1. Der Anspruch auf den pauschalen Wohngruppenzuschlag nach § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI setzt voraus, dass von den Mitgliedern der Wohngruppe eine Person gemeinschaftlich beauftragt ist. Bei der Bestellung der Koordinatorin muss der Wille der Gemeinschaft nach außen hin objektivierbar und damit für die Pflegekasse nachvollziehbar erkennbar sei (BSG, Urteil vom 18. Februar 2016 – B 3 P 5/14 R – Rn. 21, juris; SG Mainz, Gerichtsbescheid vom 28. November 2016 – S 14 P 53/16 –, Rn. 33, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Juni 2019 – L 5 P 63/18 –, Rn. 88, juris). Bei einem Beitritt neuer Bewohner muss ein solcher (fortwährender) gemeinsamer Wille der Wohngruppe auch im Zeitpunkt des Beitritts erkennbar sein.
2. Vom Vorliegen einer (teil-)stationäre Versorgungsform im Sinne von § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI ist auszugehen, wenn der Umfang der Selbstbestimmungsmöglichkeit nicht das Maß erreicht, dass von einer gelebten Selbstbestimmung die Rede sein kann.
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 6. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung eines Wohngruppenzuschlags nach § 38a Sozialgesetzbuch (SGB) – Elftes Buch (XI) – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) für die Monate August 2018 bis Januar 2023.
Die 1941 geborene Klägerin bezieht seit 1. August 2017 Leistungen von der Beklagten nach dem Pflegegrad 2. Sie zog laut Einwohnermeldeabfrage am 5. September 2018 in das Seniorenhaus G. ein und wohnte in der Wohngemeinschaft 3 bis zum 31. Januar 2023 mit elf weiteren Personen (Bl. 103 GA).
Das Seniorenhaus G. wurde ursprünglich als stationäres Pflegeheim für vier Wohngemeinschaften errichtet, aber zunächst nicht mit Wohngruppen, sondern über mehrere Jahre mit stationärem Versorgungsvertrag betrieben. Dieser Vertrag endete am 31. Dezember 2016. Das Seniorenhaus G. bestand ab 1. Januar 2017 aus vier Wohngemeinschaften mit insgesamt 48 Plätzen.
Laut eines an die D. mobile Pflege gGmbH, also die Rechtsvorgängiger der Beigeladenen, gerichteten Schreibens des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales Darmstadt vom 22. März 2017 habe jene angezeigt, dass sie ab 1. Januar 2017 eine Einrichtung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1d Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP) betreibe. Die durchgeführte Prüfung habe ergeben, dass die Einrichtung den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 d HGBP genüge (Dok 29-30 Verwaltungsakte L 6 P 5/22).
Der nunmehr durch die Rechtsvorgängerin der beigeladenen betriebenen Versorgung im Seniorenhaus G. lag ab 1. Januar 2017 das „Konzept ambulant betreute Wohngemeinschaften im SHB“ [im Anschluss: Konzept] zugrunde (Bl. 33 ff Verwaltungsakte [VA] L 6 P 4/22). In der Präambel heißt es: „Das Christliche Sozialwerk E-Stadt e.V. errichtete in 2008 das Seniorenhaus G. mit dem Ziel, Senioren mit Pflegebedarf eine neue Möglichkeit des Wohnens, gemeinsamen Lebens und des gepflegt werdens in einer angenehmen und haushaltsähnlichen Wohnform anbieten zu können. Das Seniorenhaus G. ist vollständig barrierefrei, mit einem Aufzug ausgestattet und verfügt über eine, auf die Feuerwehr aufgeschaltete Brandmeldeanlage. Im Gebäude befinden sich eine Begegnungsstätte mit Café und eine Kapelle.
Die Besonderheit einer Wohngruppe oder Wohngemeinschaft [zukünftig WG abgekürzt] liegt im betreuten Wohnen mit einem hohen Maß an Selbstbestimmung. Aus diesem Grund werden verschiedene Leistungsbereiche mit unterschiedlichen Partnern vereinbart.
WOHNEN
Ab dem 1.1.17 können sich interessierte Senioren mit Pflegebedarf (mindestens Pflegegrad 1) als Mieter in die vier Wohngemeinschaften im Seniorenhaus G. einmieten. Vermieter ist das Christliche Sozialwerk E-Stadt e.V.
KOLLEKTIVE HILFE IM ALLTAG
bietet z.B. die D. mobile Pflege gGmbH im Rahmen eines Betreuungs- und Dienstleistungsvertrags an. Mit diesem Vertrag stellt die WG sicher, dass rund um die Uhr Präsenzkräfte für alle Mieter erreichbar und tätig sind, die Gemeinschaft in ihrer gemeinsamen Haushaltsführung, sei es putzen, kochen, Wäsche waschen Unterstützung erhält.
PFLEGE BETREUUNG UND INDIVIDUELLE HAUSWIRTSCHAFTLICHE LEISTUNG
Die individuellen Pflegeleistungen werden ebenfalls von der D. mobilen Pflege gGmbH angeboten. Die Mieter können den Pflegedienst aber frei wählen. Der Pflegedienst bietet den Mietern alle individuell notwendigen Pflege- und Betreuungsleistungen an. Auch individuelle hauswirtschaftliche Versorgung wird der Pflegedienst übernehmen. Die Leistungen werden in einem Pflegevertrag geregelt.“ (Bl. 33 VA S 6 P 24/18/ L 6 P 4/22).
Unter Nr. 2 des Konzepts wird ausgeführt: „Der Wunsch nach möglichst eigenständigem Leben, wie auch nach Gemeinschaft, lässt sich in einer WG mit anderen Senioren in die Wirklichkeit umsetzen. Über kollektive und individuelle Verträge mit entsprechenden Anbietern kann jederzeit die notwendige Unterstützung, Pflege und Betreuung und damit Sicherheit im Alltag gewährleistet werden. Die Angehörigen unterstützen das Einleben in die WG und gestalten das Leben in der WG und Im Haus aktiv mit. Auch ZEITspender (so heißen die im Sozialwerk engagierten Ehrenamtlichen) sollen aktiv in die Alltagsgestaltung mit eingebunden werden, um das Leben der Mieter mit Kontakten nach Außen und abwechslungsreich gestalten zu können. Durch das Sozialwerk bestehen gute Kontakte zur Kommune, zu Kirchen und zu Vereinen in B-Stadt. Jeder Mieter ist gefordert, sich seinen Fähigkeiten und Wünschen gemäß in die Gemeinschaft einzubringen. Angehörige, Bekannte und Freunde sollten sich in vielfältiger Form am Leben der Mieter und der Gruppe beteiligen“ (vgl. Bl. 34 VA S 6 P 24/18/ L 6 P 4/22).
Unter dem Stichpunkt Wohnen heißt es in dem Konzept (Nr. 4, vgl. Bl. 35 VA S 6 P 24/18/ L 6 P 4/22): „Jeder Mieter schließt einen Mietvertrag mit dem Christlichen Sozialwerk ab. Er mietet sein Zimmer mit Bad individuell. Zusätzlich mietet er anteilig, die zur WG gehörigen, Gemeinschaftsflächen in der WG und weitere gemeinschaftlich zu nutzende Flächen im Gebäude. Die Vermietung erfolgt teilmöbliert. Im ‚Flurbereich' des Zimmers ist ein großzügiger Einbauschrank vorhanden. Ebenso gibt es in jedem Zimmer ein Funktionsregal, über welches Licht und interne Klingelanlage bedient werden können, welches nicht entfernt werden darf. Auch die Leuchten in Wohnraum und Bad sind enthalten. Die WG verfügt über eine, mit den notwendigen Geräten für 12 Personen ausgerüstete, offene Wohnküche und einen großen, teilbaren Esstisch. Auch hier sind die Leuchten für die geeignete Allgemeinbeleuchtung enthalten. Gemeinsame Kühl- und Lagerräume sind im Gebäude vorhanden, die Aufteilung und Zuordnung ist in einer Hausordnung geregelt. Der Wohnraum ist mit verschieden gemusterten Tapeten tapeziert. Die verschiedenen Bereiche (Wohnecke, Essbereich) sind mit Möbeln aus unterschiedlichen Epochen ausgestattet. Ziehen Bewohner ein, die geeignete Möbel mitbringen können oder möchten, ist das im Mietergremium abzustimmen und zu beschließen. Der Vermieter nimmt in diesem Falle die dort stehenden historischen Möbel zurück.“ (Bl. 35 VA S 6 P 24/18/ L 6 P 4/22).
In Nr. 3 des Konzepts wird weiter ausgeführt, dass die Mieter einer WG ein Gremium bildeten, das wesentliche Entscheidungen des Zusammenlebens bespreche. Jeder Mieterhabe im Gremium eine Stimme (Bl. 35 VA S 6 P 24/18/ L 6 P 4/22). „Mieter bzw. deren Angehörige bringen sich (mit ZEITspendern) in die WG ein. Dazu gibt es ganz viele Möglichkeiten“. Nach dem Konzept sollen die Bewohnergremien beispielsweise mitentscheiden (Bl. 35 VA S 6 P 24/18/ L 6 P 4/22):
- die Betreuung (Gespräche, Vorlesen, Spaziergänge, Basteln, Sitztanz, Musik, Gesang, Gärtnern ...)
- die hauswirtschaftlichen Versorgung (Backen, Kochen, Grillen ...)
- Besuche, Spaziergänge, Arztbesuche, Besorgungen
- Gruppenaktivitäten, die gemeinsam geplant werden
- Kontaktperson oder Helfer bei der Alltagsgestaltung
- Für bettlägerige Bewohner bemühen sich alle Beteiligten, dass soziale Kontakt durch Gespräche und Besuche bestehen bleiben. Entsprechende Sinnesanregungen (Gesang, Plaudern, ausgewählte Musik, Windspiel, Lichtspiel o. ä.) sollen hierbei ebenfalls zum Einsatz kommen.
Ab 1. Januar 2017 wurde – vor dem Hintergrund dieses Konzepts – die Versorgung jedes Bewohners durch vier einzelne Verträge geregelt: Die Bewohner schlossen jeweils individuell (1) einen Mietvertrag mit dem Christlichen Sozialwerk E-Stadt e.V. (Bl. 59 ff GA), (2) einen Betreuungs- und Dienstleistungsvertrag (Bl. 79 GA) sowie (3) einen Pflegevertrag (Bl. 105 GA), wobei tatsächlich alle Bewohnerinnen und Bewohner die D. mobile Pflege gGmbH („Beigeladene“) beauftragten, die ebenfalls zum Christlichen Sozialwerk E-Stadt gehört. Ein weiterer Vertrag (4) über die Koordinationsleistungen in der Wohngemeinschaft wurde zwischen der Auftraggebergemeinschaft, bestehend aus den Mitgliedern der Wohngemeinschaft Nr. 3 am 11. Oktober 2016, mit der D. mobile Pflege gGmbH gemeinnützige Sozialstation („Anbieter“), abgeschlossen (Bl. 99 GA). Diesem traten neu hinzukommende Mitglieder der Wohngemeinschaft wie die Klägerin durch eine (nur) gegenüber der D. mobile Pflege gGmbH abgegebene und von dieser gegengezeichnete „Beitrittserklärung zum Vertrag über Koordinationsleistungen“ bei (Bl. 89 ff GA).
Viele der Senioren, die vorher in diesem Heim stationär untergebracht waren, verblieben im Zuge der „Ambulantisierung“ in der Einrichtung (vgl. S 6 P 48/17/ L 6 P 13/22 und S 6 P 24/18/ L 6 P 24/22).
Die Ausgestaltung der Mieterbeteiligung wurde für die Wohngemeinschaft 3 durch die vom 19. Januar 2017 datierende „Vereinbarung ambulante Wohngemeinschaft“ ergänzt (vgl. Dok 343 Eureka); eine wortlautidentische Vereinbarung liegt auch für die WG 1 vor (vgl. Gerichtsakte SG Dok 5 S 2 P 24/18/ L 6 P 4/22). In den Vereinbarungen heißt es: „Das Gremium, bestehend aus allen Mitgliedern der WG bzw. ihren Vertretern, der Koordinationskraft, einem Vertreter des Vermieters und einem Vertreter des Pflegedienstes, tagt viermal im Jahr“ (vgl. Dok 343 Eureka, so auch WG 1 Gerichtsakte SG Dok 5 S 2 P 24/18/ L 6 P 4/22 Ziffern 1.1. und 3.1.). Beschlüsse des Gremiums wurden nach Ziffer 4.4. mit einfacher Mehrheit gefasst und waren, so die Vereinbarung, für alle Mitglieder verbindlich. Das Gremium war – ebenfalls nach Ziffer 4.4. der Vereinbarung – abstimmungsberechtigt, wenn mehr als die Hälfte der Mieter vertreten waren. Beschlüsse in Abwesenheit einer oder beider Organisationen [gemeint sind offenbar der Vermieter und der Pflegedienst] waren nicht gültig. Das Gremium hatte gemäß Ziffer 6.1. über alle Angelegenheiten des Gemeinschaftslebens, z.B. Nutzung und Gestaltung der Gemeinschaftsräume, gemeinschaftliche Anschaffungen, Festsetzung des Haushaltsgeldes, Umgang mit Überschüssen des Haushaltskontos, Haustierhaltung etc, zu entscheiden. Die Mitglieder der Wohngemeinschaft erhielten nach der Regelung Ziffer 7.1. vor dem Einzug eines neuen Bewohners die Gelegenheit, sich über diesen und seine Angehörigen/gesetzlichen Betreuer zu informieren und diesen auch kennen zu lernen. Das Angehörigengremium konnte bei schwerwiegenden Gründen seine Bedenken gegen den Einzug eines neuen Bewohners anmelden (vgl. Dok 343 und Gerichtsakte SG Dok 5 S 2 P 24/18/ L 6 P 4/22).
Im Gremienprotokoll vom 3. April 2017 findet sich unter dem Stichwort „Regelung bei Neueinzug“ folgender Eintrag: „Ein kennenlernen der neuen Mieter mit den Sprechern und Koordinatorin findet vor dem Einzug statt“. (Dok 339 Eureka).
Unter dem Stichpunkt „Sicherstellung der Präsenz, „Lebensbegleitung" (Nr. 5, Bl. 36 VA L 6 P 4/22) heißt es im Konzept: „In einem Betreuungs- und Dienstleistungsvertrag wird die kollektive Betreuung und Präsenz rund um die Uhr angeboten. Alle, in der WG tätigen Mitarbeiter erbringen für die ambulant betreute WG die von allen Mitbewohnern gemeinschaftlich beauftragten kollektiven Hilfen bei der Haushaltsführung, insbesondere Reinigung der gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten, Waschen und Bügeln der gemeinschaftlich genutzten Wäsche, gemeinschaftliches Kochen und Einkaufen für die Gemeinschaft. Bei Einzug und zum Einleben stehen die Verantwortlichen des Dienstes den neuen Mietern verstärkt als Ansprechpartner zur Seite. Sie und die Koordinationskräfte sind Hauptansprechpartner für Mieter und Angehörige und geben mit ihren Teams bei Bedarf Hilfestellung, um den Mieter zu unterstützen, sich in die Gemeinschaft zu integrieren. Die Mitarbeiter des Dienstes sind Ansprechpartner, Mitgestalter und Förderer des sozialen Miteinanders. Sie fördern die Kommunikation und die Beziehungen der Bewohner untereinander und binden Angehörige und Zeitspender ins Alltagsgeschehen ein. Reichen die Ressourcen der Mieter nicht aus, initiieren oder gestalten sie mit Angehörigen und ZEITspendern auch 'familiäre‘ Highlights (Feste feiern in der Gruppe...). In jeder WG sollte eine Alltagsplanung erfolgen, in den alle geplanten Arbeiten und Besonderheiten in der Gruppe eingetragen werden. Er dient zur Planung, Koordination und Information der Mieter, der Angehörigen und der Mitarbeiter.“
Nach dem Konzept musste der pflegebedürftige Mieter für die individuellen Pflege- und Betreuungsleistungen einen ambulanten Pflegedienst beauftragen. Dieser erbrachte anhand des Pflegevertrages alle dort vereinbarten individuellen Pflegeleistungen (Grund- und Behandlungspflege, Betreuung, individuelle hauswirtschaftliche Versorgung, z.B. Reinigen des eigenen Zimmers).
Die Anwesenheit einer Pflegefachkraft im Seniorenhaus war nach dem Konzept rund um die Uhr, auch nachts vorgesehen. Bei allen pflegerelevanten und medizinischen Themen seien die zuständigen Pflegefachkräfte und die Pflegedienstleitung des beauftragten Pflegedienstes Ansprechpartner (Bl. 38 VA S 6 P 24/18/ L 6 P 4/22).
Das Konzept sah nach Nr. 8 vor, dass zur Koordination des Zusammenlebens das Gremium für die WG einer geeigneten Fachperson den Auftrag erteilt, für die Auftraggeber allgemeine organisatorische, verwaltende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten unter Einbindung der Bewohner und von deren Angehörigen zu verrichten (Bl. 38 VA S 6 P 24/18/ L 6 P 4/22).
Die Akte im hiesigen Verfahren (Bl. 103 Gerichtsakte) und in Dok 21 von Bl. 48 VA im Verfahren S 6 P 76/17/ L 6 P 5/22 enthalten nach Wohngruppen geordnete Listen der Bewohner. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf diese Bezug genommen.
Die Klägerin schloss, vertreten durch ihren Betreuer, einen Mietvertrag beginnend zum 24. August 2018 mit dem Christliche Sozialwerk E-Stadt e.V. (Bl. 62 GA). Aus dem Mietvertrag geht hervor, dass das Christliche Sozialwerk E-Stadt e.V. der Klägerin einzelne Räumlichkeiten zur ausschließlichen Benutzung sowie Gemeinschaftsflächen zur gemeinschaftlichen Nutzung durch alle Mitglieder der Wohngemeinschaft vermietet. Die Klägerin mietete das Zimmer Nr. 306 inklusive Duschbad und WC mit Klingel, teilmöbliert mit Einbauschrank und Funktionsregal, zur alleinigen Nutzung für einen monatlichen Mietzins ab September 2018 von 425,73 Euro. Daneben war die Klägerin berechtigt, die Gemeinschaftsküche in der Wohngemeinschaft, den Wohnbereich (Wohnzimmer in der Wohngemeinschaft), die Terrasse/Balkon sowie das Badezimmer sowie u.a. einen Gymnastikraum im Untergeschoß und drei Büroräume im Untergeschoss zu benutzen (Bl. 59 f GA).
In der Anlage 2 zum Mietvertrag, die mit „Ausschluss von Leistungen“ überschrieben ist, heißt es: „Der Ausschluss [von Leistungen für Pflege- und Betreuungsdürftigkeit] muss erfolgen, weil …nach der Konzeption der Wohngemeinschaft Pflege und Betreuung nicht vom Personal des Vermieters erbracht wird, sondern von frei wählbaren, externen ambulanten Pflege- und Betreuungsdiensten. Der Vermieter bietet im Rahmen dieses Mietvertrags keine pflegerischen und betreuenden Leitungen an, solche Leistungen sind vom Entgelt nach diesem Mietvertrag auch nicht umfasst. Soweit pflegerische und betreuerische Leistungen erforderlich sind, kann der Mieter in der Wohngemeinschaft verbleiben, wenn er diese Leistungen durch einen frei wählbaren ambulanten Pflege- oder Betreuungsdienst erbringen lässt und kein weiteres der im folgenden genannten Ausschlusskriterien vorliegt.“ Ausgeschlossen waren Menschen mit geistiger Behinderung (Nr. 2, Bl. 71 GA), mit Suchtmittelabhängigkeit, chronisch mehrfach geschädigte Alkoholiker, Menschen mit Morbus Korsakow und Menschen mit erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung, weil diese Menschen einen besonderen Betreuungsbedarf bzw. eine Gefährdung der Mitbewohner darstellten. Nicht mobilisierbare Mieter waren ausgeschlossen, weil die Konzeption der Wohngemeinschaft eine Teilnahme und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in der WG voraussetze. Auf ständig im Bett liegende Mieter könne auch eine von den Mietern beauftragte Präsenzkraft nicht in der gebotenen Intensität eingehen, auch sei in diesen Fällen regelmäßig die pflegerische Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst nicht mehr ausreichend (Bl. 70-72 GA).
Die Klägerin und der D. mobile Pflege gGmbH schlossen ebenfalls zum 24. August 2018 einen Pflegevertrag ab, in dem die individuell erforderlichen Pflegeleistungen geregelt werden (vgl. Bl. 105 ff GA), welcher von dem Vertreter der Klägerin am 5. September 2018 unterzeichnet wurde (Bl. 108 GA). Die von der Beigeladenen erbrachten pflegerischen Leistungen sollten sich ausschließlich nach den in der Anlage 1 des Pflegevertrages vereinbarten Leistungen richten, wobei die Beigeladene wie andere zugelassene ambulante Pflegedienste im Sinne des § 71 Abs. 1 SGB XI alle Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 36 SGB XI anzubieten hatte, also körperbezogene Pflegemaßnahmen, pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung.
Weiter hatte die Auftraggebergemeinschaft, bestehend aus den Mitgliedern der Wohngemeinschaft Nr. 3 am 11. Oktober 2016, mit der D. mobile Pflege GmbH gemeinnützige Sozialstation, vertreten durch den Geschäftsführer H. („Anbieter“), einen Vertrag über Koordinationsleistungen in der Wohngemeinschaft [im Anschluss: Koordinationsvertrag] (Bl. 99 GA) geschlossen; hierzu erklärte die Klägerin mit (nur) gegenüber der D. mobile Pflege GmbH abgegebenen Beitrittserklärung vom 21. August 2018 zum 24. August 2018 ihren Beitritt.
Gegenstand des Koordinationsvertrags ist die Beauftragung des Anbieters mit der Stellung eines Koordinators (Bl. 95 – 101 GA; der von der Klägerin geschlossene Vertrag liegt unvollständig vor, Seite 2 fehlt; ein vollständiges Vertragsmuster findet sich als Bl. 39 ff. VA S 6 P 24/18/ L 6 P 4/22). Als Koordinatorin wurde die in der Berufungsinstanz als Zeugin vernommene Frau K. bestellt (§ 2 des Vertrags). Die beim Anbieter beschäftigte Koordinatorin verrichtete für die Auftraggeber allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten. Es sei die wesentliche Aufgabe der Koordinatorin, die Mitglieder der Wohngemeinschaft zu unterstützen, zu beaufsichtigen, einzubeziehen und ihren Ressourcen entsprechend zu fördern. Dies beinhalte auch die Koordination und Einbindung von Angehörigen und des sozialen Umfelds der Bewohner.
Die Koordinatorin hatte nach § 1 Abs. 3 des Koordinationsvertrags folgende Aufgaben (Bl. 40 VA S 6 P 24/18/ L 6 P 4/22):
- Planung externer Termine, ggf. unter Organisation einer adäquaten Begleitperson, welche die Mitglieder der Auftraggebergemeinschaft zu diesen Terminen begleitet und betreut, wenn Angehörige oder ehrenamtliche Helfer nicht zur Verfügung stehen,
- Verwaltung der gemeinsamen Haushaltskasse und Berichterstattung hierüber gegenüber der Mieterversammlung,
- Planung des Einkaufs von Lebensmitteln, Reinigungsmitteln und anderem Bedarf der Wohngemeinschaft, wenn Angehörige oder ehrenamtliche Helfer nicht zur Verfügung stehen,
- Planung und Vermittlung von kleineren Reparaturen, wenn Angehörige oder ehrenamtliche Helfer nicht zur Verfügung stehen,
- Planung und Organisation von Gemeinschaftsveranstaltungen, wenn Angehörige oder ehrenamtliche Helfer nicht zur Verfügung stehen,
- Koordination der Angehörigen, ehrenamtlichen Helfer, Pflege- und Betreuungsdienste für einen reibungslosen gemeinsamen Ablauf,
- Information über und Vermittlung von anderen Dienstleistern.
Für seine Leistungen nach § 1 Abs. 1 des Vertrags erhielt der Anbieter pro Auftraggeber monatlich pauschal 180,- Euro. Nach § 1 Abs. 4 des Koordinationsvertrages sei die Durchführung der in § 1 Abs. 3 genannten externen Leistungen wie Begleitungen der Mitglieder der Wohngemeinschaft zu Terminen, von Einkäufen, Reparaturen und Gemeinschaftsveranstaltungen keine im Rahmen dieses Vertrags geschuldete Leistung des Anbieters und nicht mit der in § 3 für die Koordinationsleistungen festgelegten pauschalen Vergütung abgegolten.
In § 4 Abs. 3 des Vertrags heißt es zur Vertragsdauer: „Eine ordentliche Kündigung durch ein einzelnes Mitglied der Auftraggebergemeinschaft ist jedoch nur zum Ziel des Auszugs aus der Wohngemeinschaft oder einvernehmlich aus anderen Gründen zulässig. Den Auftraggebern ist bekannt, dass die beteiligten Mitglieder der Wohngemeinschaft eine Auftraggebergemeinschaft bilden und daher eine gemeinschaftliche Entscheidung bei der Auswahl der Anbieter von Koordinations-, Betreuungs-, Hauswirtschafts- und Pflegeleistungen sowie sonstigen Dienstleistungen treffen. Dies bedingt auch einen Verzicht des einzelnen Mitglieds der Auftraggebergemeinschaft auf das individuelle Recht zur ordentlichen Kündigung dieses Vertrags, soweit sie nicht dem Ziel des Auszugs aus der Wohngemeinschaft dient. Ein Wechsel des Anbieters kann durch Entscheidung der Mitglieder der Wohngemeinschaft getroffen werden, ihre Voraussetzungen richten sich nach der internen Vereinbarung der Mitglieder der Auftraggebergemeinschaft“.
Des Weiteren schlossen die Klägerin und die D. mobile Pflege gGmbH („Dienst“) einen Betreuungs- und Dienstleistungsvertrags (Fassung 2018, intern ARM 4.1.1.07, Bl. 79 ff GA). Hier war die Klägerin – und nicht die WG –Vertragspartnerin der D. mobile Pflege gGmbH. Nach § 1 Abs. 1 bot die D. mobile Pflege gGmbH dem Kunden kollektive hauswirtschaftliche Leistungen und Betreuung an. Ziel des Vertrags war es, dem Kunden in seiner Wohngemeinschaft unter Wahrung seiner Menschenwürde zur Erhaltung und Aktivierung der eigenständigen Lebensführung sowie zur Erhaltung und Wiederherstellung individueller Fähigkeiten Hilfe zu gewähren (§ 1 Abs. 2). Die D. mobile Pflege gGmbH war hierbei vom Kunden soweit wie möglich zu unterstützen (§ 1 Abs. 4 S. 2). Behandlungspflegemaßnahmen nach dem SGB V, körperbezogene Pflegemaßnahmen, individuell gewünschte Hilfen bei der Haushaltsführung und individuelle pflegerische Behandlungsmaßnahmen nach dem SGB XI waren nicht Gegenstand des Vertrags (§ 1 Abs. 5). Nach § 2 Abs. 1 des Vertrages konnten individuell gewünschte Hilfen bei der Haushaltsführung vom Kunden individuell beauftragt und im Pflegevertrag vereinbar werden. Der Dienst hatte für die ambulant betreute Wohngemeinschaft nach § 2 Abs. 1 des Vertrags die von allen Mitbewohnern gemeinschaftlich beauftragten kollektiven Hilfen bei der Haushaltsführung, insbesondere Reinigung der gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten, Waschen und Bügeln der gemeinschaftlich genutzten Wäsche (keine chemische Reinigung), gemeinschaftliches Kochen und Einkaufen für die Gemeinschaft zu erbringen. Der Leistungsumfang umfasste die Dienstleistungen exklusive der hierzu erforderlichen Materialien (Lebensmittel, Putzmittel, Waschmittel etc.). Diese waren von den Bewohnern der Wohngemeinschaft auf eigene Kosten zu erwerben und dem Dienst bereitzustellen.
Nicht Gegenstand der Vereinbarung waren gemäß § 2 Abs. 1, 2. Unterabsatz die vom Kunden individuell gewünschten Hilfen bei der Haushaltsführung, insbesondere Reinigung der ausschließlich von ihm genutzten Räumlichkeiten, Waschen der persönlichen Wäsche, Bügeln der persönlichen Oberbekleidung. Diese Leistungen könnten vom Kunden individuell beauftragt und im Pflegevertrag vereinbart werden. Die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen umfassten nach § 2 Abs. 2 die von allen Mitbewohnern gemeinschaftlich beauftragten kollektiven Unterstützungsleistungen der Alltagsgestaltung der ambulant betreuten Wohngemeinschaft. Hierunter fielen insbesondere gewohnte, routinemäßige Abläufe im Tages- und Wochenzyklus einer WG, wie z.B. Haushaltsführung, Gruppenbeaufsichtigung, gemeinschaftliche Freizeitbeschäftigung etc. Es werde jedoch keine Vollversorgung angeboten (§ 2 Abs. 2, 2. Unterabsatz, Satz 1, Bl. 80 GA). Bestimmte Bereiche oblägen dem sozialen Umfeld oder dem Kunden, z.B. die Organisation der Arztbesuche und die Medikamentenbesorgung, die Gestaltung der Wohnung, kleine Reparaturen, Behördenangelegenheiten, Einkauf der Lebensmittel/Getränkeversorgung (§ 2 Abs. 2 2. Absatz, Satz 2, Bl. 80 GA).
In § 2 Abs. 3 des Vertrages heißt es: „Der Dienst stellt bedarfsgerecht rund um die Uhr mindestens einen Mitarbeiter für alle vier Wohngemeinschaften ab. Zwischen 7:00 Uhr und 21:00 Uhr stellt der Dienst mindestens je einen Mitarbeiter für jede der vier Wohngemeinschaften des Wohngemeinschaftskonzepts Seniorenhaus G. ab. Der einzelne Kunde hat daher keinen Anspruch auf alleinige Verfügbarkeit der eingesetzten Mitarbeiter.
Die Vergütung betrug monatlich pauschal 944,- Euro (§ 4 Abs. 1 des Vertrages).
Unter 1) der Anlage des Vertrags (Bl. 83 f GA) heißt es, nach der Konzeption der Wohngemeinschaft werde Pflege nicht vom Personal des Dienstes erbracht, sondern von frei wählbaren, externen ambulanten Pflegediensten. Soweit pflegerische Leistungen erforderlich seien, könne der Kunde in der Wohngemeinschaft verbleiben, wenn er diese Leistungen durch einen frei wählbaren ambulanten Pflegedienst erbringen lasse und kein weiteres der sodann benannten vier Ausschlusskriterien (geistige Behinderung, Suchtmittelabhängigkeit, erhebliche Selbst- und Fremdgefährdung und nicht mobilisierbare Kunden) vorliege.
Die Klägerin stellte am 31. August 2018 bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung des Wohngruppenzuschlag ab 24. August 2018 (Bl. 2 VA). Sie gab im Antrag an, die Wohngemeinschaft sei zum 11. Oktober 2016 gegründet worden (Bl. 2 VA). Betreuende Kraft der Wohngruppe 3 im Sinne von § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB XI sei K. (Bl. 2 VA). Die Pflege werde durch den Pflegedient D. mobile Pflege, F-Straße, B-Stadt erbracht (Bl. 1 VA).
Mit Bescheid vom 24. September 2018 lehnte die Beklagten den Antrag ab (Bl 6 VA). Es handele sich nicht um eine anerkannte Wohngruppe.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 18. Oktober 2018, eingegangen bei der Beklagten am 19. Oktober 2018, Widerspruch ohne weitere Begründung ein (Bl. 8 VA).
Während des laufenden Widerspruchsverfahrens bat die Klägerin die Beigeladene aus dem Koordinationsvertrag zum 30. November 2018 austreten zu können, da die wesentliche Tagesgestaltung und Verpflegung in einer Tagespflegeeinrichtung stattfinde und sie somit die Kosten doppelt zu tragen hätte. Daraufhin schlossen die Klägerin und die Beigeladene am 22. November 2018 eine Auflösungsvereinbarung zum Monatsende (Dok 351 Eureka).
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2018 mit der Begründung, die in Hessen für die Prüfung zuständige Heimaufsicht sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des Wohngruppenzuschlags nicht vorlägen, zurück (Bl. 10 ff VA).
Am 21. Dezember 2018 hat die Klägerin beim Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Weitere Bewohner der Einrichtungen haben ebenfalls Klage erhoben (S 6 P 46/17, S 6 P 48/17, S 6 P 67/17, S 6 P 73/17, S 6 P 74/17, S 6 P 76/17, S 6 P 9/18, S 6 P 16/18, S 6 P 24/18, S 6 P 78/18, S 6 P 7/19).
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 22. Juni 2020 die D. Mobile Pflege gGmbH, der Rechtsvorgängerin der jetzigen Beigeladenen, zum Verfahren beigeladen (Bl. 119 GA).
Am 26. April 2021/ 9. Mai 2021 hat die Klägerin mit Wirkung ab 1. April 2021 erneut einen im wesentlichen wortgleichen Beitritt zum Koordinationsvertrag erklärt (Dok 358 Eureka).
Die Klägerin hat vor dem Sozialgericht schriftsätzlich beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 24. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2018 aufzuheben und die Beklagte zur Leistung des Wohngruppenzuschlags nach § 38a SGB XI zu verpflichten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Nachdem die Beteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt hatten (vgl. für Klägerin Bl. 169, Beigeladene Bl. 173, Beklagte Bl. 175 GA), hat das Sozialgericht die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 6. Dezember 2021 abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 24. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2018 sei rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Bewilligung des Wohngruppenzuschlags.
Nach § 38a Abs. 1 SGB XI hätten Pflegebedürftige Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 214 Euro monatlich, wenn
1. sie mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung lebten und davon mindestens zwei weitere Personen pflegebedürftig im Sinne der §§ 14, 15 seien,
2. sie Leistungen nach den §§ 36, 37, 38, 45a oder § 45b bezögen,
3. eine Person durch die Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt sei, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder die Wohngruppenmitglieder bei der Haushaltsführung zu unterstützen, und
4. keine Versorgungsform einschließlich teilstationärer Pflege vorliege, in der ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbiete oder gewährleiste, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Absatz 1 für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprächen; der Anbieter einer ambulant betreuten Wohngruppe habe die Pflegebedürftigen vor deren Einzug in die Wohngruppe in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass dieser Leistungsumfang von ihm oder einem Dritten nicht erbracht werde, sondern die Versorgung in der Wohngruppe auch durch die aktive Einbindung ihrer eigenen Ressourcen und ihres sozialen Umfelds sichergestellt werden könne.
Die Voraussetzungen von § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 SGB XI lägen vor.
Es handele sich um eine ambulant betreute Wohngemeinschaft, denn die Einbringung der Pflegebedürftigen oder ihrer Angehörigen mit eigenen Beiträgen in die Gestaltung der Wohngemeinschaft sei möglich. So könne z.B. die Organisation von Arztbesuchen, die Medikamentenbesorgung, die Gestaltung der Wohnung, kleinere Reparaturen, Behördenangelegenheiten und der Einkauf von Lebensmitteln und die Getränkeversorgung dem sozialen Umfeld des Pflegebedürftigen oder dem Pflegebedürftigen selbst obliegen.
Die Klägerin lebe mit mindestens zwei weiteren pflegebedürftigen Personen, die Leistungen nach §§ 36, 37, 38, 45a oder § 45b SGB XI bezögen, zusammen.
Die Klägerin lebe mit diesen Personen auch im Sinne von § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI in einer gemeinsamen Wohnung. Zwar verfüge der von der Klägerin zur individuellen Nutzung angemietete Wohnraum u.a. auch über einen eigenen Sanitärbereich. Der Begriff der „gemeinsamen Wohnung“ im Sinne von § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI sei aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts weit auszulegen. Es spreche insbesondere nicht gegen die Annahme einer „gemeinsamen Wohnung“, wenn schon die Ausstattung eines Apartments geeignet sei, die elementaren Bedürfnisse im Tagesablauf auch ohne Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen zu befriedigen (BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 1/20 R –, SozR 4-3300 § 38a Nr. 3, Rn. 19).
Es sei vorliegend auch im Sinne von § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI eine Person von den Mitgliedern der Wohngemeinschaft gemeinschaftlich beauftragt worden, unabhängig von der pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten. Hierbei handele es sich vorliegend um Frau K. (§ 2 Koordinationsvertrag), die für die Wohngemeinschaft allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten übernehme, z.B. externe Termine plane, die gemeinsame Haushaltskasse verwalte und den Einkauf von Lebensmitteln plane.
Ein Anspruch der Klägerin auf den Wohngruppenzuschlag käme zeitlich vorliegend lediglich für den Zeitraum bis zur Auflösung des Koordinationsvertrags in Betracht, da der Wohngruppenzuschlag nach § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI die gemeinschaftliche Beauftragung einer Präsenzkraft erfordere. Zwar sei insofern nach der Rechtsprechung des BSG für eine gemeinschaftliche Beauftragung nicht erforderlich, dass alle Mitglieder der Wohngemeinschaft an der gemeinschaftlichen Beauftragung mitwirkten. Mitglieder der Wohngemeinschaft, die jedoch ausdrücklich die Beauftragung nicht unterstützten – wie die Klägerin, die hierfür ab dem Zeitpunkt der Auflösung des Koordinationsvertrags nicht mehr gezahlt habe –, hätten schon von daher keinen Anspruch auf die Zahlung des Wohngruppenzuschlags mehr, denn die Voraussetzungen des § 38a SGB XI seien kumulativ (vgl. Hauck, Noftz, 5/21, § 38a SGB XI Rz. 7). Als unproblematisch erachte die Kammer es dagegen, dass der Dienstleistungs- und Betreuungsvertrag nur zwischen der Klägerin und der Beigeladenen abgeschlossen worden sei, denn die Voraussetzungen des § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI seien bereits durch die durch den Koordinationsvertrag, der unstreitig durch alle WG-Mitglieder abgeschlossen worden sei, auf Frau K. übertragenen Aufgaben erfüllt (BSG, Urteil vom 10. September 2020, B 3 P 2/19 R, juris, Rn. 26).
Der Anspruch der Klägerin scheitere jedoch daran, dass die Voraussetzungen von § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI [nicht] vorlägen, denn jedenfalls quasi-stationäre Leistungen würden von der D. mobile Pflege gGmbH auch nach der „Ambulantisierung“ der Versorgung weiterhin angeboten. Der Anspruch auf den Wohngruppenzuschlag bestehe nach § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI nur, wenn keine Versorgungsform einschließlich teilstationärer Pflege vorliege, in der ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbiete oder gewährleiste, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprächen.
Dem klägerischen Anspruch stehe es dabei nicht entgegen, dass es sich beim Seniorenhaus G. bzw. der einzelnen Wohngruppe, in der die Klägerin wohne, um einen Einrichtungsbetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 HGBP handele. Ein solcher liege vor, wenn entgeltlich Wohnraum überlassen und Betreuungs- und Pflegeleistungen am Tag, zur Nacht, für kürzere Zeit oder auf Dauer in Einrichtungen zur Verfügung gestellt oder vorbehalten würden, die in ihrem Bestand von dem Wechsel und der Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner unabhängig seien. Hieraus könne kein Schluss dahingehend gezogen werden, dass es sich bei einem solchen Einrichtungsbetrieb stets um eine Versorgungsform stationärer oder teilstationärer Pflege i.S.d. § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI handele. Die Anwendung des landesrechtlichen Heimrechtes sei seit 1. Januar 2015 kein Unterscheidungskriterium mehr. Als zentrales Abgrenzungsmerkmal zur ambulanten Versorgung komme es gemäß § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Nr. 1 SGB XI nicht (mehr) auf heimrechtliche, sondern auf leistungsrechtliche Kriterien an (BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 3/19 R –, SozR 4-3300 § 38a Nr. 5, Rn. 25).
Dem klägerischen Anspruch stehe es weiterhin nicht entgegen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Wohngruppe um eine betreibergesteuerte ambulante Wohngruppe handele (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 18. Februar 2016 – B 3 P 5/14 R –, juris, Rn. 18; BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 2/19 R –, juris, Rn. 21).
Gerade bei betreibergesteuerten ambulanten Wohngemeinschaften wie vorliegend seien die Voraussetzungen des § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI aber kritisch zu prüfen.
Um den Regelungsgehalt der Norm zu erfassen, sei zunächst zu prüfen, welche Leistungen im Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI für die vollstationäre pflegerische Versorgung für das Land Hessen (https://www.vdek.com/LVen/HES/Vertragspartner/Pflege/stationaere-pflege/_jcr_content/par/download/file.res/Rahmenvertrag_2018_07.pdf, zuletzt aufgerufen am 30. November 2021) vorgesehen seien. Den Inhalt der Leistungen enthalte Abschnitt I dieses Vertrags.
Die allgemeinen Pflegeleistungen orientierten sich am Begriff der Pflegebedürftigkeit nach § 14 SGB XI und umfassten Leistungen im Bereich
a) der Mobilität (mit dem Ziel, die Bewegungsfähigkeit der pflegebedürftigen Menschen im innerhäuslichen Bereich zu erhalten oder zu verbessern)
b) der kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten (mit dem Ziel der Schaffung einer Tagesstruktur, deren Angebote handlungsorientiert seien)
c) von Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen (wie Beobachtung, Motivierung, positiver Ansprache, Umgebungs- und Milieugestaltung)
d) Selbstversorgung (in den Bereichen Körperpflege, An- und Auskleiden, Ernährung und Ausscheiden) sowie
e) Bewältigung von krankheits- und therapiebedingten Anforderungen (so motiviere das Pflegeheim zur selbständigen Durchführung des Eigenübungsprogramms in Zusammenhang mit laufenden Heilmittelverordnungen und unterstütze z.B. das Organisieren und Planen von Arztbesuchen)
f) medizinische Behandlungspflege (Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, die üblicherweise an Pflegefachkräfte und Pflegekräfte delegiert werden könnten und nicht vom behandelnden Arzt selbst erbracht würden)
g) Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.
Weiterhin hätten pflegedürftige Menschen Anspruch auf zusätzliche Aktivierung und Betreuung, die über die nach Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit notwendige Versorgung hinausgehe. Schließlich seien vom Rahmenvertrag über die vollstationäre Versorgung Unterkunft und Verpflegung umfasst einschließlich Wäscheversorgung und Gemeinschaftsveranstaltungen (Sachaufwand für Veranstaltungen zur Förderung des Gemeinschaftslebens).
In § 2 Abs. 1 des Pflegevertrages sei aufgeführt, dass Art, Inhalt und Umfang der Leistungen entsprechend dem jeweils gültigen Rahmenvertrag gem. § 75 SGB XI für die ambulante Pflege und dem Vertrag gem. §§ 132, 132a SGB V und den Leistungsvereinbarungen der Anlagen 1 und 2 erbracht würden. Insofern sei der Leistungsumfang vorliegend begrenzt auf denjenigen der ambulanten Pflege und entspreche nicht demjenigen einer vollstationären Pflege. Konkretisierend habe die Beigeladene dazu im Verfahren S 6 P 24/18 [L 6 P 4/22] am 29. November 2021 [Dok 101 S 6 P 24/18] vorgetragen, den „Rahmenvertrag für die ambulante Pflege“ gebe es bis heute nicht. Die von der Beigeladenen erbrachten Leistungen richteten sich allein nach den in Anlage 1 des Pflegevertrags vereinbarten Leistungen.
Aus Sicht des Sozialgerichts reiche es bei trägergesteuerten ambulanten Wohngemeinschaften zum Ausschluss des Ausschlusstatbestands in § 38 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI nicht aus, die Verträge formal von „stationär“ auf „ambulant“ umzustellen.
Eine stationäre Leistungserbringung zeichne sich insbesondere dadurch aus, dass der Leistungsträger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsberechtigten übernehme und eine Versorgungsgarantie bzw. Vollversorgung bestehe, wenn also in einem Pflegevertrag die vollständige Übernahme sämtlicher körperbezogener Pflegemaßnahmen, pflegerischer Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung vereinbart werde, mithin der Gesamtkanon der nach § 36 SGB XI möglichen ambulanten Leistungen. Eine Einbringung des Bewohners in den Alltag sei hier nicht möglich (Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes und der Verbände der Pflegekassen auf Bundesebene zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI vom 19. Dezember 2019, 184 f.).
Demgegenüber solle der Betroffene im Rahmen einer ambulanten Leistungserbringung so weit wie möglich befähigt werden, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohnbereich selbstständig vornehmen zu können, sich im Wohnumfeld zu orientieren oder zumindest dies alles mit selbst gewählter Unterstützung Dritter erreichen zu können. Beiträge der Bewohnerinnen und Bewohner selbst, ihres persönlichen sozialen Umfeldes oder von bürgerschaftlich Tätigen zur Versorgung blieben regelgerecht notwendig und seien auch so vorgesehen (Richter/Klie in Kramer/Plantholz, Sozialgesetzbuch XI, 5. Auflage 2018, § 38a Rn. 55; Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes und der Verbände der Pflegekassen auf Bundesebene zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI vom 19. Dezember 2019, S. 184 f.).
Bei trägerinitiierten ambulanten Wohngruppen wie hier habe daher eine genaue Prüfung zu erfolgen, um dem Wortlaut wie dem Gesetzeszweck des § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI zu genügen. Besonderes Augenmerk sei dabei auch deshalb auf den von der D. mobile Pflege gGmbH übernommenen Leistungsumfang zu richten, da sie in Personalunion die Verpflichtete durch Pflege-, Koordinations- und Betreuungs- und Dienstleistungsvertrag sei und damit die wesentlichen Aufgaben, die im Rahmen der ambulanten Wohngemeinschaft anfielen, aus einer Hand erbracht würden. Dabei falle auf, dass der von allen Bewohnern zu unterzeichnende Betreuungs- und Dienstleistungsvertrag in § 2 Abs. 3 eine Regelung enthalte, die alle vier Wohngemeinschaften binde und damit die Gestaltungsmöglichkeit der einzelnen Wohngemeinschaft beschränke, indem dort geregelt sei, dass der Dienst rund um die Uhr mindestens einen Mitarbeiter für alle der vier Wohngruppen des Wohngruppenkonzepts Seniorenhaus G. abstelle. Daraus werde deutlich, dass seitens der D. mobile Pflege gGmbH vorausgesetzt werde, dass alle Bewohner der Wohngruppen diesen Vertrag unterzeichneten und er somit gerade nicht frei verhandelbar sei. Dies allein dürfte allerdings keinen Ausschlussgrund für den Wohngruppenzuschlag darstellen (vgl. zu einem insofern wohl ähnlichen Sachverhalt BSG, Urteil vom 10. September 2020, B 3 P 2/19 R, juris, Rn. 4).
Nach dem Wortlaut von § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI scheide der Wohngruppenzuschlag aus, wenn eine Versorgungsform einschließlich teilstationärer Pflege vorliege, in der ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbiete oder gewährleiste, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprächen. Der Wortlaut stelle damit allein auf das Angebot von Pflegeleistungen, hauswirtschaftlichen Leistungen und Betreuungsleistungen durch den Anbieter, hier die D. mobile Pflege gGmbH, ab. Bereits das Angebot entsprechender Leistungen durch die D. mobile Pflege gGmbH führe zum Ausschluss des Wohngruppenzuschlags. Jedenfalls quasi-stationäre Leistungen im Bereich Pflege, Hauswirtschaft und Betreuung würden vorliegend von der D. mobile Pflege gGmbH auch nach der „Ambulantisierung“ der Versorgung weiterhin angeboten. Dies schließe das Gericht zum einen daraus, dass zahlreiche Bewohner des stationären Pflegeheimes auch nach der „Ambulantisierung“ im Wohnheim verblieben seien und kein Vortrag dazu erfolgt sei, dass sich danach an dem von ihnen tatsächlich in Anspruch genommenen Pflegeumfang etwas geändert hätte. Dies sei auch nach der Lebenserfahrung nicht anzunehmen.
Des Weiteren eröffne die Vertragsgestaltung durch die vier von den Pflegebedürftigen abgeschlossenen Verträge eine große Bandbreite von Gestaltungsmöglichkeiten von der Übernahme von Aufgaben durch Pflegebedürftige selbst und ihrer Angehörigen hin bis zu einer umfassenden Versorgung ohne Einbezug der Pflegebedürftigen und Angehörigen. Letztgenannter Punkt führe nach dem Wortlaut der Norm zum Ausschluss des Anspruchs auf den Wohngruppenzuschlag, denn insofern komme es allein auf das Angebot dieser Leistungen an. Ausweislich § 2 des Dienstleistungsvertrages erbringe die D. mobile Pflege gGmbH für die Wohngruppe die von allen Mitbewohnern gemeinschaftlich beauftragten kollektiven Hilfen bei der Haushaltsführung, insbesondere Reinigung der gemeinschaftlich genutzten Wäsche, gemeinschaftliches Kochen und Einkaufen für die Gemeinschaft, Haushaltsführung, gemeinschaftliche Freizeitbeschäftigung. In § 2 Abs. 2 des Dienstleistungsvertrages sei aufgeführt, dass keine Vollversorgung geboten werde und bestimmte Bereiche wie Organisation der Arztbesuche, Medikamentenbesorgung, Gestaltung der Wohnung, kleine Reparaturen, Behördenangelegenheiten, Einkauf der Lebensmittel/Getränkeversorgung dem sozialen Umfeld oder dem Kunden oblägen. Die Planung dieser Aufgaben sei indes in § 1 Abs. 3 des Koordinationsvertrages als Aufgabe der Koordinatorin/des Koordinators festgelegt für den Fall, dass Angehörige oder ehrenamtliche Helfer nicht zur Verfügung stünden. Dieser Vertrag sei ebenfalls mit der D. mobile Pflege gGmbH abgeschlossen, sodass der Ausschluss im Dienstleistungsvertrag im Ergebnis durch die Regelung im Koordinationsvertrag aufgefangen werde, wenn dort auch die Vergütung des Koordinators für die Durchführung der externen Leistungen, die sonst von Angehörigen erbracht werden könnten, nicht aufgeführt sei. Auch die von den Kunden individuell gewünschten Hilfen bei der Haushaltsführung, insbesondere Reinigung der ausschließlich von ihnen genutzten Räumlichkeiten, Waschen der persönlichen Wäsche, Bügeln der persönlichen Oberbekleidung, könnten vom Kunden individuell beauftragt und im Pflegevertrag vereinbart werden (§ 2 Abs. 1 des Betreuungs- und Dienstleistungsvertrags). Trotz des Hinweises also, dass eine Vollversorgung nicht erfolgt sei, entsprächen die von der D. mobile Pflege gGmbH und des Christlichen Sozialwerks E-Stadt e.V. durch alle vier Vertrage angebotenen (nicht unbedingt in jedem Einzelfall auch erbrachten) Leistungen einer solchen Vollversorgung. Geändert habe sich durch die Schaffung von ambulanten Wohngruppen insbesondere, dass – ggf. anders als vor dem 1. Januar 2017 – bestimmte Leistungen seit der „Ambulantisierung“ durch Angehörige erbracht werden könnten wie die Organisation von regelmäßigen und außergewöhnlichen Arztterminen, die Terminvereinbarung von Physiotherapie, die Neuversorgung mit Hilfsmitteln, die Erledigung von für die Pflegebedürftigen notwendigen Einkäufen. Gleichzeitig könne aber auch weiterhin eine Vollversorgung erfolgen, was aus Sicht der Kammer zum Ausschluss des Wohngruppenzuschlags führe.
Auch eine am Gesetzeszweck orientierte Auslegung führe vorliegend dazu, dass der Wohngruppenzuschlag nicht zu zahlen sei. Der Gesetzgeber habe den Wohngruppenzuschlag nicht zu dem Zweck geschaffen, dass stationäre Pflegeheime sich rechtlich umstrukturieren, um dessen Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen. Ziel des Wohngruppenzuschlags sei es vielmehr, gemeinschaftliche Pflegewohnformen außerhalb der stationären Pflegeeinrichtungen besonders zu unterstützen.
„Ziel des Wohngruppenzuschlags ist es, gemeinschaftliche Pflegewohnformen außerhalb der stationären Pflegeeinrichtungen und außerhalb des klassischen betreuten Wohnens leistungsrechtlich besonders zu unterstützen. Besonders in den Blick zu nehmen sind hier anbieterverantwortete ambulant betreute Wohngruppen – also Wohngruppen, die nicht von den Bewohnerinnen und Bewohnern und ihren Angehörigen selbst organisiert werden, sondern bei denen ein bestimmter Anbieter oder ein Dritter den in der Wohngruppe lebenden Pflegebedürftigen Leistungen anbietet oder gewährleistet. Auch bei diesen Wohngruppen muss sich aus der Gesamtschau ergeben, dass es sich weiterhin um eine ambulante Versorgungsform handelt, die sich in Anbetracht der insgesamt von dem Anbieter oder Dritten für die Wohngruppenmitglieder angebotenen oder gewährleisteten Leistungen von einer vollstationären Versorgung unterscheiden lässt. Durch die Anpassungen im Wortlaut wird noch deutlicher als bisher zum Ausdruck gebracht, dass Wohngruppen nicht als solche im Sinne von § 38a SGB XI anerkannt werden können, in denen nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept der Leistungserbringung vom Anbieter der Wohngruppe oder einem Dritten zugleich Leistungen angeboten werden, die insgesamt weitestgehend dem Umfang vollstationärer Pflege entsprechen“ (Zitat aus BT-Drs. 18/5926, S. 125, vgl. auch ähnlich BT- Drs. 18/3449, S. 13).
Wenn das Bundessozialgericht formuliere: „Das LSG ist entsprechend den Materialien zum 5. SGB XI-ÄndG insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Abgrenzung von einem der vollstationären Pflege weitgehend entsprechenden Leistungsumfang darauf ankommt, ob nach der Konstruktion der Wohngemeinschaft die Möglichkeit besteht, dass die Bewohner oder ihr soziales Umfeld sich mit eigenen Beiträgen in die Versorgung einbringen können (vgl. die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zum später in PSG I umbenannten Gesetz, BT-Drucks 18/2909 S 42 zu Nr. 8). Eine ambulante Versorgungsform liegt folglich vor, wenn keine vollständige Übertragung der Verantwortung ohne freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen erfolgt, sondern wenn die Versorgung auf die Übernahme von Aufgaben durch Dritte angelegt ist, unabhängig davon, ob auch tatsächlich davon in bestimmter Weise Gebrauch gemacht wird. Die vom LSG festgestellten zahlreichen Aufgaben, die durch Bewohner und deren Angehörige in der Wohngruppe wahrgenommen werden, widerlegen eine einer vollstationären Pflege weitgehend entsprechende Situation“ (BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 2/19 R –, SozR 4-3300 § 38a Nr. 4, Rn. 29), so vermische das BSG aus Sicht des Gerichts die Kriterien des Vorliegens einer ambulanten Versorgungsform mit denen des Vorliegens einer Versorgung, die einer stationären weitgehend entspreche. So ließen Wortlaut und Struktur der Norm des § 38a SGB XI es grundsätzlich zu, dass eine ambulante Versorgungsform vorliege (wie hier, wo Beiträge von Pflegebedürftigen und Angehörigen unstreitig möglich seien), wobei der Wohngruppenzuschlag nicht zu zahlen sei, wenn die Voraussetzungen von § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI vorlägen, nämlich Leistungen angeboten würden, die dem vollstationären Leistungsumfang weitgehend entsprächen.
Die vorliegend von den Pflegebedürftigen abgeschlossenen Verträge ermöglichten unstreitig auch die Einbringung von Angehörigen oder der Pflegebedürftigen selbst, etwa bei Einkäufen, dem Besorgen von Reinigungsmitteln oder der Organisation und Wahrnehmung von Arztterminen außerhalb der Wohngruppe. Das sei jedoch ein Element des Vorliegens einer „ambulanten“ Wohngruppe und damit bereits Tatbestandsmerkmal von § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI. Würde dasselbe Kriterium erneut bei Ziffer 4 entscheidungsrelevant sein, hätte § 38 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI neben Nr. 1 SGB XI keine eigenständige Bedeutung. Der Gesetzgeber habe § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI jedoch gerade eingeführt, um die lediglich formale Umstrukturierung vormaliger Pflegeheime in ambulante Wohngruppen gerade nicht finanziell zu fördern (BT-Drs. 18/2909, S. 40). Auch in BT-Drs. 18/3449, S. 13 werde hervorgehoben, dass mit Nr. 4 auf bundesgesetzlicher Ebene ausgeschlossen werde, dass der Anspruch aus § 38a SGB XI für stationäre oder quasi-stationäre Formen geöffnet werde. Denn mit dem Wohngruppenzuschlag solle nicht vorrangig auf die Umwidmung stationärer Einrichtungen in Wohngruppen hingewirkt werden, sondern es sollten gemeinschaftliche Pflegewohnformen außerhalb der stationären Pflegeeinrichtungen und außerhalb des klassischen betreuten Wohnens besonders unterstützt werden.
Aus Sicht des Gerichts sei das BSG auf dem Weg, seine Rechtsprechung zum Vorliegen einer quasi-stationären Versorgung aus den Entscheidungen vom 10. September 2020 hin zu einer stärkeren Betonung der angebotenen Leistungen zu korrigieren, wenn es in einer neueren Entscheidung im Zusammenhang mit der Frage, ob eine vollstationäre Versorgung von Pflegebedürftigen vorliege im Sinne von § 38 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI formuliert:
„Die Grenze zwischen ambulanter und stationärer Pflegeversorgung i.S. des SGB XI verläuft für ambulant betreute Wohngruppen nach § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 1 SGB XI dort, wo ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen "Leistungen anbietet oder gewährleistet, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen". Abgrenzungsrelevant sei danach weniger die rechtliche und/oder personelle Gestaltung auf der Anbieterseite als der Umfang der den Pflegebedürftigen zu gewährleistenden Leistungen. Diese dürften einem vollstationären Leistungsumfang entsprechen, aber nicht weitgehend entsprechen. Den Pflegebedürftigen müssten für ihre Ausgestaltung Wahlmöglichkeiten verblieben sein (vgl. dazu BSG vom 10. September 2020 – B 3 P 2/19 R – SozR 4-3300 § 38a Nr. 4 RdNr 29; BSG vom 10. September 2020 – B 3 P 3/19 R – SozR 4-3300 § 38a Nr. 5 RdNr 25)“ (BSG, Urteil vom 26. März 2021 – B 3 KR 14/19 R –, Rn. 37).
Danach stelle das BSG nunmehr den Umfang der den Pflegedürftigen zu gewährenden Leistungen zutreffend in den Vordergrund. Inwiefern Wahlmöglichkeiten der Pflegebedürftigen am angebotenen Leistungsumfang etwas ändern würden, erschließe sich der Kammer nicht. Zudem sei Ziel des Gesetzgebers bei der Neufassung von § 38a SGB XI gewesen, das vorherige Kriterium der „freien Wahlmöglichkeiten“ in § 38a Abs. 2 SGB XI a.F. abzuschaffen, da es zu viele Fragen aufwerfe (vgl. BT-DS 18/2909, S. 40: „Auch die freie Wählbarkeit“ sei künftig kein maßgebliches leistungsrechtliches Merkmal einer ambulant betreuten Wohngruppe mehr). Vor diesem Hintergrund erscheine es dem Gericht fragwürdig, dieses Kriterium nun offenbar bei der Definition von § 38a Abs. 1 Nr. 4 SGB XI in der Rechtsprechung wieder aufzugreifen. Auch erschließe sich dem Gericht nicht, dass das BSG „weitgehend entsprechen“ offenbar als Steigerung von „entsprechen“ ansähe. Nach dem Sprachverständnis der Kammer bedeute „entsprechen“ eine Übereinstimmung zu 100 %, während ein „weitgehendes Entsprechen“ eine Übereinstimmung zu mehr als 50 und weniger als 100 % darstelle. Entscheidungsrelevant sei dies im vorliegenden Fall aber nicht, so dass es letztlich dahinstehen könne.
Als weiteres Indiz für das Vorliegen einer quasi-stationären Versorgung werte das Gericht, dass die ambulante Wohngemeinschaft nicht über die Aufnahme neuer Mitglieder entscheiden könne. Die Entscheidung hierüber treffe die D. mobile Pflege gGmbH (vgl. Rückschluss aus Ziffer 4 des Ziel- und Ergebnisprotokolls der WG 2 vom 19.4.2017, S P 74/17). Der Gesetzgeber habe aber u. a. die Entscheidung über die Mitglieder der Wohngemeinschaft als typischerweise von einer ambulanten WG selbst zu regelnde Frage angesehen (vgl. BT-Drs. 18/2909, S. 41). Das Sozialgericht erachte die Frage, mit welchen Personen man zusammenlebe, als zentrales Moment der Selbstbestimmung und als einen zentralen Punkt, der bei einer ambulanten Wohngemeinschaft von den Mitgliedern selbst zu regeln sei (Abweichung vom Sachverhalt bei Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Juni 2019 – L 5 P 63/18 –, Rn. 103 - 105, juris).
Ebenfalls als weiteren Anhaltspunkt für das Vorliegen einer quasi-stationären Versorgung sehe die Kammer den Umstand an, dass die Aufhebung des Koordinationsvertrages offenbar – wie der vorliegende Fall zeige – zwischen einzelnen Bewohnern der Wohngemeinschaft und dem Anbieter erfolgen könne, sobald dieser eine Tagespflegeeinrichtung besuche. In § 1 Abs. 3 der Beitrittserklärung seien Gründe genannt worden, bei deren Vorliegen ein Bewohner der Wohngemeinschaft den Koordinationsvertrag einzeln mit Wirkung für sich kündigen könne. Danach sei eine ordentliche Kündigung nur zum Ziel des Auszugs aus der Wohngemeinschaft oder einvernehmlich aus anderen Gründen zulässig. Aus der Auslegung des Koordinations- und des Beitrittsvertrages ergebe sich, dass mit dem Begriff „einvernehmlich“ das Einvernehmen mit der gesamten Gruppe gemeint sei. Mit dem Auszug aus der Wohngemeinschaft sei der Besuch einer Tagespflegeeinrichtung nicht vergleichbar. Für die Kammer sei auch nicht ersichtlich, inwiefern der Besuch einer Tagespflegeeinrichtung die Notwendigkeit einer Koordination verschiedener Aufgaben im gemeinschaftlichen häuslichen Bereich entbehrlich mache. Des Weiteren ergebe sich aus den der Kammer vorliegenden Unterlagen nicht, dass die übrigen Bewohner der Wohngemeinschaft der Aufhebung durch ein einzelnes Mitglied zugestimmt hätten. Die Vertragsgestaltung mache deutlich, dass die Struktur des Zusammenlebens eben vorliegend doch so sei, dass maßgebliche Entscheidungen über Grundlagen der Wohngemeinschaft allein durch die D. mobile Pflege gGmbH und gerade nicht durch alle Mitglieder der Wohngemeinschaft geschlossen werden würden.
Das Urteil ist der anwaltlich vertretenen Klägerin am 7. Januar 2022 zugestellt worden.
Die Klägerin hat am 19. Januar 2022 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt (Bl. 210 GA).
Zur Begründung hat sie vorgetragen, von der Beigeladenen würden in der Wohngemeinschaft nur die Leistungen angeboten, zu denen jeder zugelassene ambulante Pflegedienst gesetzlich und vertraglich verpflichtet sei und keine darüber hinausgehenden Leistungen. Wäre die Auffassung der ersten Instanz korrekt, dürfte keinem in einer Wohngemeinschaft lebenden Patienten der Zuschlag gewährt werden, wenn er einen zugelassenen Pflegedienst mit der pflegerischen Versorgung und gleichzeitig auch mit organisatorischen, verwaltenden oder betreuenden Tätigkeiten (Koordination) beauftrage. Die Klägerin solle nur dadurch, dass die Beigeladene beauftragt worden sei, keinen Anspruch auf den streitgegenständlichen Zuschlag haben, obwohl sie die gleichen Leistungen bei jedem anderen zugelassenen Pflegedienst auch angeboten bekommen hätte beziehungsweise hätte verlangen können. Die Auffassung der ersten Instanz zur Auslegung der Rechtsprechung des BSG sei insofern nicht hinnehmbar.
Wenn nicht die tatsächlich erbrachten Leistungen relevant sein sollten, sondern die theoretisch möglichen und angebotenen, fiele der Zuschlag für alle von einem zugelassenen Pflegedienst versorgten Versicherten weg. Das könne den Urteilen des BSG wohl gerade nicht entnommen werden und sei nur dadurch erklärbar, dass der Leistungsumfang der ambulanten Pflege allgemein verkannt worden sei. Gänzlich falsch sei die als Indiz für die ablehnende Begründung herangezogene Annahme, dass die WG-Mitglieder nicht über die Aufnahme neuer Mitglieder zu entscheiden hätten. Das sei auch gerade nicht dem in Bezug genommenen Protokoll zu entnehmen. Der Pflegedienst solle nur eine pflegefachliche Vorprüfung durchführen, ob bei einem Interessenten die ambulante Versorgung überhaupt sinnvoll und möglich erscheine und ein Angebot zur ambulanten pflegerischen Versorgung unterbreitet werden könne oder ob eine Vollversorgung notwendig wäre, die eben nur eine stationäre Einrichtung bieten könne.
Auch der individuelle Verzicht auf die Koordinationsleistungen sei gerade kein Indiz für eine quasi-stationäre Versorgung. Damit werde gerade die nur in ambulanter Versorgung bestehende Wahlmöglichkeit für den individuell gewünschten Leistungsumfang unterstrichen.
Da nach § 38a Abs. 1 Satz 2 SGB XI der Anspruch auf Leistungen der Tagespflege neben dem hier begehrten WG-Zuschlag bis auf wenige Ausnahmen grundsätzlich ausgeschlossen sei, habe man den WG-Mitgliedern hiermit die Möglichkeit eröffnen wollen, zwischen den Leistungen nach § 38a SGB XI und denen nach § 41 SGB XI zu wählen. Dies nun als Argument für den gänzlichen Wegfall des Leistungsanspruchs auf Leistungen nach § 38a SGB XI zu werten, selbst wenn keine Leistungen nach § 41 SGB XI in Anspruch genommen werden sollten, überzeuge in keiner Weise (Bl. 221 GA).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Darmstadt vom 6. Dezember 2021 – S 6 P 114/18 – und den Bescheid der Beklagten vom 24. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin den Wohngruppenzuschlages gemäß § 38a SGB XI vom 1. August 2018 bis zum 31. Januar 2023 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Berufung für unbegründet (Bl. 252 f GA). Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Bewilligung des Wohngruppenzuschlags gemäß § 38a SGB XI. Das Sozialgericht Darmstadt habe die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Weder von der Klägerin noch von der Beigeladenen würden Tatsachen oder Rechtsausführungen vorgetragen, die die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung rechtfertigten. Soweit unter Bezugnahme auf die in § 36 SGB XI beschriebenen Leistungen eines zugelassenen Pflegedienstes vorgetragen werde, dass ausgehend von der Entscheidung des Sozialgerichts Darmstadt keinem in einer Wohngemeinschaft lebenden Patienten der Wohngruppenzuschlag gewährt werden könne, wenn er einen zugelassenen Pflegedienst mit der pflegerischen Versorgung und gleichzeitig auch mit organisatorischen, verwaltenden oder betreuenden Tätigkeiten beauftrage, sei dem nicht zuzustimmen. Entgegen der Auffassung der Klägerin bzw. der Beigeladenen habe das Sozialgericht Darmstadt den Zuschlag nach § 38a SGB XI bei einer betreibergesteuerten ambulanten Wohngemeinschaft nicht generell verneint. Vielmehr habe das Sozialgericht ausgeführt, dass eine kritische Prüfung der Voraussetzungen des § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI sowie der maßgeblichen Verträge zu erfolgen habe. Hiernach reiche es eben nicht aus, die Verträge formal von „stationär“ auf „ambulant“ umzustellen. Bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden, in der die Beigeladene in Personalunion nicht nur die pflegerische Versorgung übernehme, sondern auch Leistungen auf der Grundlage eines Koordinations-, Betreuungs- und Dienstleistungsvertrags erbringe und somit eine Vollversorgung aus einer Hand sicherstellt, führe die Prüfung zwingend zu dem Ergebnis, dass der Ausschlussgrund nach § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI gegeben sei.
Auch die vom Sozialgericht Darmstadt vorgenommene Auslegung der Rechtsprechung des BSG sei nicht zu beanstanden. So habe das BSG im Urteil vom 26. März 2021, B 3 KR 14/19 R besonders hervorgehoben, dass abgrenzungsrelevant nicht die rechtliche und/oder personelle Gestaltung auf der Anbieterseite, sondern der Umfang der den Pflegebedürftigen angebotenen und zu gewährleistenden Leistungen sei. Nicht nachvollziehbar sei die Argumentation, dass die Aufhebung des Koordinationsvertrages bzw. der individuelle Verzicht auf Koordinationsleistungen die bestehende Wahlmöglichkeit unterstreiche, da der Versicherte so zwischen den Leistungen nach § 38a SGB XI und denen nach § 41 SGB XI wählen könne. Vielmehr sei dem Sozialgericht zuzustimmen, dass gerade nicht ersichtlich sei, inwiefern der Besuch einer Tagespflegeeinrichtung die Notwendigkeit einer Koordination verschiedener Aufgaben im gemeinschaftlichen häuslichen Bereich entbehrlich mache. Insgesamt könne die Argumentation der Klägerin bzw. der Beigeladenen nicht überzeugen.
Die Beigeladene hat sich dem Antrag der Klägerin mit vergleichbarer Argumentation angeschlossen (Bl. 213, 243 ff, 593 ff GA).
Auf Nachfrage hat die Beigeladene mitgeteilt, dass § 5 des Koordinationsleistungsvertrags tatsächlich in den bislang geschlossenen Koordinationsverträgen fehle und es sich hierbei um einen redaktionellen Fehler handele. Frau M., die Koordinationskraft in zwei anderen der WGs im Seniorenzentraum, sei Angestellte bei der Beigeladenen gewesen; auch Frau K. sei bei der Beigeladenen angestellt. Beide hätten vor der Ambulantisierung als Pflegehelfer und Teamleitungen gearbeitet. Da die Tätigkeit als Koordinatorinnen nicht tagesfüllend sei, hätten sie auch andere Tätigkeiten in der Wohngemeinschaft, vor allem Unterstützung bei der Mahlzeitenzubereitung sowie hauswirtschaftliche Tätigkeiten, ausgeführt.
Bei einem kalkulierten Stundenlohn bzw. der Arbeitgeberkosten der Koordinatorin von rund 50,00 Euro pro Arbeitsstunde könne diese selbst bei Vollbelegung nur ca. 10 Stunden/ Woche für die WG Koordinationsleistungen erbringen. Die in diesem Zusammenhang zu erbringenden Leistungen seien in § 1 des Vertrages beschrieben (siehe Bl. 95 ff GA).
Am 29. Juni 2022 hat die damalige Berichterstatterin einen Erörterungstermin in den Verfahren L 6 P 2/22, L 6 P 3/22, L 6 P 4/22, L 6 P 5/22, L 6 P 6/22 und L 6 P 13/22 durchgeführt. Auf den Inhalt des Protokolls Bl. 294 bis 298 GA wird Bezug genommen.
Im Nachgang zu dem Erörterungstermin hat die Beigeladene mit Schriftsatz vom 22. Juni 2023 mitgeteilt, dass das Projekt nun insgesamt wieder habe beendet werden müssen (Bl. 330, 331 GA).
Die Beklagte hat bezugnehmend auf den Erörterungstermin vom 29. Juni 2022 mitgeteilt, dass sie in die tatsächlichen Strukturen und Abläufe des Wohngemeinschaftslebens bei anderen Wohngemeinschaften keinen Einblick habe. Eine vergleichsweise Darstellung der Unterschiede in der gelebten, praktischen Durchführung sei daher nicht möglich.
Auch nach den Erkenntnissen im Erörterungstermin sei ihrer Ansicht nach nicht nachgewiesen, dass eine Vollversorgung nicht (mehr) angeboten werde. Ein typisches Merkmal vollstationärer Versorgung sei es gerade, dass sämtliche Leistungen (Wohnen, Verpflegung, Pflege, Betreuung, Hauswirtschaft, Krankenpflege) „aus einer Hand“ angeboten würden. Es sei insbesondere bedenklich, dass ursprünglich eine vollstationäre Pflegeeinrichtung vorgelegen habe, die umgewandelt worden sei. Das Sozialgericht Darmstadt habe von einer Versicherten die Sachleistungsrechnungen ab dem Tag der Umwandlung angefordert, die deutlich machten, dass weiterhin eine Vollversorgung durch den Pflegedienst erbracht worden sei. Dass vereinzelt Aufgaben durch die Angehörigen übernommen worden seien, könne den quasi-stationären Charakter nicht ändern.
Die Klägerin hat mitgeteilt, dass der Wohngruppenzuschlag bis zum 31. Januar 2023 begehrt werde. Zu diesem Zeitpunkt habe das Projekt geendet (Bl. 385 GA).
Auf Bitte der Berichterstatterin, die Gremienprotokolle für die Jahre 2018 bis 2023 vorzulegen (Dok 324 Eureka), hat die Beigeladene folgende Gremienprotokolle der Wohngemeinschaft 3 vorgelegt:
- 19. Januar 2017 ohne Anwesenheitsliste (Dok 338 Eureka),
- 3. April 2017 ohne Anwesenheitsliste (Dok 339 Eureka),
- 26. Juni 2017 ohne Anwesenheitsliste (Dok 341 Eureka),
- 7. November 2017 ohne Anwesenheitsliste (Dok 342 Eureka),
- 23. Januar 2018 ohne Anwesenheitsliste (Dok 344 Eureka),
- 10. April 2018 ohne Anwesenheitsliste (Dok 345 Eureka),
- 14. August 2018 ohne Anwesenheitsliste (Dok 346 Eureka),
- 30. Oktober 2018 mit Anwesenheitsliste (Dok 350 Eureka),
- 9. April 2019 ohne Anwesenheitsliste (Dok 352 Eureka),
- 21. September 2019 ohne Anwesenheitsliste (Dok 353 Eureka),
- 28. Januar 2020 ohne Anwesenheitsliste (Dok 354 Eureka),
- 3. Juni 2020 ohne Anwesenheitsliste (Dok 355 Eureka),
- 21. September 2020 ohne Anwesenheitsliste (Dok 356 Eureka),
- 1. Oktober 2020 ohne Anwesenheitsliste (Dok 357 Eureka) und
- 21. September 2021 mit Anwesenheitsliste (Dok 350 Eureka).
Auf Hinweis der Berichterstatterin, dass aufgrund des Austritts der Klägerin aus dem Koordinationsvertrag der streitgegenständliche Zeitraum auf die Zeit vom 24. August 2018 bzw. 5. September 2018 bis 30. November 2018 begrenzt sein dürfte und Zweifel an der Statthaftigkeit der Berufung bestünden, hat die Beigeladene unter Verweis auf das Gemeinsame Rundschreiben zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI vom 13. Februar 2018 zu § 38a SGB XI erwidert, dass die Klägerin am 24. August 2018 eingezogen sei und dass der Anspruch auf den Wohngruppenzuschlag ab dem Monat der Antragstellung für jeden Teilmonat ungekürzt (z.B. bei Einzug, Auszug, Tod, Krankenhausaufenthalt) bestehe. Die Klägerin hat hierzu näher vorgetragen, dass sie eigentlich am 24. August 2018 habe einziehen sollen. An diesem Tag habe sie sich jedoch einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen und habe dementsprechend stationär aufgenommen werden müssen. Der tatsächliche Einzug sei dann am 5. September 2018 erfolgt. Für den dazwischenliegenden Zeitraum (24. August 2018 bis 5. September 2018) habe lediglich der Mietbeitrag gezahlt werden müssen. Des Weiteren hat die Klägerin mitgeteilt, dass ihr auch nur die Protokolle der Gremiensitzung zwischen dem 23. Januar 2018 und dem 28. Januar 2020 vorlägen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Akten zu den Verfahren L 6 P 3/22, L 6 P 4/22, L 6 P 5/22, L 6 P 6/22, L 6 P 13/22 sowie das Protokoll des Erörterungstermins vom 29. Juni 2022 und der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2025, in welcher die Zeugin K. vernommen wurde, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin – die Beigeladene hat sich in der mündlichen Verhandlung (nur) dem Antrag der Klägerin angeschlossen, weshalb der Senat auf eine eigenständige Tenorierung des von der Beigeladenen gestellten Antrags verzichtet hat – ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage wegen des von Klägerin für den gesamten Zeitraum von August 2018 bis Januar 2023 geltend gemachten Anspruchs auf den Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB XI, den die Beklagten mit den streitigen Bescheiden abgelehnt hatte, zu Recht abgewiesen.
1. Die Berufung ist zulässig.
Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) (BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 3/19 R –, Rn. 12, juris).
Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft, da die Klägerin Leistungen von mehr als einem Jahr begehrt, denn sie macht einen Leistungsanspruch gegen die Beklagte für die Zeit von August 2018 bis Januar 2023 geltend, ohne dass dies als willkürliche und damit bei der Bemessung des Beschwerdegegenstandes unbeachtliche Ausdehnung des Begehrens zu verstehen wäre.
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichtes Darmstadt vom 6. Dezember 2021 und der Bescheid der Beklagten vom 24. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2018 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des Wohngruppenzuschlages gem. § 38a SGB XI von August 2018 bis Januar 2023.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Leistungsanspruch der Klägerin ist § 38a SGB XI.
Nach § 38a Abs. 1 Satz 1 SGB XI haben Pflegebedürftige Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 214,- Euro monatlich, wenn
- sie mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung zum Zwecke der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung leben und davon mindestens zwei weitere Personen pflegebedürftig im Sinne der §§ 14, 15 SGB XI sind (Nr. 1),
- sie Leistungen nach den §§ 36, 37, 38, 45a oder 45b SGB XI beziehen (Nr. 2),
- eine Person durch die Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder hauswirtschaftliche Unterstützung zu leisten (ergänzt ab 1.1.2019: oder die Wohngruppenmitglieder bei der Haushaltsführung zu unterstützen) (Nr. 3),
- keine Versorgungsform einschließlich teilstationärer Pflege vorliegt, in der der Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbietet oder gewährleistet, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen; der Anbieter einer ambulant betreuten Wohngruppe hat die Pflegebedürftigen vor deren Einzug in die Wohngruppe in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass dieser Leistungsumfang von ihm oder einem Dritten in der Wohngruppe nicht erbracht wird, sondern die Versorgung in der Wohngruppe auch durch die aktive Einbindung ihrer eigenen Ressourcen und ihres sozialen Umfelds sichergestellt werden kann (Nr. 4).
Zwar liegen die Voraussetzungen nach § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB XI vor, die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Zahlung eines Wohngruppenzuschlages gegen die Beklagte, da die Voraussetzungen nach § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 SGB XI nicht erfüllt sind.
Ein gemeinschaftliches Wohnen im Sinne von § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI ist im hiesigen Fall zu bejahen. Die Klägerin wohnte im streitgegenständlichen Zeitraum vom 24. August 2018 oder jedenfalls ab 5. September 2018 bis 31. Januar 2023 in der von der Beigeladenen betriebenen Einrichtung in einem Wohnbereich mit eigenem Zimmer (Nr. 306, Bl. 60 GA) und Gemeinschaftsräumen in der Wohngruppe 3.
Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass sich in dem Haus insgesamt vier separate Wohngruppen befinden, die räumlich separate Einheiten bilden. Die Räumlichkeiten des von der Klägerin bewohnten Wohnbereichs weisen mehrere Zimmer mit eigenen Bädern (Bl. 60 GA), eine Gemeinschaftsküche, einen gemeinsam nutzbaren Wohnbereich und Balkon und Terrasse auf. Nach Angabe des früheren Geschäftsführers der Beigeladenen im Erörterungstermin vom 29. Juni 2022 verfügen die vier Wohngruppen über abschließbare Wohnungstüren, eigene Klingeln und eigene Kellerräume (Bl. 292 R GA).
Die Wohngruppe kann als gemeinsame Wohnung im Sinne des in § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI verwendeten Begriffes verstanden werden, da sie neben den einzelnen Schlafzimmern der Bewohner über eine vom Rest des Hauses abtrennbare Gemeinschaftsküche und dem Wohnen dienenden Gemeinschaftsräume verfügte. Die einzelnen Wohngruppen konnten damit getrennt leben.
Dem steht nicht entgegen, dass der Waschmaschinenraum und der Kühlraum nach der Aussage des Geschäftsführers von allen Wohngruppen genutzt wurde (Bl. 292 R GA).
Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum mit maximal 11 weiteren pflegebedürftigen Personen in der Wohngruppe 3 wohnhaft (vgl. Bl. 108 GA):
Der vorliegende Koordinationsleistungsvertrag der Wohngruppe 3 weist neun Mitglieder auf (Bl. 95 GA). Er wurde vom damaligen Geschäftsführer der Beigeladenen, Herrn Best, und den ursprünglichen Mitgliedern der Wohngemeinschaft bzw. deren Vertretern zwischen dem 11. November 2016 und dem 15. Dezember 2016 unterschrieben (Bl. 99 GA). Auf Bl. 108 GA befindet sich eine Bewohnerliste, die 12 Bewohner ausweist. In der Verwaltungsakte zum Verfahren L 6 P 5/22 Dok 21 von 48 befindet sich folgende Übersicht zu den Mitbewohnern der Wohngemeinschaft 3 und deren Pflegegraden:
Wohngemeinschaft XXX Straße XX |
||
Nachname | Vorname | Pflegegrad |
M. | X. | 2 |
M. | X. | 4 |
L. | X. | 3 |
U. | X. | 3 |
H. | X. | 3 |
B. | X. | 4 |
S. | X. | 2 |
D. | X. | 3 |
R. | X. | 3 |
G. | X. | 3 |
B. | X. | 3 |
Ausgehend von dieser Liste waren alle Bewohner der Wohngruppe pflegebedürftig.
Die Klägerin gehörte auch zum anspruchsberechtigten Personenkreis für die Gewährung des Wohngruppenzuschlags nach § 38a Abs. 1 Nr. 2 SGB XI, denn sie bezog Leistungen aus der Pflegeversicherung nach Pflegegrad 2.
Allerdings liegen die Voraussetzungen nach § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI nicht vor.
Der Anspruch auf den pauschalen Wohngruppenzuschlag nach § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI setzt voraus, dass von den Mitgliedern der Wohngruppe eine Person gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder hauswirtschaftliche Unterstützung zu leisten (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 27. Juni 2024 – B 3 P 2/23 R –, Rn. 15, juris).
Hier fehlt eine solche gemeinsame Beauftragung durch die Mitglieder der Wohngruppe 3.
Der vorliegende vom 11. Oktober 2016 datierende Koordinationsleistungsvertrag der Wohngruppe 3 weist neun Mitglieder auf (Bl. 95, 99 GA). Vertragsparteien sind auf der einen Seite die Mitglieder der Wohngruppe 3 und auf der anderen Seite die D. mobile Pflege gGmbH (Bl. 95 GA).
Der Anspruch der Klägerin scheitert nicht schon daran, dass diese nachträglich dem Koordinationsleistungsvertrag beigetreten ist. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die gemeinschaftliche Beauftragung nicht erkennbar an besondere Formvorschriften geknüpft (BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 2/19 R – Rn. 22, juris). Für den Anspruch auf Wohngruppenzuschlag reicht es nach der Rechtsprechung des BSG vielmehr aus, wenn mindestens zwei weitere pflegebedürftige Mitglieder der Wohngemeinschaft an der gemeinschaftlichen Beauftragung mitwirken (BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 2/19 R –, Rn. 22, juris). Aufgrund der Unterzeichnung des Vertrages durch die damaligen neun Bewohner ist diese Anforderung gewahrt.
Auch der Umstand, dass die Bewohner der Wohngruppe 3 – wie sich aus § 2 des Koordinationsleistungsvertrags ergibt (Bl. 97 GA) – die Beigeladene als juristische Person mit der Erbringung der Koordinationsleistungen beauftragt haben, welche sodann eine natürliche Person mit der Aufgabenerbringung betraut, steht einem Anspruch nach § 38a SGB XI nicht entgegen. Denn nach der Entscheidung des BSG vom 10. September 2020 ermöglicht § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI die (gemeinschaftliche) Beauftragung natürlicher, auch mehrerer, wie auch juristischer Personen in Kombination oder in einem gestuften Verhältnis (BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 2/19 R – Rn. 26, juris).
Allerdings ist nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drs., 18/2909, S. 42) die Präsenzkraft von den Mitgliedern der Wohngruppe gemeinschaftlich mit der Erbringung zumindest einer der alternativ genannten Aufgaben zu beauftragen.
Gemäß § 2 Satz 1 des Vertrages über Koordinationsleistungen in der Wohngemeinschaft beauftragt die Beigeladene eine fachkundige und geeignete Person mit der Erbringung der Koordinationsleistungen. Im Fall der Klägerin wurde die Zeugin K. als Koordinatorin bestellt (§ 2 Satz 3, Bl. 97 GA).
Der Senat teilt die Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen und des Sozialgerichts Aurich, wonach es erforderlich ist, dass sowohl die Beauftragung der Präsenzkraft als auch deren konkreter Aufgabenkreis gemeinsam festgelegt wird (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Juni 2019 – L 5 P 63/18 –, Rn. 88, juris; SG Aurich, Urteil vom 15. August 2017 - S 12 P 16/16, juris).
Diese Voraussetzungen sind im Fall der Wohngruppe der Klägerin nicht erfüllt.
Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin an der Beauftragung der Beigeladenen und der Betrauung der Zeugin K. als Koordinatorin nicht mitgewirkt hat, denn diese erfolgte im Oktober 2016 und die Klägerin trat dieser Beauftragung erst im August 2018 bei. Dieser Beitritt steht – sofern man von einem wirksamen Beitritt ausgeht und diesen isoliert betrachtet – der gemeinschaftlichen Beauftragung der Präsenzkraft wie auch der Bestimmung von deren konkretem Aufgabenkreis nicht zwingend entgegen, wenn man die Zustimmung zu dieser gemeinsamen Bestimmung von Person und Aufgabe der Koordinationskraft in die Beitrittserklärung hineinliest. Allerdings waren zum Zeitpunkt des Beitritts der Klägerin nur noch vier von neun Mitgliedern in der Wohngemeinschaft wohnhaft, die den Vertrag über die Koordinationsleistungen im Oktober 2016 geschlossen hatten. Aus der Gegenüberstellung von Bl. 95 und Bl. 103, ergibt sich, dass nur noch Fr. UX., Hr. DX., Fr. RX. und Hr. GX. beim Beitritt der Klägerin in der Wohngemeinschaft wohnten. Obwohl also zum Zeitpunkt des Beitritts der Klägerin die Mehrheit der Bewohner gewechselt hatte, war zwischenzeitlich keine neue gemeinschaftliche Beauftragung der Präsenzkraft (Koordinationskraft) wie auch der Bestimmung ihres konkreten Aufgabenkreises erfolgt. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich – insbesondere nicht anhand der vorliegenden Protokolle über die Treffen des Mietergremiums –, dass sich die Mitglieder der Wohngemeinschaft nochmals substantiell mit der Tätigkeit der Koordinationskraft und ihrem Aufgabenzuschnitt befasst hätten.
Wenn man darauf abstellt, dass entscheidend ist, dass bei der Bestellung der Koordinatorin der Wille der Gemeinschaft nach außen hin objektiviert und damit für die Pflegekasse nachvollziehbar wird (BSG, Urteil vom 18. Februar 2016 – B 3 P 5/14 R – Rn. 21, juris; SG Mainz, Gerichtsbescheid vom 28. November 2016 – S 14 P 53/16 –, Rn. 33, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Juni 2019 – L 5 P 63/18 –, Rn. 88, juris), dann ist ein solcher (fortwährender) gemeinsamer Wille der Wohngruppe im Zeitpunkt des Beitritts der Klägerin angesichts der Umstände und des mehrheitlichen Wechsels der Bewohner nicht (mehr) erkennbar.
Dafür das ein solcher Wille erforderlich ist, spricht die Gesetzesbegründung. Laut dieser wollte der Gesetzgeber durch die Ergänzung des Absatzes 1 Nummer 3 eine „geteilte Verantwortung“ der Bewohner unterstützen, indem die Präsenzkraft von den Mitgliedern der Wohngruppe gemeinschaftlich zur Aufgabenerbringung beauftragt werden muss (BT-Drs., 18/2909, S. 42). Diese Regelung dient zugleich dazu, die Verwendung des Wohngruppenzuschlages für die im Gesetz beschriebenen Aufgaben zu sichern (BT-Drs., 18/2909, S. 42). Mit der Pflicht zur gemeinschaftlichen Beauftragung der Präsenzkraft wird (z. B. bei Neueinzügen) soll immer wieder eine nachvollziehbare Information zur bisherigen Verwendung der Mittel erfolgen und die Möglichkeit einer veränderten Beauftragung geschaffen werden (BT-Drs., 18/2909, S. 42).
Gegen die Annahme, dass die Wohngemeinschaft gemeinschaftlich die Koordinatorin nach ihren Vorstellungen mit Aufgaben betraut hat, spricht zudem der Umstand, dass – wie dem Senat aus dem Verfahren L 6 P 4/22 bekannt ist – die Aufgabenbeschreibung in § 1 des Vertrags über die Koordinationsleistungen für die Wohngruppe 3 Wortlautidentisch mit der Aufgabenbeschreibung des Wohngruppe 1 ist (vgl. Bl. 40 VA L 6 P 4/22).
Der Senat geht nach Auswertung der Unterlagen und nach Vernehmung der Zeugin davon aus, dass der Beauftragung entsprechende Vorgaben der Beigeladenen zugrunde liegen statt ein gemeinsamer Wille der Bewohner. Anders ist die übereinstimmende Ausgestaltung des Vertrags über die Koordinationsleistungen in mehreren Wohngemeinschaften nicht zu erklären.
Das BSG hat zwar in seinem Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 2/19 R – darauf verwiesen, dass besondere Anforderungen an die Form oder das Zustandekommen dieses gemeinschaftlichen Willensbildungsprozesses weder in den Gesetzesmaterialien angesprochen noch im Gesetzestext zum Ausdruck gebracht werden. Das sei konsequent, denn die gewollte zu fördernde individuelle Vielfalt der möglichen Wohngruppen bedinge den Verzicht auf zwingende Vorgaben für das Zustandekommen der Beauftragung. Aufgrund der typischerweise wechselnden Zusammensetzung der Gemeinschaften mit Bewohnern, deren Gesundheitszustand sich kurzfristig verändern und schnelles Reagieren im Sinne einer bedarfsgerechten Änderung der Aufenthaltssituation nötig machen könne, entspreche es praktischen Bedürfnissen, dass eine gemeinschaftliche Beauftragung sowohl in separat abgeschlossenen Vereinbarungen erfolgen könne als auch durch nachträgliche Billigung durch schlüssiges Verhalten. Es sei nach den Gesetzesmaterialien erkennbar nicht gewollt, für jede Änderung der personellen Zusammensetzung der Wohngruppe einen vollständig neuen formell zu dokumentierenden Willensbildungsprozess der Betroffenen zu fordern (BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 2/19 R –, Rn. 23, juris).
Dem ist sicherlich zuzustimmen, mit Blick auf den Zweck des Wohngruppenzuschlags nach Auffassung des Senats aber mit Blick auf die vom Bundessozialgericht herausgestellte Flexibilität und die nicht durch formale rechtliche Vorgaben erschwerte schnelle Anpassung an geänderte Wünsche und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner. Es geht in diesem Zusammenhang gerade nicht darum, die Zustimmung zu faktisch von Betreiberseite vorgegebenen einheitlichen Vertragskonzepten, sondern die Beteiligung der Mitglieder zu erleichtern.
Nach dem Erkenntnisstand nach der mündlichen Verhandlung ist jedoch nicht ersichtlich, dass es tatsächlich bei der im Konzept beschriebenen Mitgliederbeteiligung auch um eine gelebte Praxis handelte. Vielmehr wurde bei der Umstrukturierung der Einrichtung der Vertrag über die Koordinationsleistungen in der Wohngemeinschaft durch die Beigeladene entworfen, welcher dann von den Bewohnern angenommen wurde. Auch wenn es praktischen Bedürfnissen entspricht, keine allzu hohen Anforderungen an eine gemeinschaftliche Beauftragung zu stellen, so darf dieses Merkmal auch nicht zur Makulatur verkommen, indem ein einmaliges Aufsetzen eines Vertrages trotz mehrheitlichen Wechsels der Mitglieder ohne jeglichen erneuten Willensbildungsprozess fortwährend – und noch dazu einheitlich für mehrere betreiberinitiierte Wohngruppen – als gemeinsame Beauftragung gelten soll.
Gegen die Ausübungen eines solchen gemeinschaftlichen Willens spricht auch, dass ausweislich der Verträge der Wohngruppe 1 und der Wohngruppe 3 sowohl Aufgaben als auch die Vergütung einheitlich pro Auftraggeber vereinbart worden waren. Es ist festzustellen, dass die Aufgaben der Koordinatorin in Art und Umfang in den verschiedenen Wohngemeinschaften nicht variierten.
Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass im streitgegenständlichen Zeitraum die Bewohner über den Essensplan hinaus wesentliche Elemente des Zusammenlebens nach eigenen Vorstellungen geprägt hätten.
Zwar ist im Konzept ambulant betreute Wohngemeinschaften im Seniorenhaus G. vorgesehen, dass die Mieter einer WG ein Gremium bilden, das wesentliche Entscheidungen des Zusammenlebens bespricht und in dem jeder Mieter, ggf. vertreten durch Angehörige oder Betreuer, eine Stimme hat (Bl. 35 VA L 6 P 4/22). Nach Ziffer 6.1. der Vereinbarung hatte das Gremium über alle Angelegenheiten des Gemeinschaftslebens, z.B. Nutzung und Gestaltung der gemeinsamen Räume, gemeinschaftliche Anschaffungen, Festsetzung des Haushaltsgeldes, Umgang mit Überschüssen des Haushaltskontos, Haustierhaltung etc., zu entscheiden. Darüber hinaus verständigten sich nach dem Konzept (Ziffer 5 Stichpunkt Essen) die Bewohner wohl wöchentlich über den Einkauf und Speiseplan (vgl. Bl. 37 VA L 6 P 4/22).
Laut der Vereinbarung der Wohngemeinschaft traf sich das Gremium einmal im Quartal. Allerdings ist insbesondere nach dem 21. Oktober 2021 nicht ersichtlich, dass das Gremium regelhaft tagte. Entsprechende Protokolle sind nicht vorgelegt worden. Auch für den Zeitraum davor sind Sitzungen – wie sich aus den vorgelegten Protokollen ergibt – nicht im vertraglich vereinbarten Intervall durchgeführt worden.
Auch ist nicht ersichtlich, dass die Bewohner an dem Verfahren zur Auswahl neu einziehender Bewohner maßgeblich beteiligt waren, obwohl gerade die personelle Zusammensetzung in einer Wohngemeinschaft eines der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Entscheidung darstellt. Das Konzept und die Vereinbarung der WG (Ziffer 6.1) ließen eine solche Beteiligung im Grundsatz zu. Allerdings enthält das Konzept keine Regelung, ob die WG eine Aufnahme eines neuen Mitglieds ablehnen könnte. Die Regelung in Ziffer 7.1. (Dok 30 S 6 P 24/18) der Vereinbarung der WG 1 räumt den Mitgliedern der Wohngemeinschaft vor dem Einzug eines neuen Bewohners ein, sich über diesen und seine Angehörigen/gesetzlichen Betreuer zu informieren und diese auch kennen zu lernen. Eine Ablehnung von neuen Bewohnern lässt die Vereinbarung nicht zu und eröffnet nur die Möglichkeit schwerwiegende Bedenken anzumelden (vgl. ebenda).
Daher ist festzustellen, dass zwar in begrenztem Rahmen Beteiligungsrechte der Bewohner bestanden, nicht aber echte Mitbestimmungsrechte.
Diese Auslegung von § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG. Denn das BSG hat in der oben zitierten Entscheidung darauf hingewiesen, dass das mit dem Ersten Pflegestärkungsgesetz eingeführte Erfordernis einer „gemeinschaftlichen Beauftragung“ zur Erfüllung zumindest einer der alternativ im Gesetz genannten Aufgaben die nach außen sichtbare freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen darstelle und rein anbieterorientierte Wohngruppen und die bloße missbräuchliche Umdeklarierung stationärer Versorgungsformen verhindern sollte (BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 2/19 R –, Rn. 23, juris unter Verweis auf: Stellungnahme des Bundesrats zum 5. SGB XI-ÄndG, BT-Drucks 18/2379, zu Art 1 Nr. 8 § 38a SGB XI, S 6 zu Nr. 2 und Gesetzentwurf der Bundesregierung zum PSG II, BT-Drucks 18/5926, zu Art 2 § 38a SGB XI, S 125 zu Nr. 20).
Aufgrund der beschriebenen Umstände ist hier nicht ersichtlich, dass eine gemeinschaftliche Beauftragung der Beigeladenen durch die Bewohner erfolgte.
Im Übrigen hat der Senat auch erhebliche Zweifel, ob der Beitritt der Klägerin zu dem Vertrag über die Erbringung der Koordinationsleistungen hier wirksam erfolgt ist. Rechtlich ausgestaltet ist er durch eine einseitige und (nur) gegenüber der Beigeladenen beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin abgegebene Erklärung, wobei deren Ausgestaltung nahelegt, dass es sich um ein vom Betreiber wiederholt verwendetes Muster handelte. Es ist nach Auffassung des Senats zumindest zweifelhaft, ob die Klägerin damit wirksam dem zwischen den (ursprünglichen) WG-Mitgliedern und der Beigeladenen geschlossenen Vertrag beitreten konnte. Das dürfte bereits an der gänzlich fehlenden Einbeziehung der anderen WG-Mitglieder als Vertragspartner des Koordinationsvertrags scheitern, umso mehr als auch der Koordinationsvertrag keine entsprechende „Öffnungsklausel“ enthält, der es der Beigeladenen ermöglicht hätte, die Klägerin (oder andere hinzukommende Mitbewohner) einseitig „aufzunehmen“, oder dieser den Beitritt durch einseitige Erklärung eröffnet hätte. Das Bundessozialgericht betont zwar in dem mehrfach zitierten Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 2/19 R – ganz zu Recht, dass – im Sinne der Praktikabilität bei der Ausgestaltung einer Wohngruppe – bei der Beurteilung der für das Zusammenleben in der Wohngruppe notwendigen rechtlichen Erklärungen eine großzügige Herangehensweise und auch Formen konkludenter Zustimmung möglich sein müssen. Es bestehen aber nach Auffassung des Senats aber doch erhebliche Zweifel, ob dies auch dann gelten kann, wenn der Betreiber einer betreiberinitiierten Wohngruppe einen formalisierten Weg anbietet (und sich ein Bewohner darauf einlässt) und dieser Weg zivilrechtlich nicht als wirksam angesehen werden kann. Die Annahme beispielsweise konkludenter Zustimmungserklärungen der anderen Bewohner – für die es im Übrigen in einem Fall wie dem hiesigen keinen anderen Anhalt gibt als den Umstand, dass sie sich gegen den Beitritt und den neuen Mitbewohner nicht wehren – führt in diesem Fall nur dazu, dass die zivilrechtlichen Regelungen, die nicht zuletzt dem Schutz der Autonomie bei der Gestaltung des (Zusammen )Lebens dienen, umgangen würden. Nach Auffassung des Senats dürfte auch aus diesem Grund die Anspruchsvoraussetzung aus § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI nicht erfüllt sein.
Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen nach § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI nicht vor.
Die Organisation der Einrichtung steht vorliegend der Gewährung eines Wohngruppenzuschlages entgegen.
Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, wonach es sich im hiesigen Fall nicht mehr um eine ambulante Versorgung, sondern vielmehr um eine quasi-stationäre Versorgung handelt.
Der Senat ist wie das Sozialgericht überzeugt, dass hier eine Versorgungsform vorliegt, in der der Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbietet oder gewährleistet, die dem jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen. Hinsichtlich der tatsächlichen Umstände, die das Sozialgericht in diesem Zusammenhang angeführt hat, nimmt der Senat auf der Grundlage von § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf dessen Entscheidung Bezug.
Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt es hier nicht auf heimrechtliche, sondern auf leistungsrechtliche Kriterien an (BT-Drs 18/299, S. 41). Dabei ist entscheidend, dass Beiträge der Bewohnerinnen und Bewohner selbst, ihres persönlichen sozialen Umfelds oder von bürgerschaftlichen Tätigen zur Versorgung notwendig blieben. Ist nicht vorgesehen, dass sich die Bewohner selbst oder das soziale Umfeld der in der Wohngruppe lebenden Menschen in die Leistungserbringung und in den Alltag einbringen können – etwa durch die Sicherstellung der Arztbesuche, die Gestaltung und kleine Reparaturen in der Wohnung, Entscheidungen über neue Bewohnerinnen und Bewohner, die Neuanschaffung von Geräten, den Einkauf von Lebensmitteln oder die Verwaltung der Gruppenkasse –, besteht keine mit der häuslichen Pflege vergleichbare Situation (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Juni 2019 – L 5 P 63/18 –, Rn. 105, juris).
Zwar spricht im vorliegenden Fall gegen eine (teil-)stationäre Versorgungsform, dass die Angehörigen und Betreuer Beiträge für die Versorgung der Bewohner leiste(te)n, indem sie deren Wäsche waschen und einräumen, notwendige Artikel für die gemeinschaftlich genutzten Räume sowie individuell erforderliche Hygieneartikel anschaffen und finanzieren, Feierlichkeiten mit organisieren können und Arzt- und Friseurtermine selbst organisieren können. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Betreuungs- und Dienstleistungsvertrages spricht dafür, dass individuelle Leistungen für Pflege, Hauswirtschaft einzeln vergeben werden können und die Bewohner nicht gezwungen sind, diese alle aus einer Hand in Anspruch zu nehmen.
Der Umfang der Selbstbestimmungsmöglichkeit erreicht aber nicht das Maß, dass von einer gelebten Selbstbestimmung die Rede sein kann.
Auch in einem Heim ist es Aufgabe, des Pflegepersonals, die Bewohner zu unterstützen, nicht aber, ihnen alle Aufgaben im Alltag und in der Gemeinschaft vollständig abzunehmen. Wenn also die Klägerin in den Verrichtungen und Entscheidungen des Alltags entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit einbezogen wird, so lässt sich daraus nicht zwingend ableiten, dass es sich um eine ambulant betreute Wohngruppe handelt. Zwar weist die Wohnform bereits einige Züge einer sich selbst bestimmenden Wohngruppe auf, die Elemente einer stationären Unterbringung überwiegen hier aber noch. Allein das Mitbestimmungsrecht bei der Essensplanung genügt nicht (vgl. SG Potsdam, Urteil vom 28. September 2016 – S 11 P 76/15 –, Rn. 31 ff, juris).
Hinzu kommt, dass namentlich die Koordinationsleistungen und die individuellen Pflege- und Betreuungsleistungen durch die Beigeladene „aus einer Hand“ angeboten worden sind. Zwar ist in den Vertragsunterlagen festgehalten, dass die Beigeladene nicht auch als Pflegedienst beauftragt werden müsse. Tatsächlich hat die mündliche Verhandlung aber ergeben, dass tatsächlich in keinem Fall ein anderer Pflegedienst beauftragt worden ist. Jedenfalls unter diesen Umständen besteht nach Auffassung des Senats kein Anlass den Wortlaut von § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI einschränkend auszulegen und nicht bereits das Angebot einer Versorgung, die einer vollstationären weitgehend entspricht, ausreichen zu lassen, um die entsprechende Anspruchsvoraussetzung zu verneinen.
Daher ist in der Gesamtschau von einer Versorgungsform oder jedenfalls einem entsprechenden Angebot auszugehen, dass einer (teil-)stationären Versorgungsform entspricht.
Im Ergebnis scheitert der Anspruch der Klägerin auf Gewährung des Wohngruppenzuschlags nach § 38a SGB XI an der fehlenden gemeinschaftlichen Beauftragung der Präsenzkraft und dem Bestehen einer (teil-)stationären Versorgungsform.
Da die Voraussetzungen nach § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 SGB XI nicht vorliegen, bedarf es keiner Entscheidung des Senats, ob ein Anspruch der Klägerin auch nach dem Austritt aus dem Koordinationsvertrag besteht und ob es bei Wiederbeitritt eines neuen Antrages bedurft hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.