berechnung der Entgeltfortzahlungsansprüche erfolgt (Arbeitnehmer O. und P.) oder bereits eine Korrektur der versehentlichen Falschzahlung in zwei Einzelfällen (Arbeitnehmer AW. und AD.) erfolgt. Im Übrigen bestünden rechtliche Zweifel an der Berechnungsmethode der Antragsgegnerin, die bei der Berechnung der Lohnfortzahlung auch tarifliche Nachtzuschläge einbezogen habe. Bezüglich der Überlassungsverträge habe die Antragsgegnerin bei einer Vielzahl von Entleihern lediglich zwei Fälle bemängelt. Auch sei es nicht notwendig, bei einfachsten Tätigkeiten des Leiharbeitnehmers als Produktionshelfer weitere Qualifikationsmerkmale zu benennen. Bei den beanstandeten Bestimmungen zu den Jahressonderzahlungen seien versehentlich ältere tarifliche Regelungen in die Arbeitsverträge aufgenommen worden. Die Arbeitnehmer hätten jedoch die Zahlungen in korrekter Höhe erhalten bzw. aufgrund der kurzen Dauer ihrer Beschäftigung darauf gar keinen Anspruch gehabt. Die Einbuchung von Minusstunden in das Arbeitszeitkonto finde ihre Rechtsgrundlage in dem anzuwendenden Manteltarifvertrag iGZ/DGB. Soweit bemängelt werde, dass in den Arbeitsverträgen Angaben zur Arbeitszeit fehlten, könne die geschuldete Arbeitszeit anhand der Lohnabrechnungen nachvollzogen werden. Dies entspreche den Vorgaben von § 2 Abs. 1 Ziffer 8 Nachweisgesetz (NachwG), die lediglich eine Verschriftlichung fordere. Es sei veranlasst worden, dass die beanstandete Regelung in § 4 Nr. 4 der Musterarbeitsverträge bezüglich der Zahlung von Nachtzuschlägen gestrichen werde. In jedem der geprüften Fälle könne der tarifliche Stundenlohn und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aus der Lohnabrechnung, dem Arbeitsvertrag bzw. den Anwendung findenden tariflichen Unterlagen, die dem Arbeitnehmer jederzeit zur Einsicht zur Verfügung stünden, entnommen werden. Soweit in einem Fall (Leiharbeitnehmer Z.) eine Festlohnvereinbarung stattgefunden habe, sei dies auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers erfolgt.  Es habe keine Nachteile gegeben, da eine weit übertarifliche Entlohnung erfolgt sei. Der Vorwurf einer nicht ausreichenden Betriebsorganisation könne nicht nachvollzogen werden. Es seien in der Lohnbuchhaltung und im personalwirtschaftlichen Bereich Mitarbeiterinnen mit entsprechender Ausbildung im kaufmännischen, im steuerlichen und im personalwirtschaftlichen Bereich beschäftigt. Es fänden regelmäßig Schulungen statt. In der Vergangenheit seien etwa 3.000 bis 4.000 Leiharbeitnehmer beschäftigt gewesen. Diese Zahl sei aufgrund der Einschränkungen der AX. -Fleisch Ende 2023 auf ca. 300 Leiharbeitnehmer reduziert worden, so dass deswegen in der Zukunft nicht mehr mit Verstößen zu rechnen sein werde bzw. diese auf ein absolutes Minimum reduziert werden könnten.

In der Gesamtschau seien lediglich bei wenigen Arbeitnehmern teilweise zu bestreitende Verstöße gerügt worden. In der Gesamtschau sei daher eine Auflage gegenüber einer Versagung das mildere Mittel, zumal bis auf marginale, formelle Verstöße im Einzelfall die Vorwürfe der Antragsgegnerin zu bestreiten seien. Ebenso bedeute die Versagung eine unbillige Härte, da die Antragstellerin lediglich Altverträge abwickeln dürfe, jedoch das Neugeschäft nicht mehr stattfinden könne. Zu beachten sei auch, dass keine arbeitsrechtlichen Verstöße im Kernbereich zu Lasten der Arbeitnehmer gerügt worden seien, also Ansprüche auf laufende Arbeitsvergütung, Ansprüche auf bezahlten Erholungsurlaub etc. Bei einzelnen marginalen und zugestanden leicht fahrlässigen Verstößen könne bei einer Gesamtgewichtung keine Rechtfertigung für die Versagung der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis begründet werden.

Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und hat u.a. vorgetragen, dass bei der Betriebsprüfung am 27. November 2023 eine repräsentative Stichprobe von 18 Fällen geprüft worden sei. Die Versagungsentscheidung sei auch unabhängig von der finanziellen Situation der Antragstellerin aufgrund der bei der Betriebsprüfung festgestellten zahlreichen (Wiederholungs-) Verstöße nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Übertragung des Beschäftigungsrisikos (unbezahlter Urlaub und Garantielohnverstöße) sei neuer rechtserheblicher Vortrag nicht erfolgt. Insbesondere könne aufgrund einer mangelhaften Dokumentation nicht nachvollzogen werden, dass der für die Gewährung unbezahlten Urlaubs erforderliche wichtige Grund jeweils vorgelegen habe. Dies gehe unter Berücksichtigung von § 7 Abs. 2 AÜG zu Lasten der Antragstellerin. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG obliege es der Antragstellerin darzustellen, dass die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung von Leiharbeitnehmern vorgelegen hätten. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Dass bei 18 geprüften Leiharbeitnehmern bereits vier Verstöße festgestellt worden seien, lasse nur den Schluss zu, dass die Antragstellerin auf diese Art und Weise das Beschäftigungsrisiko auf die Leiharbeitnehmer übertrage. Auch sei nicht entkräftet worden, dass Verstöße gegen das Entgeltfortzahlungsgesetz an Feiertagen vorgelegen hätten. Soweit bei den Verstößen hinsichtlich der Zahlung von Urlaubsentgelt und der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall Korrekturabrechnungen vorgelegt worden seien, genüge die Nacherfüllung von Ansprüchen jedoch nicht, um zu einer positiven Prognose hinsichtlich der Zuverlässigkeit zu gelangen. Nicht entkräftet seien ferner die Verstöße hinsichtlich der Regelungen in den Arbeitsverträgen. Auch der eingeräumte Verstoß gegen Probezeitregelungen begründe die Annahme der Unzuverlässigkeit. Die Erteilung einer Auflage komme nicht in Betracht. Eine Auflage, die der Antragstellerin ihr geschäftliches Handeln weitgehend vorgebe, sei unzweckmäßig. Das Einhalten von gesetzlichen Vorschriften als solches könne nicht Gegenstand von Auflagen sein. Eine unbillige Härte sei weiterhin nicht erkennbar. Allein das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der Geschäftsfortführung überwiege nicht das öffentliche Interesse am Vollzug der angegriffenen Entscheidung. Vor dem Hintergrund der überwiegenden Tätigkeit der Antragstellerin im Bereich der Werkverträge sei eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Geschäftstätigkeit auch nicht dargetan. Konkrete wirtschaftliche Schwierigkeiten seien nicht nachgewiesen worden. Der vorgetragene Verlust von Arbeitsplätzen im Geschäftsbereich der Arbeitnehmerüberlassung sei die unvermeidliche Folge einer rechtskräftigen Versagung der Erlaubnis und die vom Gesetz angeordnete Rechtsfolge.

Mit Beschluss vom 29. Oktober 2024 hat das SG Osnabrück die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Dezember 2023 bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, längstens bis zum 5. Januar 2025 angeordnet.

Zwar stelle sich die Kündigung einzelner Arbeitsverhältnisse mit späterer Wiedereinstellung im Ergebnis wohl als rechtswidrige Verlagerung des Betriebsrisikos auf die Leiharbeitnehmer dar und bilde daher grundsätzlich einen Versagungsgrund i.S.d. § 3 Abs. 1 AÜG. Andererseits seien jedoch Umstände festzustellen, die dem entgegenstehen könnten. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens seien umfangreiche Korrekturen durchgeführt worden und angekündigt worden. Dies müsse zumindest als ernsthaftes Bemühen der Antragstellerin gewertet werden, ihren rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Ein Lohnausfallrisiko könne im Ergebnis nicht gesehen werden; die Antragstellerin habe hier Abhilfebemühungen unternommen und Nachweise beigebracht. Es sei daher von einem einsichtigen Verhalten auszugehen, das eine negative Prognose für die Zukunft nicht mehr zulasse. Jedenfalls ließen die zutage getretenen Mängel nicht uneingeschränkt den Schluss zu, dass die Antragstellerin die Arbeitnehmerüberlassung künftig nicht im Einklang mit den rechtlichen Vorschriften praktizieren werde. Zu beachten sei auch, dass die Antragstellerin bereits seit 1996 über befristete Erlaubnisse zur Arbeitnehmerüberlassung verfüge. Unter Berücksichtigung möglicher Grundrechtseingriffe sei die Möglichkeit einer Auflage als milderes Mittel nicht ausreichend geprüft worden. Dies gelte insbesondere deshalb, da eine Bereitschaft der Antragstellerin zu erkennen sei, den von der Antragsgegnerin vorgegebenen Anforderungen für die Zukunft grundsätzlich nachzukommen. Insgesamt stelle sich die Sach- und Rechtslage im Rahmen einer Gesamtschau nicht als so klar dar, dass Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren zu verneinen wären. Es sei daher die aufschiebende Wirkung des Widerspruches anzuordnen. Dies gelte auch angesichts der Gefahr eines erheblichen wirtschaftlichen Verlustes.

Gegen den ihr am 30. Oktober 2024 zugestellten Beschluss richtet sich die am 4. November 2024 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, dass die Erfolgsaussichten des Widerspruches als gering zu beurteilen seien; ihre Verwaltungsentscheidung dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig sein. Unabhängig von der finanziellen Situation der Antragstellerin seien bei der Betriebsprüfung am 27. November 2023 zahlreiche (Wiederholungs-) Verstöße zutage getreten. Auch die Summierung kleinerer Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorschriften rechtfertige eine Versagung. Es seien Wiederholungsverstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, im Hinblick auf eine unbezahlte Freistellung, die Nichteinhaltung der Zahlung von Garantielohn, im Hinblick auf das Entgeltfortzahlungsgesetz an Feiertagen und bei Krankheit, hinsichtlich Jahressonderzahlungen, dem Vorenthalten von Tarifentgelten in Form von Zuschlägen, im Hinblick auf die Arbeitsverträge in Gestalt der Garantielohnklausel offenbar geworden. Die fehlende Garantielohnklausel in Verbindung mit der Bestimmung, dass vorab in das Arbeitszeitkonto in verleihfreien Zeiten 21 Minusstunden eingebucht würden, sei zum dritten Mal in Folge beanstandet worden. Trotz entsprechender Hinweise bereits in dem Bescheid vom 23. November 2021 habe die Antragstellerin das beanstandete Verhalten fortgeführt. Eine Nacherfüllung von Ansprüchen genüge nicht für eine Prognose, dass die Antragstellerin zukünftig die Arbeitnehmerüberlassung unter Einhalt der geltenden Bestimmungen betreiben werde. Eine Auflagenerteilung sei unzweckmäßig, insbesondere da wegen der Vielzahl der Beanstandungen umfängliche Anleitungen und Hilfestellung gegeben werden müssten. Auch seien bereits in der Vergangenheit (Bescheid vom 13. Dezember 2019) Auflagen erfolgt, ohne dass ein beanstandungsfreies Handeln habe sichergestellt werden können. Die Versagung führe auch nicht zu einer unbilligen Härte. Den sich ergebenden wirtschaftlichen Folgen trage die Nachwirkungsfrist nach § 2 Abs. 4 Satz 2 AÜG ausreichend Rechnung, indem die Abwicklung bereits abgeschlossener Verträge ermöglicht werde. Eine unbillige Härte sei vor dem Hintergrund der überwiegenden Tätigkeit der Antragstellerin im Bereich der Werkverträge nicht erkennbar.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des SG Osnabrück vom 29. Oktober 2024 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes abzulehnen.

Die Antragstellerin tritt der Beschwerde unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen entgegen und beantragt,

            die Beschwerde zurückzuweisen.

Ergänzend macht sie darauf aufmerksam, dass die Versagung zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer Geschäftstätigkeit führen würde. Der Bestandschutz sei nur für Altverträge gegeben; ein Neugeschäft sei ihr nicht mehr möglich. Im Ergebnis würde dies zu einer Massenentlassung von knapp 300 Leiharbeitnehmern sowie der Kündigung der Rahmenarbeitnehmerüberlassungsverträge mit den Entleihern führen, bei denen Produktionsausfälle nicht auszuschließen seien, so dass Schadensersatzansprüche an die Antragstellerin herangetragen werden würden. Auch ergebe sich eine erhebliche Reduzierung ihrer gesamten Rentabilität mit der Folge weiterer erheblicher Gewinneinbußen. Auswirkungen wie betriebsbedingte Kündigungen und Freistellungen im Bereich der Personaladministration und Verwaltung seien ebenfalls die zwangsläufige Folge. Die Antragstellerin nimmt insoweit zur weiteren Darstellung Bezug auf eine Bestätigung ihres Prokuristen, des Herrn AY., vom 25. November 2024.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin mit Schreiben vom 13. November 2024 mitgeteilt, dass aufgrund der Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Verlängerung der Erlaubnis einstweilig als nicht wirksam abgelehnt gelte, so dass sich die zunächst befristete Erlaubnis vorläufig um ein weiteres Jahr verlängert habe. Der Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis bis zum 5. Januar 2026 sowie ein insoweit gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand würden bearbeitet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Dezember 2023. Der angefochtene Beschluss des SG unterliegt daher der Aufhebung.

Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Versagung einer Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung richtet sich bei einem nach § 2 Abs. 4 S. 2 AÜG fristgerecht gestellten Verlängerungsantrag nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage). Dies beruht auf § 2 Abs. 4 S. 3 AÜG, wonach sich die Erlaubnis automatisch um ein Jahr verlängert, wenn die Erlaubnisbehörde die Erlaubnis nicht vor Ablauf eines Jahres ablehnt. Effektiver Rechtsschutz kann somit durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage gegen die Versagung der Verlängerung erreicht werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. August 2021 – L 11 AL 70/21 B ER und vom 26. Mai 2023 – L 11 AL 18/23 B ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. November 2017 – L 2 AL 75/17 B ER, Rn. 44; LSG Sachsen, Beschluss vom 19. April 2021 – L 3 AL 26/20 B ER, Rn. 26; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. Mai 2020 – L 2 AL 37/19 B ER; LSG Hamburg, Beschluss vom 30. August 2019 – L 2 AL 36/19 B ER; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 86a, Rn. 31). Nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Eine solche Kon-stellation ist vorliegend gegeben, denn § 86a Abs. 4 SGG ordnet ausdrücklich an, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs u. a. dann nicht eintritt, wenn eine Erlaubnis nach § 1 AÜG nicht verlängert wird.

Das für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderliche Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin ist nicht infolge Zeitablaufs entfallen. Zwar endete die vom SG angeordnete aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bereits am 5. Januar 2025. Allerdings hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Genehmigungsfiktion nach § 2 Abs. 4 Satz 3 AÜG ausgelöst und damit weiterhin rechtliche Bedeutung für nachfolgende Verlängerungen (vgl. hierzu auch: LSG Sachsen, Beschluss vom 19. April 2021 – L 3 AL 26/20 B ER, Rn. 22).

Die Prüfung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfolgt anhand einer Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin, einstweilen von der belastenden Wirkung des streitigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, und dem Vollzugsinteresse der Behörde. Zu berücksichtigen ist dabei die Grundentscheidung des Gesetzgebers über die fehlende aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs oder einer Klage, weshalb die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben muss (vgl. auch LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Juli 2010 – L 1 AL 158/10 B ER, Rn. 28). Auf der anderen Seite kann an der sofortigen Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein überwiegendes Vollzugsinteresse bestehen, weshalb es bei der Interessenabwägung maßgeblich auf die konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens ankommt. Dabei gilt, je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, so hat eine allgemeine Interessenabwägung hinsichtlich der Folgen für die jeweiligen Beteiligten bei der Aufrechterhaltung der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehung zu erfolgen (vgl. Keller, a. a. O., § 86 b, Rn. 12 ff).

Im vorliegenden Einzelfall ist das erkennende Gericht zu der Einschätzung gelangt, dass die Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen die Versagung der Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung voraussichtlich nicht gegeben sind. Die Verwaltungsentscheidung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig. Denn bei der vorliegend vorzunehmenden summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass die bei der am 27. November 2023 durchgeführten Betriebsprüfung durch die Antragsgegnerin festgestellten Rechtverstöße die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin die für Ausübung der Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des § 1 AÜG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, so dass die Verlängerung der Erlaubnis dazu nach § 3 Abs. 1 AÜG zwingend zu versagen ist.

Unter Berücksichtigung der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG genannten Beispielsfälle sowie des Schutzzwecks des AÜG muss ein Antragsteller als unzuverlässig angesehen werden, wenn in seiner Person Tatsachen vorliegen, denen zufolge zu besorgen ist, dass er sein Gewerbe nicht im Einklang mit den bestehenden rechtlichen Vorschriften ausüben wird. Dabei kann es sich einerseits um arbeitsrechtliche Verstöße im Kernbereich handeln. Zum Kernbereich zählen die Vergütung, Ansprüche auf Erholungsurlaub und sonstige Ansprüche auf geldwerte Leistungen (vgl. Senatsbeschluss vom 20. August 2021, a. a. O.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. November 2017 – L 2 AL 75/17 B ER). Die Unzuverlässigkeit kann sich allerdings auch aus einer Summierung von Umständen und kleineren Verstößen gegen arbeitsrechtliche Vorschriften ergeben, die für sich allein keinen Versagungsgrund rechtfertigen könnten (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27. Juni 2018 – L 7 AL 22/18 B ER, Rn. 21). Bei ihrer Entscheidung kann die Behörde frühere Verstöße in ihre Entscheidung mit einbeziehen (so auch bereits: Beschlüsse des erkennenden Senats vom 17. Juni und 19. August 2019 – L 11 AL 27/19 B ER und L 11 AL 49/19 B ER). Maßgebend ist eine Prognose für die Zukunft, d. h. ein aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen der Vergangenheit und der Gegenwart gezogener Schluss auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Antragstellers (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. November 2017 – L 2 AL 75/17 B ER, Rn. 47; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 10. September 2019 - L 3 AL 116/19 B ER, Rn. 9). Zu berücksichtigen ist, dass bei der Erlaubnisprüfung und -versagung zu Gunsten der Behörde eine Beweiserleichterung gilt; sie muss (in einem Klageverfahren) nicht das Vorliegen des Versagungsgrundes selbst beweisen, sondern nur die Tatsachen dartun, die eine solche Annahme rechtfertigen (vgl. Ulber in: Ulber, AÜG, 6. Auflage 2023, § 3 Rn. 20; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. März 2011 – L 13 AL 3438/10 ER-B; Sächsisches LSG, Beschluss vom 27. August 2019 – L 3 AL 70/19 B ER). Hinsichtlich der Versagung der Erlaubnis nach § 3 AÜG besteht kein Ermessen; sie ist zwingend (vgl. Ulber, a. a. O., § 3 Rn. 17; Sächsisches LSG, Beschluss vom 27. August 2019 – L 3 AL 70/19 B ER).

Grundlage der Einschätzung des erkennenden Gerichts sind zunächst die im Rahmen der durchgeführten stichprobenartigen Überprüfung ermittelten Verstöße gegen § 11 Abs. 1 AÜG bzw. gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 AÜG i.V.m. den Bestimmungen Nachweisgesetzes (NachwG). Unter Beachtung von § 11 AÜG und § 2 NachwG sind die von der Antragstellerin verwendeten Verträge mit den Leiharbeitnehmern fehlerhaft (vgl. Ziffer 9 des Bescheids vom 22. Dezember 2023 – „Leiharbeitsverträge“). § 11 AÜG enthält zentrale Bestimmungen zum Schutz des Leiharbeitnehmers und trägt zusammen mit den Bestimmungen der §§ 8, 9 und 10 AÜG dem besonderen Schutzbedürfnis im Leiharbeitsverhältnis Rechnung. Die für den Verleiher danach normierten Pflichten sollen dem Leiharbeitnehmer Klarheit über seine Rechtstellung und über seine Rechte verschaffen. Die Nachweispflichten gem. Abs. 1 erleichtern zudem die Überwachungstätigkeit der Erlaubnisbehörde. Die Norm enthält zwingendes Recht (vgl. Klein/Leist in: Ulber, AÜG, 6. Auflage 2023, § 11, Rn. 1, 7). Auch von den Vorschriften des Nachweisgesetzes kann nach dessen § 6 nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Der Einwand, dass auf Grundlage eines vorrangig anzuwendenden Tarifwerks fehlende oder fehlerhafte Bestimmungen in einem Leiharbeitsvertrag unerheblich seien, greift somit nicht.

Vorliegend maßgeblich ist zum einen eine unzureichende Aufnahme der nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AÜG zwingend vorgeschriebenen sogenannten Garantielohnklausel in die von der Antragstellerin verwendeten Leiharbeitsverträge. Nach der genannten Vorschrift sind die Art und die Höhe der Leistungen für die Zeiten, in denen der Leiharbeitnehmer nicht verliehen ist, in die Vertragsbestimmungen aufzunehmen. Die Vorschrift trägt dem gesteigerten Informationsbedürfnis des Leiharbeitnehmers Rechnung, welches sich daraus ergibt, dass für die Vergütung während der verleihfreien Zeiten andere rechtliche Grundlagen gelten und die Vergütungshöhe daher variieren kann. Die Angaben sollen dem Leiharbeitnehmer die Geltendmachung seines Vergütungsanspruches erleichtern, der auch während der verleihfreien Zeiten unabdingbar ist, vgl. § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG. Aus dem Nachweis muss sich daher klar ergeben, dass der Leiharbeitnehmer auch während verleihfreier Zeiten einen Anspruch auf Vergütung hat und dieser Anspruch nicht abbedungen werden kann. Die Ansprüche sind ferner genau zu beziffern oder durch genaue Angaben der Bemessungsfaktoren zu bestimmen (vgl. Klein/Leist, a.a.O., § 11 Rn. 63 ff, m.w.N.). In keinem der von ihr im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bzw. des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens vorgelegten Verträge bzw. Vertragsmuster ist eine den dargestellten Grundsätzen entsprechende klare Garantielohnbestimmung nachvollziehbar (vgl. z.B. Bl. 86 GA, Anlage – Widerspruchsschreiben, Arbeitsvertrag, Muster; Bl. 94 GA, Anlage – Widerspruchsschreiben, Arbeitsvertrag AZ.; Bl. 297 GA, Anlage ASt 16, Arbeitsvertrag Muster; Bl. 351 GA, Anlage ASt 22, Arbeitsvertrag AH.; Bl. 363 GA, Anlage - Arbeitsvertrag –AH., aber ausgestellt für den Leiharbeitnehmer S.). § 4.3. der Arbeitsverträge enthalten Regelungen zu Mehrarbeitszuschlägen und der Einrichtung eines Arbeitszeitkontos. Lediglich als Nachklapp zu der Regelung bezüglich des Arbeitszeitkontos findet sich ein Satz zu der Entlohnung in der verleihfreien Zeit. Im vorliegenden Einzelfall fehlt es daher an einer Regelung, die es dem Arbeitnehmer ermöglicht, sich schnell und eindeutig Klarheit zu verschaffen.

Der Umstand, dass § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AÜG zusätzlich zu den Dokumentationspflichten nach dem Nachweisgesetz die Aufnahme einer Garantielohnklausel in die Leiharbeitsverträge vorschreibt, zeigt die zentrale Bedeutung dieser Regelung zur Gewährleistung des Schutzes der Leiharbeitnehmer. Damit ist von einem erheblichen Verstoß der Antragstellerin gegen ihre arbeitsrechtlichen Pflichten auszugehen, der im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG gegen ihre Zuverlässigkeit spricht. Darüber hinaus liegt ein Wiederholungsverstoß vor. Ein identisches Fehlverhalten wurde bereits im Rahmen der Betriebsprüfungen am 17. November 2016 und am 8. November 2021 festgestellt (vgl. Prüfbericht vom 17. November 2016, Bl. 640/759 VA III; Verlängerungsbescheid vom 13. Dezember 2016, Bl. 242/1258 VA II; Prüfbericht vom 8. November 2021, Bl. 5/759 VA III; Verlängerungsbescheid vom 21. November 2021 Bl. 669/1248 VA II). Dass ein derartiger Fehler seitdem – mithin über einen Zeitraum von über 9 Jahren und obwohl der Verlängerungsbescheid vom 23. November 2021 sogar einen Formulierungsvorschlag für eine Garantielohnklausel enthält – nicht abgestellt worden ist, ist gleichzeitig ein erhebliches Indiz für einen Mangel der Organisation der Antragstellerin. Dies spricht dafür, dass sie nach der Gestaltung ihrer Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Damit ist ferner von einem Versagungsgrund im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 AÜG auszugehen (mangelhafte Betriebsorganisation, vgl. dazu LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 21. Dezember 2018 – L 7 AL 163/18 B ER; Beschluss des erkennenden Senats vom 17. Juni 2019 – L 11 AL 27/19 B ER). Nicht nachvollziehbar ist, wenn die Antragstellerin in diesem Zusammenhang geltend macht, dass ein Verstoß gegen die Pflicht zur Aufnahme einer Garantielohnklausel aufgrund der in ihren Leiharbeitsverträgen vereinbarten Arbeitszeitkonten (vgl. § 4 Ziffer 3 i.V.m. Anlage 1 der Leiharbeitsverträge) nicht gegeben sei. Dies widerspricht der zwingenden Vorgabe des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AÜG zur Aufnahme einer entsprechenden vertraglichen Regelung.

Die in den Leiharbeitsverträgen verwendete Regelung zu den Arbeitszeitkonten dokumentiert vielmehr, dass die Antragstellerin entgegen § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG das Beschäftigungsrisiko in unzulässiger Weise auf die Leiharbeitnehmer verlagert. Zwar ist nach dem einschlägigen Tarifwerk iGZ/DGB (MTV Ziffer 3.2) die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos für jeden Arbeitnehmer vorgesehen. In das Konto können bis zu 150 Plusstunden über der individuellen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit und bis zu 105 Minusstunden unter der individuellen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit eingebucht werden. Spätestens am Ende eines Kalenderjahres ist ein Ausgleich vorgesehen. Entgegen der Antragstellerin ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass – wie es ihre Leiharbeitsverträge vorsehen – vorab 21 Minusstunden in das Arbeitszeitkonto für verleihfreie Zeit eingebucht werden dürfen. Auch dieses Vorgehen zeigt bei summarischer Prüfung, dass es der Antragstellerin offensichtlich daran gelegen ist, das vom Verleiher zu tragende Beschäftigungsrisiko auf den Leiharbeitnehmer abzuwälzen (vgl. zur Unwirksamkeit einer einseitigen Belastung des Arbeitszeitkontos durch den Arbeitgeber in verleihfreien Zeiten: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19. Februar 2015 – 5 Sa 138/14; BAG, Urteil vom 16. April 2014 – 5 AZR 483/12 Rn. 24;). Auch insoweit liegt ein Wiederholungsverstoß vor (vgl. den Bescheid vom 23. November 2021).

Die am 27. November 2023 durchgeführte Prüfung hat ferner offengelegt, dass die von der Antragstellerin verwendeten Leiharbeitsverträge entgegen § 11 Abs. 1 Satz 1 AÜG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 NachwG keine genauen Angaben zur vereinbarten Arbeitszeit enthalten (vgl. Ziffer 9c Versagungsbescheid). Der insoweit beanstandete § 3 der Leiharbeitsverträge der Antragstellerin definiert lediglich den Stundenumfang einer Vollzeit- bzw. einer Teilzeitbeschäftigung sowie die Monatsarbeitszeit in Stunden unter Zugrundelegung verschiedener möglicher Monatsarbeitstage. Eine konkrete Festlegung hinsichtlich der mit dem betreffenden Arbeitnehmer vereinbarten Arbeitszeit ist den vorgelegten Verträgen jedoch nicht zu entnehmen (vgl. dazu auch § 3 MTV iGZ/DGB). Die Vertragsmuster enthalten kein insoweit auszufüllendes Leerfeld. Dass die Antragstellerin die insoweit bestehenden Anforderungen anderweitig erfüllt, ist nicht glaubhaft gemacht worden. Durch die Dokumentation der vereinbarten Arbeitszeit wird verhindert, dass der Verleiher seine nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG unabdingbare Pflicht zur Zahlung von Annahmeverzugslohn (vgl. § 615 BGB) durch eine Reduzierung der Arbeitszeit umgeht. Relevant ist die Angabe außerdem für die Berechnung und Geltendmachung von Entgeltfortzahlungsansprüchen (vgl. Klein/Leist, a.a.O., § 11 Rn. 42). Auf Grund des zwingenden Charakters des § 11 AÜG und der Unabdingbarkeit der Dokumentationspflicht nach dem NachwG (vgl. § 6 NachwG) ist es ohne Belang, wenn die Antragstellerin vorträgt, dass jeder Arbeitnehmer wisse, welche Arbeitszeit er vereinbart hat, oder dies anhand von Lohnabrechnungen nachvollziehen könne.

Durch die Betriebsprüfung vom 27. November 2023 ist ferner zu Tage getreten (vgl. Ziffer 9d Versagungsbescheid), dass die von der Antragstellerin verwendeten Leiharbeitsverträge § 4.2 MTV iGZ/DGB widersprechen, indem sie unzulässiger Weise die Zahlung von Zuschlägen für Nachtarbeit ausschließen („Für Tätigkeiten, die aus sachlichen Gründen typischerweise nachts verrichtet werden müssen (z.B. Reinigungsdienste)“). Die Anwendung dieser Vorschrift führt in der Konsequenz zur Vorenthaltung von Arbeitsentgelt und damit zur Verletzung einer Kernpflicht des Arbeitgebers (§§ 611, 611a Abs. 2 BGB). Dieser Verstoß rechtfertigt die Annahme, dass die Antragstellerin im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG nicht gewillt ist, ihre arbeitsrechtlichen Pflichten einzuhalten. Auch im Rahmen der Betriebsprüfung am 8. November 2021 wurde bereits festgestellt, dass die Antragstellerin Nachtarbeitszuschläge nicht korrekt berechnet bzw. ausgezahlt und damit gegen eine Hauptpflicht als Arbeitgeberin verstoßen hatte (vgl. Verlängerungsbescheid vom 23. November 2021).

Im Rahmen der Betriebsprüfung vom 27. November 2023 hat sich ferner ergeben, dass die Antragstellerin entgegen § 8 MTV iGZ/DGB zwei namentlich benannten Leiharbeitnehmern die ihnen zustehenden Jahressonderzahlungen (Urlaubsgeld) nicht ausgezahlt (vgl. Ziffer 4 Versagungsbescheid) und bei einem Leiharbeitnehmer veraltete tarifliche Bestimmungen zur Bemessung der Jahressonderzahlungen in den Leiharbeitsvertrag aufgenommen hatte (vgl. Ziffer 9a Versagungsbescheid). Auch wenn die Antragstellerin insoweit ausführt, dass eine Nachprüfung bzw. Nachvergütung erfolgt und es sich um ein Versehen bzw. Einzelfälle handele, die allenfalls leicht fahrlässig erfolgt seien, liegen Verstöße gegen ihre Kernpflichten als Arbeitgeberin vor (§§ 611, 611a Abs. 2 BGB). Wesentlich ist darüber hinaus wiederum, dass bereits im Rahmen der am 8. November 2021 erfolgten Prüfung bemängelt worden war, dass elf Leiharbeitnehmern keine Jahressonderzahlungen nach den tariflichen Bestimmungen gewährt worden waren (vgl. Änderungsbescheid vom 23. November 2021). Dass die Antragstellerin insoweit offensichtlich keine ausreichenden Kontroll- bzw. Verhinderungsmechanismen installiert hat, belegt erneut eine mangelhafte Betriebsorganisation und damit eine Unzuverlässigkeit auch im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 AÜG.

Zu Tage getreten ist im Rahmen der hier maßgeblichen Prüfung am 27. November 2023 ferner (Ziffern 6,7 Versagungsbescheid), dass die Antragstellerin entgegen dem Entgeltfortzahlungsgesetz bei drei Leiharbeitnehmern die vorgeschriebene Feiertagsvergütung teilweise nicht gezahlt und bei zwei weiteren Leiharbeitnehmern die Lohnfortzahlung bei Krankheit und Urlaub nicht korrekt vorgenommen hatte. Insoweit hat die Antragstellerin ausgeführt, dass eine Überprüfung stattfinden werde, bzw. es sich um ein Versehen handele, bzw. das Versehen korrigiert worden sei. Jedoch stellt dies nicht die Annahme der Unzuverlässigkeit der Antragstellerin in Frage. Insoweit maßgeblich ist, dass wiederum arbeitsrechtliche Kernpflichten betroffen sind und Wiederholungsverstöße vorliegen. Der Verstoß gegen das Entgeltfortzahlungsgesetz an Feiertagen ist sowohl im Rahmen der Betriebsprüfung am 17. November 2016 als auch im Rahmen der Betriebsprüfung am 8. November 2021 gerügt worden. In dem Verlängerungsbescheid vom 13. Dezember 2016 ist der Berechnungsfehler dargestellt worden. Entgegen der Antragstellerin hat das erkennende Gericht hier keine Zweifel an der Relevanz der Aussagekraft der stichprobenartig durchgeführten Betriebsprüfung am 27. November 2023. Es ist vielmehr auffällig, dass bei lediglich 18 geprüften Leiharbeitnehmern die bemängelten Fehler bereits bei drei bzw. bei zwei Leiharbeitnehmern festgestellt worden sind.

Gegen die für eine Verlängerung der Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit sprechen ferner die im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellten Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz (Überschreitung der monatlich zulässigen Arbeitszeiten – Leiharbeitnehmer S.; Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Ruhepausen – Leiharbeitnehmer AH. – Ziffer 10 Versagungsbescheid). Nach Maßgabe des § 11 Abs. 6 Satz 1 AÜG ist die Antragstellerin insoweit neben dem Entleiher für die Einhaltung von öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften als verpflichtete Arbeitgeberin anzusehen (Klein/Leist, a. a. o., § 11 Rn. 183). Wenn die Antragstellerin geltend macht, dass die Antragsgegnerin entsprechende Verstöße nicht ausreichend substantiiert habe bzw. konkrete Fälle benennen soll, ist dem entgegenzuhalten, dass in dem Versagungsbescheid die betroffenen Leiharbeitnehmer bzw. der Entleihbetrieb bzw. das Einsatzdatum benannt wurden und als weitere Grundlage auf die eingesehenen Stundenzettel Bezug genommen worden ist. Die Antragstellerin hat demgegenüber keine konkreten Tatsachen benannt oder Belege vorgelegt, die die festgestellten Verstöße in Frage stellen könnten. Ferner ist auch insoweit von einem Wiederholungsverstoß auszugehen (vgl. Bescheid vom 13. Dezember 2016), was wiederum die Annahme einer mangelhaften Betriebsorganisation und damit das Vorliegen eines Versagungsgrunds nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Nr. 2 AÜG rechtfertigt.

Für das Nichteinhalten der arbeitsrechtlichen Pflichten – und damit für das Vorliegen eines Versagungsgrunds im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG – spricht ferner das Kündigungsverhalten der Antragstellerin, das die Antragsgegnerin im Rahmen der Betriebsprüfung bezüglich vier Leiharbeitnehmern festgestellt und in dem Versagungsbescheid vom 22. Dezember 2023 ausführlich dargelegt hat (Ziffer 3, Seite 5 bis 7; Bl. 10 ff. GA), auf den insoweit zur weiteren Darstellung Bezug genommen wird. Die auffällige Nähe zwischen Kündigungen und Laufzeiten der Arbeitnehmerüberlassungsverträge sowie die nachfolgende Wiedereinstellung in einem Fall dokumentiert eine unzulässige gegen § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG verstoßende Abwälzung des Betriebsrisikos der Antragstellerin auf die Leiharbeitnehmer. Dies bestätigt die Einschätzung, dass die Antragstellerin entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unzulässig betriebsbedingte Kündigungen ausspricht (vgl. BAG, Urteil vom 18. Mai 2006 – 2 AZR 412/15) und damit wiederum gegen ihre Rechtspflichten als Arbeitgeberin verstößt. Nach dieser Rechtsprechung rechtfertigen kurzfristige Auftragslücken bzw. ein vorübergehender Auftragsmangel keine betriebsbedingten Kündigungen, da sie zum typischen Wirtschaftsrisiko eines solchen Unternehmens gehören (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 18, LAG Berlin – Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2017 – 2 Sa 1188/16; vgl. auch BSG, Urteil vom 21. Juli 2009 – B 7 AL 3/08 R; vgl. Ulber, a.a.O., § 1 Rn. 207). Zwar trifft es zu, dass auch im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung betriebsbedingte Kündigungen von Leiharbeitnehmern nicht ausgeschlossen sind. Den Arbeitgeber trifft jedoch die Pflicht, anhand der Auftrags- und Personalplanung darzustellen, dass es sich nicht nur um eine kurzfristige Auftragsschwankung, sondern um einen dauerhaften Auftragsrückgang handelt und ein anderweitiger Einsatz des Arbeitnehmers bei einem anderen Kunden bzw. im Rahmen eines anderen Auftrags – gegebenenfalls auch nach entsprechenden Anpassungsfortbildungen – nicht in Betracht kommt und damit ein dauerhafter Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses als notwendiges dringendes betriebliches Erfordernis für eine rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung vorliegt (vgl. BAG, a.a.O. , Rn. 18; vgl. auch Ulber a.a.O., § 1 Rn. 211). Dafür, dass vorliegend ein dauerhafter Beschäftigungsmangel bei Ausspruch der Kündigungen vorgelegen hat, hat die Antragstellerin jedoch weder im Rahmen des Widerspruchsverfahrens noch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens konkrete Anhaltspunkte benannt. Die Annahme einer gesetzeswidrigen Synchronisation von Leiharbeitsverhältnis und Überlassung und damit eine Umgehung der Regelung in § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG ist somit nicht widerlegt (vgl. dazu auch: LSG Hamburg, Urteil vom 30. Januar 2019 – L 2 AL 18/18). Die Annahme, dass das rechtswidrige Kündigungsverhalten der Antragstellerin im Rahmen der Beurteilung ihrer Zuverlässigkeit keine Berücksichtigung finden dürfe und nur bei einem laufenden Arbeitsverhältnis bzw. im Rahmen einer Kündigungsschutzklage beachtlich sei, findet im Gesetz keine Grundlage.

Weiterhin maßgeblich für die Annahme einer fehlenden Zuverlässigkeit für die Ausübung der Arbeitnehmerüberlassung ist die im Rahmen der Betriebsprüfung (vgl. Ziffer 12 Versagungsbescheid) zutage getretene unzulässige Probezeitvereinbarung mit dem Leiharbeitnehmer S. (vgl. zur Unzulässigkeit einer einzelvertraglichen Vereinbarung einer Probezeit, wenn der Arbeitgeber bereits ausreichende Möglichkeiten hatte, den Arbeitnehmer zu erproben: Koch in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Auflage 2023, § 41 Rn. 3; vgl. auch BAG, Urteil vom 20. Februar 2014 – 2 AZR 859/11 sowie vom 28. August 2008 – 2 AZR 101/07).

Da bereits vor dem Hintergrund der bisher aufgezeigten Umstände von einer negativen Prognose hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Antragstellerin für die Ausübung der Arbeitnehmerüberlassung auszugehen ist, nimmt das erkennende Gericht im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine Beurteilung der von der Antragsgegnerin in dem Versagungsbescheid vom 22. Dezember 2023 unter den Ziffern 1 (Übertragung des Beschäftigungsrisikos – unbezahlter Urlaub), 2 (§ 615 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch – Garantielohn), 5 (Eingruppierung), 8 (Überlassungsverträge), 11 (fehlende Geschäftsunterlagen), 13 (Lohnabrechnungen) und 14 (erweiterte Offenlegung) beanstandeten Verhaltensweisen der Antragstellerin vor. Eine abschließende Klärung insoweit ist gegebenenfalls im Widerspruchs- bzw. Hauptsacheverfahren vorzunehmen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht nachvollziehbar, dass die Antragstellerin in finanzieller Hinsicht nicht in der Lage ist, ihren Pflichten als Arbeitgeberin – insbesondere im Hinblick auf die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen – nachzukommen. Zwar dürften gegenüber der Steuerverwaltung und gegenüber den Einzugsstellen nicht unerhebliche Außenstände bestehen. Angesichts der von der Antragstellerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 17. April 2024 vorgelegten Bescheinigungen des Betriebsstättenfinanzamts F. vom 8. April 2024 (Anlage ASt 17, Bl. 344 GA), der AS. AT. vom 15. April 2024 (Anlage ASt 18, Bl. 346 GA) und der H. BA. vom 15. April 2024 (Anlage ASt 19, Bl. 347 GA) offenbaren sich jedoch keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin nicht in der Lage ist, Steuer- bzw. Beitragsforderungen im geforderten Umfang zu bedienen. Wenn die Antragsgegnerin sich auch im Rahmen des Widerspruchs- bzw. Hauptsacheverfahrens auf diesen Umstand für eine Versagung der Verlängerung der Erlaubnis stützen will, obliegt es ihr im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht, die durch die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens nicht aufgehoben bzw. suspendiert ist, den Sachverhalt weiter aufzuklären und ihre Feststellungen systematisch und nachvollziehbar zu dokumentieren.

Das erkennende Gericht vermag bei summarischer Prüfung keine Unverhältnismäßigkeit der Versagung der Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung festzustellen. Da ein nicht unerheblicher Teil der für eine Unzuverlässigkeit sprechenden Umstände wie dargelegt schon im Rahmen früherer Prüfungen beanstandet worden ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin ganz offensichtlich nicht willens oder in der Lage ist, das entsprechende Fehlverhalten abzustellen. Die Antragsgegnerin hat daher die Erteilung einer bloßen Auflage zu Recht als nicht ausreichend angesehen. Zu beachten ist insoweit auch, dass bei Vorliegen von Tatsachen i.S.d. § 3 Abs. 1 AÜG die Versagung zwingend zu erfolgen hat (vgl. Ulber, a. a. O., § 3 Rn. 17; Sächsisches LSG, Beschluss vom 27. August 2019 – L 3 AL 70/19 B ER). Dass die Antragstellerin bereits jetzt erheblich in ihrer Geschäftstätigkeit eingeschränkt sein will und nach Ablauf der Nachwirkungsfrist (vgl. § 5 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG) den Geschäftsbetrieb im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung aufgeben muss, ist die vom Gesetz angeordnete Rechtsfolge einer Versagung. Es handelt sich bei einer nicht unerheblichen Anzahl der Pflichtverletzungen um Verstöße gegen Kernpflichten der Antragstellerin als Arbeitgeberin. Dies begründet die Annahme, dass die Antragstellerin unzuverlässig ist. Auch zu beachten ist, dass erhebliche Umstände dafür sprechen, dass die Antragstellerin im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 AÜG nach der Gestaltung ihrer Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, was einen weiteren Versagungsgrund darstellt. Insgesamt dürfte sich der angefochtene Bescheid damit im Hauptsacheverfahren mit erheblicher Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig erweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO). Danach hat der Unterliegende die Kosten des Verfahren zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 52 Gerichtskostengesetz (GKG). Nach Abs. 1 der Vorschrift ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers bzw. Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Antragstellerin hat insoweit mit anwaltlichem Schriftsatz vom 2. Dezember 2024 betriebswirtschaftliche Aufstellungen ihres Prokuristen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass sich der Umsatz aus der Arbeitnehmerüberlassung im Jahr 2023 auf 13.074.724,44 Euro und in der Zeit vom Januar bis Oktober 2024 auf 7.776.888,81 Euro belaufen haben soll. Aus diesen Unterlagen ergibt sich ferner, dass der Deckungsbeitrag im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung im Jahr 2023 1.718.061,84 Euro und in der Zeit vom Januar bis Oktober 2024 1.282.239,33 Euro betragen haben soll. Dadurch werden nach Ansicht der Antragstellerin die Folgen der Versagung der Verlängerung der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis dokumentiert. Da weder Umsatz noch Deckungsbeitrag mit dem Gewinn gleichzusetzen sind und es sich um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt, sind entsprechende Abschläge geboten, so dass der Streitwert auf (gerundet) 50.000 Euro für beide Instanzen (vgl. § 63 Abs. 3 GKG) festzusetzen war.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

C.                                            D.                                  Dr. E.

Rechtskraft
Aus
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