Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.05.2023 geändert. Es wird festgestellt, dass die Festlegung von Abschlägen gem. § 130a Abs. 3a S. 4 SGB V für das Arzneimittel Prezista® 800mg mit 30 Filmtabletten seit Markteinführung zum 15.02.2013 in Höhe von 153,15 € bis zum 31.03.2013, in Höhe von 180,62 € bis zum 31.12.2013, in Höhe von 202,12 € bis zum 31.03.2014, in Höhe von 199,97 € bis zum 30.04.2014, in Höhe von 169,56 € bis zum 30.06.2018, in Höhe von 161,44 € bis zum 30.09.2018, in Höhe von 172,61 € bis zum 14.03.2019, in Höhe von 155,90 € bis zum 30.06.2019, in Höhe von 149,68 € bis zum 31.07.2019, in Höhe von 158,24 € bis zum 30.06.2020 und in Höhe von 160,45 € bis zum 31.03.2021, rechtswidrig war.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zur Hälfte.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.500.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen der klagenden pharmazeutischen Unternehmerin und dem beklagten Spitzenverband Bund der Krankenkassen ist die Abschlagspflicht für Arzneimittel nach § 130a Abs. 3a SGB V (sog. Preisabschlag) umstritten.
Die Klägerin vertreibt unter dem Handelsnamen Prezista® Arzneimittel, die als Monopräparat den Wirkstoff Darunavir enthalten. Dieser wird in Kombination mit anderen Arzneimitteln zur Therapie u.a. bei Patienten mit Infektionen mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV-1) eingesetzt.
Bis zum 15.02.2013 vertrieb die Klägerin folgende Ausbietungen dieses Präparats: Prezista® 600 mg Filmtabletten in einer Packungsgröße von 60 Tabletten (Gesamtmenge 36.000 mg); Prezista® 400 mg Filmtabletten in einer Packungsgröße von 60 Tabletten (Gesamtmenge 24.000 mg); Prezista® 150 mg Filmtabletten in einer Packungsgröße von 240 Tabletten (Gesamtmenge 36.000 mg); Prezista® 75 mg Filmtabletten in einer Packungsgröße von 480 Tabletten (Gesamtmenge 36.000 mg) sowie Prezista® 100 mg/ml Suspension mit einer Gesamtmenge von 20.000 mg/ml. Alle in Tablettenform angebotenen Präparate haben einen Preisstand vom 01.08.2009 gem. § 130a Abs. 3a S. 1 SGB V. Prezista® 600 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten hat einen geringeren mg-Wirkstoffpreis als Prezista® 400 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten.
Die für die Patienten mit HIV-1 in der Fachinformation von Prezista® 400 mg Filmtabletten vorgesehene Tagesdosis von Darunavir liegt bei 800 mg, so dass die Patienten täglich zwei Tabletten dieses Arzneimittels einnehmen mussten. Im Februar 2013 brachte die Klägerin zur Vereinfachung dieses Therapie- und Dosierregimes zum identischen Herstellerabgabepreis von Prezista® 400 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten Prezista® 800 mg Filmtabletten in einer Packungsgröße von 30 Tabletten auf den Markt. Im Juli 2013 führte sie zudem Prezista® 800 mg Filmtabletten in einer Packungsgröße von 90 Tabletten ein. Der Preis der zweiten Neueinführung (2.045,29 €) war geringfügig höher als der dreifache Preis von 400 mg Filmtabletten (3 x Prezista® 400 mg = 2.002,11 € bis 30.06.2018).
Zu Lasten der Klägerin wurden für die Arzneimittel Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 30 Tabletten seit Markteinführung am 15.03.2013 und Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 90 Tabletten seit Markteinführung am 15.07.2013 jeweils bis zum 31.03.2021 Preisabschläge erhoben. Hierdurch hat die Klägerin nach eigenen Angaben wirtschaftliche Einbußen in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe erlitten. Seit dem 01.04.2021 ist ein Festbetrag für den Wirkstoff Darunavir in Kraft getreten (BAnz AT 16.02.2021 B5).
Unter Heranziehung des von dem Beklagten als zutreffend angesehenen Vergleichsarzneimittels Prezista® 600 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten ergibt sich, wovon auch die Klägerin ausgeht, eine Preiserhöhung von 191,01 € für Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 30 Tabletten und von 549,29 € für Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 90 Tabletten. Hingegen ergibt sich unter Heranziehung des von der Klägerin als zutreffend angesehenen Vergleichsarzneimittels Prezista® 400 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten jedenfalls für die Neueinführung von Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 30 Tabletten wegen des identischen Preises keine Preiserhöhung.
Die Klägerin hat am 10.09.2018 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Letzteres hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 02.10.2018 an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin ausgeführt, es handele sich bei Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 30 Tabletten um eine vollkommen preisneutrale Neueinführung, die zu keiner höheren finanziellen Belastung der gesetzlichen Krankenkassen führe, gleichzeitig jedoch das Therapieregime für die Patienten erleichtere und verbessere. Das Arzneimittel sei offensichtlich mit Prezista® 400 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten vollständig äquivalent. Schon das Sozialgericht Berlin habe in einem Urteil vom 23.02.2015 (S 211 KR 2196/12, juris) entschieden, dass die in § 130 Abs. 3a S. 4 SGB V enthaltene Regelung von vorneherein nicht greife, wenn es bei der Neuausbietung an einer Preiserhöhung fehle und eine manipulative Umgehung des Preismoratoriums ausgeschlossen werden könne. Der Beklagte lege vorliegend das falsche Vergleichsarzneimittel zugrunde und komme daher – rein rechnerisch zutreffend – zu einer Abschlagspflicht. Bei seiner Berechnung mache er sich zunutze, dass die Klägerin bei Prezista® 600 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten seit jeher einen geringeren mg-Preis verlange als bei Prezista®-Ausbietungen mit einer geringeren Gesamtwirkstoffmenge. Diese Preisgestaltung folge aber einer üblichen Herangehensweise im Arzneimittelmarkt. Der Preis von Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 90 Tabletten sei nur geringfügig höher als der dreifache Preis von Prezista® 400 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten. Es gebe auch hier keinen Grund, unter Hinzuziehung einer komplizierten Methodik einen Vergleich mit einer ganz anderen Referenzpackung vorzunehmen. Die Festlegung von Abschlägen verletze die Klägerin im Übrigen in ihrer Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. Der von dem Beklagten herangezogene Leitfaden stelle keine rechtliche Grundlage dafür dar.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
1. festzustellen, dass die Festlegung eines Abschlags gemäß § 130a Abs. 3a Satz 4 SGB V für das Arzneimittel „Prezista 800mg mit 30 Filmtabletten" (PZN 09915126) seit Markteinführung zum 15. Februar 2013 in Höhe von 153,15 € bis zum 31. März 2013, in Höhe von 180,62 € bis zum 31. Dezember 2013, in Höhe von 202,12 € bis zum 31. März 2014, in Höhe von 199,97 € bis zum 30. April 2014, in Höhe von 169,56 € bis zum 30. Juni 2018, in Höhe von 161,44 € bis zum 30. September 2018, in Höhe von 172,61 € bis zum 14. März 2019, in Höhe von 155,90 € bis zum 30. Juni 2019, in Höhe von 149,68 € bis zum 31. Juli 2019, in Höhe von 158,24 € bis zum 30. Juni 2020 und in Höhe von 160,45 € bis zum 31. März 2021 rechtswidrig war;
2. festzustellen, dass die Festlegung eines Abschlags gemäß § 130a Abs. 3a Satz 4 SGB V für das Arzneimittel „Prezista 800mg mit 90 Filmtabletten" (PZN 04826470) seit Markteinführung zum 15. Juli 2013 in Höhe von 580,44 € bis zum 31. Dezember 2013, in Höhe von 649,54 € bis zum 31. März 2014, in Höhe von 642,63 € bis zum 30. Juni 2014, in Höhe von 548,82 € bis zum 30. Juni 2018, in Höhe von 524,46 € bis zum 14. März 2019, in Höhe von 498,74 € bis zum 30. Juni 2019, in Höhe von 479,08 € bis zum 30. Juni 2020, in Höhe von 486,20 € bis zum 31. August 2020 und in Höhe von 486,20 € bis zum 31. März 2021 rechtswidrig war.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Festlegung des Abschlags unter Verweis auf die von ihm auf der Grundlage des § 130a Abs. 3a S. 11 SGB V am 22.10.2010 getroffenen Regelungen zum Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 3a SGB V (im Folgenden: Leitfaden vom 22.10.2010) bzw. die ab 09.04.2018 getroffenen entsprechenden Regelungen (im Folgenden: Leitfaden vom 09.04.2018) verteidigt. Einschlägig sei die Regelung unter der Ziffer 5.5 im Leitfaden vom 09.04.2018 zur „Eingrenzung der Vergleichspackung“ bzw. die identische Regelung im Leitfaden vom 22.10.2010 unter 5.a). Bei primär abgeteilten Darreichungsformen sei diejenige Packung zu ermitteln, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße am nächsten komme. Existierten mehrere Packungen mit gleicher Packungsgröße werde zusätzlich die nächstliegende Wirkstärke je abgeteilter Darreichungsform ermittelt.
Die Klägerin könne sich auch nicht auf das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23.02.2015 (S 211 KR 2196/12) berufen, denn diesem habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen.
Das Sozialgericht Düsseldorf hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 23.05.2023 abgewiesen. In Bezug auf die Packungsgrößen der Neuausbietungen unter Berücksichtigung der Wirkstärke (hier 800 mg) komme die bereits vorhandene Packung Prezista® 600 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten diesen Neuausbietungen am nächsten. § 130a Abs. 3a Satz 4 SGB V stelle zudem nicht darauf ab, für welche Patientenkohorte das Medikament gedacht sei und ob diese mit der Neuausbietung vergleichbar sein müsse. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 28.04.2007 — 1 BvR 866/07) habe die Abschlagspflicht als – grundsätzlich gerechtfertigten – Eingriff in die Berufsfreiheit der pharmazeutischen Unternehmen qualifiziert. Die Festlegung eines zwangsweise zu gewährenden Preisabschlags zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) greife zwar in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der betroffenen pharmazeutischen Unternehmen ein, sie sei jedoch, auch bezogen auf den gegenständlichen Preismoratoriumsabschlag, durch einen vernünftigen Grund des Gemeinwohls gerechtfertigt. Dieser diene dem Ziel der Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV, ohne für die betroffenen Unternehmen unzumutbar zu sein.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 26.06.2023 zugestellte Urteil am 17.07.2023 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend weist sie darauf hin, es sei unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar, einen Preisabschlag auch dann anzuwenden, wenn die gesetzlichen Krankenkassen durch die Neueinführung eines Arzneimittels keine höheren Kosten zu tragen hätten. § 130a Abs. 3a S. 4 SGB V solle ausschließlich eine Preiserhöhung verhindern und nicht zu einem für die gesetzlichen Krankenkassen vorteilhaften erzwungenen Preisnachlass führen.
Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.05.2023 (Az.: S 26 KR 1483/18) aufzuheben;
- festzustellen, dass die Festlegung eines Abschlags gemäß § 130a Abs. 3a Satz 4 SGB V für das Arzneimittel „Prezista® 800mg mit 30 Filmtabletten“ (PZN 09915126) seit Markteinführung zum 15.02.2013 in Höhe von 153,15 € bis zum 31.03.2013, in Höhe von 180,62 € bis zum 31.12.2013, in Höhe von 202,12 € bis zum 31.03.2014, in Höhe von 199,97 € bis zum 30.04.2014, in Höhe von 169,56 € bis zum 30.06.2018, in Höhe von 161,44 € bis zum 30.09.2018, in Höhe von 172,61 € bis zum 14.03.2019, in Höhe von 155,90 € bis zum 30.06.2019, in Höhe von 149,68 € bis zum 31.07.2019, in Höhe von 158,24 € bis zum 30.06.2020 und in Höhe von 160,45 € bis zum 31.03.2021 rechtswidrig war;
- festzustellen, dass die Festlegung eines Abschlags gemäß § 130a Abs. 3a Satz 4 SGB V für das Arzneimittel „Prezista® 800mg mit 90 Filmtabletten“ (PZN 04826470) seit Markteinführung zum 15.07.2013 in Höhe von 580,44 € bis zum 31.12.2013, in Höhe von 649,54 € bis zum 31.03.2014, in Höhe von 642,63 € bis zum 30.06.2014, in Höhe von 548,82 € bis zum 30.06.2018, in Höhe von 524,46 € bis zum 14.03.2019, in Höhe von 498,74 € bis zum 30.06.2019, in Höhe von 479,08 € bis zum 30.06.2020, in Höhe von 486,20 € bis zum 31.08.2020 und in Höhe von 486,20 € bis zum 31.03.2021 rechtswidrig war;
- dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass, anders als die Klägerin dies darstelle, hinsichtlich beider Neueinführungen eine Preiserhöhung vorliege. Diese ergebe sich jeweils aus der Preisdifferenz zu dem von ihm herangezogenen Vergleichsarzneimittel. Die Klägerin berufe sich auch zu Unrecht auf das Urteil des Sozialgerichts Berlin (a.a.O.). In dem dort entschiedenen Fall seien identische Arzneimittel in einer Packung auf den Markt gebracht worden, die unter linearer Preisfortschreibung exakt einem Vielfachen der bereits verfügbaren Packung des identischen Arzneimittels entsprochen hätten. Im vorliegenden Fall seien Prezista® 400 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten und Prezista® 800 mg Filmtabletten aber gerade nicht identisch. Im Übrigen lasse das Gesetz die Berücksichtigung medizinisch-therapeutischer Gesichtspunkte bei der Bestimmung des Preisabschlags, wie von der Klägerin gewünscht, nicht zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist im tenorierten Umfang auch begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.
Unerheblich ist, ob die Verweisung vom Sozialgericht Berlin an das Sozialgericht Düsseldorf zu Recht erfolgte, denn gemäß § 98 S. 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 S. 3 GVG ist ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend. Der Senat hat gemäß § 17 Abs. 5 GVG als Rechtsmittelgericht bei der Entscheidung in der Hauptsache nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.
Streitgegenstand der Klage und der Berufung ist die Preisabschlagspflicht für Prezista® 800 mg Filmtabletten in beiden auf dem Markt befindlichen Packungsgrößen in der Zeit bis zum 31.03.2021. Seit dem 01.04.2021 wird wegen des Inkrafttretens des Festbetrags für den Wirkstoff Darunavir kein Abschlag mehr abgeführt.
Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig (dazu I). Sie ist auch begründet, soweit die Klägerin mit ihr die Feststellung begehrt, dass die Festlegung eines Abschlags gemäß § 130a Abs. 3a S. 4 SGB V für das Arzneimittel Prezista® 800 mg Filmtabletten in einer Packungsgröße von 30 Tabletten seit Markteinführung zum 15. 02.2013 bis zum 31.03.2021 rechtswidrig war (dazu II). Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin eine entsprechende Feststellung, diese in der Höhe begrenzt, auch für das Arzneimittel Prezista® 800 mg Filmtabletten in einer Packungsgröße von 90 Tabletten seit Markteinführung zum 15.07.2013 bis zum 31.03.2021 begehrt (dazu III).
I. Die gegen den Beklagten gerichtete Feststellungsklage ist nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig. Die Frage, ob Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 30 Tabletten und Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 90 Tabletten in der Zeit vom 15.02.2013 bis zum 31.03.2021 bzw. vom 15.07.2013 bis zum 31.03.2021 dem Preisabschlag nach § 130a Abs. 3a SGB V unterlagen, betrifft ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten. Der Beklagte übernimmt für die GKV die Aufgabe, alle relevanten Verfahrensregelungen zu treffen. Die Regelungsbefugnis nach § 130a Abs. 3a S. 10 SGB V, die sich auf die Preisfestsetzung und die Einkunftsmöglichkeiten der Klägerin auswirkt, begründet zwischen den Beteiligten ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis (§ 69 Abs. 1 SGB V), das eine dem Feststellungsinteresse unterliegende Rechtsfrage aufwirft, die mit dem vorliegenden Rechtsstreit abschließend geklärt werden kann (ausführlich zum Rechtsverhältnis: BSG, Urteil vom 30.09.2015 – B 3 KR 1/15 R –, Rn. 14 ff.)
Die Feststellungsklagen sind auch nicht deshalb subsidiär, weil die Klägerin ihre Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen könnte. Die erhobene Feststellungsklage gewährt weitergehenden Rechtsschutz als eine solche, weil sie eine abschließende Streitbeilegung über die Abschlagspflicht ermöglicht. Der Senat folgt insoweit für die vorliegende Fallgestaltung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wie sie insbesondere in der Entscheidung vom 20.12.2018 (BSG, Urteil vom 20.12.2018 – B 3 KR 11/17 R –, Rn. 20 ff.) zum Ausdruck kommt, ungeachtet der Tatsache, dass die tatsächliche Abwicklung der Preisabschläge für eine Rückabwicklung im Rahmen einer echten Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG spricht. Insoweit erfolgt diese Abwicklung in den Leistungsbeziehungen Krankenkasse-Apotheker und Apotheker-pharmazeutischer Unternehmer (vgl. zur näheren Ausgestaltung: BSG, Urteil vom 30.09.2015 a.a.O. Rn. 15 ff.) und könnte auch über diese Leistungsbeziehungen rückabgewickelt werden. Wegen des Nachteils der gesetzlichen Konstruktion, dem Fehlen einer direkten Ebene zwischen dem letztlich durch einen Preisabschlag belasteten pharmazeutischen Unternehmer und den gesetzlichen Krankenkassen, gewährt die Feststellungsklage gleichwohl den ihr vom BSG zugemessenen weitergehenden Rechtsschutz.
Mangels unmittelbarer Leistungsbeziehung der Klägerin zu den gesetzlichen Krankenkassen ist auch deren Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG entbehrlich (vgl. auch hierzu Urteil des BSG vom 20.12.2018 a.a.O. Rn. 24).
II. Die Festlegung eines Abschlags gemäß § 130a Abs. 3a S. 4 SGB V für das Arzneimittel Prezista® 800 mg Filmtabletten in einer Packungsgröße von 30 Tabletten seit Markteinführung zum 15. 02.2013 bis zum 31.03.2021 ist rechtswidrig.
Nach § 130a Abs. 3a S. 1 SGB V (in den vom 26.10.2012 bis 31.03.2021 geltenden, insoweit wortgleichen Fassungen) erhielten die Krankenkassen für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel ab dem 01.08.2010 einen Abschlag in Höhe des Betrages der Preiserhöhung, wenn sich der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer gegenüber dem Preisstand am 01.08.2009 erhöhte. Bei Neueinführungen eines Arzneimittels, für das der pharmazeutische Unternehmer bereits ein Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht hatte, war der Abschlag auf Grundlage des Preises je Mengeneinheit der Packung zu berechnen, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kam – § 130a Abs. 3a S. 4 SGB V (in der § 130a SGB V in der am 13.05.2017 geltenden Fassung durch Artikel 1 G. v. 04.05.2017 BGBl. I S. 1050; zuvor S. 3).
Bei der Markteinführung von Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 30 Tabletten handelt es sich zwar um ein von einem pharmazeutischen Unternehmen neu eingeführtes Arzneimittel, für das bereits ein Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht worden war (dazu 1). Der Abgabepreis hat sich jedoch gegenüber dem vorherigen Preisstand nicht erhöht (dazu 2), so dass kein Abschlag zu berechnen ist.
1. Die Klägerin ist pharmazeutischer Unternehmer i.S.v. § 130a SGB V und damit Adressat von § 130a Abs. 3a S. 1 und S. 4 SGB V.
Nach § 4 Abs. 18 S. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) ist pharmazeutischer Unternehmer, wer Arzneimittel (in der Fassung ab 29.07.2017 ergänzt um: „im Parallelvertrieb oder sonst“) unter seinem Namen in den Verkehr bringt, außer in den Fällen des § 9 Abs. 1 S. 2 AMG für Arzneimittel, die zur klinischen Prüfung bestimmt sind.
Die Klägerin bringt das im Streit stehende Arzneimittel, das nicht für klinische Prüfungen bestimmt ist, auch unter eigenem Namen in Verkehr. Inverkehrbringen ist nach § 4 Abs. 17 AMG das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere. Die Klägerin bringt bzw. brachte im streitgegenständlichen Zeitraum Prezista® 800 mg Filmtabletten in diesem Sinne unter eigenem Namen in Verkehr.
Das Arzneimittel Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 30 Tabletten wurde zudem am 15.02.2013 i.S.d. § 130a Abs. 3a S. 4 SGB V neu eingeführt, denn es war am 01.08.2009 noch nicht auf dem Markt. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt aber bereits Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht, die von ihr vertriebenen Medikamente Prezista® in den verschiedenen Ausbietungen in Tablettenform; die Ausbietungsform Prezista® Suspension kommt hingegen mangels Vergleichbarkeit der Darreichungsform nicht als Vergleichsarzneimittel in Betracht.
2. Der Abgabepreis ohne Mehrwertsteuer zeigte sich gegenüber dem Preisstand am 01.08.2009 gleichwohl nicht erhöht, denn der Preis je Mengeneinheit der Packung, die dem neuen Arzneimittel, Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 30 Tabletten, in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kam, war nicht niedriger.
Vergleichspackung im Sinn von § 130a Abs. 3a S. 4 SGB V ist entgegen der Auffassung des Beklagten und des Sozialgerichts nicht Prezista® 600 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten, der gegenüber die Einführung des neuen Medikaments eine Preiserhöhung bedingen würde, sondern Prezista® 400 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten, der gegenüber keine Preiserhöhung festzustellen ist.
Prezista® 400 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten kommt Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 30 Tabletten in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten.
In Bezug auf die Packungsgröße kommen sowohl Prezista® 600 mg Filmtabletten mit 60 Tabletten als auch Prezista® 400 mg Filmtabletten mit ebenfalls 60 Tabletten der Neueinführung gleichermaßen nahe. Die beiden anderen, unter Zugrundelegung der Darreichungsform in Betracht kommenden Ausbietungen von Prezista®, die bei Neueinführung bereits von der Klägerin vertrieben wurden – Prezista® 150 mg Filmtabletten und Prezista® 75 mg Filmtabletten –, sind in Bezug auf die Packungsgrößen mit 240 bzw. 480 Tabletten weiter entfernt.
Unter Berücksichtigung der Wirkstärke kommt jedoch nur Prezista® 400 mg Filmtabletten als Vergleichsarzneimittel in Betracht, denn die Gesamtmenge des Wirkstoffs Darunavir ist mit 24.000 mg mit der in Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 30 Tabletten enthaltenen Gesamtmenge sogar identisch. Hingegen ist die Gesamtmenge von Darunavir in dem Medikament Prezista® 600 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten mit insgesamt 36.000 mg deutlich höher.
Auf diese Gesamtwirkstoffmenge ist in der gegebenen Konstellation zur Überzeugung des Senats abzustellen. Hingegen sind nicht, wie der Beklagte meint, in einer Art Stufenprüfung zunächst die Arzneimittel zu bestimmen, die der Neueinführung in Bezug auf die Packungsgröße am nächsten kommen und dann, wenn es, wie vorliegend, mehrere gibt, die Wirkstärken der in der Packung befindlichen einzelnen Tablette zu vergleichen.
Zur Überzeugung des Senats wird die abweichende Auslegung des nicht eindeutigen Wortlauts von § 130a Abs. 3a S. 3 SGB V (dazu a) durch den Beklagten, der mit der Regelung verfolgten gesetzgeberischen Absicht und damit ihrem Sinn und Zweck (dazu b) nicht gerecht. Die Regelungen des Leitfadens stehen dem nicht entgegen (dazu c).
a) Eine für den hier maßgeblichen rechtlichen Kontext zielführende Legaldefinition des Terminus „Wirkstärke“ existiert nicht. Zwar wird in der die Arzneimittelversorgung durch Apotheken regelnden Vorschrift des § 129 SGB V unter Wirkstärke die Wirkstoffkonzentration verstanden. Die dort nach Abs. 1 S. 2 festzustellende Identität von Wirkstärke und Packungsgröße setzt bezüglich der Wirkstärkenidentität dieselbe Wirkstoffkonzentration voraus (z.B.: Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 129 SGB V <Stand: 08.10.2024>, Rn. 50). Die Wirkstoffkonzentration kann sich aber begrifflich sowohl auf die einzelne Tablette als auch auf die Gesamtwirkstoffmenge der Packung beziehen, so dass durch Rückgriff auf diese Begrifflichkeiten keine Klarheit für die Auslegung zu gewinnen ist.
Allgemein wird unter Wirkstärke eines Arzneimittels in der Medizin die Menge des Arzneimittels, gewöhnlich in Milligramm ausgedrückt, verstanden, die erforderlich ist, um eine Wirkung, z.B. Schmerzlinderung oder Senkung des Blutdrucks, zu erzielen (https://www.msdmanuals.com/de/heim/medikamente/pharmakodynamik/wirkungsweise#Reversibilit%C3%A4t_v715824_de). Schon dieses Begriffsverständnis spricht gegen die Maßgeblichkeit der Wirkstärke in der einzelnen Tablette einer Packung. Die mit Prezista® zu erzielende Wirkung ist nicht zwangsläufig an eine einzelne Tablette geknüpft. Konkret müssen die Patienten mit HIV-1 nach der diesbezüglichen Fachinformation täglich zwei Tabletten von Prezista® 400 mg einnehmen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/2170 S. 37) legt – ungeachtet der mit der Regelung verfolgten Intention – nahe, auf die Wirkstärke der Packung abzustellen. Danach ist nämlich diejenige Packungsgröße zu berücksichtigen, die dem neuen Arzneimittel hinsichtlich der Wirkstärke am Nächsten kommt, wenn sich mehrere Packungen gleicher Packungsgröße im Markt befinden.
b) § 130a Abs.3a SGB V betrifft schon im Ausgangspunkt (lediglich) Preiserhöhungen während und nach der Laufzeit des erhöhten Preisabschlages gegenüber dem Preisstand vom 01.08.2009. Für Arzneimittel, die nach dem 01.08.2010 in den Markt eingeführt werden, ist der Preisstand der Markteinführung maßgebend. Satz 4 der Vorschrift soll Preismanipulationen durch „Neueinführungen“ in Form von Änderung der Packungsgrößen oder Wirkstärken verhindern (BeckOGK/Hess, Stand: 15.11.2023, SGB V § 130a Rn. 14, beck-online). Der Gesetzgeber (BT-Drs. 17/2170 S. 3) spricht ausdrücklich davon, zu verhindern, dass pharmazeutische Unternehmer den Preisstopp umgehen. Dementsprechend war es Ziel der mit dem Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.07.2010 (BGBl. I 2010, 983) erstmals eingefügten Regelung, dass Preiserhöhungen, bezogen auf die am 01.08.2010 geltenden Arzneimittelpreise, zu Lasten der GKV nicht wirksam werden, um die weitere Erhöhung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen zu begrenzen (so auch: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.10.2022 – L 28 KR 260/18 –, juris, Rn. 56).
Eine Preiserhöhung zu Lasten der Krankenkassen folgt aus der Neueinführung von Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 30 Tabletten, bezogen auf die Gesamtwirkstoffmenge, aber nicht. Das Arzneimittel hat in dieser Ausbietung vielmehr den gleichen Preis wie in der Ausbietung Prezista® 400 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten. Eine Umgehung des Preisstopps vermag der Senat – noch dazu vor dem Hintergrund der unbestrittenen Vereinfachung des Therapie- und Dosisregimes für Patienten mit HIV-1, vorliegend schon nicht zu erkennen (vgl. zur Berücksichtigung patientenrelevanter Vorteile im Rahmen von § 130a Abs. c SGB V Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 5. Aufl., § 130a SGB V <Stand: 01.04.2025>, Rn. 66).
c) Soweit der Leitfaden des Beklagten zur Bestimmung der maßgeblichen Vergleichspackung eine andere Regelung trifft, stimmt er – ungeachtet der Frage seiner rechtlichen Natur – nicht mit der gesetzlichen Regelung überein und ist damit unbeachtlich.
Der Leitfaden unterliegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der gerichtlichen Kontrolle. Der Beklagte ist nicht ermächtigt, die Tatbestandsmerkmale des § 130a Abs. 3a S. 4 SGB V selbstständig und mit normativer Kraft auszulegen. Die ihm durch § 130a Abs. 3a S. 11 SGB V eingeräumte Befugnis, "das Nähere" zu regeln, bezieht sich vor allem auf Abrechnungsfragen und betrifft nicht die materiellen Voraussetzungen der Abschlagspflicht. Bezüglich dieser kann der Beklagte lediglich die gesetzlichen Vorgaben nachzeichnen, ein die Normsetzung kennzeichnender Gestaltungsspielraum steht ihm hingegen nicht zu (vgl. für eine ähnliche Problematik: BSG, Urteil vom 20.12.2018 – B 3 KR 11/17 R, Rn. 46; ebenso BSG, Urteil vom 30.09.2015 – B 3 KR 1/15 R –, Rn. 27).
Die Regelungen des Leitfadens erweisen sich vor dem Hintergrund der umzusetzenden gesetzlichen Regelung zudem nicht als konsistent. Er bestimmt für primär abgeteilte Darreichungsformen, wie Tabletten, in beiden einschlägigen Fassungen, dass diejenige Packung zu ermitteln ist, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße am nächsten kommt. Existieren mehrere Packungen mit gleicher Packungsgröße soll zusätzlich die nächstliegende Wirkstärke je abgeteilter Darreichungsform ermittelt werden. Für nicht abgeteilte Darreichungsformen (z.B. Tropfen, Lösung, Injektions-, Infusionslösung) bestimmt er hingegen, dass auf diejenige Packung abzustellen ist, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Gesamtwirkstoffmenge am nächsten kommt. Letzterer Regelung liegen offenbar vergleichbare Überlegungen zugrunde, wie sie der Senat zu primär abgeteilten Darreichungsformen anstellt. Warum bei Tabletten auf die nächstliegende Wirkstärke je abgeteilter Darreichungsform abzustellen sein soll, bei flüssigen Arzneimitteln hingegen auf die Gesamtwirkstoffmenge, ist für die hier zu beurteilende Konstellation sachlich nicht nachvollziehbar. Dass die Gesamtwirkstoffmenge regelhaft maßgebliches Kriterium einer wirtschaftlichen Preisgestaltung sein wird, bestärkt den Senat noch in dieser Überzeugung.
III. Die Festlegung eines Abschlags gemäß § 130a Abs. 3a S. 4 SGB V für das Arzneimittel Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 90 Tabletten seit Markteinführung zum 15.07.2013 bis zum 31.03.2021 ist hingegen rechtmäßig.
Auch bei der Markteinführung dieses Medikaments handelte es sich um ein von einem pharmazeutischen Unternehmen, der Klägerin, neu eingeführtes Arzneimittel, denn dieses war am 01.08.2009 noch nicht auf dem Markt. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt, wie zu II. dargelegt, bereits Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht.
Der Abgabepreis ohne Mehrwertsteuer hatte sich gegenüber dem Preisstand am 01.08.2009 auch, anders als bei Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 30 Tabletten erhöht. Der Preis je Mengeneinheit der Packung, die dem neuen Arzneimittel, Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 90 Tabletten, in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kam, war niedriger.
Unter Heranziehung des Vergleichsarzneimittels Prezista® 600 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten ergibt sich unstreitig eine Preiserhöhung von 549,29 €. Dieses Medikament ist auch, anders als bei der Neueinführung Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 30 Tabletten, als Vergleichsarzneimittel heranzuziehen, denn es kommt dieser weiteren Neueinführung in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten.
Auch hier kamen in Bezug auf die Packungsgröße sowohl Prezista® 600 mg Filmtabletten mit 60 Tabletten als auch Prezista® 400 mg Filmtabletten mit ebenfalls 60 Tabletten der Neueinführung gleichermaßen nahe. Die beiden anderen, unter Zugrundelegung der Darreichungsform in Betracht kommenden, Ausbietungen von Prezista®, die bei Neueinführung bereits von der Klägerin vertrieben wurden, waren in Bezug auf die Packungsgrößen weiter entfernt.
Unter Berücksichtigung der Wirkstärke kommt jedoch nur Prezista® 600 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten als Vergleichsarzneimittel in Betracht, denn die Gesamtmenge des Wirkstoffs Darunavir ist hier mit 36.000 mg der Gesamtwirkstoffmenge dieser Neueinführung von 72.000 mg näher als die Gesamtwirkstoffmenge von Prezista® 400 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten mit 24.000 mg.
Soweit die Klägerin dem entgegenhält, auch mit der Neueinführung von Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 90 Tabletten sei im Ergebnis keine Preiserhöhung verbunden, vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Vielmehr besteht die bereits bezifferte Preiserhöhung. Zu einer preisneutralen Neueinführung kommt die Klägerin nur deshalb, weil sie das falsche Vergleichsarzneimittel und zudem noch ein Vielfaches hiervon heranzieht. Entgegen ihrer Auffassung kann aber nicht Prezista® 400 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten herangezogen und dann linear fortgeschrieben werden, weil, wie bereits dargelegt, dieses der Neueinführung in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke nicht am nächsten kommt.
Die Klägerin nimmt für ihre Interpretation der gesetzlichen Vorschriften auch zu Unrecht die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 23.02.2015 (a.a.O.) in Bezug. Diesem Urteil lag kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Vielmehr wurden dort identische Arzneimittel in einer Packung auf den Markt gebracht, die unter linearer Preisfortschreibung exakt einem Vielfachen der bereits verfügbaren Packung dieses identischen Arzneimittels entsprach. Die Produkte waren unmittelbar miteinander vergleichbar. Es bedurfte keiner Methode, eine Preiserhöhung in einer Situation bestimmbar zu machen, in der die Preise der Arzneimittel nicht unmittelbar vergleichbar waren. Vorliegend sind Prezista® 400 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten und Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 90 Tabletten, worauf bereits der Beklagte zu Recht hingewiesen hat, gerade nicht identisch.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Abschlagspflicht bestehen auch zur Überzeugung des Senats nicht. Die Klägerin ist durch den Preisabschlag für diese Neueinführung auch nicht in ihrer Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Der Preisabschlag bewirkt zwar eine Preisreglementierung und stellt sich insofern als Eingriff in die Berufsfreiheit in Form einer Berufsausübungsregelung dar. Dieser ist jedoch durch einen vernünftigen Grund des Gemeinwohls gerechtfertigt. Ein solcher Grund liegt in dem seitens des Gesetzgebers verfolgten Ziel der Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.05.2007 – 1 BvR 866/07 –, Rn. 16f.). Insofern liegt auch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG vor. Auch die Beseitigung von Umgehungsmöglichkeiten dient – wie der Abschlag selbst – der finanziellen Stabilität der Krankenversicherung, die ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut darstellt. Ohne ein solches Handeln des Gesetzgebers stand zu befürchten, dass der geplante Einspareffekt jedenfalls in wesentlichen Teilen ausbleiben würde. Eine wirksame Beseitigung der vorhandenen Umgehungsmöglichkeit auf anderem Wege war dem Gesetzgeber nicht möglich (BVerfG a.a.O. Rn. 26).
Der von der Klägerin vorgebrachte Gesichtspunkt, es sei unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar, einen Preisabschlag auch dann anzuwenden, wenn die gesetzlichen Krankenkassen durch die Neueinführung eines Arzneimittels keine höheren Kosten zu tragen hätten, führt zu keiner anderen verfassungsrechtlichen Wertung. Bereits der Ausgangspunkt der Klägerin, es seien im Fall von Prezista® 800 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 90 Tabletten keine höheren Kosten entstanden, ist – wie bereits dargelegt – falsch, weil mit dieser Neueinführung unter Heranziehung des Vergleichsarzneimittels Prezista® 600 mg Filmtabletten in der Packungsgröße von 60 Tabletten höhere Kosten, nämlich eine Preiserhöhung von 549,29 €, entstanden.
Schließlich weist der Senat ergänzend darauf hin, dass nichts dafürspricht, dass sich die gesamtwirtschaftliche Lage, einschließlich ihrer Auswirkung auf die gesetzliche Krankenversicherung, in einer Weise geändert hat, dass ein Verstoß gegen die sich aus § 130a Abs. 4 SGB V ergebende Beobachtungspflicht anzunehmen sein könnte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Rabattverpflichtungen der Unternehmer eingeführt wurden, um der angespannten finanziellen Situation der GKV vor dem Hintergrund von überproportional gestiegenen Ausgaben für Arzneimittel zu begegnen (vgl. etwa Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 130a SGB V <Stand: 28.10.2024>, Rn. 57).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 Teils. 3 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 Teils. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 S. 1, 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2, 47 Abs. 1 S. 1 GKG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.