L 4 R 2526/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 644/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2526/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. März 2022 streitig.

Der 1972 geborene Kläger erlernte keinen Beruf. Nach Tätigkeiten als Maschinenarbeiter, Karosserieschlosser und Lkw-Fahrer war er zuletzt seit 2011 als Lagerist (und Staplerfahrer bis 2019) bei der A1 beschäftigt. Nach Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 8. Januar 2021 bezog er zunächst Krankengeld und nachfolgend Arbeitslosengeld. Seit 1. Oktober 2023 bezieht der Kläger Bürgergeld.

Vom 10. Juni bis 1. Juli 2021 wurde der Kläger im Rahmen einer stationären pulmologischen Rehabilitation in den R1 in H1 behandelt (Diagnosen: Nichtallergisches Asthma bronchiale, COPD Stadium II nach Gold, Tabak, schädlicher Gebrauch, mindestens 35 py, anhaltend, mittelgradige depressive Erschöpfungssymptomatik, Angststörung, primär nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2 unter oral-medik. Therapie) und ausweislich des Entlassungsberichts des M1 vom 1. Juli 2021 mit einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für leichte berufliche Tätigkeiten entlassen. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit (nach Angaben des Klägers am Fließband, mittelschwere körperliche Arbeit) wurde nicht mehr für leidensgerecht erachtet.

Nachfolgend wurde der Kläger im Rahmen einer stationären Rehabilitation vom 2. Februar bis 16. März 2022 in der D1 (Klinik für Psychotherapie und Seelsorge) in K1 unter den Diagnosen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Diabetes mellitus Typ 2, Epilepsie, nicht näher bezeichnet, Prostatahyperplasie, sonstige nicht näher bezeichnete chronische obstruktive Lungenkrankheit, Schlafapnoe, nicht näher bezeichnet, benigne essenzielle Hypertonie sowie Adipositas behandelt und ausweislich des Entlassungsberichts des F1 vom 30. März 2022 mit einem Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden täglich sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes entlassen. Beim Kläger bestünden u.a. deutliche Mängel hinsichtlich kognitiver Fähigkeiten sowie Defizite im Bereich Konzentration, Aufmerksamkeit, Denken, Abstraktionsvermögen und Informationsverarbeitung, ebenso im Bereich Steuerungsfähigkeit und soziale Kompetenz. Empfohlen wurde die Prüfung einer Erwerbsminderungsrente.

Am 29. März 2022 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Seinen Antrag begründete er mit Epilepsie, Arthrose, Schlafapnoe, Diabetes, Prostatabeschwerden, Bluthochdruck und COPD; Erwerbstätigkeiten könne er nicht mehr verrichten. Die Beklagte holte nach Beiziehung medizinischer Unterlagen und Hinzuziehung ihres sozialmedizinischen Dienstes das Gutachten der B1, vom 4. Juni 2022 ein, die nach Untersuchung des Klägers diagnostisch von einer leichten depressiven Episode bei rezidivierenden depressiven Episoden, einer Epilepsie nicht näher bezeichnet (mit Medikamenten stabil), einer Schlafapnoe (mit CPAP behandelt) sowie vielfältigen psychosozialen Belastungen ausging. Sie erachtete den Kläger für in der Lage, leichte bis zeitweilig mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Nachtschicht, ohne Zeit getaktete Arbeit oder Akkord sowie ohne besondere Anforderungen an die Konzentration und Ausdauer sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Ein aufgehobenes Leistungsvermögen sei nicht zu erkennen.

Mit Bescheid vom 25. Juli 2022 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, weil die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt seien. Mit den Einschränkungen die sich aus den Erkrankungen oder Behinderungen des Klägers ergäben, könne er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, weshalb Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht bestehe. Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte medizinische Unterlagen der Agentur für Arbeit S2 (u.a. Sozialmedizinische gutachtliche Stellungnahme des F2 vom 19. Juli 2022; Leistungsbild täglich weniger als drei Stunden) bei und erneut ihren sozialmedizinischen Dienst hinzu, wobei die H2 ausweislich ihrer Ausführungen vom 30. November 2022 darauf hinwies, dass B1 Auffälligkeiten im psychopathologischen Befund, die eine weitergehende Einschränkung der Leistungsfähigkeit rechtfertigen könnten, nicht dokumentiert habe. Sie habe explizit weitgehend unauffällige kognitive Kompetenzen, eine emotionale Angepasstheit und eine fehlende Einengung der affektiven Schwingungsfähigkeit beschrieben. Die Epilepsie sei unter Medikamenteneinnahme stabil. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2023 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück.

Am 27. Februar 2023 erhob der Kläger hiergegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage und machte geltend, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der Sachverhalt sei nicht hinreichend aufgeklärt und seine psychische Erkrankung sei zu Unrecht als leichtgradig eingestuft worden. Nach Einschätzung der Agentur für Arbeit sei er erheblich eingeschränkt und in der D1 sei seine Leistungsfähigkeit mit weniger als drei Stunden täglich eingeschätzt worden. Wegen der psychischen Erkrankung, der Epilepsie und der Lungenerkrankung sei er nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Die Beklagte trat der Klage unter Aufrechterhaltung ihres Standpunktes entgegen, insbesondere könne der Leistungsbeurteilung der D1 nicht gefolgt werden. Hierzu legte sie die sozialmedizinische Stellungnahme der H2 vom 30. November 2022 vor. Zu den vom SG eingeholten Auskünften der behandelnden Ärzte (hierzu nachfolgend) legte sie die sozialmedizinische Stellungnahme des B2 vom 21. Dezember 2023 vor.

Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der S1 berichtete in seiner Auskunft vom 20. Juni 2023 über Vorstellungen des Klägers wegen des Diabetes mellitus, wobei die milde bis mittelgradige hyperglykämische Blutzuckereinstellung die Arbeitsfähigkeit nicht beeinträchtige. Diabetische Folgeerkrankungen lägen nicht vor. Da ein geregelter Tagesablauf eine Diabetes-Einstellung erleichtere, sollte Schichtarbeit vermieden werden. Aus diabetologischer Sicht seien leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich möglich. Der D2 berichtete in seiner Auskunft vom 7. Juli 2023 von unregelmäßigen Vorstellungen des Klägers (jeweils eine Vorstellung 2017, 2019, 2020 und 2022, drei Vorstellungen 2021). Von psychiatrischer Seite liege eine rezidivierende depressive Störung mit Chronifizierungstendenz vor und von neurologischer Seite bestehe eine kryptogene fokale Epilepsie. Die für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgeblichen Leiden lägen auf internistisch/pneumologischem Fachgebiet. Aufgrund der depressiven Störung und der Epilepsie mit der Notwendigkeit einer kontinuierlichen Medikamenteneinnahme sei jedoch auch die psychische Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Es komme zu einer vorzeitigen Erschöpfung sowie leichten kognitiven Einschränkungen in Form von Konzentrationsstörungen und einer psychischen Labilität. In der Zusammenschau mit den internistischen Erkrankungen schätzte er die Leistungsfähigkeit des Klägers mit weniger als drei Stunden täglich ein. In seiner Auskunft vom 12. Juli 2023 berichtete V1, von regelmäßigen Vorstellungen des Klägers, wobei er diagnostisch von einer obstruktiven Ventilationsstörung bei Tabakkonsum und einem Asthma bronchiale ausgegangen sei. Aufgrund der Lungenfunktion habe die Diagnose einer COPD zuletzt formal nicht gestellt werden können; es sei von einer „PreCOPD“ auszugehen. Trotz geringer Einschränkung der Lungenfunktion habe der Kläger von relevanten Atembeschwerden berichtet. Zu einer Leistungsbeurteilung sah er sich nicht in der Lage. Der H3 berichtete in seiner Auskunft vom 14. August 2023 von zahlreichen Vorstellungen bis 13. Juli 2021. Danach habe sich der Kläger nicht mehr vorgestellt. Das SG holte sodann das Gutachten des B3 vom 6. Mai 2024 ein, der auf seinem Fachgebiet vielschichtige, von jeher vorbestehende Persönlichkeitsakzentuierungen mit begrenzter Konfliktfähigkeit und eingeschränkter Frustrationstoleranz, Anpassungsstörungen mit inhaltsabhängiger Verstimmung, eine viele Jahre zurückliegende Spielsucht und eine (berichtete) Epilepsie beschrieb und auf sehr ausgeprägte Hinweise für nicht authentische Beschwerdeanteile bzw. simulative Tendenzen hinwies. Auszuschließen seien Tätigkeiten unter Zeitdruck, in regelmäßiger nervöser Anspannung, mit Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, mit überdurchschnittlich fordernden sozialen Interaktionen sowie Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten und an unmittelbar gefährdenden Maschinen. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen könne der Kläger bis zu mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. Juli 2024 wies das SG die Klage gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen B3 ab. Die Einschätzung des D2 und der behandelnden Ärzte der D1 überzeugten nicht. D2 habe keine Einschränkungen dargelegt, die eine quantitative Leistungsminderung rechtfertigen könnten. Er habe vielmehr selbst eingeräumt, dass eine Optimierung der therapeutischen Maßnahmen eine Verbesserung des psychischen Gesundheitszustandes erbringen würde. Im Übrigen sei jedenfalls seit Juni 2020 eine Anfallsfreiheit dokumentiert. Der Entlassungsbericht der D1 weise gravierende Mängel auf. Die Diagnose einer Epilepsie sei auch nicht andeutungsweise hinterfragt worden und die Frage einer Beschwerdevalidierung sowie die Abgrenzung von subjektiv reklamierten Beschwerden und objektiven Funktionsstörungen sei kaum diskutiert worden. Im Übrigen hätten die dort gesehenen Einschränkungen weder durch B1 noch durch B3 ansatzweise objektiviert werden können. Schwerwiegende Beeinträchtigungen mit Auswirkungen auf die quantitative Leistungsfähigkeit lägen darüber hinaus weder von internistischer noch von orthopädischer Seite vor.

Hiergegen hat der Kläger am 21. August 2024 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Er hat auf die Einschätzung des D2 verwiesen, der seine psychische Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit aufgrund der depressiven Störung und der Epilepsie mit der Notwendigkeit einer kontinuierlichen Medikamenteneinnahme als erheblich eingeschränkt beurteilt habe und ihn nicht mehr für erwerbsfähig erachte. Trotz dieser Feststellung sei im Hinblick auf die Diagnose einer Epilepsie kein weiteres Gutachten eingeholt worden. Auch wenn eine längere anfallsfreie Phase vorliege, bedeute dies nicht, dass er unter keiner Epilepsie leide. D2 habe bestätigt, dass er wegen Epilepsie kontinuierlich Medikamente einnehme. Inwieweit ihn dies in seiner Leistungsfähigkeit einschränke, sei nicht ermittelt worden. Nicht nachvollziehbar sei die Begründung, weshalb die Einschätzung der behandelnden Ärzte der D1 nicht überzeuge. Immerhin habe die dortige Behandlung sechs Wochen gedauert, sodass eine Beobachtung über einen viel längeren Zeitraum als in der Begutachtungssituation möglich gewesen sei. Da deren Einschätzung nicht berücksichtigt worden sei, sei auch die depressive Symptomatik nicht weiterverfolgt und gutachtlich bewertet worden. Auch die Diagnose COPD sei nicht berücksichtigt worden. Er legte das Attest des B4 vom 22. November 2024 und den Arztbrief der M4 vom 21. November 2024 vor.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2024 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25. Juli 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2023 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweiser wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. März 2022 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

                        die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie hat den Versicherungsverlauf vom 8. Oktober 2024 vorgelegt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakte der Beklagten.


Entscheidungsgründe

1. Die nach §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143 SGG statthaft und zulässig. Sie bedarf nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 SGG, da der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Rentenleistungen für einen Zeitraum von mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2023 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte es ablehnte, dem Kläger Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Der streitbefangene Bescheid vom 25. Juli 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. März 2022 (vgl. § 99 Abs. 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch <SGB VI>). Denn der Kläger ist noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten.

a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Auf nicht absehbare Zeit besteht eine Einschränkung, wenn sie sich voraussichtlich über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erstreckt (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23. März 1977 – 4 RJ 49/76 – juris, Rn. 15).

b) Nach den dargestellten Maßstäben steht für den Senat aufgrund der medizinischen Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren und der im Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Kläger in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, sodass weder ein Anspruch auf eine Rente wegen voller, noch wegen teilweiser Erwerbsminderung besteht. Zwar liegen beim Kläger gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern seine berufliche Leistungsfähigkeit jedoch allein in qualitativer, nicht aber auch in quantitativer Hinsicht.

aa) Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen mit Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen betreffen das psychiatrische, neurologische sowie internistische Fachgebiet und insoweit insbesondere das Teilgebiet der Pneumologie. Hiervon geht auch der Kläger selbst aus.

(1) Von psychiatrischer Seite leidet der Kläger an einer rezidivierenden depressiven Störung. Der Senat stützt sich insoweit auf den Entlassungsbericht der D1 vom 30. März 2022, das Gutachten der B1 und die Auskunft des behandelnden D2 als sachverständiger Zeuge vom 7. Juli 2023.

Bei einer rezidivierenden depressiven Störung handelt es sich um eine Störung, die durch wiederholte depressive Episoden charakterisiert ist. Die Erkrankung verläuft in Phasen, wobei die depressive Symptomatik, die Dauer und die Häufigkeit einen unterschiedlichen Ausprägungsgrad haben können. Die charakteristischen Schwankungen einer rezidivierenden depressiven Störung sind auch beim Kläger belegt. So gingen die behandelnden Ärzte der D1 ausweislich des Entlassungsberichts vom 30. März 2022 von einer mittelgradigen Episode der rezidivierenden depressiven Störung aus. Anlässlich der gutachterlichen Untersuchung durch die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren hinzugezogenen Gutachterin B1 (Juli 2022), das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet (vgl. etwa BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 29/13 R – juris, Rn. 19; BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51; zur Heranziehbarkeit als gerichtliche Entscheidungsgrundlage: BSG, Beschluss vom 22. Dezember 2021 – B 5 R 175/21 B – juris, Rn. 7; Urteil vom 12. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R – juris, Rn. 13), zeigte sich dann lediglich noch eine leichte depressive Verstimmung. Die Gutachterin dokumentierte eine geringe depressive Affektivität ohne Beeinträchtigung der Vitalgefühle und ohne Einengung der emotionalen Schwingungsfähigkeit; eine antidepressive Therapie oder eine psychotherapeutische Behandlung wurde nicht durchgeführt. B1 ging daher ohne weiteres nachvollziehbar lediglich noch von einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leichte Episode aus. Dass nachfolgend eine weitere Besserung eintrat, zeigte sich dann anlässlich der gutachterlichen Untersuchung durch den Sachverständigen B3 (4. April 2024), der einen psychopathologisch unauffälligen Befund (Bewusstsein klar, sicher in allen Qualitäten orientiert, im Denken formal geordnet, Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit ungestört, ausgesprochen lebendige Antriebslage) dokumentierte.

(2) Auf neurologischem Fachgebiet leidet der Kläger an einer kryptogenen fokalen Epilepsie. Der Senat stützt sich insoweit auf die Ausführungen des D2 in seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge. Insoweit führte er weiter aus, dass der Kläger unter der Medikation von Levetiracetam (täglich 2 x 500 mg) seit Juni 2020 anfallsfrei sei. Von einer entsprechenden Anfallsfreiheit berichtete der Kläger auch anlässlich seiner gutachterlichen Untersuchung durch B3. Darüber hinaus gab er an, dass die Epilepsie keine Probleme bereite.

(3) Von Seiten des internistischen Fachgebietes leidet der Kläger unter einem Diabetes mellitus, einer Schlafapnoe, einer Hypertonie sowie einer Adipositas und von pneumologischer Seite an einer obstruktiven Ventilationsstörung bei Tabakkonsum und Asthma bronchiale. Insoweit stützt sich der Senat auf die dem SG erteilten Auskünfte als sachverständige Zeugen des V1 vom 12. Juli 2023 und des S1 vom 20. Juli 2023.

bb) Die festgestellten Gesundheitsstörungen schränken das berufliche Leistungsvermögen des Klägers in qualitativer Hinsicht ein. So kommen für den Kläger wegen der psychischen Erkrankung Tätigkeiten unter Zeitdruck und in regelmäßiger nervöser Anspannung ebenso wie Tätigkeiten mit Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, mit überdurchschnittlich fordernden sozialen Interaktionen und Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht nicht mehr in Betracht. Im Hinblick auf die Epilepsie sind Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten sowie an unmittelbar gefährdenden Maschinen nicht mehr leidensgerecht. Der Senat stützt sich insoweit auf die Gutachten des Sachverständigen B3 und der Gutachterin B1.

cc) Die dargestellten, beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen führen nicht zu einem Absinken seines tatsächlichen Restleistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß. Die aus seinen Erkrankungen resultierenden funktionellen Einschränkungen erweisen sich auch in einer Gesamtschau nicht als derart schwerwiegend, dass sie einer leichten sechsstündigen Tätigkeit im Rahmen des oben beschriebenen Leistungsbildes entgegenstünden. Der Senat stützt sich auch insoweit auf die Gutachten des Sachverständigen B3 und der Gutachterin B1.

Die von psychiatrischer Seite bestehende Gesundheitsstörung zeigte sich zuletzt remittiert und ist allenfalls leichtgradig ausgeprägt und hinsichtlich der Epilepsie besteht unter medikamentöser Behandlung Anfallsfreiheit. Die darüber hinaus bestehenden Beeinträchtigungen von pneumologischer Seite wirken sich im Rahmen einer leichten beruflichen Tätigkeit nicht weiter nachteilig aus.

Soweit sich der Kläger auf die Leistungsbeurteilung der behandelnden Ärzte der D1 stützt, überzeugt deren Einschätzung den Senat nicht. Die im Entlassungsbericht vom 1. Juli 2021 im Rahmen der sozialmedizinischen Beurteilung aufgeführten deutlichen Mängel hinsichtlich kognitiver Fähigkeiten und die Defizite im Bereich Konzentration, Aufmerksamkeit, Denken, Abstraktionsvermögen und Informationsverarbeitung sowie im Bereich Steuerungsfähigkeit und sozialer Kompetenz lassen sich anhand der Beschwerdeschilderungen des Klägers im Ansatz zwar nachvollziehen, allerdings spiegeln sich diese im Rahmen der weiteren Ausführungen im Entlassungsberichts nicht wider, insbesondere aber nicht in den dokumentierten Befunden. Die beschriebenen weitreichenden Einschränkungen erweisen sich daher schon nicht als plausibel. Defizite der beschriebenen Art fanden nachfolgend auch weder die Gutachterin B1 noch der Sachverständige B3 anlässlich ihrer gutachtlichen Untersuchungen. So beantwortete der Kläger nach den Ausführungen der B1 die gestellten Fragen offen und zügig. Ein Rapport ließ sich gut herstellen. Im Verhalten war der Kläger kooperativ und der Situation zu jedem Zeitpunkt emotional angemessen angepasst. Es zeigte sich eine geringe depressive Affektivität, jedoch keine Beeinträchtigung der Vitalgefühle und keine Einengung der emotionalen Schwingungsfähigkeit. Der Kläger war zu jedem Zeitpunkt der Untersuchung emotional und intellektuell gut beziehbar. Das formale Denken war geordnet. Es lag keine Denkverlangsamung, Denkhemmung oder pathologische Ermüdbarkeit vor. Auch hinsichtlich Wahrnehmung und Kognition waren keine relevanten Einschränkungen erkennbar. Der Sachverständige B3 beschrieb insoweit dann einen gänzlich unauffälligen Befund. Der Kläger war im Bewusstsein klar, sicher in allen Qualitäten orientiert und im Denken formal geordnet. Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit waren im Rahmen der mehrstündigen gutachterlichen Untersuchung, die von 09:50 Uhr bis 13:05 Uhr dauerte, bis zuletzt völlig ungestört. Es zeigte sich auch keinerlei Erschöpfung oder Ermüdung, obwohl eine solche Untersuchung – so B3 – zwangsläufig für jeden Probanden eine überdurchschnittliche Anstrengung darstellt. Der Sachverständige fand darüber hinaus auch keinen Anhalt für hirnorganische Leistungsstörungen oder anders begründete kognitive Störungen, auch nicht für intellektuelle Defizite. Zu Recht wies B3 vor dem Hintergrund der hiervon erheblich abweichenden Feststellungen im Entlassungsbericht vom 1. Juli 2021 darauf hin, dass das vom Kläger angegebene Hauptziel der Rehabilitationsmaßnahme („einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente verfolgen“) für die behandelnden Ärzte Anlass hätte sein müssen, die subjektiv beklagten Beschwerden kritisch zu hinterfragen und zu verifizieren. All dies ist jedoch nicht erfolgt. Einen Beschwerdevalidierungstest führte der Sachverständige B3 dann anlässlich seiner gutachtlichen Untersuchung durch. Dabei zeigte der „Strukturierte Fragebogen simulierter Symptome“ (SFSS) ausgeprägte Auffälligkeiten. So erzielte der Kläger bei einem Cut-off-Wert von 16 einen Gesamtscore von 32, was – so der Sachverständige B3 – als extrem ausgeprägter Hinweis für nicht authentische Beschwerden bzw. Simulation zu interpretieren ist. Nach alledem lässt sich mit den Ausführungen im Entlassungsbericht der D1 ein Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden täglich nicht überzeugend begründen.

Diese Leistungsbeurteilung entspricht offensichtlich auch nicht der eigenen Einschätzung des Klägers. So berichtete er im Rahmen der gutachtlichen Untersuchung durch den Sachverständigen B3, dass das Arbeitsverhältnis mit der Firma A1 weiterbestehe und er bereits mehrfach wegen einer leichten Tätigkeit dort nachgefragt habe. Zuletzt habe er in der Vorwoche bei seinem Arbeitgeber angerufen, jedoch erneut die Mitteilung erhalten, dass gerade keine Arbeit für ihn vorhanden sei. Mit seiner Angabe anlässlich der Rentenantragstellung, Erwerbstätigkeiten könne er nicht mehr verrichten, lässt sich dies nicht in Einklang bringen.

Soweit der Kläger geltend macht, das SG habe die auf Veranlassung der Agentur für Arbeit von F2 erstellte gutachtliche Stellungnahme vom 19. Juli 2022 gänzlich unberücksichtigt gelassen, trifft dies zwar zu. Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass alleinige Grundlage dieser Stellungnahme die Einschätzung der behandelnden Ärzte der D1 im Entlassungsbericht vom 1. Juli 2021 war. Da diese – wie dargelegt – nicht überzeugt, gilt für die Einschätzung des F2, die darauf beruht, nichts anderes. Eine rentenbegründende Leistungsminderung lässt sich somit auch hieraus nicht herleiten.

Schließlich überzeugt auch die Einschätzung des D2 nicht. Soweit er die Leistungsfähigkeit des Klägers von neurologisch-psychiatrischer Seite auf drei bis sechs Stunden täglich eingeschätzt hat, ist dies schon deshalb nicht plausibel nachvollziehbar, weil er keine Befunde mitgeteilt hat, aus denen eine entsprechende Leistungsminderung abgeleitet werden könnte. Er führte lediglich aus, dass von psychiatrischer Seite eine rezidivierende depressive Störung mit Chronifizierungstendenz vorliege und der Kläger über eine depressive Verstimmung mit Antriebsminderung, Ängsten, Grübelneigung, Schlafstörungen, Erschöpfungssymptomatik und eingeschränkter Belastbarkeit berichtet habe. D2 stützt seine Einschätzung daher offenbar allein auf die eigenen Beschwerdeangaben des Klägers. Soweit er weiter ausführte, dass aufgrund der depressiven Störung und der Epilepsie mit der Notwendigkeit einer kontinuierlichen Medikamenteneinnahme die psychische Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit eingeschränkt sei und es zu einer vorzeitigen Erschöpfung komme, leichten kognitiven Einschränkungen in Form von Konzentrationsstörungen und einer psychischen Labilität, lässt sich ein quantitativ gemindertes Leistungsvermögen hieraus gleichermaßen nicht herleiten. Denn durch die Gutachten der B1 und des Sachverständigen B3 konnten die beschriebenen Folgeerscheinungen gerade nicht bestätigt werden. Anlässlich der jeweiligen Untersuchungen zeigte sich weder eine vorzeitige Erschöpfbarkeit, noch traten kognitive Einschränkungen in Form von Konzentrationsstörungen auf. Im Übrigen gab der Kläger gegenüber dem Sachverständigen B3 auch selbst an, dass er mit der Epilepsie keine Probleme habe, folglich auch nicht mit der Medikation. Anlass im Hinblick auf die Diagnose Epilepsie weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen, bestand vor diesem Hintergrund nicht. Entgegen der Ansicht des Klägers war es daher auch nicht geboten, ein Gutachten einzuholen, auch nicht deshalb, weil zwischenzeitlich eine längere anfallsfreie Phase vorliegt. Die Diagnose selbst hat auch die Beklagte nicht in Zweifel gezogen.

Auf eine relevante Leistungsminderung von neurologisch-psychiatrischer Seite weisen schließlich auch die lediglich sporadischen Vorstellungen bei D2 nicht hin. So stellte sich der Kläger ausweislich seiner Auskunft vom 7. Juli 2023 im Jahr 2022 lediglich einmal, und zwar im Monat vor der Rentenantragstellung, vor und im seinerzeit laufenden Jahr 2023 war erst wieder ein Termin für den 21. September 2023 geplant.

Eine rentenrelevante Leistungsminderung lässt sich auch unter Berücksichtigung der von pulmologischer Seite vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht herleiten. Eine schwere Beeinträchtigung ist insoweit nicht festzustellen. V1 diagnostizierte eine obstruktive Ventilationsstörung bei Tabakkonsum und Asthma bronchiale. Dabei ging er aufgrund der zuletzt durchgeführten Lungenfunktionsprüfung eher von der Vorstufe einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) aus. In seiner Auskunft vom 12. Juli 2023 berichtete er im Übrigen von einer Diskrepanz zwischen den Angaben des Klägers (Atemnot bereits bei Gehstrecke von maximal 100 m; COPD Assessment Test (CAT), 30 Punkte entsprechend einer sehr schweren Beeinträchtigung) und dem Ergebnis seiner Lungenfunktionsprüfung, die lediglich eine geringe Einschränkung der Lungenfunktion zeigte. Ausgehend hiervon ging V1 auch nicht davon aus, dass das für die berufliche Leistungsfähigkeit maßgebliche Leiden auf dem pneumologischen Fachgebiet liegt. Von einer weitreichenden Leistungseinschränkung, die einer beruflichen Tätigkeit entgegensteht, geht offenbar auch der Kläger selbst nicht aus. Wie bereits dargelegt, bemühte sich der Kläger während des Rentenverfahrens bei seinem Arbeitgeber mehrfach um einen Arbeitsplatz, bei dem er leichte Tätigkeiten verrichten kann. Auffällig ist zudem, dass der Kläger anlässlich der gutachtlichen Untersuchung bei B3 im Rahmen der ausführlichen Anamnese zwar erwähnte, dass er schon ca. zehn Jahre eine COPD habe, jedoch in diesem Zusammenhang nicht von schwerwiegenden Beeinträchtigungen berichtete, wie er sie gegenüber V1 angegeben hatte. Er erwähnte dabei lediglich, dass er seine Sprays benutze.

Eine rentenrelevante Leistungsminderung lässt sich schließlich auch nicht aus dem vom Kläger zuletzt vorgelegten Attest des B4 vom 22. November 2024 und dem Arztbrief der internistischen Facharztpraxis M4 vom 21. November 2024 herleiten. Soweit Internist B4 ausführte, dass beim Kläger chronische Erkrankungen bestünden, die sich in den letzten Monaten verschlechtert hätten und sich vorrangig der Blutdruck schlechter zeige, die Zuckerwerte sich verschlechtert hätten, ebenso die Belastungsluftnot und weiterhin vermehrt Gelenkschmerzen bei körperlicher Belastung aufträten, ist darauf hinzuweisen, dass diese pauschalen Ausführungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme bieten, dass es hinsichtlich der aufgeführten Erkrankungen zu einer relevanten und insbesondere dauerhaften Verschlechterung gekommen ist, die zudem Auswirkungen auf die quantitative Leistungsfähigkeit des Klägers hat. Die erwähnten Erkrankungen sind jeweils behandelbar, so dass aus einer eingetretenen Verschlechterung nicht auf eine dauerhafte Zunahme der Leistungsminderung geschlossen werden kann. Eine solche Behandlung wurde ausweislich des Arztbriefs der Facharztpraxis M4 im Hinblick auf den Diabetes mellitus auch bereits eingeleitet.

Der Senat hat sich durch die zuletzt vorgelegten Unterlagen auch nicht zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen veranlasst gesehen. Die vollständig pauschal gebliebenen Ausführungen des Internisten B4, wonach sich der Blutdruck, die Zuckerwerte und die Belastungsluftnot verschlechtert hätten und vermehrt Gelenkschmerzen bei körperlicher Anstrengung aufträten, ohne dass Art, Umfang bzw. Ausmaß und Zeitpunkt der Verschlechterung konkretisiert wurden, stellt keinen Grund für die Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen dar. Ohne die Forderung eines Minimums an Vorbringen von rechtskundig Vertretenen ergäbe sich für die Gerichte die Verpflichtung zu „Ermittlungen ins Blaue hinein“ (BSG, Beschluss vom 1. April 2021 – B 9 V 60/20 B – juris, Rn. 18). Das Gebot zur Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichtet die Gerichte generell nicht dazu, Beweise „ins Blaue hinein“ oder Ausforschungsbeweise zu erheben (BSG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 4 RA 60/94 – juris, Rn. 37). Zu Ermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte besteht zudem auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen keine Verpflichtung (vgl. Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 9. Oktober 2007 – 2 BvR 1268/03 – juris, Rn. 19; BSG, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 36/18 R – juris, Rn. 18).

dd) Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Gegenteiliges ist, wie zuvor dargelegt, nicht festzustellen.

ee) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019 – B 13 R 7/18 R – juris, Rn. 29 ff. m.w.N.). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf ein noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.

Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen des Klägers (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist hier gegeben.

ff) Auch die Wegefähigkeit des Klägers war und ist zu bejahen. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Der Senat sieht keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger nicht in der Lage wäre, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Wegefähigkeit ist nach den zu Grunde zu legenden Befunden nicht gegeben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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