Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin überzahlte Beiträge zu ihrer gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung im Zeitraum vom 01.12.2004 bis 31.12.2013 zu erstatten und den Erstattungsbetrag zu verzinsen.
Die 1942 geborene Klägerin ist bei den Beklagten kranken- und pflegeversichert. Aufgrund ihrer langjährigen Beschäftigung bei einem Theaterunternehmen erwarb sie Ansprüche gegen die Versorgungsanstalt der Deutschen B1 (VddB). Die VddB ist eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in M1. Sie verfolgt den Zweck, den an deutschen Theatern beschäftigten Bühnenangehörigen eine Alters-, Berufsunfähigkeit- und Hinterbliebenenversorgung im Wege der Versicherung zu gewähren (§ 1 Satzung der VddB).
Auf ihren Antrag vom 18.08.2004 bewilligte die VddB der Klägerin mit Bescheid vom 23.11.2004 ab dem 01.12.2004 flexibles Altersruhegeld nach § 29 Abs. 2 der Satzung der VddB. Das Ruhegeld wurde mit monatlich 735,42 € festgesetzt. Da für die Klägerin eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe, müssten nach § 256 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit § 60 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) von den Versorgungsbezügen Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge einbehalten werden. Diese Beiträge seien an die Krankenkasse abzuführen. Ausgehend von dem monatlichen Ruhegeld für Dezember 2004 in Höhe von 735,24 € betrage der Krankenversicherungsbeitrag 109,55 € und der Pflegeversicherungsbeitrag 12,50 €.
Mit Schreiben vom 03.12.2004 wandte sich die Klägerin an die VddB und bat um Aufklärung hinsichtlich des Prozentsatzes der berechneten Krankenversicherungsbeiträge. Fraglich sei auch, weshalb sie den gesamten Krankenversicherungsbeitrag und nicht nur den Arbeitsnehmeranteil zu tragen habe. Rein vorsorglich sei dieses Schreiben als Widerspruch zu betrachten. Mit Schreiben vom 16.12.2004 erläuterte die VddB die Beitragsberechnung.
In der Folge fand zunächst keine weitere Korrespondenz mehr statt. Die VddB überwies den Zahlbetrag der flexiblen Altersrente an die Klägerin und leitete die errechneten Beiträge jeweils an die Beklagte zu 1 weiter.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschlüssen vom 27.06.2018
(1 BvR 100/15, 1 BvR 249/15) entschieden hatte, dass Rentenzahlungen von Pensionskassen, die auch auf privat eingezahlten Beiträgen beruhen, unter bestimmten Voraussetzungen in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung nicht beitragspflichtig seien, berechnete die VddB die einbehaltenen und an die Beklagten weitergeleiteten Beiträge auf den Versorgungsbezug der Klägerin neu und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21.09.2019 mit, die Berechnung habe ergeben, dass zu Unrecht Beiträge einbehalten und abgeführt worden seien. Für die Zeit ab dem 31.12.2013 ergebe sich ein Erstattungsbetrag zu Gunsten der Klägerin in Höhe von 6.295,62 €. Die Beiträge, die auf die Leistungen seit Dezember 2004 bis 31.12.2013 einbehalten worden seien, seien verjährt. Insoweit könne seitens der VddB keine Erstattung gewährt werden. Erstattungen für die vor dem 01.01.2014 liegenden Zeiträume könne nur die Krankenkasse vornehmen.
Mit Schreiben vom 09.10.2019 machte die Klägerin eine Verzinsungsnachzahlung geltend. Dies lehnte die VddB mit Schreiben vom 15.10.2019 ab. § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), der die Verzinsung von Ansprüchen auf Geldleistungen nach dem SGB regele, sei für die VddB nicht einschlägig. Die VddB sei kein Sozialleistungsträger im Sinne des SGB.
Bereits zuvor wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 07.10.2019 an die Beklagten. Sie habe von der VddB wegen des unrechtmäßigen Abzugs der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vom Dezember 2004 bis 31.12.2013 verminderte Leistungen der VddB erhalten. Es bestehe ein sozialrechtlicher Bereicherungsanspruch gegen die Beklagten, Verjährung sei nicht eingetreten.
Mit Schreiben vom 29.01.2020 führte die VddB ergänzend aus, der frühere Widerspruch gegen die Beitragsberechnung vom 03.12.2004 habe nicht zu einer Hemmung der Verjährung des nun gegenständlichen Erstattungsanspruchs geführt. Dem damaligen Widerspruch habe ein anderer Streitgegenstand zugrunde gelegen. Außerdem sei der Widerspruch abschließend bearbeitet worden. Auch habe die Klägerin das damalige Verfahren mehr als 15 Jahre nicht weiterbetrieben.
Nachdem die Klägerin auf weitere Anfragen und Erinnerungen keine Antwort der Beklagten erhalten hatte, erhob sie am 14.04.2020 Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Freiburg (SG), welche unter dem Aktenzeichen S 11 KR 1156/20 geführt wurde und welche sie später für erledigt erklärte.
Die Beklagten hörten die Klägerin mit Schreiben vom 13.05.2020 zu der beabsichtigten Ablehnung der Rückerstattung von Beiträgen, die auf die Zeit vor dem 01.01.2014 entfielen, an. Für die Erstattung von Beiträgen sei bei Pflicht- und freiwillig Versicherten die vierjährige Verjährungsfrist des § 27 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zu berücksichtigen. Der Anspruch auf Erstattung von Beiträgen, die im Kalenderjahr 2013 gezahlt worden seien, sei grundsätzlich mit Ablauf des Jahres 2017 verjährt. Hemmung sei nicht eingetreten. Ein schriftlicher Erstattungsantrag oder ein Widerspruch im Sinne des § 27 Abs. 3 SGB IV seien nicht erfolgt. Auch das Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 15.10.2018 (RS 2018/5) gebe den gesetzlichen Krankenkassen eine einheitliche Verfahrensweise hinsichtlich der erwähnten Beschlüsse des BVerfG vor. Dort sei festgehalten, dass die vierjährige Verjährungsfrist maßgeblich sei. Sofern die Klägerin zu Beginn der Beitragspflicht bei der Beklagten einen Widerspruch erhoben habe und hierüber einen Nachweis einreichen könne, werde auch eine Erstattung der Beiträge aus dem Versorgungsbezug für länger zurückliegende Zeiträume geprüft.
Mit Bescheid vom 15.06.2020 lehnte die Beklagte zu 1 - auch im Namen der Beklagten zu 2 - eine weitergehende Erstattung ab. Zwar habe die Klägerin im Kalenderjahr 2004 direkt bei der VddB einen Widerspruch gegen den anzuwendenden Beitragssatz eingelegt, dies führe jedoch nicht zur Hemmung der Verjährung im Hinblick auf die fraglichen Erstattungsansprüche.
Mit Schreiben vom 29.06.2020 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.06.2020 ein. Zwar habe sich ihr damaliger Widerspruch, den sie bei der VddB eingelegt habe, gegen die Höhe der Beiträge gerichtet. Indessen sei die Höhe der in Abzug gebrachten Beiträge vom BVerfG für unzulässig bewertet worden. Die VddB habe auf den damaligen Widerspruch nur informell geantwortet. Ein förmlicher Bescheid oder Widerspruchsbescheid sei nicht ergangen. Somit könne es auch nicht zur Verjährung des Erstattungsanspruchs nach § 27 SGB IV gekommen sein. Zwar sei der Widerspruch gegenüber der VddB erklärt worden, er gelte jedoch auch im Verhältnis zu den Beklagten. Auch sei eine Verzinsung vorzunehmen.
Mit Bescheid vom 27.07.2020 errechneten die Beklagten eine Verzinsung des Erstattungsanspruchs (bezogen auf 6.295,62 €) in Höhe von insgesamt 167,87 € zugunsten der Klägerin.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2020 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zu 1 - auch im Namen der Beklagten zu 2 - den Widerspruch der Klägerin zurück. Beiträge für die Zeit vor dem 01.01.2014 seien verjährt. Die Verjährung sei nicht gehemmt. Eine Hemmung könne nur eintreten, wenn ein Widerspruch gegen den Beitragsbescheid in der Vergangenheit erhoben worden sei. Nur in diesem Fall wäre eine Erstattung auch über die letzten vier Jahre hinaus möglich. Die Zahlstelle der VddB habe nicht wissen können, ob bei der zuständigen Krankenkasse - hier der Beklagten zu 1 - Widerspruch eingelegt worden sei, weshalb diese die Klägerin in ihrem Schreiben vom 21.09.2019 an die Krankenkasse verwiesen habe. Die Klägerin sei dem aber nicht nachgekommen. In dem Widerspruch gegen die Zahlstelle der VddB habe die Klägerin lediglich gegen den angewandten Beitragssatz, nicht aber gegen die grundsätzliche Beitragspflicht Einwände erhoben. Dies führe nicht zu einer Hemmung der Verjährung. Es verbleibe damit bei einer Ablehnung der Beitragserstattung für die Zeit vom 01.12.2004 bis 31.12.2013.
Dagegen hat die Klägerin am 13.10.2020 Klage beim SG erhoben. Ergänzend und vertiefend hat sie ausgeführt, die weitergehenden Erstattungsansprüche seien nicht verjährt. Sie habe bereits gegen den ersten Rentenzahlungsbescheid vom 23.11.2004 mit Schreiben vom 03.12.2004 einen auch so bezeichneten Widerspruch erhoben. Dieser habe sich gegen die Höhe der Beiträge gerichtet. Über diesen Widerspruch habe die VddB nicht entschieden. Dass sie die Angelegenheit nicht weiterverfolgt habe, sei ohne Belang. Ein rechtsmittelfähiger (Widerspruchs-) Bescheid sei nicht ergangen. Eine Verjährung könne auch deshalb nicht angenommen werden, weil ihr die Existenz der Ansprüche, die sie hätte geltend machen können, nicht bekannt gewesen sei. Dass ihr ein Erstattungsanspruch zustehe, sei ihr erst durch den Erstattungsbescheid der VddB vom 21.09.2019 bekannt geworden. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Verzinsung der Erstattungsbeträge ergebe sich aus § 44 SGB I. Im Übrigen sei sie der Auffassung, die VddB sei beizuladen.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und haben insbesondere ausgeführt, Ermessenserwägungen hätten sie bei ihrer Entscheidung nicht anstellen müssen, da die Verjährungsvorschrift des § 25 SGB IV eine von Amts wegen zu berücksichtigende vierjährige Verjährungsfrist vorgebe.
Das SG hat im Urteil vom 25.10.2022 die Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15.06.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.09.2020 verpflichtet, den Antrag der Klägerin vom 07.10.2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Grundsätzlich stehe der Klägerin im Hinblick auf die auch vor dem 01.01.2014 entrichteten Beiträge ein Erstattungsanspruch nach § 26 Abs. 2 SGB IV zu. Das von ihr bezogene Ruhegeld habe, soweit die Beiträge von der Klägerin selbst geleistet worden seien, nicht der Beitragspflicht nach § 229 SGB V unterlegen. Gegen die Beitragserstattungsansprüche der Klägerin für die Zeit vom 01.12.2004 bis 31.12.2013 stehe den Beklagten allerdings grundsätzlich die Erhebung der Einrede der Verjährung zu. Der Verjährungseinrede könne weder die Unkenntnis der Klägerin von ihrem Erstattungsanspruch entgegengehalten werden, noch liege ein die Verjährung hemmender und beschiedener Widerspruch der Klägerin gegen einen Bescheid der Beklagten vor. Allerdings hätten die Beklagten verkannt, dass ihnen im Hinblick auf die Erhebung der Einrede der Verjährung ein Ermessensspielraum zustehe. Infolgedessen sei der angefochtene Bescheid insoweit rechtswidrig. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Unkenntnis der Klägerin als Berechtigte von ihrem Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sei im Bereich der Beitragserstattung ohne Belang. Eine solche Unkenntnis sei bei der Verjährung grundsätzlich unbeachtlich. Zwar habe das Verjährungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 für nach dem 31.12.2001 begründete Schuldverhältnisse eine grundsätzliche Rechtsänderung vollzogen, indem § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nunmehr neben der Entstehung des Anspruchs im Grundsatz verlange, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Auf die hinsichtlich des Beginns spezialgesetzlich geregelte Verjährung von Beitragserstattungsansprüchen (nach § 27 Abs. 3 SGB IV) seien diese Grundsätze allerdings nicht übertragbar (ständige Rechtsprechung Bundessozialgericht [BSG], 29.07.2003, B 12 AL 1/02R, SozR-2400 § 27 Nr. 1, Rd. 18). Der Widerspruch der Klägerin vom 03.12.2004 gegen den Bescheid der VddB vom 23.11.2004 hemme die Verjährung des Beitragserstattungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagten nicht. Dieser Widerspruch habe sich nicht gegen einen Bescheid der Beklagten gerichtet. Die VddB habe das Schreiben nicht an die Beklagten weitergeleitet. Die VddB als Zahlstelle sei weder formell- noch materiell rechtlich befugt, über den Beitragstatbestand zu entscheiden. Diese Berechtigung obliege allein den beklagten Sozialversicherungsträgern. Bei dem Schreiben der VddB vom 13.11.2004 handele es sich daher nur insoweit um einen Bescheid, als der Beginn des Bezugs des Altersruhegeldes sowie dessen Höhe verbindlich festgestellt worden sei. Im Hinblick auf die Einbehaltung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge habe es sich lediglich um eine Information über die Berechnung des Auszahlungsbetrages ohne verbindlichen Regelungscharakter gehandelt. Zwar sei die VddB als Zahlstelle und als Behörde gemäß § 84 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verpflichtet gewesen, den Widerspruch an die Beklagten als für die Beitragsfestsetzung zuständige Behörde weiterzuleiten. Erst mit Zugang eines weitergeleiteten Widerspruchs bei der zuständigen Behörde werde der Widerspruch wirksam. Insoweit fingiere § 84 Abs. 2 SGG die rechtzeitige Einlegung des Widerspruchs. Dieser Weiterleitungspflicht nach § 84 Abs. 2 SGG sei die Zahlstelle nicht nachgekommen. Stattdessen habe sie selbst ein Antwortschreiben an die Klägerin verfasst. Aufgrund der unterlassenen Weiterleitung des Widerspruchs sei der Widerspruch der Klägerin vom 14.12.2004 den Beklagten nicht zugegangen. Ein Vorverfahren im Sinne des § 83 SGG habe deshalb nicht beginnen können. Es fehle insgesamt an einem wirksamen Widerspruch gegen die Beitragsforderung bzw. an einem Erstattungsantrag bei der zuständigen Behörde. Infolgedessen habe auch keine Hemmung der Verjährung eines Erstattungsanspruchs eintreten können. Allerdings enthalte der Bescheid der Beklagten keinerlei Ermessenserwägungen, er sei bereits aus diesem Grund rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Ihr stehe ein Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des den Beklagten eingeräumten Ermessens zu. Eine Ermessensreduzierung auf Null könne die Kammer insoweit nicht erkennen. Eine solche liege nur dann vor, wenn nur eine einzige Verhaltensweise des Leistungsträgers ermessensfehlerfrei sei, alle anderen hingegen ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig wären. Im Rahmen der erneuten notwendigen Ermessensausübung müssten die Beklagten bei ihrer Abwägung über den Erstattungsantrag bzw. die Verjährung dieses Erstattungsantrags berücksichtigen, dass ein den Beklagten über § 242 BGB zurechenbares Fehlverhalten der Zahlstelle vorgelegen habe, das zumindest ein Überprüfungsverfahren der Beitragszahlung der Klägerin vereitelt habe. Fehlerhaftes Verhalten der Einzugsstelle sei den jeweiligen Behörden zurechenbar (Verweis auf BSG 29.07.2003, B 12 AL 1/02 R, SozR 4-2400 § 27 Nr. 1 Rd. 21). Die Klägerin habe Einwände gegen die Erhebungen von Beiträgen auf ihr Ruhegehalt erhoben. Sie habe diese Einwände lediglich gegenüber der falschen Behörde, nämlich der VddB, geäußert. Dies beruhe auf den besonderen Verfahrensvorschriften bei der Beitragszahlung aus Versorgungsbezügen, die über die Zahlstellen erfolge, der sich die Beklagte aufgrund gesetzlicher Vorschriften bediene (§ 256 SGB V, § 60 SGB XI). Hätte die Zahlstelle die Einwendung der Klägerin gegen die Beitragserhebung an die Beklagten als zuständige Stellen weitergeleitet, wäre ein ordnungsgemäßes Beitragsfestsetzungsverfahren eingeleitet worden. Im Rahmen dieses Verfahrens wäre umfassend über die Beitragspflicht der Klägerin entschieden worden. Der Widerspruch gegen die Erhebung der Beiträge sei durch die Widerspruchsbegründung der Klägerin entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf beschränkt gewesen, über die Erhebung des hälftigen oder vollen Beitragssatzes zu entscheiden. Die Entscheidung über die Höhe der Beiträge umfasse auch die Entscheidung, die Beitragsjahre auf Null festzusetzen und damit von einer Beitragserhebung abzusehen. Der Antrag auf Beitragsfestsetzung sowie gegen diese Entscheidung erhobene Rechtmittel hätten eine verjährungshemmende Wirkung entsprechend § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB IV entfalten können. Weiter sei aber auch zu berücksichtigen, dass die von der Zahlstelle unterlassene Weiterleitung des Schreibens vom 03.12.2004 nicht unmittelbar die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs der Klägerin verhindert habe. Eine Weiterleitung hätte nur durch die Einleitung eines Beitrags(prüfungs)verfahrens mittelbar auf die Verjährung dieses Anspruchs Wirkung entfalten können. Zudem sei es der Klägerin unbenommen geblieben, sich nach dem Antwortschreiben der Zahlstelle vom 16.12.2004 auf ihren Widerspruch vom 03.12.2004 an die Beklagten zu wenden oder von der Zahlstelle einen rechtsmittelfähigen Widerspruchsbescheid zu begehren und eine gerichtliche Prüfung herbeizuführen. Diese Umstände seien im Rahmen der erforderlichen Ermessensausübung zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 23.11.2022 haben die Beklagten das Urteil des SG umgesetzt und den Bescheid vom 15.06.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids von 10.09.2020 aufgehoben. Dennoch sei keine weitergehende Erstattung vorzunehmen. Im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens sei zu berücksichtigen, dass die Ablehnung der Erstattung der zu Unrecht erhobenen Beiträge für Zeiträume vor dem 01.01.2014 für die Klägerin keine unbillige Härte darstelle. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass sie durch die Ablehnung der Beitragserstattung sozialhilfebedürftig werde. Auch andere Gründe für eine unangemessene wirtschaftliche Belastung lägen nicht vor. § 27 Abs. 2 SGB IV diene ebenso wie § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV der Wahrung des Rechtsfriedens und der Sicherheit des Rechtsverkehrs. Die Sozialleistungsträger sollten nicht nach Jahren noch rückwirkend in meist abgeschlossene Sozialrechtsverhältnisse eingreifen müssen. Demgegenüber trete das Interesse der Klägerin an einer nachträglichen Erstattung von Beiträgen außerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist zurück, die einen solchen nachträglichen Eingriff in die Beitragszahlungen der verjährten Zeiten nach sich ziehen würden.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, der im Nachgang zur parallel beim SG zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 08.12.2022 eingelegten Berufung ruhend gestellt wurde.
Zur Begründung der Berufung bezieht sich die Klägerin im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen. Entgegen der Auffassung des SG liege ein intendiertes Ermessen des Gesetzgebers vor. Dieses verbiete, die Unkenntnis eines Gläubigers vom Erstattungsanspruch als für sich genügenden Ausschlusstatbestand zur Erhebung der Einrede der Verjährung heranzuziehen. Im Übrigen sei ein Widerspruch wirksam erhoben worden. Die Beklagten müssten sich zurechnen lassen, dass die von ihnen zur Erledigung ihrer Aufgaben als Träger sozialrechtlicher Angelegenheiten herangezogene VddB nicht ordnungsgemäß gehandelt habe. Immerhin habe die VddB auch auf den Widerspruch inhaltlich geantwortet. Zurechnen müssten sich die Beklagten auch lassen, dass sie keine Vorkehrung zur Verhinderung solcher Fehler der Zahlstelle ergriffen hätten. Aufgrund der fehlerhaften Handhabung des Falles durch die VddB bestehe auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu ihren Gunsten. Folglich sei es geboten, den entstehenden Nachteil durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln nachträglich wieder zu beseitigen. Dies erfordere, den Widerspruch als wirksam zu beachten. Im Übrigen sei das von den Beklagten geforderte Ermessen im konkreten Fall auf Null reduziert.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23.11.2022 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, die im Zeitraum vom 01.12.2004 bis 31.12.2013 überzahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus dem monatlichen laufenden Versorgungsbezug zurückzuerstatten und den Erstattungsbetrag zu verzinsen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten beziehen sich auf ihre Ausführungen im bisherigen Verfahren und insbesondere im Bescheid vom 23.11.2022.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG und die Akten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I. Streitgegenstand ist nur noch die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 23.11.2022, mit dem die Beklagten der Entscheidung des SG im Urteil vom 25.10.2022 Folge leisteten. Die Beklagten haben den zuvor angefochtenen Bescheid vom 15.06.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.09.2020 nach vollständiger Überprüfung aufgehoben. Stattdessen haben sie nach umfassender Überprüfung eine - im Ergebnis inhaltsgleiche - neue Entscheidung getroffen. Darin liegt eine Ersetzung des ursprünglichen angefochtenen Bescheids vom 15.06.2020 im Sinne des § 96 SGG. Eine Ersetzung in diesem Sinne setzt zwischen dem früheren und dem späteren Bescheid einen identischen Streitgegenstand voraus. In diesen muss die Behörde durch Erlass eines neuen Bescheides eingreifen. Ein Eingriff liegt in der Regel vor, wenn die Beschwer des ursprünglichen Verwaltungsakts verändert oder beseitigt wird. Unschädlich ist, wenn die beiden Bescheide auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützt werden oder der Verfügungssatz zwar nicht geändert wird, sondern mit dem Ziel wiederholt wird, einen Fehler im Verwaltungsverfahren zu korrigieren, etwa bei einer unterlassenen Anhörung oder einer fehlenden Ermessensausübung (BSG 30.11.2016, B 6 KA 35/16 B, juris Rn. 15; Klein, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2024, § 96 Rn. 31). In einem solchen Fall wird der Zweitbescheid nach erneuter Prüfung der Behörde Gegenstand der Klage bzw. des Berufungsverfahrens. Der frühere Bescheid erledigt sich dadurch auf andere Weise im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X (a.a.O.; BSG 25.04.2018, B 8 SO 24/16 R, juris Rn. 11).
Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten mit Bescheid vom 23.11.2022 nach Inhalt und Begründung den ursprünglichen Bescheid vom 15.06.2020 vollumfänglich überprüft und ausdrücklich aufgehoben und insbesondere eine Ermessensausübung, deren Fehlen das SG in seinem Urteil bemängelt hat, angeschlossen. Unerheblich ist insoweit, dass die Beklagten zu demselben Ergebnis gelangt sind. Trotzdem liegt eine Ersetzung des ursprünglich angefochtenen Bescheides vor und damit eine Klageänderung kraft Gesetzes. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch der Bescheid vom 23.11.2022, über welchen der Senat auf Klage entscheidet.
II. Mit diesem Streitgegenstand hat die Klage keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet, der nunmehr noch angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
1. Zwischen den Beteiligten ist nicht umstritten, dass die Klägerin im Zeitraum bis zum 31.12.2013 Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung in rechtswidrigem Umfang bezahlt hat. Die Klägerin beziffert die Höhe der zu Unrecht gezahlten Beiträge auf ca. 12.000 €, ohne dass es auf eine genaue Bezifferung ankommt. Denn die Beklagten haben sich wirksam auf eine Verjährung des Erstattungsanspruchs, der die zu Unrecht bezahlten Beiträge der Klägerin aus der Zeit vom 01.12.2004 bis 31.12.2013 umfasst, berufen.
2. Der Erstattungsanspruch verjährt nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Daraus folgt, dass die letzten, bislang nicht erstatteten Beiträge der Klägerin aus dem Jahr 2013 mit Ablauf des 31.12.2017 verjährt sind.
Die Beklagten sind ist nicht gehindert, sich auf den Verjährungseintritt zu berufen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist eine Hemmung des Erstattungsanspruchs nicht eingetreten. Gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB IV gelten für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des BGB sinngemäß. Die Verjährung wird durch einen schriftlichen Antrag auf Erstattung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt. Die Hemmung endet sechs Monate nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag oder den Widerspruch (§ 27 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB IV).
a) Der Widerspruch der Klägerin vom 03.12.2004 ist nicht geeignet, eine Hemmung des Fristablaufs für den Erstattungsanspruch zu begründen. Zu Recht weist das SG daraufhin, dass sich ein Widerspruch der Klägerin vom 03.12.2004 nicht gegen einen Bescheid der Beklagten richtete. Die VddB hat das Schreiben nicht an die Beklagten weitergeleitet und war auch nicht dazu verpflichtet. Der Widerspruch der Klägerin hat sich eindeutig gegen einen Bescheid der VddB gerichtet. In diesem Bewilligungsbescheid hat die VddB als Zahlstelle die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Beklagten entsprechend den gesetzlichen Regelungen in § 256 Abs. 1 SGB V und § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI berechnet. Ein weiterer Regelungsgehalt ist dem Bewilligungsbescheid der VddB nicht zu entnehmen. Dementsprechend hat auch die Klägerin - obwohl anwaltlich vertreten - nur die Höhe des Beitragssatzes in Frage gestellt. Ein Widerspruch kann deshalb allenfalls gegen die von der VddB zugrunde gelegten Berechnungsmethoden gesehen werden. Ein Widerspruch gegen eine Entscheidung der Beklagten, die im Übrigen überhaupt nicht vorlag, ist darin nicht enthalten. Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, dass die VddB weder formell- noch materiell-rechtlich befugt war, über den Beitragstatbestand zu entscheiden (Peter, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2021, § 256 Rn. 59). Die VddB war deshalb auch nicht verpflichtet, das als Widerspruch bezeichnete Schreiben der Klägerin gemäß § 84 Abs. 2 SGG an die Beklagten als für die Beitragsfestsetzung zuständige Behörde weiterzuleiten. Ein Widerspruch konnte mangels Ausgangsbescheid gar nicht eingelegt werden.
Im Übrigen hatte die Klägerin auch keinen Erstattungsantrag gestellt. Eine Erstattung erfolgte erst von Amts wegen mit Schreiben der VddB vom 21.09.2019, ohne dass die Klägerin dies beantragt hätte. Erstmals machte sie eine Erstattung betreffend den Zeitraum „Dezember 2004 bis 30.11.2014“ mit Schreiben vom 07.10.2019 geltend.
b) Auch waren die Beklagten nicht daran gehindert, Ermessen auszuüben. Eine Ermessensreduzierung auf Null, die zu einem Anspruch der Klägerin auf Erstattung der zu Unrecht gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge führen würde, kann der Senat ebenso wenig wie das SG feststellen. Eine solche Ermessensreduzierung läge nur dann vor, wenn nur eine einzige Verhaltensweise des Leistungsträgers ermessensfehlerfrei wäre, alle anderen hingegen ermessensfehlerhaft und damit rechtwidrig. Hiervon ist im Falle der Klägerin nicht auszugehen.
c) Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass die Beklagten auch nicht nach Treu und Glauben gehindert waren, sich auf Verjährung zu berufen. Sie haben die Klägerin weder durch eine Falschberatung noch durch eine sonstige fehlerhafte Behandlung des Falles von einer rechtzeitigen verjährungshemmenden und unterbrechenden Geltendmachung ihrer Ansprüche abgehalten. Auch ein sonstiges Verhalten, aufgrund dessen die Berufung auf Verjährung möglicherweise als unzulässige Rechtsausübung oder rechtsmissbräuchliche Geltendmachung einer Verfahrensposition gewertet werden könnte, ist nicht ersichtlich.
d) Eine Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Beklagten durch Bescheid vom 23.11.2022 ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagten die Bindungswirkung der Entscheidung des SG nicht hinreichend beachtet hätten.
Das SG hat ein Bescheidungsurteil getroffen und die Beklagten verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Falle eines Bescheidungsurteils ergibt sich die Rechtsauffassung des SG naturgemäß nicht nur aus dem Tenor, sondern auch aus den Gründen. Die in den Gründen der Entscheidung bestimmten Bedingungen für die erneute Entscheidung der Behörde erwachsen in Rechtskraft. Wenn ein Sozialversicherungsträger hiermit nicht einverstanden ist, muss er Rechtmittel einlegen, um das Erwachsen in Rechtskraft zu verhindern (BSG 07.06.2007, B 6 KA 27/06 R; 27.10.1076, 2 RU 127/74; Bundesverwaltungsgericht 27.11.1995, 8 C 8/93; Schütz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK, SGG, 2. Aufl. 2022 § 141 Rn. 30; Keller, in: Mayer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 141 Rn. 11a). Das bedeutet, dass die Beklagten, da sie Rechtsmittel gegen die Entscheidung des SG nicht eingelegt haben, an die tragenden Begründungselemente des SG gebunden sind.
Das SG hat die vorhergehende Entscheidung der Beklagten wegen Ermessensnichtgebrauch aufgehoben und gleichzeitig Bedingungen für die erneute Entscheidung der Beklagten vorgegeben. Das SG hat die Beklagten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihrer Auffassung nach ein den Beklagten über § 242 BGB zurechenbares Fehlverhalten der Zahlstelle vorliege. Dies erfordere zumindest ein Überprüfungsverfahren der Beitragszahlungen der Klägerin, welches hierdurch vereitelt worden sei. Die Klägerin habe Einwände gegen die Erhebung von Beiträgen auf ihr Ruhegeld erhoben. Sie habe diese Einwände lediglich gegenüber der falschen Behörde geäußert. Dies beruhe auf den besonderen Verfahrensvorschriften bei der Beitragszahlung aus Versorgungsbezügen, die über die Zahlstellen erfolge, derer sich die Beklagten aufgrund gesetzlicher Vorschriften bedienten. Hätte die Zahlstelle die Einwendungen gegen die Beitragserhebung an die Beklagten als zuständige Stelle weitergeleitet, wäre ein ordnungsgemäßes Beitragsfestsetzungsverfahren eingeleitet worden. Insoweit wäre im Rahmen dieses Verfahrens umfassend über die Beitragspflicht der Klägerin entschieden worden. Der Antrag auf eine Beitragsfestsetzung sowie gegen diese Entscheidung erhobene Rechtsmittel hätte eine verjährungshemmende Wirkung entsprechend § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB IV entfalten können. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die unterlassene Weiterleitung des Schreibens der Klägerin vom 03.12.2004 nicht unmittelbar die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs der Klägerin verhindert habe. Eine Weiterleitung hätte nur durch die Einleitung eines Beitrags(prüfungs)verfahrens mittelbar auf die Verjährung diesen Anspruchs Wirkung entfalten können. Zudem habe die Klägerin nichts unternommen, sich nach dem Antwortschreiben der Zahlstelle vom 16.12.2004 selbst an die Beklagten zu wenden oder von der Zahlstelle einen rechtsmittelfähigen Widerspruchsbescheid zu erhalten und eine gerichtliche Prüfung der Beitragspflicht herbeizuführen.
Diese Umstände haben die Beklagten in ihrem Ersetzungsbescheid vom 23.11.2022 nicht in ihre Ermessensüberlegungen eingestellt. Dies ist aber unschädlich, da die Beklagten nicht sämtliche Gesichtspunkte, die das SG in seiner Entscheidung aufgezählt hat, in ihre Überlegungen hätten einstellen müssen. Die Bindung der Beklagten erstreckt sich auf die rechtliche Beurteilung durch das SG und die damit denknotwendig im Zusammenhang stehenden weiteren Begründungselemente. Dagegen erstreckt sich die Bindung nicht auf ein obiter dictum oder auf Ausführungen, die sonst nicht ursächlich für die Aufhebung sind. Grundsätzlich tritt keine Bindungswirkung ein, wenn das SG nur Richtlinien oder Hinweise zum weiteren Verfahren gibt (dazu etwa B. Schmidt, in: Mayer/Ladewig/Keller/Schmidt, SGG 14. Aufl. 2023, § 170 Rn. 11 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Tragend für die Entscheidung des SG war, dass die Beklagten in den ursprünglichen Bescheiden eine Ermessensentscheidung nicht getroffen haben, weil sie diese - so ausdrücklich - nicht für erforderlich hielten. Allein hierauf stützt sich die Entscheidung des SG. Die sonstigen Hinweise - die der Senat im Übrigen nicht teilt - stellen sich allenfalls als für die Beklagten unverbindliche Handlungsempfehlungen dar. Deren Nichtbeachtung führt nicht zur Rechtswidrigkeit.
e) Das Gericht darf bei der Ermessensüberprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt (BSG 24.06.2020, B 4 AS 12/20 B, juris Rn. 27). Das Gericht überprüft lediglich, ob ein Ermessensfehler vorliegt und ob der Kläger durch den Ermessensfehler beschwert ist (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG 14. Aufl. 2023, § 54 Rn. 28). Für die Rechtskontrolle durch das Gericht ist die Begründung des Verwaltungsakts und des Widerspruchsbescheides wesentlich. Die Anforderungen an die Begründung sind größer als bei gebundenen Entscheidungen. Dass von dem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht worden ist, muss sich aus ihr ergeben; sie muss die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Verwaltung ausgegangen ist (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Die Berücksichtigung und Angabe der Besonderheiten des Einzelfalls kennzeichnet eine ordnungsgemäße Ermessensausübung (Keller, a.a.O. Rn. 28a).
Eine Ermessensentscheidung ist rechtswidrig bei Ermessensunterschreitung, d.h., wenn die Verwaltung ihr Ermessen zu eng eingeschätzt hat, bei Ermessensüberschreitung, d.h., wenn eine Rechtsfolge gesetzt wird, die in der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen ist, bei Ermessensnichtgebrauch, d.h., wenn die Behörde ihr Ermessen nicht ausgeübt oder im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat, und schließlich bei Ermessensfehlgebrauch, d.h., wenn die Behörde von ihrem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht hat. Dies ist der Fall, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt, ferner wenn sie nicht alle maßgebenden Ermessensgesichtspunkte in die Entscheidung einbezogen oder wenn sie die abzuwägenden Gesichtspunkte fehlerhaft gewichtet oder einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat (BSG 09.11.2010, B 2 U 10/10 R, juris Rn. 15, Keller, a.a.O. Rn. 27). Dazu zählen auch die Fälle, bei denen der Verwaltungsakt unzureichende, z.B. nur formelhafte Ermessenserwägungen enthält.
Die Beklagten haben in ihrer neuerlichen Entscheidung grundsätzlich darauf abgestellt, dass bei der Erstattung der Beiträge die vierjährige Verjährungsfrist maßgeblich ist. Die Beklagten haben im Rahmen dieses Abwägungsprozesses berücksichtigt, dass die Ablehnung der Erstattung der zu Unrecht erhobenen Beiträge für Zeiträume vor dem 01.01.2014 für die Klägerin keine unbillige Härte darstelle. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch die Ablehnung der Beitragserstattung sozialhilfebedürftig werde oder andere Gründe für eine unangemessene wirtschaftliche Belastung vorlägen. Vorrang sei der Wahrung des Rechtsfriedens und der Sicherheit des Rechtsverkehrs zu geben. Sozialleistungsträger sollten nicht noch nach Jahren rückwirkend in meist abgeschlossene Sozialrechtsverhältnisse eingreifen müssen. Demgegenüber trete das Interesse der Klägerin an der nachträglichen Erstattung von Beitragen außerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist zurück.
Diese Überlegungen der Beklagten halten einer Überprüfung stand. Ermessensfehler sind nicht festzustellen. Die Beklagten haben entsprechend den Ausführungen des SG die Frage, ob sie sich auf die Verjährungseinrede berufen, inhaltlich überprüft. Sie haben dabei verschiedene Gesichtspunkte aufgegriffen, bewertet und in einen Abwägungsprozess eingestellt. Damit haben sie zum einen erkannt, dass sie Ermessen auszuüben haben. Sie haben zum anderen das ihnen eingeräumte Ermessen weder unter- noch überschritten. Auch ein Ermessensfehlgebrauch ist nicht festzustellen. Weder haben die Beklagten in den Abwägungsprozess ein unsachliches Motiv eingestellt noch einen sachfremden Zweck verfolgt. Sie haben die maßgeblichen Gesichtspunkte, die im vorliegenden Fall zu berücksichtigen waren, erkannt und berücksichtigt. Die Beklagten haben auch keinen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt. Vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis des Abwägungsprozesses, nämlich, dass sich die Beklagten auf den Eintritt der Verjährung berufen, im Rahmen der dem Senat obliegenden Rechtskontrolle nicht zu beanstanden.
f) Da die Klägerin keinen Erstattungsanspruch geltend machen kann, steht ihr auch kein Anspruch auf eine Verzinsung zu.
Die Klage war deshalb abzuweisen
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
IV. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 3576/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3603/22
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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