Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 22. Dezember 2023 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger erstrebt die Zahlung einer Zuwendung zur Ausgestaltung des Weihnachtsfests („Weihnachtsbeihilfe“) für die Jahre 2019 bis 2022.
Der F. geborene Antragsteller bezieht seit 2018 vom Antragsgegner laufende Leistungen nach dem SGB II. Mit seinem Schreiben vom 6. November 2019 beantragte er beim Beklagten die Zahlung einer Weihnachtsbeihilfe. Der Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 19. November 2019) ab und führte zur Begründung aus, dass die vom Kläger gewünschte Sonderleistung in dem monatlich gewährten Regelbedarf enthalten sei. Eine weitergehende Übernahme von Kosten sei im SGB II nicht vorgesehen. Zugleich wies er auf die Möglichkeit der Darlehnsgewährung hin, wenn im Einzelfall ein unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden könne.
Zur Begründung seines am 19. Dezember 2019 eingelegten Widerspruchs vom 18. Dezember 2019 führte der Kläger aus, dass auch in anderen Städten und Landkreisen Weihnachtsbeihilfe gewährt würden und daher ihm diese Leistung auch zustehe. Darüber hinaus seien im Regelbedarf keine Anteile für die Gestaltung des Weihnachtsfestes vorgesehen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit einer im Wesentlichen der Begründung des Ausgangsbescheides entsprechenden Begründung zurück (Widerspruchsbescheid vom 6. April 2020 – 2767/19 -). Hiergegen hat der Kläger am 23. April 2020 die unter dem Aktenzeichen S 24 AS 488/20 geführte Klage zum SG Hildesheim erhoben.
Weitere Anträge des Klägers auf die Zahlung von Weihnachtsbeihilfen für die Folgejahre sind jeweils erfolglos geblieben (Antrag vom 6. November 2020, Bescheid vom 13. November 2020, Widerspruch vom 1. Dezember 2020, Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2020 – 2174/20 -, unter dem Aktenzeichen S 24 AS 48/21 geführtes Klageverfahren; Antrag vom 3. November 2021, Bescheid vom 10. November 2021, Widerspruch vom 16. November 2021, Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2022 – 1714/21 -, unter dem Aktenzeichen S 24 AS 81/22 geführtes Klageverfahren; Antrag vom 12. November 2022, Bescheid vom 17. November 2022, Widerspruch vom 29. November 2022, Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2023 – 1677/23 -, unter dem Aktenzeichen S 24 AS 43/23 geführtes Klageverfahren).
Das SG hat die vier Klageverfahren miteinander verbunden (Beschlüsse vom 8. Juli 2022 und 18. September 2023).
Der Kläger hat den Sonderbedarf auf Grundlage statistischer Daten über die durchschnittlichen Aufwendungen für die Ausgestaltung des Weihnachtsfests für 2019 mit 246,87 EUR, für 2020 mit 263,35 EUR, für 2021 mit 281,57 EUR und für 2022 mit 310,00 EUR beziffert (Schriftsatz des Klägers vom 9. August 2022 im Ausgangsverfahren sowie Klageschrift in dem unter dem Aktenzeichen S 24 AS 43/23 geführten Klageverfahren).
Das SG hat die Klagen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2023). Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch auf eine Weihnachtsbeihilfe lasse sich auch bezüglich der erstmaligen Anschaffung von Dekorationsartikeln und Ähnlichem nicht aus § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II ableiten. Umfasst von dem Erstbeschaffungsbedarf seien alle Einrichtungsgeräte und -gegenstände, die – wie sich aus der gesonderten Aufführung der Haushaltsgeräte in § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II ergebe – eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichten. Hierunter fielen bereits keine Dekorationsartikel, da diese nicht unmittelbar erforderlich seien für das Wohnen, sondern vielmehr der Gestaltung oder in Bezug auf Feste der Brauchtumspflege dienten. Auch ergebe sich kein Anspruch aus § 21 Abs 6 SGB II. Diese Regelung erfasse denjenigen Bedarf, der nicht schon von den §§ 20 ff. SGB II abgedeckt werde, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruhe, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegele, nicht aber einen darüberhinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen. Dieser entstehe allerdings erst, wenn der Bedarf so erheblich sei, dass die Gesamtsumme der dem Leistungsberechtigten gewährten Leistungen – einschließlich der Leistungen Dritter unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Leistungsberechtigten – das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleiste. Es handele sich vorliegend aber gerade nicht um einen besonderen Bedarf oder eine atypische Bedarfslage. Vor dem Hintergrund, dass auch der Kläger darauf verweise, dass die von ihm vorgetragenen Kosten für die Begehung des Weihnachtsfestes aus dem gesellschaftlichen Pflichtcharakter entstehen würden, der mit diesem Fest insbesondere einhergehe, könne hier gerade nicht von einem atypischen Bedarf gesprochen werden. Die Begehung von Festen, egal ob es sich hierbei um das Weihnachtsfest oder ein anderes religiöses Fest handele, sei mithin Teil der kulturellen Teilhabe und als solche im Regelbedarf berücksichtigt. Konkrete Ausgaben, die über das in der allgemeinen Bedarfsermittlung berücksichtigte Maß hinausgingen, habe der Kläger nicht nachgewiesen. Der Verweis auf statistische Werte genüge nicht um zu belegen, dass die mit der Einkommens- und Verbraucherstatistik ermittelten Werte für kulturelle Teilhabe nicht ausreichten. Es bestehe auch kein Anspruch nach § 73 SGB XII, weil diese Regelung ebenso wie § 21 Abs 6 SGB II eine atypische Bedarfslage voraussetze. Schließlich ergebe sich ein Anspruch des Klägers auch nicht aus der vom Kläger vorgetragenen abweichenden Verwaltungspraxis anderer Kommunen. Bei Fehlen einer entsprechenden Rechtsgrundlage sei die Gewährung solcher Beihilfen rechtswidrig. Schon aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung folge, dass es einen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abzuleitenden Anspruch auf gleichermaßen rechtswidrige Leistungsgewährung nicht gebe.
Gegen die dem Kläger am 29. Dezember 2023 zugestellte Entscheidung richtet sich seine am 18. Januar 2024 eingelegte Berufung. Zur Begründung führt er aus, das SG habe sein „Recht auf rechtliches Gehör“ verletzt, weil es seinen Vortrag zur Atypik seines Bedarfs nicht berücksichtigt habe. Zum anderen habe das SG seine eingereichten Belege zur (beispielhaften) Ausgabenhöhe außer Acht gelassen. Im Übrigen lasse die gravierende Abweichung von den statischen Weihnachtsausgaben iHv mehr als 500,- Euro pro Kopf gegenüber dem Regelbedarfsanteil für Kultur auf deren unzureichende Höhe schließen.
Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 22. Dezember 2023 und die Bescheide des Beklagten vom 19. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2020, vom 13. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2020, vom 10. November 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2022 und vom 17. November 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2023 aufzuheben,
2. den Beklagten zu verpflichten, ihm für die Jahre 2019 bis 2022 jeweils eine Weihnachtsbeihilfe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält seine Entscheidungen und den angefochtenen Gerichtsbescheid für rechtmäßig.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig (hierzu 1.), hat aber in der Sache keinen Erfolg (hierzu 2.) und ist deshalb zurückzuweisen.
- Die Berufung des Klägers ist zulässig.
Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
- bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Der Berufungsstreitwert beträgt 1.101,73 Euro. Die in den einzelnen Klageverfahren streitgegenständlichen Ansprüche, die für sich jeweils nicht den Schwellenwert von 750,- Euro überschreiten, sind zusammenzurechnen.
Über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist zwar grundsätzlich für jeden selbständigen prozessualen Anspruch gesondert zu befinden (vgl BSG, Urteil vom 8. Oktober 1981 - 7 RAr 72/80 – juris Rn 20, zuletzt Beschluss vom 6. August 2019 – B 14 AS 182/18 B – Rn 4 mwN). Zur Bestimmung des Berufungsstreitwerts sind die Werte der einzelnen Ansprüche jedoch gemäß § 202 SGG iVm § 5 ZPO zusammenzurechnen (BSG, Beschluss vom 6. August 2019 – B 14 AS 182/18 B – Rn 4; Dies gilt auch, wenn das SG mehrere Klagen verbunden und über diese anschließend mit einem Urteil entschieden hat (so bei BSG, Urteil vom 8. Oktober 1981 - 7 RAr 72/80 – juris Rn 20; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. Juni 2016 - L 13 AS 17/13 -), auch wenn § 5 Hs 1 ZPO nur die Zusammenrechnung mehrerer in einer Klage geltend gemachter Ansprüche vorsieht. Eine Ausnahme soll zwar für die Zusammenrechnung mehrerer prozessualer Ansprüche gelten, wenn das SG mehrere selbstständige Klagen ohne erkennbaren sachlichen Grund verbunden hat (so Bayerisches LSG, Urteil vom 16. März 2017 – L 11 AS 839/16 -, juris Rn 30). Ungeachtet des Umstandes, dass hier jeglicher Anhaltspunkt für eine nicht mit § 113 Abs 1 Var 1 SGG vereinbare Verbindung der drei Klageverfahren fehlt, wirkte sich selbst die Aufhebung der vom SG vorgenommenen Verbindung nicht dahin aus, dass die Statthaftigkeit der Berufung bei ihrer Einlegung nach der erneuten Trennung der Verfahren wieder entfiele (vgl BSG, Urteil vom 8. Oktober 1981 - 7 RAr 72/80 – juris Rn 16; Beschluss vom 6. August 2019 – B 14 AS 182/18 B – Rn 4 mwN).
- Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind in der Gestalt, die sie durch die Widerspruchsbescheide gefunden haben, rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Er kann für die Jahre 2019 bis 2022 keine Weihnachtsbeihilfe beanspruchen.
Der Senat nimmt zunächst gemäß § 153 Abs 2 SGG Bezug auf die ausführliche Begründung des SG zu den von ihm zutreffend in Erwägung gezogenen Rechtsgrundlagen des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 und § 21 Abs 6 SGB II sowie § 73 SGB XII, macht sie sich zu Eigen und sieht insoweit von einer Begründung ab.
Ergänzend weist er auf Folgendes hin:
Ein atypischer Bedarf des unverheirateten und kinderlosen Klägers nach einer zu Weihnachten zu zahlenden Zuwendung folgt insbesondere nicht daraus, dass nach dem Tod seiner Eltern die verbliebenen Familienangehörige des Klägers nach seinen Angaben weit entfernt wohnen und er sich aus Kostengründen nicht in der Lage sieht, diese zu Weihnachten zu besuchen oder ihnen Weihnachtsgeschenke zukommen zu lassen. Ein Mehrbedarf iS des § 21 Abs 6 SGB II kann zwar durch Wahrnehmung des Umgangsrechts voneinander getrennt lebender Eltern und ggf auch durch (Reise-)Mehraufwendungen der aus anerkennenswerten Gründen räumlich voneinander getrennt lebenden Ehegatten entstehen (hierzu näher Köhler in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 5. ErgLfg 2024, § 21 Rn 83 ff mwN). Beim Kläger handelt es sich jedoch lediglich um Besuche und Zuwendungen innerhalb des Familienverbundes, aber keine vom verfassungsrechtlichen Schutz des Art 6 Abs 1 GG umfasste Sonderbeziehung wie zwischen Ehegatten/Lebenspartnern oder Eltern zu ihren Kindern. Es ist aber nicht Aufgabe des Grundsicherungsrecht den Aufbau, die Aufrechterhaltung und/oder die Vertiefung jeglicher familiärer, verwandt- oder schwägerschaftlicher Beziehungen durch staatliche Leistungen zu fördern. Vielmehr kann und muss der Kläger die Kosten für solche Aktivitäten aus den im Regelbedarf berücksichtigten Leistungen bestreiten; nicht selten wird sich - gerade bei Familienfesten - die Höhe der Reisekosten ohnehin durch die im Allgemeinen von den jeweiligen Gastgebern bestrittenen Kosten für Nahrungsmittel relativieren.
Auf die Frage der Rechtmäßigkeit eventueller kommunaler Zuwendungen an Bedürftige in der Weihnachtszeit – es dürfte sich um eine einstellige Zahl von Städten, ua die Stadt G. und den H. handeln - kommt es für die Entscheidung des Senats nicht an, ebenso nicht auf die Frage, ob und ggf in welchem Umfang solche Leistungen von dem Beklagten bei seiner Leistungsbewilligung als Einkommen anzurechnen wären. Der Kläger kann mit seinem gegenüber dem Beklagten erhobenen Begehren bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil er eine Gleichbehandlung in Bezug auf eine andernorts von der Gebietskörperschaft des Wohnortes eines/einer Hilfebedürftigen – und nicht vom örtlich zuständigen Träger der Leistungen nach dem SGB II - erbrachten Leistung erstrebt. Selbst wenn – woran der Senat allerdings größte Zweifel hat - die Argumentation des Klägers verfangen würde, könnte sich ein Anspruch damit von vorn herein nicht gegen den Beklagten als Träger der Leistungen nach dem SGB II, sondern allenfalls gegen die Gebietskörperschaft des Wohnortes des Klägers – hier: den Landkreis Hildesheim – richten. Da die Rechtsgrundlagen des in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallenden Teile des Sozialgesetzbuches – wie ausgeführt – keine Bewilligung solcher Leistungen vorsehen, sieht der Senat für eine Beiladung des Landkreises Hildesheim zum hiesigen Verfahren keine Grundlage.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Der Senat sieht keinen Anlass, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 160 SGG bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. -------------------------------------------------------------------------