Die Entschädigung des Antragstellers für die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 26.02.2025 wird auf 0 € festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag auf richterliche Festsetzung der Entschädigung des Antragstellers, der als Bevollmächtigter seiner Ehefrau (der Klägerin) den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 26.02.2025 wahrgenommen hat, ist zulässig, aber unbegründet.
Zu beurteilen steht dabei allein ein etwaiger Anspruch des Antragstellers auf Entschädigung aus der Staatskasse. Etwaige Kostenerstattungsansprüche der Klägerin gegen den Gegner des zugrundeliegenden Klageverfahrens sind nicht Gegenstand der Entscheidung des Senats.
Über den Antrag entscheidet dabei der Senat im Ganzen, nachdem der Berichterstatter ihm das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen hat (§ 4 Abs. 7 S. 2 JVEG).
Für eine Entschädigung des Antragstellers aus der Staatskasse gibt es keine Rechtsgrundlage. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Entschädigung von 40 € pro Stunde, die der Antragsteller für den zeitlichen Aufwand ihres Ehemanns beansprucht, sondern auch hinsichtlich der Fahrt- und Portokosten. Die Entscheidung der Kostenbeamtin bindet den Senat insoweit nicht. Der Antrag auf richterliche Festsetzung ist kein Rechtsmittel, sondern eine originäre Entscheidung des Gerichts. Das Verbot der Reformatio in peius (Verschlechterungsverbot) gilt deshalb nicht (statt vieler: BayLSG, Beschluss vom 29.11.2016 – L 15 RF 34/16 –, juris Rn. 11; ThürLSG, Beschluss vom 26.08.2011 – L 6 SF 64/11 –, juris Rn. 13; Bleutge in BeckOK Kostenrecht <Stand: 01.02.2025>, § 4 JVEG Rn. 18; Weber in Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl. 2024, § 4 JVEG Rn. 25 f.).
Als Anspruchsgrundlage für das Entschädigungsbegehren gegen die Staatskasse kommt allein § 191 SGG in Betracht, dessen Voraussetzungen aber nicht erfüllt sind.
Gemäß § 191 SGG werden, wenn das persönliche Erscheinen eines Beteiligten angeordnet worden ist, diesem auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet; sie können vergütet werden, wenn er ohne Anordnung erscheint und das Gericht das Erscheinen für geboten hält.
Infrage käme hier allein die Tatbestandsvariante des § 191 Hs. 2 SGG, weil das persönliche Erscheinen der Klägerin nicht angeordnet gewesen ist. Eine unmittelbare Anwendung des § 191 SGG scheidet indes schon deshalb aus, weil vorliegend keine Aufwendungen der Klägerin im Streit stehen, sondern solche des Antragstellers als ihrem Bevollmächtigten (§ 73 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGG). Auf Prozessbevollmächtigte findet § 191 SGG aber keine Anwendung. Hierüber besteht im Ausgangspunkt Einigkeit in der Rechtsprechung wie auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum (vgl. etwa: Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 03.11.1995 – L 1 Sb 53/94 –, NZS 1996, 304; ThürLSG, Beschluss vom 16.09.2002 – L 6 B 51/10 –, juris Rn. 18; BayLSG, Beschluss vom 31.03.2015 – L 15 RF 8/15 – juris Rn. 21 f.; LSG NRW, Beschluss vom 06.10.2014 – L 4 SF 557/14 E –, juris Rn. 11 f.; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 191 Rn. 3; H. Lange in jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 191 Rn. 20; Straßfeld in Jansen, SGG <online abgerufen am 03.06.2025>, § 141 Rn. 3; Löcken in Hennig, SGG <Stand: VII/2022>, § 191 Rn. 10; Reichel in Zeihe, SGG <Stand: VI/2024>, § 191 Rn. 3b; Krauß in BeckOGK-SGG <Stand: 01.05.2025>, § 191 Rn. 9; Jungeblut in BeckOK SozR <Stand: 01.03.2025>, § 191 Rn. 4; Boiczenko in BeckOK KostR <Stand: 01.02.2025>, § 191 SGG Rn. 3; vgl. auch St. Schmidt in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 191 Rn. 2).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO. Dieser sieht vor, dass dann, wenn das persönliche Erscheinen eines Beteiligten angeordnet ist (§ 111 Abs. 1 SGG), dieser aber dennoch im Termin ausbleibt, die Verhängung eines Ordnungsgeldes unterbleibt, wenn der Beteiligte zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. § 191 SGG ist nach Auffassung des Senats in diesen Fällen nicht anwendbar, auch nicht analog (a.A. B. Schmidt, a.a.O.; Straßfeld, a.a.O.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.11.2011 – L 4 P 18/09 –, juris Rn. 16; wohl auch Boiczenko, a.a.O.; wie hier dagegen: Krauß, a.a.O.; Löcken, a.a.O.; offengelassen: LSG NRW, Beschluss vom 06.10.2014, a.a.O. Rn. 11; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.09.2002 – L 6 B 51/01 –, juris 19 f.; Schleswig-Holsteinisches LSG, a.a.O.).
§ 141 Abs. 3 S. 2 ZPO regelt allein, dass die Verhängung eines Ordnungsgeldes in den dortigen Fällen unterbleibt. Weitergehende Rechtsfolgen sieht er nicht vor (vgl. dazu auch Löcken, a.a.O.).
Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 191 SGG liegen nicht vor. Dabei ist bereits zweifelhaft, ob überhaupt eine planwidrige Regelungslücke besteht (kritisch mit Blick auf den Zeitablauf seit Inkrafttreten der Regelung auch Krauß, a.a.O.), weil das Gesetz einem Vertreter i.S.d. § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO keinen ausdrücklichen Entschädigungsanspruch zubilligt. Insoweit ist vielmehr zu beachten, dass § 191 SGG, der den dort Begünstigten einen Entschädigungsanspruch gegen die Staatskasse unabhängig vom Ausgang des Verfahrens zubilligt, eine Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens ist; andere Verfahrensordnungen kennen keine vergleichbaren Regelungen (vgl. Krauß, a.a.O. Rn. 2; B. Schmidt, a.a.O. Rn. 1; H. Lange, a.a.O. Rn. 3; Boiczenko, a.a.O. vor Rn. 1; Groß in Berchtold, Hk-SGG, 6. Aufl. 2021, § 191 Rn. 2). § 191 ist mithin eine Ausnahmevorschrift (so: Straßfeld, a.a.O. Rn. 1; Krauß, a.a.O.) und der Umstand, dass Beteiligte die Kosten ihrer Bevollmächtigten ansonsten nur i.R.d. § 193 SGG vom Gegner erstattet verlangen können und im Übrigen selbst tragen müssen, keine Lücke, sondern der kostenrechtliche Normalfall.
Ungeachtet dessen fehlt es aber in jedem Fall an der für einen Analogieschluss notwendigen vergleichbaren Interessenlage. Denn der Gesetzgeber hat § 191 SGG gleichsam als Ausgleich für die – ordnungsgeldbewehrte – Anordnung des persönlichen Erscheinens konzipiert (vgl. den Entwurf einer Sozialgerichtsordnung, BT-Drs. 1/4357, 33 <dort zu § 138>):
„Wenn das Gericht einen Beteiligten zum persönlichen Erscheinen zwingt, [muss] er die Auslagen und den Zeitverlust ersetzt erhalten. Er ist darin einem Zeugen gleichzustellen. Ihm die Übernahme eines Teils, etwa des Verdienstausfalles, zuzumuten, wie der Partei im ordentlichen Gerichtsverfahren, würde im Widerspruch zur kostenfreien Rechtsverfolgung stehen; denn die Anhörung dient der Ermittlung des Tatbestandes, die Aufgabe des Gerichts ist und ebenso im öffentlichen Interesse wie in dem des Beteiligten liegt.
Eine derartige Zwangslage besteht für einen Prozessbevollmächtigten aber schon deshalb nicht, weil sich die Anordnung des persönlichen Erscheinens und damit auch die Ordnungsgeldandrohung (§§ 111 Abs. 1, 202 S. 1 SGG, § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO) allein gegen den Beteiligten selbst richten (Löcken, a.a.O.). Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass die Klägerin selbst nicht in der Lage gewesen ist, den Termin wahrzunehmen. Denn in Fällen, in denen ein Beteiligter, dessen persönliches Erscheinen angeordnet ist, im Termin ausbleibt, unterbliebe die Verhängung eines Ordnungsgeldes, wenn sein Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt wird (vgl. § 381 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Eine Vergütung gleich einem Rechtsanwalt kann der Antragsteller schon deshalb nicht verlangen, weil er kein Rechtsanwalt ist und das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf ihn deshalb keine Anwendung findet (§ 1 Abs. 1 S. 1 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).