I. Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 07.02.2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2024, das Ereignis vom 25.12.2023 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in vollem Umfang.
T a t b e s t a n d :
Der Kläger begehrt die Anerkennung des Ereignisses vom 25.12.2023 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der 1952 geborene Kläger ist berenteter Zimmerer und wohnt zusammen mit seiner Ehefrau auf seinem landwirtschaftlichen Anwesen in L.-Garten bei A-Stadt, mit welchem er bei der Beklagten versichert ist. Auf dem das Wohnhaus umgebenden Grundstück werden Hühner gehalten, das Hühnerhäuschen befindet sich dort.
Nach der erfolgten Beweisaufnahme am 05.02.2025 steht für das Gericht folgender Sachverhalt fest: Am 25.12.2023, es war der erste Weihnachtsfeiertag, kamen beim Kläger und seiner Ehefrau R. am Nachmittag die bereits erwachsenen Kinder (teils mit Partnern und Enkelkindern) zu Besuch. Neben dem Kläger und seiner Ehefrau waren u.a. folgende Personen anwesend: der in unmittelbarer Nähe zum Kläger wohnende Sohn B. mit seiner Familie, die Tochter S. mit ihrem Lebensgefährten G. und die Tochter H. Am Nachmittag gab es Kaffee und Kuchen und gegen 18:00 Uhr wurde zu Abend gegessen. Laut Aussage von A. vom 05.02.2025 gab es zum Abendessen Leberkäse und Brezen, dazu wurde Bier getrunken und nach dem Essen noch ein paar Schnäpse konsumiert. Der Sohn war mit seiner Familie bereits gegangen, da sagte ihr Mann (der Kläger) gegen 19.00 Uhr zu den Anwesenden, u.a. zu seiner Ehefrau: "De Henner muss ich no eine doa.". Da erwiderte sie: "Soi i geh zum Henner eine doa?", daraufhin meinte er "I geh scho". Beide waren zu dem Zeitpunkt im Esszimmer, der Kläger saß auf einem Stuhl am Esstisch. Mit zugegen waren noch die Tochter B. mit ihrem Lebensgefährten, sowie die Tochter. Nachdem der Kläger die vorgenannte Äußerung getätigt hatte, stand er von seinem Stuhl auf, ging über die Küche hinaus in den Flur und bog von dort nach links ab in Richtung Kellertreppe, die er dann nach unten bestieg. Dort stürzte er im Bereich der letzten Treppenstufen. Er schlug an der angrenzenden Mauer mit dem Kopf und schließlich unten am Boden mit dem Körper auf. Die Zeugin A. stand zu der Zeit gerade in der Küche und hörte es "rumpeln" (ein dumpfes Geräusch). Sie lief dann sofort nach draußen zur Treppe, wo sie ihn unten am Boden liegen sah. Sie stellte eine auffallende Blässe bei ihm fest, er bewegte sich nicht und erwiderte die Ansprache nicht. Der Rettungswagen wurde gerufen.
Er wurde mit einem Rettungshubschrauber ins TUM-Klinikum rechts der Isar nach München verbracht, wo er im Schockraum intubiert wurde. Nach Diagnose einer Bandscheibenzerreißung bei HWK3/4 bei absoluter spinaler Enge wurde dieses Segment am 26.12.2023 operativ mit einem Cage stabilisiert. Er erkrankte in den Folgetagen zusätzlich an einer Lungenentzündung bei Infektion mit einem Influenzavirus (mit Sauerstoffdefizit). Bis 02.01.2024 befand er sich intubiert und beatmet auf der Intensivstation im Klinikum rechts der Isar. Am 02.01.2024 wurde er in die BG-Unfallklinik in Murnau (dort ebenfalls auf eine Intensivstation) verlegt. Bis 13.01.2024 war er intubiert und konnte nicht sprechen. Bei dem Sturz zog er sich auf Dauer eine schwerwiegende Halsmarkschädigung zu und leidet seither unter einer Querschnittlähmung (Tetraplegie).
Es ist weiterhin zu erwähnen, dass beim Kläger am Abend des Unfalltages im Klinikum rechts der Isar (Uhrzeit: 22.38 Uhr) eine Alkoholserumkonzentration von 2,4 g/l (entspricht in etwa einer Blutalkoholkonzentration von 2 Promille) festgestellt wurde.
In den ersten Wochen nach dem Unfall konnte der Kläger selbst von den behandelnden Ärzten nicht zum Unfallhergang befragt werden. Erstmals aus dem Durchgangsarztbericht der Unfallklinik Murnau vom 26.01.2024 ergibt sich, dass der Kläger dort am 26.01.2024 persönlich zum Hergang befragt worden ist. Er hat angegeben, dass er am Unfalltag alkoholisiert auf dem Weg zum Hühnerfüttern die Kellertreppe heruntergestürzt sei.
Die Beklagte wurde durch die Ehefrau mit Telefonat vom 10.01.2024 von dem Unfall in Kenntnis gesetzt (siehe Aktenvermerk der Mitarbeiterin H. vom 10.01.2024). Es wurde von ihr angegeben, dass der Kläger die Kellertreppe hinuntergegangen sei, um den Hühnerstall (für die Nacht) zuzusperren. Er könne gegenwärtig nur den Kopf bewegen.
Zwei Tage zuvor (am Montag, den 08.01.2024) hatte die Ehefrau mit Ihrem Versicherungsfachmann, D., telefoniert. D. hatte sie bei dem Telefonat nach seinen Angaben darauf hingewiesen, dass sie den Unfall bei der zuständigen Berufsgenossenschaft melden müsse. Er vereinbarte mit ihr einen ausführlichen Beratungstermin in seinem Büro für den 11.01.2024.
In der Unfallanzeige vom 22.01.2024 gab die Ehefrau zum Unfallablauf an, dass ihr Mann rausgehen wollte zum Hühnerstall, um die Auslaufklappe zu schließen und die Hühner zu füttern. Dabei habe er über die Kellertreppe durch die Schmutzschleuse gehen müssen. Beim Hinuntergehen der Kellertreppe sei er aus unbekannten Gründen gestürzt. Eine Skizze vom Kellergeschoss wurde beigefügt.
Mit Bescheid vom 07.02.2024 stellte die Beklagte fest, dass das Ereignis vom 25.12.2023 nicht als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) anerkannt werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen sei, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt eine Tätigkeit verrichtet habe, die in einem inneren Zusammenhang mit dem versicherten landwirtschaftlichen Unternehmen stünde. Der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des Unfalles in seinem persönlichen Lebensbereich (Wohnhaus) befunden. Der Unfallversicherungsschutz beginne erst, wenn die private Sphäre verlassen und die betriebliche Sphäre erreicht werde. Der Kläger jedoch habe sich zum Zeitpunkt des Sturzes im ausschließlich privat genutzten Teil des Hauses befunden.
Die Zeugin A. erklärte dem Gericht am 05.02.2025 anhand der in der Akte befindlichen Fotos ausführlich die Vorgänge am Unfalltag und die zum Unfallzeitpunkt gegebene Nutzung der einzelnen Kellerräume. Auf die Sitzungsniederschrift vom 05.02.2025 wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in vollem Umfang Bezug genommen. Die wichtigsten Elemente der Aussage von Frau A. werden an dieser Stelle in Kurzfassung dargestellt:
Am Flur des Kellers standen immer zwei "schwarze Wannen" (sog. Mörtelwannen), wobei die eine mit Weizen und die andere mit Legemehl gefüllt war. Vom Flur aus gelangt man in die sogenannte "Schmutzschleuse". Wenn der Kläger nach draußen zum Arbeiten (z.B. zum Hühnerfüttern) gegangen ist, ist er laut Aussage der Zeugin immer durch die Schmutzschleuse gegangen, weil sich dort die Arbeitsschuhe und Arbeitsjacken befanden. Darüber hinaus wurde in der Schmutzschleuse Hühnerfutter und Legemehl in größeren Behältern aufbewahrt. Von der Schmutzschleuse führt eine Tür direkt ins Freie, durch die man nach draußen und über eine Treppe nach oben gelangt (auf die Fläche vor dem Haus). Von dort führt ein Weg zur Hinterseite des Wohnhauses, wo sich das Hühnerhaus befindet. Im Unfallzeitpunkt hatten sie 34 Hühner. Die Eier verbrauchten sie und ihre erwachsenen Kinder, ein Teil wurde verkauft. Der Kläger machte vor dem Unfall den Großteil der Arbeiten bei den Hühnern. Die Hühner wurden immer am Morgen gefüttert und dann wurde am Hühnerhaus die sogenannte "Auslaufklappe" geöffnet, damit die Hühner rausgehen und tagsüber auf der Wiese sein konnten. Am Abend musste diese "Auslaufklappe" immer geschlossen werden, um die Hühner vor nächtlichen Angriffen durch Füchse, Habichte etc. zu schützen. An manchen Tagen, gerade an Feiertagen (so die Zeugin) stellten sie den Hühnern auch abends schon Futter zur Verfügung, damit diese am Morgen gleich etwas zu fressen hätten, wenn man mal nicht so früh zum Hühnerfüttern rausgehen wollte. Sie wisse nicht sicher (so die Zeugin), ob der Ehemann am Tag des Unfalles die Hühner auch habe füttern wollen. Was er aber auf jeden Fall vorgehabt habe, sei, die Auslaufklappe zu schließen. Sie wisse nicht mehr, ob ihr Mann auf der Kellertreppe, wo oben schon ein Lichtschalter sei, das Licht angemacht habe. Als sie nach dem Aufprall zu ihm geeilt sei, habe sie ihn jedenfalls unten am Boden liegen sehen.
Gegen den Bescheid vom 07.02.2024 wurde von Klägerseite mit Schreiben vom 14.02.2024 Widerspruch erhoben. Er wurde darauf hingewiesen, dass die betriebliche Tätigkeit vom Kläger immer nur nach einem Gang über die Kellertreppe und von dort durch die Schmutzschleuse aufgenommen worden sei.
Am 18.03.2024 suchte der Mitarbeiter der Beklagten, Hr. Z., dass Wohnanwesen des Klägers auf und machte zahlreiche Fotos vom Außengelände, sowie vom Erdgeschoss und Kellergeschoss des Wohnhauses. Anhand dieser Fotos wurden am 05.02.2025 vom Gericht die Zeugen befragt.
Im Fragebogen vom 18.03.2024 zum Alkoholgenuss des Klägers am Unfalltag gab die Ehefrau an, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht volltrunken gewesen sei und bei ihm keine alkoholbedingten Auffälligkeiten (wie Schwanken, Torkeln) vorgelegen hätten. Auch hätte sie keine verwaschene Aussprache bei ihm bemerkt. Auch die mitanwesenden Zeugen A., H. und S. haben keine derartigen Auffälligkeiten bemerkt.
Der Widerspruch vom 14.02.2024 wurde im Widerspruchsbescheid vom 18.04.2024 zurückgewiesen.
Hiergegen ließ der Kläger mit Schreiben vom 14.05.2024 Klage zum Sozialgericht Landshut erheben.
Das Gericht hat im Erörterungstermin vom 05.02.2025 eine ausführliche Befragung der Zeugen A., B., S., H. und D. durchgeführt. Auf die Sitzungsniederschrift vom 05.02.2025 wird nochmals in vollem Umfang Bezug genommen.
Für den 02.07.2025 wurde die Sache zur mündlichen Verhandlung und Entscheidung geladen.
Der Kläger stellt den Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.02.2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2024 zu verurteilen, im Hinblick auf das Ereignis vom 25.12.2023 einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die beigezogene Akte der Beklagten, sowie auf die vorliegende Streitakte.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Der Kläger hat nach der Rechtsauffassung des Gerichts einen Anspruch darauf, dass das Sturzereignis vom 25.12.2023 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt wird.
Der Ablehnungsbescheid vom 07.02.2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2024 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er war daher aufzuheben.
Das Ereignis vom 25.12.2025 ist aus folgenden rechtlichen Gründen als Arbeitsunfall im Sinne des Gesetzes zu werten:
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebes sind bei den mit der Landwirtschaft im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 a) SGB VII unfallversichert.
Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs.1 Satz 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; ständige Rechtsprechung; zB BSG Urteile vom 27.6.2024 - B 2 U 8/22 R in juris RdNr 10, vom 28.6.2022 - B 2 U 16/20 R - BSGE 134, 203 = SozR 4-2700 § 8 Nr 82, RdNr 11 und vom 30.1.2020 - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 20, jeweils m.w.N.).
Betriebswege (§ 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) sind Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, Teil der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen. Sie werden im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen und unterscheiden sich von Arbeitswegen im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII dadurch, dass sie der versicherten Tätigkeit nicht lediglich vorausgehen oder sich ihr anschließen. Sie sind nicht auf das Betriebsgelände beschränkt, sondern können auch außerhalb der Betriebsstätte anfallen. Ein Betriebsweg kann auch von zu Hause angetreten werden, wenn er unmittelbar der Erfüllung einer Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis dient (ständigen Rechtsprechung; z.B. BSG Urteil vom 27.6.2024- B 2 U 8/22 R - juris RdNrn 19, 21).
Für den Tatbestand der landwirtschaftlichen Unternehmerversicherung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5a) SGB VII müssen die vorgenannten Grundsätze erst recht Anwendung finden, weil sich dort von jeher Privatwohnung und Betrieb meist in unmittelbarer Nähe befinden und letztlich eine "Mischnutzung" etwa des Wohnhauses stattfindet.
Gem. § 8 Abs. 1 S. 3 SGB VII (in Kraft seit 18.06.2021) macht es zudem für den Versicherungsschutz keinen Unterschied mehr, ob die versicherte Tätigkeit (oder das Zurücklegen des dazugehörigen Betriebsweges) teilweise oder ganz in der privaten Wohnumgebung stattfindet oder rein am Ort der Unternehmensstätte. Auch in der Rechtsprechung wird seither immer häufiger betont, dass grundsätzlich Wege im Homeoffice zur Aufnahme der betrieblichen Arbeit oder sogar (an sich private) Verrichtungen im privaten Wohnraum, die das (weitere) Ausüben der betrieblichen Tätigkeit erst ermöglichen (z.B. Inbetriebnahme der ausgefallenen Heizung) in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen sind (vgl. etwa BSG im Urteil vom 21.03.2024, B 2 U 14/21 R).
Nach der neueren Rechtsprechung können also Wege, die rein im privaten Wohnumfeld zurückgelegt werden, als Betriebswege gewertet werden. Entscheidend ist, dass die Zurücklegung des Weges nach der objektivierten Handlungstendenz betrieblichen Interessen diente, wenn etwa ein im Homeoffice tätiger Betriebsverkaufsleiter auf dem Weg vom heimischen Schlafzimmer zum häuslichen Arbeitszimmer, in dem er nach dem Aufstehen seine Arbeitstätigkeit aufnehmen wollte, auf einer dorthin führenden Treppe verunfallt (vgl. BSG im Urteil vom 08.12.2021, B 2 U 4/21 R). Hier hat das BSG einen inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit angenommen. Des Weiteren betonte das BSG, dass es heute auf die objektive Häufigkeit der Nutzung des konkreten Unfallorts (hier Kellertreppe) zu betrieblichen Zwecken nicht mehr ankommt (a.a.O. Nr. 3 im Orientierungssatz; a.A. noch BSG im Urteil vom 27.10.1987, 2 RU 32/87, Nr. 1 im Orientierungssatz). Entscheidend ist heute vielmehr die finale Handlungstendenz (auf subjektiver und objektiver Ebene), die anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu ermitteln ist.
Ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist wertend zu ermitteln, wobei maßgebender Zurechnungsgesichtspunkt die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten ist, ob also der Versicherte eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG Urteile vom 30.3.2023 - B 2 U 1/21 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 37, vom 8.12.2022 - B 2 U 14/20 R - BSGE 135, 155 = SozR 4-2700 § 2 Nr 60, RdNr 39 und vom 27.11.2018 - B 2 U 7/17 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 66 RdNr 16). Die subjektive Handlungstendenz als von den Tatsachengerichten festzustellende innere Tatsache muss sich im äußeren Verhalten des Versicherten widerspiegeln, so wie es objektiv beobachtbar ist (BSG Urteile vom 30.1.2020 - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 27, vom 31.8.2017 - B 2 U 2/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 61 RdNr 19 und vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 14).
Dabei darf das Tatsachengericht das Vorliegen der subjektiven Handlungstendenz nicht unterstellen, sondern muss im Urteil entsprechende Feststellungen treffen. Es genügt nicht, wenn es die Darstellung der Beteiligten inhaltlich oder wörtlich referiert. Erforderlich ist, dass das Gericht die Angaben bewertet und mitteilt, welche Behauptungen es aus welchen Gründen für wahr hält und deshalb seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legt (BSG Urteile vom 27.6.2024 - B 2 U 3/22 R in juris RdNr 24, vom 16.3.2021 - B 2 U 11/19 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 30 RdNr 16 und vom 2.10.2008 - B 9 VG 2/07 R - juris RdNr 18; Hübschmann in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 128 RdNr 16, 18). Die subjektive Handlungstendenz muss sich objektivieren lassen, dh in den realen Gegebenheiten eine Stütze finden. Dabei hat das Tatsachengericht alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festzustellen, in eine Gesamtschau einzustellen sowie nachvollziehbar und widerspruchsfrei unter- und gegeneinander abzuwägen (BSG Urteile vom 10.8.2021 - B 2 U 2/20 R - juris RdNr 21 und vom 27.11.2018 - B 2 U 8/17 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 67 RdNr 14). Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggf das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Vorgaben geprägt werden (BSG Urteile vom 8.12.2022 - B 2 U 14/20 R - BSGE 135, 155 = SozR 4-2700 § 2 Nr 60, RdNr 39, vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 13 und vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 20).
In der landwirtschaftlichen Unfallversicherung gelten im Hinblick auf die Prüfung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 keine anderen rechtlichen Maßstäbe als in der gewerblichen Unfallversicherung (Scheer in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Auflage 2022, zu § 8 SGB VII, Rz. 10). Das mit zunehmenden Aufkommen von Homeoffice in der obergerichtlichen Rechtsprechung immer häufiger vorkommende Problem der Abgrenzung von Betriebswegen zu reinen eigenwirtschaftlichen (unversicherten) Tätigkeiten ist allerdings in der Landwirtschaft schon weit länger ein Thema als bei abhängig Beschäftigten (a.a.O. Rz. 10). Die neu hinzu gekommene Vorschrift des § 8 Abs. 1 S. 3 SGB VII und die Rechtsprechung zum Thema "Homeoffice" ist dennoch für die Entscheidung des vorliegenden Falles richtungsweisend.
Vor diesem Hintergrund hat das Gericht vorliegend besonderes Augenmerk auf die subjektive und objektive Handlungstendenz des Klägers im Unfallzeitpunkt gerichtet mit folgendem Ergebnis:
Aufgrund der glaubhaften und übereinstimmenden Zeugenaussagen im Beweisaufnahmetermin vom 05.02.2025 ist das Gericht zweifelsfrei davon überzeugt, dass der Kläger am 25.12.2023 vorhatte, zum Hühnerhaus zu gehen, um dort, falls erforderlich, die Hühner in den Stall zu treiben und die Auslaufklappe zuzumachen. Ob er sie an dem Tag auch füttern wollte, konnte nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden, darauf kommt es aber auch nicht an. Um eine objektive Handlungstendenz annehmen zu können, müssen objektiv beweisbare äußere Umstände nachgewiesen sein, die seine subjektive Motivation belegen. Dies ist hier der Fall: Er hatte direkt vor seinem Gang zur Kellertreppe nach den übereinstimmenden und glaubhaften Aussagen der Ehefrau, der Töchter und des Zeugen G. gesagt, dass er noch zu den Hühnern gehen müsse, um diese in den Stall zu tun ("I muass de Henna no einedoa."). Die Aussagen der Zeugen am 05.02.2025 wirkten in keiner Weise abgesprochen, vielmehr hat jeder der Zeugen versucht, das Geschehen aus seiner individuellen Warte bestmöglich zu beschreiben. Kurz nach dieser Aussage ist der Kläger nach identischer Beschreibung aller Zeugen aufgestanden und hat sich über die Küche in den Flur und von dort auf die Kellertreppe begeben, wo er verunfallt ist. Es wurde im Rahmen der Zeugeneinvernahme auch hinreichend deutlich, aus welchen Gründen der Kläger im Unfallzeitpunkt zu den Hühnern gehen wollte; so ist es auch für Nicht-Hühnerhalter verständlich, dass die Hühner jede Nacht eingesperrt werden müssen, weil sie sonst einem Fuchs oder (in den Morgenstunden) einem Habicht zum Opfer fallen können. Auch erscheint es sinnvoll, wie die Ehefrau dem Gericht erklärte, den Hühnern, wenn der Folgetag (wie hier) ein Feiertag ist, am Abend noch etwas Futter zu geben, damit sie am Morgen schon etwas zu fressen haben und man nicht so früh raus muss zu ihnen.
Nach den glaubhaften Angaben der Ehefrau ging der Kläger immer über die Schmutzschleuse nach draußen, wenn er die Hühner versorgen oder sonst betriebliche Arbeiten verrichten wollte. Er zog dort seine Arbeitsschuhe und Arbeitsjacke an und nahm von dort das Hühnerfutter mit. Diese Angabe der Ehefrau wirkte nach Auffassung der Vorsitzenden, die selbst in der Landwirtschaft aufgewachsen ist, gut nachvollziehbar. Beim Füttern der Tiere ist nicht zu vermeiden, dass man schmutzig wird, schon die Wege zu den Tierbehausungen sind mit Schmutz und Tierkot behaftet. Im Regelfall geht niemand, nicht einmal für kurzdauernde Arbeiten, mit Freizeitschuhen in den Stall. Eine Schmutzschleuse gibt es daher in den meisten landwirtschaftlichen Betrieben. Es werden zur Arbeit nicht nur andere Schuhe, sondern auch andere Jacken benutzt als im privaten Bereich. Zudem ist es nichts Ungewöhnliches, dass Tierfutter im Wohnhaus gelagert wird, um einen Befall mit Mäuse- und Rattenfraß zu vermeiden. Die in der Akte befindlichen Fotos von den Kellerräumen wirken sehr authentisch. Sie zeigen, dass der Keller sowohl zu betrieblichen Zwecken (z.B. die Werkstatt und die Schmutzschleuse), als auch zu privaten Zwecken (z.B. Heizraum, Vorratsraum, Waschkeller) genutzt wird. Diese "Mischnutzung" ist in der Landwirtschaft keine Ausnahme, sondern die Regel. Wie oben erwähnt, spielt es nach der heutigen Rechtsprechung des BSG aber keine Rolle mehr, ob die Kellertreppe häufiger zu betrieblichen oder privaten Zwecken genutzt wurde. In erster Linie streitentscheidend ist in Fälle wie hier ohnehin die auf objektiver und subjektiver Ebene festzustellende finale Handlungstendenz im Unfallzeitpunkt, d.h. zu welchem Zweck der Kläger in dem Moment die Kellertreppe benutzt hat. Für die Kammer gibt es keine Zweifel daran, dass er nach seinen direkt vorher getätigten Aussagen und seinem direkt daran anschließenden Verhalten über die Kellertreppe zur Schmutzschleuse und von dort zur Hühnerversorgung gehen wollte.
Es gibt darüber hinaus keinerlei Anknüpfungspunkte für das Gericht, vorliegend eine rein eigenwirtschaftliche Motivation des Klägers für den zum Unfall führenden Gang über die Kellertreppe anzunehmen. So spricht Nichts dafür, dass er sich im Keller etwa nur ein Getränk holen wollte.
Aus den genannten Gründen steht der streitige Unfall nach Würdigung sämtlicher Anknüpfungstatsachen im inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit.
Was von Beklagtenseite allerdings zu Recht angemerkt wurde, ist die Tatsache, dass ihr der Vorfall erst relativ spät (am 10.01.2024) von der Ehefrau gemeldet worden war. Auch kam zunächst von den behandelnden Krankenhäusern kein D-Arztbericht. Dies wirkte für die Beklagte auf den ersten Blick so, als hätte man von Seiten der Angehörigen erst im Nachhinein eine betriebsdienliche Tätigkeit konstruiert. Es ist aber an dieser Stelle wichtig, sich die Situation für den Kläger und die Angehörigen in den Tagen nach dem Unfall konkret vor Augen zu führen: Die gesundheitliche Situation des Klägers in den Tagen danach war lebensbedrohlich. Er hatte am 26.12.2023 in der Neurochirurgie in rechts der Isar in München einen riskanten operativen Eingriff an der Halswirbelsäule erdulden müssen und war kurz danach auch noch an einer Lungenentzündung wegen Influenza erkrankt. Die Sauerstoffversorgung war unzureichend. Er war daher beatmungspflichtig und durchgehend auf der Intensivstation. Es ging vordergründig in den Tagen nach dem Unfall um die Erhaltung seiner Existenz. Daher ist es glaubhaft, wenn die Ehefrau am 05.02.2025 vor Gericht aussagte, dass sie von "rechts der Isar" und "Murnau" nicht zum Unfallablauf befragt worden sei. Sicherlich war in den genannten Krankenhäusern auch nur Notbesetzung über die Feiertage, gerade im ärztlichen Bereich. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst wegen der bis zum 13.01.2024 notwendigen Intubation und Beatmung zum Unfallhergang nicht befragt werden konnte. Den Angehörigen kann man auch nicht vorhalten, sie hätten sich "zwischen den Feiertagen" nicht sofort um eine Meldung des Arbeitsunfalles gekümmert. Als rechtliche Laien war das sicher nicht der erste sich aufdrängende Gedanke, sondern sie bangten schlicht um das Leben des Klägers und waren damit beschäftigt, von Niederbayern nach München bzw. dann Murnau zu reisen, um dort den Ehemann bzw. Vater zu besuchen bzw. sich nach diesem schweren Unfall ein Lagebild zu machen.
Wenn also die Klägerin erst nach den "Weihnachtsfeiertagen", die üblicherweise bis zum 06.01. dauern, im Büro des Versicherungsfachmannes D. angerufen hat, weil sie dachte, vorher bekomme sie dort ohnehin keinen Termin, ist das nach dem Verständnis des Gerichts ein nachvollziehbares Verhalten. Für das Gericht ist es auch glaubhaft, dass sie erst durch das Telefonat mit D. am 08.01.2024 darauf gebracht wurde, dass es sich um einen Arbeitsunfall handeln könnte und sie diesen der Berufsgenossenschaft melden müsse. Am 10.01.2024 rief sie schließlich bei der Beklagten an. Alles in allem spricht also die Tatsache der verspäteten Meldung nicht gegen das Vorliegen eines Arbeitsunfalles.
Auch die vorhandene Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt schließt vorliegend den Unfallversicherungsschutz nicht aus. Um 22.38 Uhr war am Unfalltag beim Kläger zwar eine Blutalkoholkonzentration von rund 2 Promille gemessen worden. Zu einer Ablehnung des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes führt eine Alkoholisierung aber nur dann, wenn diese - objektiv nachgewiesen - zu alkoholbedingten Ausfallerscheinungen bzw. einem alkoholbedingten Leistungsabfall geführt hat und dieser die rechtlich allein wesentliche Ursache für das Zustandekommen des Unfalles war. Dann hätte die versicherte Tätigkeit bzw. der damit zusammenhängende Betriebsweg nicht den Rang einer Ursache im Rechtssinne (vgl. LPK-SGB VII/Ziegler, 6. Auflage 2024, § 8 SGB VII, Rz. 191).
Dieser Nachweis ist vorliegend nicht erbracht. Nach den auch in diesem Punkt übereinstimmenden Zeugenaussagen waren beim Kläger im Zeitpunkt des Unfalles bzw. kurz vorher keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen (etwa bzgl. Sprache oder Gang) zu beobachten gewesen. Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass er zum "Hühnereinsperren" bzw. "Hühnerfüttern" wegen der Alkoholisierung nicht mehr imstande gewesen wäre.
Nach Aussage der Zeugen trank der Kläger regelmäßig mindestens ein Bier täglich, so dass er zumindest in moderatem Umfang an den Genuss alkoholhaltiger Getränke (v.a. Bier) gewohnt war und daher bei ihm mit Eintritt von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen nicht so schnell zu rechnen gewesen war als bei einer völlig trinkungewohnten Person. Der genaue Promillewert zum Unfallzeitpunkt lässt sich vorliegend nicht mehr ermitteln. Eine Blutentnahme erfolgte erst rund drei Stunden danach. Es ist darüber hinaus nicht auszuschließen, dass ein Teil des während und nach dem Abendessen in Form von Bier und Schnaps aufgenommenen Alkohols (wegen des mit fettigem Essen gefüllten Magens) erst nach Eintritt des Unfalles resorbiert wurde. Wenn also um 22.38 Uhr ein Wert von (umgerechnet) 2,0 Promille festgestellt wurde, so ist nicht zwingend davon auszugehen, dass im Unfallzeitpunkt (gegen 19.30 Uhr) ein ebenso hoher Promillewert vorlag. Dies ist aber letztlich auch nicht entscheidend, vielmehr die Frage, ob davon auszugehen ist, dass alkoholbedingte Ausfallerscheinungen nachgewiesen sind und sich der Unfall ohne diese mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ereignet hätte. Davon ist hier nicht auszugehen. Vielmehr bringt das Hinabgehen einer relativ steilen, schmalen Kellertreppe (wie hier) auch ohne Alkoholisierung immer ein gewisses Sturzrisiko mit sich, gerade dann, wenn diese gefliest ist (siehe Fotos in der Beklagtenakte). Fliesen sind kein rutschfester Belag. Man kann nicht davon ausgehen, dass ein Treppensturz ohne Alkoholisierung vorliegend nicht hätte passieren können. Damit war das Hinuntergehen der Treppe eine rechtlich relevante (wesentliche) Mitursache, der Alkoholeinfluss war jedenfalls nicht nachgewiesenermaßen die vorrangige oder gar die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Treppensturz.
Aus den genannten Gründen stand die im Unfallzeitpunkt ausgeführte Verrichtung im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Die Beklagte war damit zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 07.02.2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2024 das Ereignis vom 25.12.2023 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG.
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