L 2 AL 27/22

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 20 AL 231/18
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 2 AL 27/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Eine wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Entlassungsentschädigung führt zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs, wenn die ordentliche Kündigungsfrist für den Arbeitgeber nicht eingehalten wurde.
2. Ein besonderer bzw spezifischer Zusammenhang zwischen der Vorzeitigkeit der Kündigung und den Ansprüchen auf Entlassungsentschädigung ist nicht erforderlich. Dementsprechend ist nicht nur der Teil der Entlassungsentschädigung relevant, der durch eine Anreizvereinbarung zur vorzeitigen Kündigung durch den Arbeitnehmer zusätzlich zu einer bereits zuvor vereinbarten Entlassungsentschädigung wegen ordentlicher Kündigung durch den Arbeitgeber versprochen wurde.
3. Der Ruhenszeitraum wegen Entlassungsentschädigung berechnet sich unabhängig von der tatsächlichen Arbeitslosigkeit.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. August 2022 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Der Kläger und Berufungsbeklagte (künftig nur: Kläger) begehrt von der Beklagten und Berufungsklägerin (künftig nur: Beklagte) trotz Erhalt einer Entlassungsentschädigung für den Verlust seines Arbeitsplatzes Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) für den Monat März 2018.

Der am ... 1970 geborene und verheiratete Kläger (Steuerklasse IV) war vom 1. Oktober 1998 bis zum 31. Januar 2018 bei der R. M. GmbH (künftig nur: Arbeitgeber) als Arbeitnehmer beschäftigt. Im Zeitraum Februar 2017 bis 31. Januar 2018 betrug das Arbeitsentgelt brutto einschließlich Einmalzahlungen insgesamt 33.602,46 Euro (davon Februar 2017 2.346,66 Euro).

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 30. November 2017 zum 30. Juni 2018 wegen Betriebsstilllegung und stellte ihn zudem ab Januar 2018 von der Erbringung der Arbeit frei. Wegen der Betriebsstilllegung schlossen der Arbeitgeber und der Kläger am 30. November 2017 eine Abwicklungsvereinbarung. Darin hieß es:

„§ 1 Beendigung/Verzicht auf Wiedereinstellung und Erhebung einer Kündigungsschutzklage/Freistellung

(1) Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der durch den Arbeitgeber mit Datum vom 30.11.2017 erklärten betriebsbedingten Kündigung wegen Betriebsstilllegung unter Einhaltung der anwendbaren Kündigungsfrist mit Ablauf des 30.06.2018 (im Folgenden: „Beendigungstermin“) enden wird. Der Arbeitnehmer verzichtet ausdrücklich auf einen etwaigen Wiedereinstellungsanspruch sowie die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen die im vorstehenden Satz genannte Kündigung bzw. wird eine solche bereits eingereichte Klage unverzüglich zurücknehmen.

(2) Der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis durch einseitige Erklärung in Textform gegenüber dem Arbeitgeber mit einer Ankündigungsfrist von einer Woche zu einem früheren Zeitpunkt beenden. In diesem Fall gilt dieser frühere Zeitpunkt als Beendigungstermin im Sinne der nachfolgenden Regelungen. Zudem erhält der Arbeitnehmer - zusätzlich zu einer etwaigen Sozialplanabfindung nach § 3 - eine Brutto-Abfindung für den Verlust seines Arbeitsplatzes nach §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 50 % der ansonsten für den Zeitraum zwischen dem früheren Beendigungstermin und dem Beendigungstermin nach Abs. (1) geschuldeten monatlichen Brutto-Gehälter (Grundgehalt, Leistungszulage, Funktionszulage, Differenzzulage, Sondereinsatzzulage und vermögenswirksame Leistungen). Die Fälligkeit der Abfindung richtet sich nach den Regelungen des Sozialplans vom 25.10.2017 (im Folgenden: „Sozialplan"). …“

§ 2 Sätze 2 und 3 der Abwicklungsvereinbarung lauteten:

„Ab dem 01.01.2018 setzt sich die monatliche Vergütung bei unwiderruficher Freistellung aus Grundgehalt, Leistungszulage. Funktionszulage, Differenzzulage, Sondereinsatzzulage und vermögenswirksamen Leistungen zusammen. Sonstige Vergütung ist nicht geschuldet.“

Nach § 3 der Abwicklungsvereinbarung richtete sich das Bestehen von Abfindungsansprüchen ausschließlich nach dem Sozialplan vom 25. Oktober 2017. Nach § 7 der Abwicklungsvereinbarung waren alle Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag mit deren Unterzeichnung abgegolten.

Nach der Arbeitgeberkündigung kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis seinerseits, allerdings bereits mit Wirkung zum 31. Januar 2018 (Schreiben vom 17. Januar 2018).

Der Kläger fand ab 1. Februar 2018 eine Anschlussbeschäftigung bei der Fa. R.-Z. als Arbeitnehmer. Dieses Arbeitsverhältnis endete zum 28. Februar 2018 durch arbeitgeberseitige Kündigung. Der erzielte Verdienst des Klägers betrug 2.116,59 Euro brutto.

Am 28. Februar 2018 meldete sich der Kläger bei der Beklagten zum 1. März 2018 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Mit der am 19. Juni 2018 erstellten Arbeitsbescheinigung bescheinigte der Arbeitgeber gezahlte Abfindungen wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses i.H.v. 27.847,72 Euro zuzüglich einer „Turboprämie“ i.H.v. 5.569.54 Euro und einer „Sprinterprämie“ i.H.v. 6.302,44 Euro.

Am 1. April 2018 nahm der Kläger ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Arbeitszeit von mehr als 15 Wochenstunden auf.

Die Beklagte lehnte die Gewährung von Alg ab für die Zeit vom 1. März bis 30. Mai 2018 ab (Bescheid vom 25. Juni 2018). In diesem Zeitraum ruhe der Anspruch auf Alg. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe der Kläger eine Leistung in Höhe von 39.719,70 Euro erhalten oder zu beanspruchen. Die Frist für eine ordentliche Kündigung sei nicht eingehalten worden. Leistungen könne er erst nach dem Ruhenszeitraum erhalten.

Der Kläger erhob hiergegen am 24. Juli 2018 Widerspruch, weil er der Ansicht war, der Anspruch auf Alg habe nicht geruht. Das Arbeitsverhältnis sei nicht vorzeitig beendet worden. Er habe eine Kündigungsfrist von einem Monat eingehalten. Diese Frist sei maßgebend, weil die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund vorgelegen hätten. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund sei nicht eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten, sondern die im Einzelfall geltende ordentliche Kündigungsfrist zugrunde zu legen.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 19. September 2018). Die ordentliche Kündigungsfrist sei auch dann maßgebend, wenn - wie beim Kläger - die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber zwar ausgeschlossen sei, jedoch die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorliegen (§ 158 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III). Die hier maßgebliche ordentliche Kündigungsfrist für den Arbeitgeber habe sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats betragen (§ 622 Abs. 2 Nr. 7 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]), so dass die Kündigung zum 31. August 2018 hätte wirksam werden können. Die Frist berechne sich nach jener Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen sei. Fehle eine solche Kündigung, beginne die Frist mit dem Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 158 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Kläger habe das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2018 beendet. Folglich sei das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet worden, so dass der Anspruch auf Alg von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an grundsätzlich bis zu dem Tag ruhe, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist geendet hätte (§ 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Der Ruhenszeitraum betrage längstens ein Jahr (§ 158 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Nach § 158 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB III könne der Zeitraum verkürzt werden, weil die Entlassungsentschädigung nicht voll, sondern nur anteilig berücksichtigt werde. Der Anteil betrage höchstens 60 Prozent, mindestens aber 25 Prozent der Entlassungsentschädigung. Er verringere sich um fünf Prozent je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses im selben Betrieb und fünf Prozent je fünf Jahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres. Der Kläger sei am Ende des Arbeitsverhältnisses 47 Jahre alt sowie mehr als 20 Jahre im Betrieb beschäftigt gewesen. Die Entlassungsentschädigung werde daher nur zu 30 Prozent berücksichtigt (i.H.v. 11.915,91 Euro). Dieser Anteil der Entlassungsentschädigung sei dem kalendertäglichen Arbeitsentgelt gegenübergestellt worden, das er während seiner letzten Beschäftigungszeit verdient habe. Berücksichtigt worden seien dabei die am Tage des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der letzten 12 Monate (§ 158 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 4 SGB III). Der Kläger habe innerhalb von 337 Kalendertagen ein Arbeitsentgelt von 33.549,20 Euro erzielt. Kalendertäglich seien dies 99,55 Euro. Der Anteil der Entlassungsentschädigung entspreche folglich einem Entgelt für 119 Tage. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe daher wegen der Entlassungsentschädigung im Zeitraum vom 1. März bis 30. Mai 2018. Auch nach dem Ruhenszeitraum könne Alg nicht gezahlt werden, weil der Kläger am 1. April 2018 eine Arbeit aufgenommen habe.

Hiergegen hat der Kläger am 24. Oktober 2018 beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Alg für den Monat März 2018 begehrt.

Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2018 aufgehoben und sie verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. bis 31. März 2018 Alg in gesetzlicher Höhe ausgehend von einem täglichen Bemessungsentgelt in Höhe von 97,91 Euro zu gewähren (Gerichtsbescheid vom 19. August 2022). Die Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung von Alg seien erfüllt. Der Anspruch auf Alg habe im Zeitraum vom 1. bis 31. März 2018 nicht wegen der Abfindung geruht. Zwar habe der Kläger durch seine Kündigung die auch im Falle einer arbeitnehmerseitigen Kündigung maßgebliche Kündigungsfrist für den Arbeitgeber nicht eingehalten. Allerdings führe dies bei Anwendung des § 158 Abs. 2 SGB III nicht zu einem Ruhen. Es sei zu berücksichtigen, dass nach der Abwicklungsvereinbarung wegen des Ausscheidens zum 30. Juni 2018 eine Abfindung sowie zusätzlich bei früherer Beendigung eine weitere Abfindung geschuldet werde. Nur letztere werde wegen der Beendigung zum 31. Januar 2018 geschuldet. Die übrige Abfindung sei wegen der Abwicklungsvereinbarung geschuldet, für welche die vom Arbeitgeber einzuhaltende ordentliche Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 2 BGB eingehalten worden sei. Daher sei nur die wegen des Ausscheidens zum 31. Januar 2018 zusätzlich geschuldete Abfindung für die Berechnung des Ruhenszeitraums maßgeblich. Der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 2018 unter Berücksichtigung der Abfindungshöhe in Gang gesetzte Ruhenszeitraum sei schon vor Eintritt des 1. März 2018 abgelaufen gewesen.

Gegen den ihr am 1. September 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 22. September 2022 Berufung eingelegt. Das SG habe zu Unrecht nur den Anteil der Entlassungsentschädigung berücksichtigt, welcher wegen der Kündigung des Klägers bereits zum 31. Januar 2018 zusätzlich entstanden sei. Aus der gesetzlichen Regelung des § 158 SGB III lasse sich eine nur anteilige Berücksichtigung nicht ableiten bzw. würde dies der Regelung widersprechen. Das würde dazu führen, dass ein Anspruch auf Alg auch für Zeiten bestünde, für die wegen des Laufs der Kündigungsfrist eine Entlassungsentschädigung gezahlt werde. Voraussetzung sei allein, dass zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abfindung ein ursächlicher Zusammenhang bestehe, nicht aber, ob die Abfindung in ursächlichem Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehe (Bezugnahme auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. September 1995 - 11 RAr 41/95 - juris). Soweit entgegen der Rechtsprechung des BSG die Ansicht vertreten werde, Fallgestaltungen, bei denen kein Zweifel daran aufkommen könne, dass die Entlassungsentschädigung in jedem Fall am Ende der ordentlichen Kündigungsfrist in gleicher Höhe zu zahlen sei, weil etwa ein Sozialplan für alle ausscheidenden Arbeitnehmer eine Entlassungsentschädigung vorsehe und der Arbeitnehmer z. B. wegen besonderer Umstände vorzeitig fristlos kündige, überzeuge dies im Hinblick auf die vom Gesetzgeber bewusst gewollte Typisierung nicht (Bezugnahme auf Landessozialgericht [LSG] Bayern, Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 10 AL 265/15 – juris Rn. 20). Das Arbeitsverhältnis des Klägers habe ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist geendet. Wegen der (vorzeitigen) Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe der Kläger einen Anspruch auf Entlassungsentschädigung von insgesamt 39.719,70 Euro gehabt. Unter Beachtung der Dauer der Betriebszugehörigkeit und des Alters des Klägers am Ende des Arbeitsverhältnisses (48 Jahre) sei die Abfindung zu 35 Prozent (= 13.901,89 Euro) anzurechnen gewesen, was zum Ruhen des Alg auch für den Monat März 2018 geführt habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Ansicht des SG, dass ein Ruhen nur bezüglich der durch die Eigenkündigung ausgelösten Abfindungsteile gerechtfertigt sei.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

I. Aufgrund der Zustimmung der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

II. Gegenstand des Verfahrens ist die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 19. August 2022, mit welchem sie verurteilt wurde, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. bis 31. März 2018 Alg in gesetzlicher Höhe ausgehend von einem täglichen Bemessungsentgelt in Höhe von 97,91 Euro zu gewähren. Dies entspräche nach den damals geltenden rechnerischen Abzügen für Lohnsteuer und die Sozialversicherung bei einem hier einschlägigen Leistungssatz von 60 Prozent einem Alg-Anspruch für einen Monat (30 Kalendertage) i.H.v. 1.179,60 Euro.

III. Die Berufung der Beklagten ist danach gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft und ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben worden. Sie ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung ihres Bescheides vom 25. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2018 zur Gewährung von Alg für den Monat März 2018 an den Kläger verurteilt. Dessen Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und 4 SGG) ist vielmehr unbegründet, weil der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Die Gewährung von Alg für den Monat März 2018 war abzulehnen. Ein Anspruch auf Alg ist zwar dem Grunde nach ab 1. März 2018 entstanden, ruht aber insbesondere für den Monat März 2018, so dass kein Zahlungsanspruch besteht.

1. Der Anspruch auf Alg ist dem Grunde nach ab 1. März 2018 gemäß § 137 Abs. 1 SGB III entstanden. Danach hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Der Kläger erfüllte diese Voraussetzungen für den Monat März 2018. Er war in diesem Zeitraum ohne Beschäftigung, um die Beendigung der eigenen Beschäftigungslosigkeit bemüht und stand den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung und war damit i.S.d. § 138 Abs. 1 SGB III arbeitslos und er hatte sich bei der Beklagten mit Wirkung zum 1. März 2018 arbeitslos gemeldet. Er hatte die gemäß § 142 SGB III erforderliche Anwartschaftszeit der Beschäftigung von mindestens zwölf Monaten innerhalb der Rahmenfrist nach § 143 Abs. 1 SGB III aufgrund der Vorbeschäftigungszeiten erfüllt.

2. Allerdings folgt hieraus kein Zahlungsanspruch für den Monat März 2018, weil der Anspruch des Klägers auf Alg in diesem Zeitraum aufgrund des Erhalts einer Entlassungsentschädigung ruhte.

Nach § 158 Abs. 1 SGB III in der seit 1. Januar 2017 geltenden Fassung ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der Kündigungsfrist geendet hätte, wenn der Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei

1.         zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten,

2.         zeitlich begrenztem Ausschluss oder Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne

           den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre.

 

Kann der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr.

Der Anspruch auf Alg ruht gemäß § 158 Abs. 2 SGB III längstens ein Jahr und (Satz 2) nicht über den Tag hinaus,

1.         bis zu dem die oder der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in

           Höhe von 60 Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte,

2.         an dem das Arbeitsverhältnis infolge einer Befristung, die unabhängig von der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden hat,

           geendet hätte, oder

3.         an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können.

Der nach Satz 2 Nr. 1 zu berücksichtigende Anteil der Entlassungsentschädigung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je fünf Prozent; er beträgt nicht weniger als 25 Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung. Letzte Beschäftigungszeit sind die am Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der letzten zwölf Monate.

Hintergrund der Regelungen ist Annahme, dass bei vorzeitiger Beendigung die Abfindung o.ä. den an sich bei Einhaltung der Kündigungsfrist zustehenden Lohn abgilt. Leistungen der Versichertengemeinschaft sind nicht gerechtfertigt, soweit trotz Arbeitslosigkeit Lohn gewährt wird. Deswegen regelt § 157 SGB III für diesen Fall das Ruhen des Alg-Anspruchs. § 158 SGB III greift die vergleichbare Situation auf, dass anstatt des an sich für die Zeit nach der Kündigung zustehenden Lohns eine Abfindung gewährt wird (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 1981 – 7 RAr 94/79 – juris, BSG, Urteil vom 29. Oktober 1986 – 7 RAr 48/85 – juris). Durch diese „Umwandlung“ von Lohn sollen den Versicherten keine Vorteile im Sinne eines Doppelbezugs von Alg und Lohnabfindung bzw. der Versichertengemeinschaft keine Nachteile entstehen.

a) Der Kläger hat eine Entlassungsentschädigung i.S.d. § 158 Abs. 1 SGB III erhalten. Hierunter sind alle Leistungen zu verstehen, die für die Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses wegen dessen Beendigung gezahlt werden (vgl. Bender in: BeckOGK [Stand 1. März 2019], § 158 SGB III Rn. 32 - beck-online). Die Bezeichnung der Leistung ist nicht entscheidend und sie muss auch nicht unmittelbar vom Arbeitgeber geleistet werden. Es muss nur ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Gewährung der Leistung bestehen (vgl. Düe in: Brand, SGB III, 9. Aufl. 2021, § 158 Rn. 7).

Der Kläger hat hier unstreitig wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber Zahlungen i.H.v. 27.847,72 Euro zuzüglich einer „Turboprämie“ i.H.v. 5.569.54 Euro und einer „Sprinterprämie“ i.H.v. 6.302,44 Euro (insgesamt 39.719,70 Euro) erhalten. Dies ergibt sich aus der Bestätigung des Arbeitgebers.

Diese Entlassungsentschädigung bleibt relevant, obwohl der Kläger nicht unmittelbar anschließend an das Wirksamwerden seiner Eigenkündigung arbeitslos wurde bzw. sich entsprechend arbeitslos gemeldet bzw. Alg beantragt hat. Denn das Ruhen nach § 158 SGB III wirkt unabhängig davon, wann der Anspruch auf Alg geltend gemacht wird und beginnt immer mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, für das die Abfindung gezahlt wird und nicht mit dem Ende eines späteren Arbeitsverhältnisses (vgl. BSG, Urteil vom 15. Februar 2000 – B 11 AL 45/99 R – juris Rn. 18).

Es handelte sich auch nicht um eine Abfindung nach § 1a des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), welche nicht als Entlassungsentschädigung gelten würde (vgl. BSG, Urteil vom 8.  Dezember 2016 – B 11 AL 5/15 R – juris Rn. 23 ff.).

b) Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers. Die ordentliche Kündigungsfrist ist unabhängig davon beachtlich, wie das Arbeitsverhältnis beendet wurde (z.B. durch Kündigung, Aufhebungsvertrag, Vergleich usw.) und von welcher Seite die Initiative hierzu ergriffen worden ist, d.h. wer beispielsweise die Kündigung ausspricht (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 1991 – 7 RAr 68/90 – juris Rn. 29). Gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB wäre bei einer Betriebszugehörigkeit von hier mehr als 15, aber unter 20 Jahren mindestens eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende des Kalendermonats zu beachten gewesen. Diese Frist wahrte die mit Schreiben vom 17. Januar 2018 zum 31. Januar 2018 ausgesprochene Kündigung des Klägers auch unter Berücksichtigung der bereits am 30. November 2017 ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung nicht. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass für den Arbeitgeber aufgrund tarifvertraglicher oder sonstiger Regelungen eine entsprechende Verkürzung der gesetzlichen Kündigungsfrist auf weniger als einen Monat gegolten hatte.

c) Der nach § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III notwendige Kausalzusammenhang („wegen“) zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Nichteinhaltung der Kündigungsfrist und den Zahlungen des Arbeitgebers besteht.

Vorliegend werden die Zahlungen vom Arbeitgeber als im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeits-/Beschäftigungsverhältnisses erbracht bezeichnet. Hiergegen sind vom Kläger keine Einwände erhoben worden. Sie beruhen danach zur Überzeugung des Gerichts gemäß § 3 der Abwicklungsvereinbarung auf dem Sozialplan vom 25. Oktober 2017 und ergänzend auf § 1 Abs. 2 der Abwicklungsvereinbarung vom 30. November 2017 und nicht auf einer Abgeltung von Ansprüchen, die unabhängig von der Kündigung bestanden (z.B. Urlaubsabgeltung usw.).

Neben dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zuwendung ist kein besonderer bzw. spezifischer Zusammenhang zwischen der Vorzeitigkeit der Kündigung und den Abfindungsansprüchen erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 21. September 1995 – 11 RAr 23/95 – juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 21. September 1995 – 11 RAr 41/95 – juris Rn. 25; BSG; Urteil vom 14. März 1996 – 7 RAr 24/95 – juris Rn. 19). Entlassungsentschädigungen sind auch dann beachtlich, wenn sie unabhängig von der Vorzeitigkeit der Kündigung, d.h. auch bei Einhaltung der Kündigungsfrist zu zahlen gewesen wären. Folglich ist nicht zu prüfen, ob eine Zuwendung im Einzelfall ausnahmsweise nicht dem Lohnausfall entspricht, der durch die vorzeitige Kündigung entsteht (vgl. BSG, Urteil vom 21. September 1995 – 11 RAr 23/95 – juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 14.  März 1996 – 7 RAr 24/95 – juris Rn. 19). Der darauf hinauslaufenden Ansicht des SG, ein Ruhen sei bei (teilweise) fehlender spezifischer Kausalität zwischen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Teilen der Abfindung nicht gegeben (in diese Richtung LSG Hessen, Urteil vom 18. Juli 1990 – L 6 Ar 603/89 – juris Rn. 25 zu einem allerdings anders gelagerten Sachverhalt; ebenso Bender in: BeckOGK [Stand 1. März 2019], § 158 SGB III Rn. 41 f. - beck-online) ist daher nicht zu folgen (wie hier Schmitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Aufl. [Stand: 15. Januar 2023], § 158 Rn. 24; Scholz in: Heinz/Schmidt-De Caluwe/Scholz, SGB III, 7. Aufl. 2021, § 158 Rn. 24; Valgolio in: Hauck/Noftz [Stand 2. Ergänzungslieferung 2025], § 158 SGB III Rn. 43).

d) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht insbesondere für den Monat März 2018. Das Ruhen reicht unabhängig von der Arbeitslosigkeit bzw. Geltendmachung des Anspruchs auf Alg (s.o.) im Grundsatz von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an, aus dem die Entlassungsentschädigung herrührt, bis zu dem Tag, an dem dieses Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist geendet hätte (§ 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Bei der hier maßgeblichen ordentlichen Kündigungsfrist hätte eine Arbeitgeberkündigung zu dem Zeitpunkt, als der Kläger seine Eigenkündigung ausgesprochen hat (Januar 2018), frühestens zum Ende des Juli 2018 erfolgen können, so dass der Anspruch auf Alg bis dahin ruhen würde. Aus der Berücksichtigung der bereits am 30. November 2018 fristgemäß erfolgten Arbeitgeberkündigung zum 30. Juni 2018 kann sich allenfalls eine Verkürzung bis zu diesem Datum ergeben. Auch verkürzt sich der Ruhenszeitraum nicht wegen der Regelungen in § 158 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 SGB III über die Einrechnung der Höhe der Entlassungsentschädigung usw. auf einen Zeitpunkt vor dem 31. März 2018. Legt man die Dauer des Arbeitsverhältnisses von mehr als 15, aber weniger als 20 Jahren zugrunde, ergibt sich eine Anrechnung von 35 Prozent der Entlassungsentschädigung (13.901,90 Euro). Aber selbst wenn man mit der Beklagten – ausgehend von einem mehr als 20jährigen Arbeitsverhältnis – nur 30 Prozent der Entschädigung anrechnet (11.915,91 Euro), ergeben sich 119 Ruhenstage. Hierzu wird auf die Berechnung der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 20. September 2018 verwiesen. Ausgehend vom Ende des Arbeitsverhältnisses, aus dem die Entlassungsentschädigung herrührt, also dem 31. Januar 2018, ruhte der Anspruch damit jedenfalls im gesamten Monat März 2018. Anhaltspunkte für eine noch weitere Verkürzung i.S.d. § 158 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB III bestehen nicht.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

V. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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