S 14 KR 352/22

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 14 KR 352/22
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 221/23
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 13/25 R
Datum
-
Kategorie
Urteil


Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.


Tatbestand

Die Klägerin verlangt die vollständige Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.

Im Krankenhaus der Klägerin wurde vom 2.4.2019 bis zum 12.6.2019 ein bei der beklagten Krankenkasse versicherter Patient behandelt (D., geb. 2019). Der Patient wurde im Krankenhaus der Klägerin geboren.

Die Klägerin stellte den Fall in Höhe von 69.657,07 Euro in Rechnung und legte die Fallpauschale P04A zugrunde (Neugeborenes, Aufnahmegewicht 1500 - 1999 g mit sig. OR-Prozedur oder Beatmung > 95 Stunden, mit mehreren schweren Problemen oder mehrzeitigen komplexen OR-Prozeduren, mit Beatmung > 240 Stunden oder temporärer Verschluss eines Bauchwanddefektes; Rechnung vom 29.7.2019). Als Hauptdiagnose verschlüsselte sie P07.3 (Sonstige vor dem Termin Geborene), einige Nebendiagnosen und unter anderem die Prozeduren 8-714.02 (Spezialverfahren zur maschinellen Beatmung bei schwerem Atemversagen. Dauer der Behandlung 96 oder mehr Stunden), 8-701 (Einfache endotracheale Intubation), 8-711.20 (Maschinelle Beatmung und Atemunterstützung bei Neugeborenen und Säuglingen. Assistierte Beatmung. Bei Neugeborenen <1. bis 28. Lebenstag>) sowie zwei Mal 5-460.40 (Anlegen eines Enterostomas, doppelläufig, als selbständiger Eingriff. Deszendostoma. Offen Chirurgisch).

Die Beklagte zahlte zunächst und beauftragte sodann den MDK mit der Prüfung des Falles. Der MDK zeigte an, dass er den Fall im Hinblick auf die oben genannten mit der Beatmung und dem Anlegen des Enterostomas assoziierten Prozedurkodes sowie die Erforderlichkeit der Prozedur 8-714.02 im Wege einer Begehung prüfen werde (Prüfanzeige vom 16.8.2019; Eingang bei der Klägerin am 19.8.2019). 

Etwa sechs Monate nach dieser Ankündigung forderte der MD näher bezeichnete Unterlagen von der Klägerin für die bereits benannten Prüfgegenstände an (Unterlagenanforderung vom 7.4.2020). Hintergrund des Wechsel von einer Vor-Ort-Prüfung zu einer Prüfung nach Aktenlage war die aufgrund der zwischenzeitlich ausgebrochenen Corona-Pandemie abgeschlossene Ergänzungsvereinbarung zur Übergangsvereinbarung zur Prüfverfahrensvereinbarung, die in ihrem Art. 2 Nummer 1 einen derartigen Wechsel vorsieht.

Nachdem die Klägerin keine Unterlagen vorgelegt hatte, ließ die Beklagte durch ihr Abrechnungszentrum mitteilen, dass der MD den Gutachtenauftrag wegen nichteingereichter Unterlagen zurückgegeben habe und dass ein Anspruch nur in Höhe des unstreitigen Rechnungsbetrages bestehe, bezeichnete die ausdrücklich wiedergegebenen Prozedurkodes aus der Prüfanzeige als strittige Punkte und teilte einen Erstattungsanspruch in Höhe von 14.756,45 Euro mit (elektronische Nachricht vom 6.11.2020). 

Die Beklagte zahlte nach Ankündigung am 15.12.2020 in einem unstreitigen Fall unter Abzug des mitgeteilten Erstattungsanspruchs, den die Klägerin zuvor nicht befriedigt hatte.

Die Klägerin hat am 4.11.2022 Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor, dass ein Erstattungsanspruch aufgrund der Ausschlussfrist nach der PrüfvV nicht bestehe und die Aufrechnung formell mangels ordnungsgemäßer Leistungsentscheidung unwirksam sei. Maßgeblich sei die im Oktober 2020 abgelaufene Ausschlussfrist von 14 Monaten, weil es sich um eine Prüfung nach Begehung gehandelt habe. Zu einer Prüfung im schriftlichen Verfahren habe nach Ablauf der Prüffrist von 6 Wochen nicht mehr gewechselt werden dürfen, sodass die zweite Prüfanzeige und Unterlagenanforderung unbeachtlich seien. Insbesondere bedinge die Ergänzungsvereinbarung zur Übergangsvereinbarung zur PrüfvV 2016 die 6-Wochen-Frist nicht ab. Mit der Pandemie könne hier der Wechsel der Durchführung des Prüfverfahrens nicht begründet werden, weil die Vor-Ort-Prüfung lange vor Ausbruch der Pandemie angezeigt worden sei. Außerdem sei die Leistungsentscheidung unzureichend, weil die wesentlichen Gründe nicht mitgeteilt worden seien, insbesondere nicht die maßgebliche Fallpauschale.

Die Klägerin beantragt, 
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 14.756,45 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2020 zu zahlen. 

Die Beklagte beantragt, 
die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass es sich um eine Prüfung im schriftlichen Verfahren gehandelt habe, weil die Ergänzungsvereinbarung zur Übergangsvereinbarung zur Prüfverfahrensvereinbarung ausdrücklich einen unkomplizierten Wechsel der Prüfart erlaube, sodass die Frist von 16 Monaten maßgeblich sei.

Die Kammer hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet, weil die vom MD angeforderten Unterlagen präkludiert sind und der Anspruch nicht auf andere Weise ohne Umgehung der Präklusion nachgewiesen werden kann. Die fristgerechte Leistungsentscheidung ist nicht zu beanstanden. Die Aufrechnung ist ordnungsgemäß erfolgt.

1. Streitgegenstand ist, ob die Vergütungsforderung im unstreitigen Fall durch Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch im streitigen Fall teilweise erfüllt wurde.

2. Die Sachentscheidungsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zulässigerweise mit der reinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG).

3. Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch im unstreitigen Fall sind die Vorschriften der § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 KHEntgG und § 17b KHG i. V. m. mit der maßgeblichen Fallpauschalenvereinbarung (dazu BSG vom 20.1.2021 – B 1 KR 31/20 R, SozR 4-2500 § 109 Nr. 84, SozR 4-5562 § 9 Nr. 20, Rn. 14). Rechtsgrundlage für die Verrechnung, eine Aufrechnung nach §§ 387 ff. BGB, ist § 69 SGB V i. V. m. mit den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (BSG vom 25.10. 2016 – B 1 KR 7/16 R, SozR 4-7610 § 366 Nr. 1 Rn. 10 ff.). Die Aufrechnung setzt voraus, dass es sich um gleichartige, fällige bzw. bewirkbare Leistungen handelte, Gläubiger und Schuldner jeweils identisch sind und keine Aufrechnungsverbote bestehen. Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass es eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung zu Lasten der Beklagten gegeben hat. 

Ob die Klägerin den Fall richtig kodiert hat und die Behandlungsmaßnahmen erforderlich waren, bedarf keiner Entscheidung mehr. Das Gericht darf zur Stützung der streitigen Prozedurkodes die vom MD angeforderten Unterlagen und etwaige weitere Unterlagen aus der Patientenakte, die zur Stützung des Anspruchs erforderlich sind, nicht mehr heranziehen, weil sie präkludiert sind (Punkt 4). Angesichts der Präklusion der angeforderten Unterlagen und sonstiger zur Stützung des Anspruchs vom Krankenhaus vorzulegender Urkunden kann sich das Gericht keine Überzeugung von der Begründetheit der streitigen Prozedurkodes bilden, was zulasten der Klägerin geht. (Punkt 5). Die Leistungsentscheidung ist inhaltlich und verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (Punkt 6). Sie erfolgte fristgerecht (Punkt 7). Die Aufrechnung ist nicht zu beanstanden (Punkt 8).

4. Die vom MD angeforderten Unterlagen sind präkludiert. Nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 in der Fassung der Übergangsvereinbarung vom 10.12.2019 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 2.4.2020, dort Art. 2 Nummer 2 gilt eine Frist von 28 Wochen für die Übermittlung der Unterlagen, also von etwa 7 Monaten. Die Frist begann am 7.4.2020 zu laufen und endete am 20.10.2020. Die Unterlagen gingen überhaupt nicht beim MD ein. Nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 i. V. m. Art. 2 Nummer 2 der Ergänzungsvereinbarung sind die Unterlagen präkludiert. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Frist nach § 7 Abs. 5 PrüfvV i. V. m. Art. 2 Nummer 2 Ergänzungsvereinbarung maßgeblich, weil ein Wechsel der „Prüfart“ (Begehung bzw. schriftliches Verfahren) innerhalb der Ausschlussfrist jedenfalls nach Art. 2 Nummer 1 der Ergänzungsvereinbarung ohne weiteres möglich ist. Die Auffassung, dass ein Wechsel der „Prüfart“ nur innerhalb der 6-Wochen-Frist möglich ist, findet in der Rechtsprechung des BSG keine Stütze (Punkt a). Die Anforderung, innerhalb von 6-Wochen die „Prüfart“ mitzuteilen, ergibt sich nicht aus der PrüfvV 2016 (Punkt b). Ein Wechsel ist jedenfalls in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung möglich (Punkt c). Mit höherrangigem Recht ist dies vereinbar (Punkt d). Ob die Durchführung der Vor-Ort-Prüfung allein durch die Pandemie oder auch durch vorher gegebene Verzögerungen auf Seiten des MDK erschwert wurden, ist unerheblich (Punkt e).

a) Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des BSG stützt die Auffassung der Klägerin nicht. Soweit das BSG in B 1 KR 32/20 R (dort Rn. 15) ausgeführt hat, dass ein Wechsel innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1c SGB V möglich sei, kann daraus nicht gefolgert werden, dass der Wechsel nach Ablauf der Frist ausgeschlossen sei. Denn insoweit hätte das BSG keinen tragenden Rechtssatz aufstellen können, weil die Frist im dort entschiedenen Fall eingehalten war. Das Urteil zu B 1 KR 19/21 R erlaubt nur den Schluss, dass nach Ablauf der 6-Wochen-Frist kein Prüfverfahren eingeleitet werden darf. Zu „Prüfarten“ verhält sich das Urteil nicht. Jedenfalls treffen diese Entscheidungen keine Aussage zur Ergänzungsvereinbarung zur Übergangsregelung, der Fall zu B 1 KR 32/20 R betraf einen Behandlungsfall aus dem Jahr 2015, der Fall zu B 1Kr 19/21 R betraf einen Behandlungsfall aus dem Jahr 2018.

b) Die PrüfvV 2016 macht keine Vorgaben dazu, innerhalb welcher Frist die Art der Durchführung der Prüfung angezeigt werden muss, jedenfalls wäre eine 6-Wochen-Frist ab Stellung der Rechnung mit den Regelungen der PrüfvV nicht vereinbar:

Zunächst regelt § 4 PrüfvV 2016, dass die Krankenkasse innerhalb von 6 Wochen ab Rechnungstellung die Fallprüfung anzuzeigen hat und gleichzeitig den Prüfgegenstand mitzuteilen hat (z. B. primäre Fehlbelegung). Nach Ablauf des Vorverfahrens kann die Krankenasse entscheiden, den MDK zu beauftragen (§§ 5 f. PrüfvV 2016). Der MDK ist innerhalb von 12 Wochen nach Einleitung des Prüfverfahrens zu beauftragen, wobei sich die Frist bei Durchführung eines Falldialogs entsprechend verlängert (§ 6 Abs. 2 Satz1 und Satz 2 PrüfvV 2016). Nach § 6 Abs. 3 PrüfvV 2016 wiederum ist innerhalb von zwei Wochen durch den MDK seine Beauftragung anzuzeigen und der Prüfgegenstand ist mitzuteilen.

Erst nach dieser Anzeige verständigen sich das Krankenhaus und der MD auf die Art der Durchführung der Prüfung, nämlich als Vor-Ort-Prüfung (Begehung) oder als Prüfung im schriftlichen Verfahren. Zu diesem Zeitpunkt ist die 6-Wochen-Frist jedoch des § 275c Abs. 1c SGB V längst abgelaufen.

c) Jedenfalls die Ergänzungsvereinbarung erlaubt einen Wechsel der Durchführung der Prüfart. § 7 PrüfvV 2016 kann so ausgelegt werden, dass nach einer Verständigung der Beteiligten am Prüfverfahren bzw. einer Entscheidung des MDK die Durchführung der Prüfart nicht mehr geändert werden kann. Selbst wenn dies der Fall wäre, so erlaubt jedenfalls Art. 2 Nummer 1 der Ergänzungsvereinbarung ausdrücklich einen Wechsel der Durchführung der Prüfung. Dabei nimmt die Vorschrift explizit Bezug auf bereits bis zum 31.12.2019 eingeleitete Prüfungen. Allein hieraus ergibt sich, dass die Vertragsparteien eine vermeintliche Bindung an eine 6-Wochen-Frist für den Wechsel der Durchführung der Prüfart nicht wollten. Denn im April 2020 wäre diese Frist für die bis zum 31.12.2019 eingeleiteten Prüfungen längst abgelaufen.

d) Mit höherrangigem Recht ist Art. 2 Nummer 1 PrüfvV vereinbar. 

aa) Insbesondere ergibt sich aus § 17c Abs. 2 KHG nicht, dass die Durchführung der Prüfung im Prüfverfahren nicht geändert werden könnte. § 275c Abs. 1c SGB V enthält ebenfalls kein Gebot, eine bestimmte Art der Durchführung der Prüfung mit bindender Wirkung innerhalb von 6 Wochen mitzuteilen. Anzuzeigen ist lediglich, dass und weshalb geprüft wird. Selbst wenn § 275c Abs. 1c SGB V ein Verbot des Wechsel der „Prüfart“ enthalten sollte, erlaubt § 17c Abs. 2 KHG ausdrücklich Abweichungen der PrüfvV von § 275c Abs. 1c SGB V.

bb) Weiterhin ist die Änderung mit Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 GG, namentlich dem Rechtsstaatsgebot vereinbar. Dem Rechtsstaatsgebot kann ein Vertrauensschutz in verfahrensrechtliche Regelungen entnommen werden, wenn eine schützenswerte Rechtsposition erworben wurde (BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 2 BvR 1631/90 –, BVerfGE 87, 48-68, Rn. 42): 
2. a) Die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, die für jedermann gelten (vgl. BVerfGE 30, 367 <386>; 51, 356 <362>), sind als verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstäbe auch dann heranzuziehen, wenn der Gesetzgeber auf eine bislang gegebene verfahrensrechtliche Lage, in der ein Prozeßbeteiligter sich befindet, einwirkt (vgl. BVerfGE 63, 343 <358 f.>). Das Vertrauen in den Fortbestand verfahrensrechtlicher Regelungen ist von Verfassungs wegen zwar weniger geschützt als das Vertrauen in die Aufrechterhaltung materieller Rechtspositionen; im Einzelfall aber können verfahrensrechtliche Regelungen ihrer Bedeutung und ihres Gewichts wegen in gleichem Maße schutzwürdig sein wie Positionen des materiellen Rechts. Verfahrensregelungen kommt in sehr unterschiedlicher Weise Bedeutung und Gewicht zu. Nicht selten enthält Verfahrensrecht bloße ordnungsrechtliche, technische Prozeßführungsregeln; es kann aber auch, zumal bei bereits anhängigen Verfahren, Rechtspositionen gewähren, die in ihrer Schutzwürdigkeit materiell-rechtlichen Gewährleistungen vergleichbar sind (vgl. BVerfGE 63, 343 <359>).

Eine derartig verfestigte Rechtsposition ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Ausschlussfrist des § 8 PrüfvV 2016 bereits abgelaufen ist. Denn dann ist das Prüfverfahren spätestens abgeschlossen. Auch abgelaufene Präklusionsfristen dürften nicht verlängert werden, auch wenn eine Grundrechtsbetroffenheit der insoweit begünstigten Krankenkassen nicht in Betracht kommen dürfte.

Eine in diesem Maße verfestigte Rechtsposition hatte die Klägerin noch nicht erlangt. Die Ausschlussfrist war noch nicht abgelaufen. 

cc) Die Möglichkeit, einen Wechsel der Durchführung der Prüfung zu erlauben, war auch mit Art. 2 GG i. V. m. dem Übermaßverbot vereinbar. Es handelte sich um eine geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um das legitime Ziel, die finanziellen Interessen der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zu sichern, zu erreichen. Prüfungen vor Ort wären in Krankenhäusern zu Beginn der Pandemie zunächst nur erschwert und auch nur mit entsprechendem Gesundheitsrisiko der Beschäftigten des MD, der Klägerin und der Patienten möglich gewesen. Die Regelung dient damit offensichtlich auch dem Schutz ihrer Gesundheit. Angesichts dessen ist es zumutbar, dass in nicht abgeschlossenen Prüfverfahren ein Wechsel der Durchführung der Prüfung erlaubt wird. Durch die großzügigen Fristen für die Vorlage der Unterlagen wird den Interessen der Krankenhäuser hinreichend Rechnung getragen.

e) Unerheblich ist, ob allein der Ausbruch der Pandemie die Vor-Ort-Prüfung verhinderte oder ob bei zeitgerechter Durchführung der Vor-Ort-Prüfung der MD(K) der Pandemie hätte zuvorkommen können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die PrüfvV keine Fristen für die Durchführung der Begehung vorsieht. Der MD(K) kann die Ausschlussfrist des § 8 PrüfVV 2016 nahezu ausschöpfen. Die Frist von 11 Monaten nach § 8 PrüfvV 2016 ab Eingang der Prüfanzeige war noch nicht abgelaufen. Sie begann am 19.8.2019 und wäre am 19.7.2020 abgelaufen. Die Pandemie brach etwa nach der Hälfte der Frist aus. 

5. Die Klägerin kann ihren Anspruch durch die präkludierten Unterlagen nicht mehr geltend machen. Die Präklusion erstreckt sich auch auf weitere offensichtlich erforderliche, aber nicht angeforderte Unterlagen (§ 7 Abs. 2 Satz 3 und Satz 5 PrüfvV 2016). Angesichts dessen ist es zur Überzeugung der Kammer unmöglich, die Erforderlichkeit der Beatmung und die Richtigkeit und Erforderlichkeit der mit der Beatmung assoziierten OPS nachzuweisen und die Korrektheit der die Enterostomaverlegung abbildenden Kodes zu belegen. Die Unklarheit geht zu Lasten der Klägerin (BSG vom 10.11.2021 – B 1 KR 16/21 R, SozR 4-2500 § 275 Nr. 34, Rn. 38).

6. Die Leistungsentscheidung ist hinreichend konkret, weil sie den Erstattungsbetrag beziffert und die wesentlichen Gründe, nämlich die Streichung der strittigen OPS-Kodes aufgrund nicht vorgelegter Unterlagen, benennt. Die DRG war nicht zu benennen. Von professionellen Akteuren im Krankenhauswesen kann erwartet werden, die zutreffende Fallpauschale durch Anwendung einschlägiger Groupersoftware zu ermitteln. Die zu streichenden Kodes wurden schließlich benannt. Es ist auch erläutert worden, weshalb diese Kodes gestrichen wurden, nämlich aufgrund nicht vorgelegter Unterlagen.

7. Die Leistungsentscheidung erfolgte fristgerecht. Maßgeblich ist nach Art. 2 Nummer 2 Satz 2 i. V. m. Art. 2 Nummer 4 Ergänzungsvereinbarung die Frist von 16 Monaten gerechnet vom Eingang der ersten Prüfanzeige am 19.8.2019. Diese Frist ist mit der Leistungsentscheidung vom 6.11.2020 gewahrt. Die Frist von 16 Monaten wäre am 19.12.2020 abgelaufen. 

Die Frist nach Art. 2 Nummer 4 ist maßgeblich, weil Art. 2 Nummer 4 für alle Prüfungen gilt, für welche die Unterlagenübermittlungsfrist von 28 Wochen gem. Art. 2 Nummer 2 Ergänzungsvereinbarung gilt. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob die Frist von 28 Wochen unmittelbar nach Art. 2 Nummer 2 Satz 1 gilt oder, ob sie sich aus Art. 2 Nummer 2 Satz 2 Ergänzungsvereinbarung ergibt. 

8. Die Aufrechnung ist angesichts der formell und fristgerechten Leistungsentscheidung wirksam erklärt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
 

Rechtskraft
Aus
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