L 13 AS 3034/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 154/24
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 3034/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. September 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt vom Beklagten im Wege der Förderung der beruflichen Weiterbildung die Erteilung eines Bildungsgutscheins für die Erlangung einer Erlaubnis nach § 34a Gewerbsordnung (GewO).

Die im Jahr 1981 geborene Klägerin stand und steht im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 13. Juli 2023 beantragte sie beim Beklagten, sie im Wege der beruflichen Weiterbildung zu fördern und ihr einen Bildungsgutschein zur Erlangung eines Scheins zur gewerbsmäßigen Bewachung fremden Eigentums und Lebens nach § 34a GewO zu erteilen.

Die Beklagte sichtete daraufhin ein am 24. August 2022 erstelltes psychologisches Gutachten über die Klägerin, in welchem dieser ein unterdurchschnittliches intellektuelles Potenzial bescheinigt worden ist und lehnte den Antrag sodann mit Bescheid vom 20. Juli 2023 ab. Der Förderung der von der Klägerin gewählten Maßnahme könne, so der Beklagte begründend, nicht zugestimmt werden, weil das Ziel einer Weiterbildung, nach einem erfolgreichen Abschluss der Weiterbildung mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Arbeitsmarkt erfolgreich eingegliedert zu werden, nicht erreicht werden könne.

Hiergegen erhob die Klägerin am 16. August 2023 Widerspruch, mit dem sie vorbrachte, sie sei gesundheitlich in der Lage, die begehrte Weiterbildung durchzuführen. Sie habe bereits auf eigene Kosten Lehrgänge im Schutz- und Sicherheitsbereich absolviert und begehre nun eine weitere Unterstützung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2023
, der am 14. September 2023 versandt worden ist, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Förderung gemäß § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. §§ 81 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei zu Recht abgelehnt worden. Eine Qualifikation nach § 34a GewO bereite auf eine Tätigkeit im Wachgewerbe vor. Nach den Feststellungen im ärztlichen Gutachten vom 24. August 2022 erfülle die Klägerin die Anforderungen an eine Tätigkeit im Wachgewerbe hinsichtlich der psychischen Belastbarkeit, Konfliktfähigkeit, Beherrschtheit und Selbstkontrolle nicht, weswegen die angestrebte Qualifikation nicht geeignet sei, die Beschäftigungschancen der Klägerin wesentlich zu verbessern.

Am 21. Dezember 2023 wandte sich die Klägerin mit Bitte um Ausstellung des Bildungsgutscheins erneut an den Beklagten.
Der Lehrgang, den sie besuchen wolle, beginne am 5. Februar 2014. Der Beklagte teilte der Klägerin daraufhin unter dem 8. Januar 2024 mit, dass ihr Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Juli 2023 bereits zurückgewiesen worden sei. Hiergegen hätte die Möglichkeit bestanden, Klage zu erheben.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2024, eingegangen am 23. Januar 2024, hat sich die Klägerin an das Sozialgericht Mannheim (SG) gewandt und vorgebracht, sie bemühe sich seit 2012 um einen festen Arbeitsplatz. Ohne einen solchen sei sie nicht in der Lage, ihre finanzielle Situation zu verbessern. Die Ablehnung ihres Antrages durch den Beklagten sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Grundrechten.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat hierzu vorgebracht, die Klage sei bereits unzulässig, weil sie außerhalb der einmonatigen Klagefrist erhoben worden sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 27. September 2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig. Gemäß §§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben. Der Lauf einer Frist beginne, soweit nichts anderes bestimmt sei, mit dem Tage nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach der Eröffnung oder Verkündung (§ 64 Abs. 1 SGG). Eine nach Monaten bestimmte Frist ende mit dem Ablauf desjenigen Tages des betreffenden Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspreche, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt falle (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG). Diese Frist habe die Klägerin mit der Klage vom 22. Januar 2024 nicht gewahrt. Der Widerspruchsbescheid sei ausweislich des in der Verwaltungsakte befindlichen Vermerks vom Beklagten am 14. September 2023 versandt worden. Damit gelte er nach der Fiktion des § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post, d.h. am 17. September 2023, als bekannt gegeben. Die am 17. September 2023 laufende Klagefrist habe mit Ablauf des 16. Oktober 2023 geendet. Da die Klageschrift der Klägerin jedoch erst am 22. Januar 2024, und damit nach Ablauf der Klagefrist, beim SG eingegangen sei, sei die Klage verfristet erhoben worden. Auch habe der Widerspruchsbescheid vom 13. September 2023 eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung i.S.d. § 66 Abs. 1 SGG beinhaltet. Der Klägerin sei keine Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG sei, wenn jemand ohne Verschulden verhindert gewesen ist, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ohne Verschulden sei eine gesetzliche Frist überdies nur dann versäumt, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewendet habe, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten gewesen sei; das Versäumen der Frist müsse bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch einen gewissenhaft und sachgerecht Prozessführenden nicht vermeidbar gewesen sein. Gründe für das Versäumen der Klagefrist seien aus dem Vortrag der Klägerin nicht erkennbar, weswegen es ihr bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt möglich gewesen sei, die Frist einzuhalten.

Am 16. Oktober 2024 hat die Klägerin hiergegen beim SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Sie bringt - sinngemäß - vor, sie könne, nach einem langjährigen Scheidungsverfahren und jahrlangen erfolglosen Bewerbungsbemühungen ohne die erstrebte Weiterbildung nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden. Sie sei Opfer von Fehlern und von Verstößen gegen Regelungen des Datenschutzes. Zuletzt, am 10. Januar 2025, hat die Klägerin die Verlegung des für den 14. Januar 2025 anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt, weil sie Prozesskostenhilfe (PKH) beantragen müsse.

Die Klägerin beantragt - sachdienlich gefasst -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. September 2024 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Juli 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2023 zu verurteilen, ihr im Rahmen der Förderung der beruflichen Weiterbildung einen Bildungsgutschein für die Erlangung einer Erlaubnis nach § 34a Gewerbsordnung zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages verweist er auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.

Unter dem 11. November 2024 hat der Senat die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Abweisung der Klage wegen einer Versäumnis der Klagefrist erfolgt sei.


Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten wird auf die (elektronisch geführten) Prozessakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2025 geworden sind, sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2025 verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft (vgl. § 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

Der Senat konnte trotz des Ausbleibens der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14. Januar 2025 und ihres Antrags vom 10. Januar 2025, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, zur Sache verhandeln und entscheiden. Die Klägerin ist mit Terminsbestimmung vom 19. Dezember 2024, die ihr ausweislich der aktenkundigen Postzustellungsurkunde am 21. Dezember 2024 zugestellt worden ist, ordnungsgemäß zum Termin geladen und darauf hingewiesen worden, dass auch im Fall seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dem am 10. Januar 2025 eingegangenen Terminsverlegungsantrag war nicht zu entsprechen. Nach § 227 Abs. 1 Zivilprozessordnung (i.V.m. § 202 SGG) kann ein Termin nur beim Vorliegen erheblicher Gründe aufgehoben, verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Ein erheblicher Grund i.d.S. kann insb. bei einer Erkrankung oder einer sonstigen unabweisbaren Verhinderung eines anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten angenommen werden. Die Klägerin hat zur Begründung ihres Verlegungsantrages vorgebracht, sie müsse vorher, d.h. vor der mündlichen Verhandlung noch PKH bewilligen. Nach § 227 Abs. 1 Satz Nr. 2 ZPO ist jedoch die mangelnde Vorbereitung einer Partei, soweit sie dies nicht genügend entschuldigt, kein erheblicher Grund, einen anberaumten Termin zu verlegen (§ 227 Abs. 1 Satz Nr. 2 ZPO). Eine mangelnde Vorbereitung eines Beteiligten ist insb. anzunehmen, wenn Anträge, etwa auf Akteneinsicht oder auf die Bewilligung von PKH erst „in letzter Minute“ gestellt werden, wenn, wie vorliegend, keine Gründe dafür vorgetragen werden, warum eine mögliche Antragstellung erst zeitnah zu einem anberaumten Termin erfolgt ist (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31. August 2015 – VI B 13/15 -, in juris). Die klägerseits vorgebrachte Notwendigkeit, PKH zu bewilligen, stellt mithin keinen Grund für eine Terminsverlegung dar. Ungeachtet hiervon hat der Senat das Schreiben der Klägerin als Antrag auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gewertet und mit Beschluss vom 13. Januar 2025 verbeschieden. Der Antrag auf Terminsverlegung ist auch vorab (kurz) beschieden worden. Die Klägerin ist hierüber mit Schreiben vom 13. Januar 2025 in Kenntnis gesetzt worden. Eine telefonische Mitteilung war nicht möglich, da die diesbezüglichen Kontaktdaten nicht bekannt gewesen sind.

Die Berufung der Klägerin führt für diese jedoch nicht zum Erfolg; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage vom 23. Januar 2024 gegen den Bescheid des Beklagten vom 20. Juli 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2023 ist bereits unzulässig, da sie außerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 87 SGG erhoben worden ist und der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Der Senat weist die Berufung der Klägerin aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zurück und sieht von einer Begründung seiner Entscheidung nach § 153 Abs. 2 SGG ab. Die Ausführungen der Klägerin zur Begründung der Berufung lassen keinen Zusammenhang mit den Gründen, aus denen das SG die Klage abgewiesen hat, erkennen. Insb. begründet der klägerische Vortrag,
sie sei Opfer von Fehlern und von Verstößen gegen Regelungen des Datenschutzes, auch keinen Grund, der Klägerin Wiedereinsetzung in die Klagfrist nach § 67 SGG zu gewähren.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch das a
m 21. Dezember 2023 bei der Beklagten eingegangene Schreiben der Klägerin vom 20. Dezember 2023 nicht geeignet ist, als fristwahrende Klageerhebung angesehen zu werden. Zwar hat die Klägerin in diesem Schreiben ihr Begehren, einen Bildungsgutschein zu erhalten, bekräftigt und hierin - jedenfalls sinngemäß - zum Ausdruck gebracht, mit der ablehnenden Entscheidung des Beklagten nicht einverstanden zu sein. Nach § 90 SGG ist die Klage zwar grds. bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben, § 91 Abs. 1 SGG bestimmt jedoch, dass die Frist für die Erhebung der Klage auch dann als gewahrt gilt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit u.a. bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger eingegangen ist. Da indes das Schreiben erst am 21. Dezember 2023 bei der Beklagten eingegangen ist, die einmonatige Klagefrist jedoch bereits mit Ablauf des 16. Oktober 2023 endete, gilt die Klagefrist auch nicht nach § 91 Abs. 1 SGG als gewahrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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