S 12 U 21/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 12 U 21/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 45/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil


1.    Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13.09.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 11.01.2018 verurteilt, den Bescheid vom 21.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2016 zurückzunehmen und das Ereignis vom 02.02.2016 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

2.    Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung des Ereignisses vom 02.02.2016 als Arbeitsunfall.

Die 1966 geborene und in A-Stadt wohnende Klägerin war als angestellte Software-Entwicklerin in der IT-Abteilung der D.bank AG in C-Stadt beschäftigt. Am 20.09.2007 schloss sie mit ihrer Arbeitgeberin eine Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag. Darin wurde es der Klägerin ab dem 01.12.2007 ermöglicht, die ihr obliegende Arbeitsverpflichtung ganz bzw. teilweise nach Abstimmung mit ihrem Vorgesetzten außerhalb des betrieblichen Arbeitsplatzes zu erbringen. Nach Nr. 3 der Vereinbarung stellte die Klägerin den Raum für die Einrichtung des außerbetrieblichen Arbeitsplatzes kostenlos zur Verfügung und richtete den Arbeitsplatz mit Büromöbeln selber ein. Alle technischen Einrichtungsgegenstände, insbesondere die DV-technischen Geräte wurden von der Bank kostenlos zur Verfügung gestellt und in einer Inventarliste festgehalten. Die Wartung der technischen Geräte erfolgte ebenfalls durch die Bank. Nach Nr. 7 des Vertrages hatte die Klägerin allen Personen Zutritt zu ihrem außerbetrieblichen Arbeitsplatz zu gestatten, soweit hierfür aus gesetzlichen, tariflichen oder betrieblichen Gründen eine Notwendigkeit bestand. Außer in Notfällen oder wenn besondere Umstände es erforderten, hatte vor dem Zutritt zum außerbetrieblichen Arbeitsplatz eine Terminvereinbarung mit der Klägerin zu erfolgen. Eine Kontrolle durch die Arbeitgeberin fand allerdings zu keinem Zeitpunkt statt. Seit 2011 arbeitete die Klägerin an drei Tagen in der Woche in ihrem separaten Arbeitszimmer zu Hause. Neben den Büromöbeln befand sich in dem Arbeitszimmer noch ein Bett, welches ihre pflegebedürftige Mutter zeitweise nutzte, um nicht im Haus alleine zu sein. Etwa drei Meter von dem Arbeitszimmer entfernt den Flur entlang befindet sich die Toilette. Zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin bestand eine Gleitzeitregelung, wonach die Klägerin zwischen 6:00 Uhr und 19:00 Uhr über einen Zeitraum von 7 Stunden und 48 Minuten arbeiten musste. Zum Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit sowie für eine etwaige Pause musste sie sich gemäß den Vorgaben der Personalabteilung mithilfe eines Tools an- bzw. abmelden. Die Klägerin erhielt von ihrer Arbeitgeberin Arbeitsaufträge, die sie in ihrem Homeoffice abarbeitete. Die Kommunikation mit den Vorgesetzten und Kollegen erfolgte telefonisch oder per E-Mail.

Am 02.02.2016 hatte die Klägerin bereits ab etwa 8:00 Uhr ihre Arbeitstätigkeit im Homeoffice aufgenommen und ohne Pause an mehreren Telefonkonferenzen teilgenommen. Zuletzt fand eine länger andauernde berufliche Telefonkonferenz mit mehreren Teilnehmern und ihrem Vorgesetzten statt, während der ihr unbemerkt das linke Bein einschlief. Da die Klägerin bereits während der Telefonkonferenz das dringende Bedürfnis gehabt hatte, die Toilette aufzusuchen, wollte sie nach Beendigung der Telefonkonferenz gegen 14 Uhr schnell aufstehen, um zu der Toilette zu gehen. Hierzu drehte sie sich mit dem Stuhl vom Schreibtisch weg und erhob sich mithilfe der Armlehnen aus dem Drehstuhl. Während dieses Vorgangs bemerkte sie nicht sofort, dass ihr Bein in der Zwischenzeit aufgrund des langen Sitzens eingeschlafen war. Als sie den Fuß schließlich belasten wollte, knickte sie mit dem linken Bein um und stürzte gegen die geöffnete Tür. Dabei zog sie sich eine pilon-tibiale Fraktur zu. Der Durchgangsarzt Dr. E. beschrieb am Unfalltag eine deutliche Schwellung des distalen Unterschenkels.

Die Beklagte nahm die Ermittlungen auf. Nach Prüfung der Unfallschilderung lehnte sie mit Bescheid vom 21.03.2016 die Anerkennung des Ereignisses vom 02.02.2016 als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, nach der Unfallschilderung fehle es an einem plötzlichen äußeren Ereignis. Die erlittenen Verletzungen seien vielmehr auf eine innere Ursache in Form des Einschlafens und Wegknickens des Beines zurückzuführen. Das Bein sei bereits gebrochen gewesen, bevor sie zu Boden gestürzt sei. Die Verletzungen seien daher auf eine innere Ursache zurückzuführen. Hiergegen legte die Klägerin am 11.04.2016 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, es mache keinen Unterschied, ob der Unfall in der Bank in C-Stadt oder im Homeoffice passiert ist, da sie laut ihrem Arbeitsvertrag sowohl in C-Stadt als auch in A-Stadt arbeite. Sie leide laut Dr. Vorberg auch nicht an Osteoporose, welche geeignet wäre, solche Brüche zu verursachen. In einer eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 05.09.2016 kam F. zu der Einschätzung, dass eine solche Komplexfraktur des Unterschenkels durchaus durch einen solchen Sturz eintreten könnte. Unfallfremde Faktoren wie eine Osteoporose seien aufgrund der festgestellten regelrechten Spongiosastruktur auszuschließen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2016 als unbegründet zurück und führte zur Begründung ergänzend aus, Ursache der Fraktur sei nicht die versicherte Bürotätigkeit gewesen, sondern das eingeschlafene Bein, bei dem es sich um eine körpereigene Ursache handele. Da die Klägerin nicht bemerkt habe, dass ihr Bein eingeschlafen war, sei sie falsch aufgetreten, wodurch das Bein gebrochen und sie gestürzt sei. Es habe keine betrieblichen Einwirkungen gegeben, welche das Unfallereignis mitverursacht hätten. Selbst wenn das Unfallereignis nicht aufgrund einer inneren Ursache, sondern einer versicherten Tätigkeit geschehen wäre, hätte kein Versicherungsschutz bestanden. Nach neuester Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 05.07.2016 (B 2 U 5/15 R) seien Wege im Homeoffice von und zur Toilette oder Küche nicht gesetzlich unfallversichert, da derlei Wege eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit darstellten. Anders als im betrieblichen Bereich, bei dem Wege von und zur Toilette versichert sind, unterlägen Mitarbeiter im Homeoffice keinen betrieblichen Vorgaben oder Zwängen, sodass auch eine betrieblichen Interessen dienende Tätigkeit zu Hause in einer Wohnung nicht den Charakter der privaten, nicht versicherten Lebenssphäre, nehme. Daher sei das vom häuslichen und damit persönlichen Lebensbereich ausgehende Unfallrisiko den Versicherten und nicht dem Unfallbetrieb zuzurechnen.

Mit Schreiben vom 03.07.2017 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Ablehnung des Arbeitsunfalls. Dr. F. habe beweisen können, dass ihr Unfall nicht aufgrund einer inneren Ursache zustande gekommen sei. Sie bitte daher, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Mit Bescheid vom 13.09.2017 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 21.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2016 im Wesentlichen mit der Begründung ab, selbst wenn keine innere Ursache vorgelegen haben sollte, fehle es zur Anerkennung als Arbeitsunfall an dem Kriterium der versicherten Tätigkeit, da sich die Klägerin zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg zur Toilette befunden habe. Hiergegen legte die Klägerin am 11.10.2017 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, der Unfall sei bereits in ihrem Büro beim Aufstehen aus dem Stuhl passiert. Sie sei daher noch gar nicht auf dem Weg zur Toilette gewesen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2018 als unbegründet zurück. Zum Unfallzeitpunkt habe sich die Klägerin von ihrem Stuhl erhoben, um zur Toilette zu gelangen. Es sei daher zu prüfen, ob diese konkrete Tätigkeit mit der Handlungstendenz vorgenommen wurde, eine versicherte Tätigkeit auszuüben. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass nicht alle Tätigkeiten während der Arbeitszeit bzw. auf der Arbeitsstätte versichert sind. Auf dem Weg von und zur Toilette auf der Arbeitsstätte könne zwar grundsätzlich Versicherungsschutz angenommen werden, da dieser Weg insoweit mit der Betriebstätigkeit verknüpft sei, als er zum einen der Aufrechterhaltung der Arbeitskraft diene und zum anderen hinsichtlich des Ausgangs- und Zielpunktes durch die Notwendigkeit geprägt sei, persönlich auf der Arbeitsstätte anwesend zu sein. Diese Betriebsbedingtheit des Weges liege im Homeoffice nicht vor, da hierbei keine betrieblichen Zwänge und Vorgaben bestünden. Der Weg zur Toilette sei weder räumlich durch einen außerhalb der Wohnung liegenden Betriebsort vorgegeben noch stehe er in einem inneren Zusammenhang mit der bereits erbrachten Arbeit. Wege von und zur Toilette im Homeoffice stünden daher nicht unter Versicherungsschutz. Zudem sei davon auszugehen, dass sowohl das falsche Auftreten als auch der darauffolgende Sturz auf eine innere Ursache – nämlich das eingeschlafene Bein – zurückzuführen seien. Damit liege kein Unfallereignis i.S.d. § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) vor. 

Hiergegen hat die Klägerin am 09.02.2018 durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, das Unfallereignis als von außen wirkende Einwirkung sei auch im Umdrehen des Beines ohne Weiteres zu sehen. Das Aufstehen in einem Homeoffice sei auch eine versicherte Tätigkeit. Sie leide noch immer an den unfallbedingten Beschwerden in Form eines komplizierten Bruchs am linken Bein mit dauerhaften Folgeschäden und bleibenden Schmerzzuständen mit weiteren Einschränkungen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2018 zu verurteilen, den Bescheid vom 21.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2016 zurückzunehmen und das Ereignis vom 02.02.2016 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, das Vorliegen eines Gesundheits(erst)schadens sei zwar nicht streitig. Das Aufstehen vom Stuhl stelle jedoch keine Handlung infolge der versicherten Tätigkeit dar, sondern sei auf eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit gerichtet. Durch den Entschluss, die Toilette aufzusuchen und die Umsetzung in ein objektiv beobachtbares Handeln sei die versicherte Tätigkeit unterbrochen worden. Zwar hatte die Klägerin zum Unfallzeitpunkt das Arbeitszimmer noch nicht verlassen. Das Verlassen des Arbeitszimmers stelle jedoch keine solche Zäsur dar, die es rechtfertigen würde, einen einheitlichen Weg nur aufgrund des Durchschreitens der Arbeitszimmertür versicherungsrechtlich unterschiedlich zu beurteilen. Ein Versicherungsschutz nur für das im Arbeitszimmer zurückgelegte Stück Weg würde sonst zu einer Aufteilung eines mit einer einheitlichen Handlungstendenz zurückgelegten Weges in zwei Teile führen. Hiergegen spreche zum einen, dass allein der Umstand, dass ein Unfall unmittelbar am Arbeitsplatze eines Versicherten eingetreten ist, den inneren Zusammenhang noch nicht begründe. Zum anderen stelle das Bundessozialgericht nach der neuen Rechtsprechung konsequent auf die objektivierbare Handlungstendenz eines Versicherten vor bzw. zum Zeitpunkt des Unfallereignisses ab. Diese klare und in sich schlüssige Rechtsprechung führe dazu, dass eine sachliche Zurechnung einer rein eigenwirtschaftlichen Verrichtung zur versicherten Tätigkeit nicht lediglich aufgrund eines Verbleibens in einer bestimmten räumlichen Umgebung erfolgen könne. Insbesondere sei bereits mit Urteil des Bundessozialgerichts vom 09.12.2003 (B2 U 23/03 R) nicht mehr an der Rechtsauffassung festgehalten worden, wegen Gründen der Rechtsklarheit und Verwaltungspraxis die Einbeziehung bestimmter im privaten Bereich wurzelnden Unfallrisiken in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung in Kauf zu nehmen. Einen rein eigenwirtschaftlichen Weg bis zum Durchschreiten der Arbeitszimmertür unter Versicherungsschutz zu stellen, würde jedoch genau hierzu führen. Die Auffassung, wonach eine Unterbrechung des Versicherungsschutzes bei privaten Wegen innerhalb des Homeoffice aus Gründen der Objektivierbarkeit erst beim Verlassen der Arbeitsräumlichkeiten beginnen sollte, sei nicht überzeugend. Dies würde dazu führen, dass bei gemischten Tätigkeiten im häuslichen Arbeitszimmer auf der rechtlichen Wertungsebene geprüft werden müsste, welche Verrichtung als Wirkursache rechtlich-wesentlich das Unfallgeschehen geprägt hat, während hingegen ein rein eigenwirtschaftlicher Weg bis zum Durchschreiten der Arbeitszimmertür unter Versicherungsschutz stünde. Dies erscheine nicht sachgerecht.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 06.05.2021 einen Leitfaden für Mitarbeiter und Führungskräfte zur Telearbeit in der D.bank (Stand 01.07.2020) vorgelegt. Die Kammer hat zudem einen Arbeitskollegen der Klägerin, Herrn G. von der D.bank, im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.12.2021 als Zeugen vernommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht vor dem zuständigen Gericht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und begründet. 

Der Bescheid vom 13.09.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 11.01.2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat es darin unzutreffend abgelehnt, den Bescheid vom 21.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2016 zurückzunehmen.

Nach § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der Bescheid vom 21.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2016 ist rechtswidrig. Die Beklagte hat darin das Recht unrichtig angewandt. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Anerkennung des Ereignisses vom 02.02.2016 als Arbeitsunfall.

Für den Versicherungsfall des Arbeitsunfalls ist nach § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzuordnen ist, dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat, und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Dagegen ist das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens – die haftungsausfüllende Kausalität – nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Rente (Bundessozialgericht, Urteil v. 9.05.2006 – B 2 U 1/05 R). Während Unfallereignis und Gesundheitsschaden mit dem Vollbeweis bewiesen werden müssen, genügt für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (st. Rspr., vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil v. 10.06.1955 – 10 RV 390/54) ein Ursachenzusammenhang. 

Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (Bundessozialgericht, Urteile v. 29.03.1963 – 2 RU 75/61 – und v. 31.10.1969 – 2 RU 40/67 –sowie v. 20.01.1977 – 8 RU 52/76).

Auf der Basis dieser Maßstäbe steht für die erkennende Kammer nach ihrer freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung fest, dass es sich bei dem Ereignis vom 02.02.2016 um einen Arbeitsunfall i.S.d. § 8 SGB VII gehandelt hat. Dabei steht der Sachverhalt aufgrund den übereinstimmenden Angaben der Klägerin sowie des Zeugen G. zur Überzeugung der erkennenden Kammer fest.

1. Die Klägerin war grundsätzlich als Beschäftigte kraft Gesetzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ihre Verrichtung zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Ereignisses – namentlich das Aufstehen aus dem Bürostuhl zum Zwecke des Toilettengangs – stand auch in einem sachlichen Zusammenhang zu ihrer versicherten Tätigkeit. 

Versicherter im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist jemand nur, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt (Bundessozialgericht, Urteil v. 05.07.2016 – B 2 U 5/15 R). Dies setzt voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses in einem sachlichen Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit steht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil v. 17.12.2015 – B 2 U 8/14 R). Dieser sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (Bundessozialgericht, Urteil v. 12.04.2005 – B 2 U 11/04 R –; zu allem Bayerisches Landessozialgericht, Urteil v. 25.04.2017 – L 3 U 227/15).

a) Die Wertung des Weges im eigenen Haushalt zum Toilettengang als Teil der versicherten Tätigkeit ergibt sich jedoch nicht schon aus dem mit dem am 18.06.2021 in Kraft getretenen Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz, BGBl. I 2021, 1762) neu eingefügten Satz 3 in § 8 Abs. 1 SGB VII, der lautet: „Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte“. Diese Neuregelung ist nach herrschender Auffassung mangels explizit angeordneter Rückwirkung nur auf Versicherungsfälle nach ihrem Inkrafttreten anwendbar (vgl. etwa Bayerisches Landessozialgericht, Urteil v. 12.05.2021 – L 3 U 373/18 sowie Römer, jurisPR-SozR 19/2021, Anm. 5; Schlaeger, jurisPR-SozR 13/2021, Anm. 4).

b) Bei dem Aufstehen aus dem Bürostuhl, um die Toilette aufzusuchen, übte die Klägerin auch keine Verrichtung aus, die zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder eine objektiv nicht geschuldete Handlung vorzunehmen, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen (vgl. Sozialgericht München, Urteil v. 04.07.2019 – S 40 U 227/18).  Vielmehr handelte es sich um einen zunächst einmal ganz wesentlich im eigenen Interesse zurückgelegten Weg zu einer höchstpersönlichen Verrichtung (vgl. Sozialgericht München, Urteil v. 04.07.2019 – S 40 U 227/18 – m.w.N.; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil v. 30.07.2015 – L 6 U 526/13).

c) Es handelt sich auch nicht um einen versicherten Wegeunfall i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Ein versicherter Weg kommt nämlich nach ständiger Rechtsprechung erst ab der Außentür des vom Versicherten bewohnten Hauses in Betracht (Bundessozialgericht, Urteil v. 05.07.2016 – B 2 U 5/15 R –).

d) Die Klägerin befand sich zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Ereignisses allerdings nach Auffassung der erkennenden Kammer auf einem versicherten Betriebsweg i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Betriebswege sind Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, Teil der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen (vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil v. 05.07.2016 – B 2 U 5/15 R). 

Für die Prüfung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird, hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 31.08.2017 (B 2 U 9/16 R) seine Rechtsprechung zur Handlungstendenz dahingehend konkretisiert, dass bei der Feststellung eines Arbeitsunfalls im häuslichen Bereich künftig die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten, eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben zu wollen, den Ausschlag gibt und nicht mehr vorrangig auf die – quantitativ zu bestimmende – Häufigkeit der betrieblichen oder privaten Nutzung des konkreten Unfallorts abzustellen ist, also auf eine wie auch immer geartete objektive "Widmung" der jeweiligen Räumlichkeiten oder die Häufigkeit bzw. das Ausmaß der "betrieblichen" Nutzung des konkreten Unfallortes. Zur Objektivierung der Handlungstendenz sind dabei stets alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Unfallzeitpunkt, der konkrete Ort des Unfallgeschehens sowie dessen objektive Zweckbestimmung, als äußere Indizien (Hilfstatsachen) zu berücksichtigen. Entscheidend ist daher, welche konkrete Verrichtung mit welchem Zweck die Klägerin in dem Moment des Unfalls ausübte. Diese für außerhalb des Wohngebäudes zurückgelegte Wege geltende ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist somit auch bei Wegen innerhalb der häuslichen Sphäre von der Arbeitsstätte in den persönlichen Lebensbereich heranzuziehen. Dabei sind stets die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und zu bedenken, dass im häuslichen Bereich die Beweisführung hinsichtlich der Handlungstendenz und die entsprechende Überprüfung klägerseitiger Angaben besonders schwierig ist, weil der Kreis der "unternehmensdienlichen" Verrichtungen gerade bei abhängig Beschäftigten, die im Homeoffice tätig sind, typischerweise mit weiten Teilen des Privatlebens verwoben ist (vgl. hierzu auch Bundessozialgericht, Urteil v. 27.11.2018 – B 2 U 28/17 R; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil v. 12.05.2021 – L 3 U 373/18).

Grundsätzlich sind die Wege, die Beschäftigte während der Arbeitszeit zum Aufsuchen der Toilettenräume zurücklegen, nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unfallversichert. Dieser Versicherungsschutz wird damit begründet, dass der während einer Arbeitspause zurückgelegte Weg zur Toilette in zweierlei Hinsicht mit der Betriebstätigkeit verknüpft ist: Zum einen dient der Toilettenbesuch während der Arbeitszeit der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und damit der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit. Zum anderen handelt es sich um einen Weg, der in seinem Ausgangs- und Zielpunkt durch die Notwendigkeit geprägt ist, persönlich an der Arbeitsstätte anwesend zu sein, um dort betriebliche Tätigkeiten zu verrichten. Aufgrund des Zusammentreffens dieser beiden betriebsbezogenen Merkmale, des Handlungsziels und der Betriebsbedingtheit des Weges, ist ein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg zur Toilette und der versicherten Tätigkeit angenommen worden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil v. 05.07.2016 – B 2 U 5/15 R –, v. 18.06.2013 – B 2 U 7/12 R –, v. 02.12.2008 – B 2 U 17/07 R – und v. 02.07.1996 – 2 RU 34/95 –; Sozialgericht München, Urteil v. 04.07.2019 – S 40 U 227/18). Im Rahmen des Handlungsziels kommt es folglich darauf an, dass die Verrichtung des Verletzten vor dem Losgehen zur Toilette der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und er nach dem Toilettenbesuch die versicherte Tätigkeit fortsetzen wollte (Bundessozialgericht, Urteil v. 30.03.2017 – B 2 U 15/15 R –). 

Dagegen ist in Rechtsprechung und Literatur streitig ob und ggf. unter welchen Umständen ein Toilettenbesuch innerhalb einer Homeoffice-Tätigkeit unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt.

Auf Wegen des Versicherten zur Nahrungsaufnahme oder Versorgung mit Nahrungsmitteln innerhalb des selbstbewohnten Hauses scheidet Versicherungsschutz unter dem Gesichtspunkt eines Betriebsweges nach der bisherigen Rechtsprechung i.d.R. aus, weil der Versicherte keinen betrieblichen Zwängen vergleichbar denjenigen bei einem Arbeitsort im Beschäftigungsunternehmen ausgesetzt sei, die Nahrung gerade dort aufzunehmen. Der Versicherte sei weder räumlich noch zeitlich hinsichtlich der Nahrungsaufnahme betrieblichen Vorgaben oder Zwängen unterlegen. Denn der Weg zur Küche etwa sei weder räumlich durch einen außerhalb der Wohnung gelegenen Betriebsort vorgegeben noch innerhalb eines zeitlichen Rahmens zu erledigen und stehe auch in keinem Zusammenhang mit der bereits erbrachten Arbeit (Bundessozialgericht, Urteil v. 05.07.2016 – B 2 U 5/15 R – m. Anm. Hollo, jurisPR-SozR 10/2017 Anm. 4; dazu ferner Jung, SGb 2017, S. 412 ff.; Ricke, WzS 2017, S. 9 ff.; abl. zu dieser Entscheidung Mülheims, SozSich 2017, S. 372 ff., 375 ff.; zur Thematik ferner Spellbrink, NZS 2016, S. 527 ff., 529). 

Auch der Gesetzgeber geht offenkundig davon aus, dass Wege im eigenen Haushalt zum Toilettengang nach der bisherigen Gesetzeslage nicht versichert sind. Dies zeigt sich daran, dass mit dem am 18.06.2021 in Kraft getretenen Betriebsrätemodernisierungsgesetz an § 8 Abs. 1 SGB VII ein weiterer Satz angefügt wurde, der den Versicherungsschutz im Homeoffice in gleichem Umfang garantiert wie auf der Unternehmensstätte. Der Gesetzgeber begründet die Gesetzesänderung damit, dass Wege im eigenen Haushalt zum Holen eines Getränks, zur Nahrungsaufnahme, zum Toilettengang etc. nicht versichert seien, auf der Unternehmensstätte allerdings schon. Diese Unterscheidung lasse sich vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung mobiler Arbeitsformen nicht aufrechterhalten. Wie bei den bereits anerkannten Wegen zum Drucker sei auch bei den Wegen zum Beispiel zum Holen eines Getränks der Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie auf der Unternehmensstätte gerechtfertigt, um Hürden bei der Inanspruchnahme von mobiler Arbeit zu beseitigen. Daher sei eine Gleichbehandlung beim Versicherungsschutz geboten (BT-Drs. 19/29819, S. 18).

Ob die für Wege zur Nahrungsaufnahme gebildeten Grundsätze für Wege zur Toilette zur Verrichtung der Notdurft innerhalb des selbstbewohnten Wohnhauses entsprechend gelten, mit der Folge, dass kein versicherter Betriebsweg vorliegt (so KassKomm-Ricke, § 8 Rn. 129e; wohl auch Spellbrink, NZS 2016, S. 527 ff., 529 f.) hat das Bundessozialgericht bisher nicht entschieden. Zwar hatte das Gericht in einem Fall einen versicherten Betriebsweg angenommen, bei dem der Kläger auf dem Rückweg zur Toilette in einen von der Arbeitgeberin in seinem Haus angemieteten Werkraum gestürzt war und die im privaten Bereich gelegene Toilette nach der Verordnung über Arbeitsstätten (ArbStättV) als Teil der Arbeitsstätte gewertet (Bundessozialgericht, 23.07.1982 – 9b/8 RU 8/81). Diese Rechtsprechung lässt sich allerdings auf den vorliegenden Fall nicht ohne Weiteres übertragen, da sich einerseits die Kriterien für die Anerkennung eines Betriebsweges in der Zwischenzeit gewandelt haben, andererseits aber das von der Klägerin genutzte Arbeitszimmer gerade nicht von ihrer Arbeitgeberin angemietet war. Abgelehnt wurde in der neueren Rechtsprechung ein versicherter Weg überwiegend jedenfalls dann, wenn sich der Versicherte durch das Verlassen des eigentlichen Arbeitsbereichs in seine eigene private Sphäre begeben hatte (siehe etwa Sozialgericht München, Urteil v. 04.07.2019 – S 40 U 227/18), da es in diesen Fällen an einer dem Arbeitsort im Unternehmen ähnlichen besonderen Beziehung zur Betriebstätigkeit fehlte. Gehörte die Toilette dagegen aufgrund arbeitsvertraglicher Regelung zum Arbeitsbereich, wurde auf den betreffenden Wegen überwiegend Versicherungsschutz bejaht, da der Versicherte hier nicht den rein privaten Bereich aufsuchte. Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass ein im unmittelbaren Betriebsinteresse liegender Weg grundsätzlich nur außerhalb eines privaten Wohnhauses in Betracht kommt (vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil v. 12.12.2006 – B 2 U 1/06 R). Etwas anderes gilt auch nicht im Falle einer Beschäftigung in einem Homeoffice. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nehme die betrieblichen Interessen dienende Arbeit in der Wohnung eines Versicherten dieser außerhalb des konkreten Arbeitszimmers- oder -raums nicht den Charakter der häuslichen Lebenssphäre. Hintergrund sei, dass der Versicherte mit den der privaten Wohnung innewohnenden Risiken besser vertraut und für diese kraft seiner Verfügungsmacht über die Wohnung selbst verantwortlich sei. Auch sei es dem Arbeitgeber außerhalb des Betriebsgeländes regelmäßig verwehrt, präventive, gefahrenreduzierende Maßnahmen zu ergreifen. Die Verpflichtung zur Durchführung von Präventionsmaßnahmen beschränke sich im häuslichen Bereich auf die jeweilige Betriebsstätte, zu der jedenfalls häusliche Örtlichkeiten außerhalb eines räumlich abgegrenzten Homeoffice nicht zählen (so Bundessozialgericht, Urteil v. 05.07.2016 – B 2 U 5/15 R –; Sozialgericht München, Urteil v. 04.07.2019 – S 40 U 227/18 –). 

Ausdrücklich offen gelassen hat das Bundessozialgericht damit, ob ein versicherter Betriebsweg dann vorliegen kann, wenn – wie im vorliegenden Verfahren – auf einem Weg zur Verrichtung der Notdurft das Unfallereignis innerhalb des Arbeitszimmers selbst stattgefunden hat (Bundessozialgericht, Urteil v. 05.07.2016 – B 2 U 5/15 R) und die Arbeitgeberin die Möglichkeit hatte, Präventionsmaßnahmen durchzuführen. 

So liegt der Fall aber gerade hier.

Ebenso hat etwa das Sozialgericht München ausgeführt, Versicherungsschutz bestehe bei Versicherten, die mit Billigung und finanzieller Unterstützung des Arbeitgebers im Homeoffice arbeiten, nur innerhalb der Arbeitsstätte, also des zur Telearbeit eingerichteten Raumes. Es hat ferner als entscheidendes Zuordnungskriterium darauf abgestellt, dass eine Verfügungsgewalt des Arbeitgebers vorliegen müsse, um eine Zurechnung zu dessen Risikosphäre zu rechtfertigen, da die Annahme des Versicherungsschutzes für Wege zu/von der Toilette u.a. auf der Betriebsbezogenheit des Weges beruhen. Hintergrund sei die Eingliederung des Arbeitnehmers in die betriebliche Sphäre, für die grundsätzlich der Arbeitgeber verantwortlich ist, und auf die er, auch durch die gesetzlich gebotenen Präventionsmaßnahmen, Einfluss nehmen kann. Vor dem Hintergrund der haftungsersetzenden Funktion der gesetzlichen Unfallversicherung beruhe die Versicherung auch bei an sich privaten Verrichtungen wie dem Gang zur Toilette auf dem Gedanken der Haftung des Arbeitgebers für die Mängel seiner Arbeitsgeräte und der Ausstattung des Arbeitsplatzes. Der Arbeitnehmer wechsele in die (auch räumliche) Sphäre des Arbeitgebers und damit in dessen Risikosphäre, weil er in einen fremden Betrieb und dessen räumliche und zeitliche Organisation eingegliedert ist. Dieser Gedanke greife aber jedenfalls dann nicht für das Homeoffice nach Verlassen der eigentlichen Arbeitsstätte, mithin dem Arbeitszimmer. Vielmehr begebe sich der Versicherte mit Verlassen der Betriebsstätte in seinen häuslichen Bereich und damit seine eigene Risikosphäre. Diese sei der ansonsten im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung vorgesehenen Kontrolle und Prävention durch den Arbeitgeber entzogen (Sozialgericht München, Urteil v. 04.07.2019 – S 40 U 227/18 –).

Auf der Basis dieser Maßstäbe ist die erkennende Kammer vorliegend davon überzeugt, dass sich die Klägerin zum Unfallzeitpunkt auf einem versicherten Betriebsweg befunden hat. Dabei ist nach Auffassung der erkennenden Kammer schon fraglich, ob sich der Versicherungsschutz rein auf einen Unfall im häuslichen Arbeitszimmer beschränken kann, da einerseits durch die Entwicklung der Arbeitswelt hin zu immer mehr Homeoffice-Tätigkeit eine nur schwer zu rechtfertigende Schlechterstellung dieser immer größer werdenden Personengruppe bewirkt wird, gleichzeitig aber die Einbindung dieser Personen in die betrieblichen Abläufe in der Regel ebenso stark stattfindet wie bei einer Tätigkeit im Betrieb selbst. Andererseits wird der Versicherungsschutz etwa auch angenommen auf dem Weg zu dem Besuch eines Restaurants während der Mittagspause (vgl. hierzu etwa Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 02/21, § 8 SGB VII Rn. 91 m.w.N.), obwohl dieser ebenso einer Kontrolle bzw. präventiver Maßnahmen durch die Arbeitgeberin entzogen ist. Dies bedarf vorliegend aber keiner Entscheidung. Vielmehr muss Versicherungsschutz jedenfalls dann angenommen werden, wenn der Versicherte innerhalb seines häuslichen Arbeitszimmers verunfallt ist und dieses der Kontrolle durch den Arbeitgeber zur Verfügung stand. Die Klägerin hielt sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses in ihrem Arbeitszimmer auf, welches sie kraft ausdrücklicher Vereinbarung mit ihrer Arbeitgeberin an drei Tagen in der Woche zu betrieblichen Zwecken nutzen sollte. Sie hatte zudem gerade eine betriebliche Tätigkeit, namentlich die Teilnahme an einer betrieblichen Telefonkonferenz mit ihrem Vorgesetzten und weiteren Teilnehmern abgeschlossen. Zwar stellte die Klägerin nach Nr. 3 der Vereinbarung den Raum für die Einrichtung des außerbetrieblichen Arbeitsplatzes kostenlos zur Verfügung und richtete den Arbeitsplatz mit Büromöbeln selber ein. Alle technischen Einrichtungsgegenstände, insbesondere die DV-technischen Geräte wurden jedoch von der Bank kostenlos zur Verfügung gestellt. Zudem hatte die Arbeitgeberin zwar keinen Schlüssel zu dem Haus der Klägerin; ihr stand jedoch nach Nr. 7 der Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag ein Zutrittsrecht zu, welches in Notfällen oder wenn besondere Umstände es erforderten, auch ohne vorherige Terminvereinbarung mit der Klägerin ausgeübt werden konnte. Ferner erfolgte auch die Wartung der technischen Geräte durch die Bank. Die Klägerin war zudem nach Nr. 3 der Ergänzungsvereinbarung verpflichtet, die Broschüre über die Sicherheitsregeln für Büro-Arbeitsplätze und die Bildschirmarbeitsplätze im Bürobereich zu beachten. Damit war zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin das private Arbeitszimmer als Arbeitsstätte festgelegt worden. Die Einordnung als häusliches Arbeitszimmer erfährt auch keine Änderung durch das dort aufgestellte Bett für die pflegebedürftige Mutter. Einerseits ist dabei zu berücksichtigen, dass dieses Bett nur gelegentlich genutzt wurde, andererseits diente es gerade dazu, dass die Klägerin ihrer betrieblichen Tätigkeit nachgehen und diese nicht ständig unterbrechen musste, um nach ihrer Mutter zu sehen. Ferner bestand eine umfangreiche Kontrollmöglichkeit der Arbeitgeberin, welche ihr die Durchführung von Präventionsmaßnahmen und damit eine Einflussnahme auf die Unfallverhütung ermöglicht hat. Wie oben bereits ausgeführt, beruht die haftungsersetzende Funktion der gesetzlichen Unfallversicherung auch bei an sich privaten Verrichtungen wie dem Gang zur Toilette auf dem Gedanken der Haftung des Arbeitgebers für die Mängel seiner Arbeitsgeräte und der Ausstattung des Arbeitsplatzes. Indem die Arbeitgeberin durch die in der Ergänzungsvereinbarung getroffenen Vorgaben und Kontrollrechte letztlich auch die Verantwortung für die Ausstattung des Arbeitsplatzes der Klägerin im Homeoffice übernommen hat, ist dieser Bereich in die betriebliche Risikosphäre übergegangen. Dabei kommt es – ebenso wie in einem Betrieb – nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin diese Rechte auch tatsächlich genutzt hat. Die Klägerin war auch offenkundig während ihrer Homeoffice-Tätigkeit in die betriebliche Sphäre der Arbeitgeberin eingebunden. Es war ihr gerade nicht möglich, vollkommen frei über die Verwendung ihrer Arbeitskraft und die Organisation ihrer Arbeitszeit zu verfügen, da sie im Rahmen der betrieblichen Gleitzeitregelung eine Kernarbeitszeit einhalten und einen bestimmten Stundenumfang ableisten musste. Ferner erhielt sie fortlaufend Arbeitsaufträge, die sie abarbeiten musste, und sie musste an betrieblichen Telefonkonferenzen teilnehmen. Zum Beginn und Ende eines Arbeitstages sowie in den Pausen fand eine Registrierung über ein von der Personalabteilung zur Verfügung gestelltes Tool statt. Damit bestand nicht nur eine Einbindung in die betrieblichen Arbeitsabläufe, sondern wurde zusätzlich noch eine Kontrolle der Arbeitszeit und der Pausen durchgeführt. Indem die Klägerin in ihrem Arbeitszimmer in zeitlichem Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit gestürzt ist, hat sich somit gerade kein vom häuslichen und damit persönlichen Lebensbereich ausgehendes Unfallrisiko verwirklicht, sondern eine typische Betriebsgefahr (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 12.05.2021 – L 3 U 373/18). Der Gang zur Toilette diente offenkundig der Erhaltung der Arbeitskraft und es handelte sich ferner um einen Weg, der in seinem Ausgangs- und Zielpunkt durch die Notwendigkeit geprägt war, persönlich an ihrer Arbeitsstätte im Homeoffice anwesend zu sein, um dort betriebliche Tätigkeiten zu verrichten. Aufgrund des Zusammentreffens dieser beiden betriebsbezogenen Merkmale, des Handlungsziels und der Betriebsbedingtheit des Weges, ist ein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg zur Toilette und der versicherten Tätigkeit auch im vorliegenden Verfahren anzunehmen. Der Weg zur Toilette war auch insoweit räumlich durch einen außerhalb der Wohnung liegenden Betriebsort vorgegeben, da es sich bei dem Arbeitszimmer um den zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin vereinbarten Betriebsort gehandelt hat und sich die für eine sachgemäße Arbeitstätigkeit erforderliche Toilette in unmittelbarer räumlicher Nähe befand.

Dagegen spricht auch nicht, dass dies eventuell zu einer Aufteilung eines einheitlichen Weges (mit gleicher Handlungstendenz) in zwei Teile führen würde (ebenso KassKomm-Ricke, § 8 Rz 129e) (siehe zu allem Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 06/18, § 8 SGB VII Rn. 20b). Eine solche Aufteilung eines einheitlichen Weges wird etwa in ständiger Rechtsprechung auch bei Wegeunfällen vorgenommen, wo – wie oben bereits ausgeführt – der Versicherungsschutz erst nach dem Durchschreiten der Außentür beginnt (Bundessozialgericht, Urteil v. 05.07.2016 – B 2 U 5/15 R –). Im Übrigen dürfte es vor dem Hintergrund der in der Rechtsprechung vielfach diskutierten Beweisschwierigkeiten im häuslichen Bereich jedenfalls ein handhabbares Abgrenzungskriterium darstellen. Ungeachtet dessen, dürfte diese Problematik mit der oben dargelegten Gesetzesänderung nur noch für sog. Altfälle von Relevanz sein.

2. Auch die Grundsätze zur inneren Ursache schließen das Vorliegen eines Arbeitsunfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht aus.

Während Unfallereignis und Gesundheitsschaden mit dem Vollbeweis bewiesen werden müssen, genügt für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (st. Rspr., vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil v. 10.06.1955 – 10 RV 390/54) ein Ursachenzusammenhang. Für dessen Anerkennung ist zwar noch nicht die bloße Möglichkeit, aber schon eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend (Bundessozialgericht, Urteil v. 19.03.1986 – 9a RVi 2/84). Diese ist erreicht, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung den für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gründen ein so deutliches Übergewicht zukommt, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (vgl. Bundessozialgericht, Urteile v. 02.02.1977 – 8 RU 66/77, und v. 27.10.1989 – 9 RV 40/88).

Hierbei gilt, dass es mehrere rechtliche Mitursachen geben kann, wobei sozialrechtlich alleine relevant ist, ob das Unfallereignis als solches wesentlich war. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben (siehe etwa Bundessozialgericht, Urteil v. 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R; vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 21 ff.). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannten Ursachen „wesentlich“ und damit Ursachen im Sinne des Sozialrechts (Bundessozialgericht, Urteil v. 30.06.1960 – 2 RU 86/56). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber im zweiten Prüfungsschritt nicht als „wesentlich“ anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als „Gelegenheitsursache“ oder „Auslöser“ bezeichnet werden (Bundessozialgericht, Urteile v. 27.10.1987 – 2 RU 35/87, und v. 12.04.2005 – B 2 U 27/04 R). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen oder abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (Bundessozialgericht, Urteile v. 27.10.1987 – 2 RU 35/87, und v. 12.04.2005 – B 2 U 27/04). 

Bei Unfällen aus sogenannter innerer Ursache ist zwar der Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis – d. h. die Unfallkausalität – nicht gegeben, wenn die körpereigene Ursache zwangsweise zu dem eingetretenen Unfallverlauf (nach Art und Schwere) geführt hat; in diesem Fall haben betriebliche Einwirkungen den Unfall nicht wesentlich mitverursacht (Bundessozialgericht, Urteil v. 15.02.2005 – B 2 U 1/04 R). Allerdings ist die versicherte Tätigkeit in Fällen dieser Art als rechtlich wesentliche Ursache für das Unfallereignis anzusehen, wenn die für die innere Ursache verantwortlichen körpereigenen Vorgänge durch mit der versicherten Tätigkeit in Zusammenhang stehende äußere Einwirkungen (z. B. besondere Anstrengungen durch ungewohnte Arbeit; besondere Hitzeeinwirkung am Arbeitsplatz etc.) wesentlich beeinflusst worden sind (Bundessozialgericht, Urteil v. v. 15.02.2005 – B 2 U 1/04 R –; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil v. 09.06.2011 – L 10 U 1533/10). Ist dies nicht der Fall, kann die Unfallkausalität gleichwohl bejaht werden, wenn der Verletzte der Gefahr, der er erlegen ist, infolge der durch seine versicherte Tätigkeit bedingten Anwesenheit auf der Betriebsstätte ausgesetzt war und ihm der Unfall ohne die versicherte Tätigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht in derselben Art oder derselben Schwere zugestoßen wäre (Bundessozialgericht, Urteil v. v. 15.02.2005 – B 2 U 1/04 R –; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil v. 09.06.2011 – L 10 U 1533/10), d. h. wenn ein spezifisches betriebliches Gefährdungsmoment die äußere Einwirkung wesentlich beeinflusst hat, wobei die mitwirkenden betrieblichen Umstände die Gefährdungen im privaten Bereich nicht zwingend übersteigen müssen (so jedenfalls Hessisches Landessozialgericht, Urteil v. 20.07.2015 – L 9 U 5/15).

Auf der Basis dieser Maßstäbe ist nach Auffassung der erkennenden Kammer die Annahme eines Arbeitsunfalls nicht durch eine innere Ursache ausgeschlossen. Nach den unbestrittenen und übereinstimmenden Schilderungen der Klägerin drehte sie sich am Unfalltag, um aufstehen zu können, mit dem Stuhl vom Schreibtisch weg und erhob sich mithilfe der Armlehnen aus dem Drehstuhl. Während dieses Vorgangs bemerkte sie nicht sofort, dass ihr Bein in der Zwischenzeit aufgrund des langen Sitzens eingeschlafen war. Als sie den Fuß schließlich belasten wollte, knickte sie mit dem linken Bein um und stürzte gegen die geöffnete Tür. Der in diesem Zusammenhang erlittene Gesundheitserstschaden im Sinne einer pilon-tibialen Fraktur ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Nach der Stellungnahme des Beratungsarztes der Beklagten F. ist der Eintritt dieser Komplexfraktur des Unterschenkels durchaus durch einen solchen Sturz möglich. Unfallfremde Faktoren wie eine Osteoporose waren nach seiner Einschätzung aufgrund der festgestellten regelrechten Spongiosastruktur auszuschließen. Auch die Beklagte geht nach ihrem eigenen Vortrag davon aus, dass die Ursache für den Sturz und die Verletzung das eingeschlafene Bein der Klägerin war. Selbst wenn man davon ausgeht, dass das eingeschlafene Bein als körpereigene Ursache anzusehen ist, fehlt es diesbezüglich jedoch nicht an einer für den Ursachenzusammenhang mit der versicherten Bürotätigkeit erforderlichen betrieblichen Einwirkung. Vielmehr spricht vorliegend viel dafür, dass das Bein der Klägerin eingeschlafen ist, weil sie über einen längeren Zeitraum an der betrieblichen Telefonkonferenz teilgenommen hat und es ihr damit unmöglich war, aufzustehen oder einen relevanten Positionswechsel durchzuführen. Damit ist die versicherte Tätigkeit in diesem Fall als rechtlich wesentliche Ursache für das Unfallereignis anzusehen, weil die für die innere Ursache verantwortlichen körpereigenen Vorgänge – namentlich das unbemerkte Einschlafen des Beines – durch mit der versicherten Tätigkeit in Zusammenhang stehende äußere Einwirkungen – namentlich das lange Sitzen im Rahmen der durchgeführten Telefonkonferenz – wesentlich beeinflusst worden sind.

Mithin sind die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls erfüllt. Der Klage war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
 

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