L 5 AS 588/21

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 32 AS 3101/18
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 5 AS 588/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Zur Zurechnung eines Vertreterverschiuldens innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft (hier: nichteheliche Lebensgemeinschaft) 2. Die Nachholung einer entsprechenden Anhörung ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz möglich.

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. September 2021 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts Magdeburg, mit dem dieses einen an den Kläger gerichteten Rücknahme- und Erstattungsbescheid für die Monate August 2017 bis April 2018 zurückgenommen hat.

Der 1987 geborene Kläger, seine 1989 geborene Lebensgefährtin, Frau C. B.....  (im Folgenden Zeugin), und ihr gemeinsamer, 2013 geborener Sohn lebten im streitigen Zeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft. Sie bezogen – mit Unterbrechungen – Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in monatlich unterschiedlicher Höhe.

Die von der Bedarfsgemeinschaft im streitigen Zeitraum bewohnte ca. 59 qm große Wohnung lag in einem über 3.000 qm großen Wohnkomplex und wurde mit Gas zentral beheizt. Die Warmwasserbereitung erfolgte über diese Zentralheizung. Der Kläger und die Zeugin hatten für diese Wohnung ab August 2017 monatliche Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) in Höhe einer Bruttokaltmiete (BKM) von 433,27 € (Grundmiete: 348,27 €; kalte Betriebskosten (kB): 85 €) zu zahlen. Die Heizkostenvorauszahlung war monatlich i.H.v. 100 € zu leisten.

Der Beklagte hatte die Bedarfsgemeinschaft bereits mit Schreiben vom 26. August 2016 darauf hingewiesen, dass die BKM i.H.v. damals 431,27 € unangemessen hoch sei. Der Richtwert werde um 42,01 € überschritten. Die Heizkostenvorauszahlungen i.H.v. damals 75 €/Monat lägen unter dem Angemessenheitswert i.H.v. 95,25 €/Monat. Es werde eine Frist zur Kostensenkung bis 31. Dezember 2016 eingeräumt. 

Der Kläger und die Zeugin gingen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach, aus der sie monatlich Einkommen in wechselnder Höhe erzielten. Die Zeugin erzielte nur zeitweise Einkommen, zuletzt seit 9. Januar 2017. Für das Kind bezog die Zeugin Kindergeld i.H.v. 192 €/Monat, ab Januar 2018 i.H.v. 194 €.

In dem allein von der Zeugin unterzeichneten Weiterbewilligungsantrag vom 30. Juni 2017 teilte diese mit, dass ihr Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2017 ende.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21. Juli 2017 die Bewilligung von SGB II-Leistungen für die Monate Juni und Juli 2017 ab. Die Bedarfsgemeinschaft erziele ein über ihrem Bedarf liegendes Einkommen.

Mit Bescheid vom gleichen Tag in der Fassung des Änderungsbescheids vom 13. November 2017 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Monate August 2017 bis Mai 2018. Als Einkommen rechnete er lediglich das Kindergeld an. Der Beklagte berücksichtigte nur die seines Erachtens angemessenen KdUH (BKM: 389,25 €, Heizkosten: 95,25 €). Die SGB II-Leistungen zahlte der Beklagte auf ein Konto der Zeugin aus.

Mit dem Weiterbewilligungsantrag vom 16. April 2018 reichte die Zeugin neben Kontoauszügen auch die Verdienstbescheinigungen des Klägers für die Monate August 2017 bis April 2018 ein. Das Einkommen wurde ihm jeweils im Folgemonat ausgezahlt.

Der Kläger zog zum 1. Mai 2018 aus der gemeinsamen Wohnung aus.

Mit Schreiben vom 3. Mai 2018 hörte ihn der Beklagte zu einer beabsichtigten Rückforderung für die Monate August 2017 bis April 2018 i.H.v. 4.248,99 € an. In den wirtschaftlichen Verhältnissen habe sich ab August 2017 (nicht 2018 – hier dürfte es sich um einen Schreibfehler handeln) eine Änderung ergeben. Das von ihm ab August 2017 erzielte Einkommen sei nicht berücksichtigt worden. Es folgte eine konkrete Darstellung des Leistungsanspruchs unter Berücksichtigung des Einkommens und eine Aufstellung der monatlichen zurückzunehmenden Beträge. Diese seien vom Kläger zu erstatten.

Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 24. Mai 2018 nahm der Beklagte die dem Kläger für die Monate August, Oktober bis Dezember 2017 sowie Januar bis April 2018 bewilligten Leistungen teilweise und für September 2017 ganz zurück. Er forderte eine Erstattung i.H.v. 4.248,99 €. Die Ansprüche und Rückforderungen wurden jeweils monatsweise im Einzelnen aufgeschlüsselt. Die Leistungsbewilligung habe nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) teilweise zurückgenommen werden dürfen. Der Kläger könne sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen und auf den Bestand des Bewilligungsbescheids vom 20. Juli 2017 berufen. Er hätte erkennen können, dass ihm zusammen mit seinem Arbeitsentgelt eine Summe von über 2.500 € zur Verfügung gestanden habe.

Auch gegenüber der Zeugin und deren Sohn erließ der Beklagte einen Rücknahme- und Erstattungsbescheid nach einer entsprechenden Anhörung. Dem Widerspruchsverfahren folgte ein gerichtliches Klageverfahren vor dem Sozialgericht Magdeburg (S 32 AS 3099/18). Die Zeugin nahm unter dem 11. Januar 2021 die Klage zurück, nachdem das Sozialgericht auf eine wohl vorliegende grobe Fahrlässigkeit hingewiesen hatte.

Den unter dem 13. Juni 2018 vom Kläger – ohne Begründung – erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2018 als unbegründet zurück. Zwar habe er bei der Leistungsbewilligung sein Einkommen nicht berücksichtigt, obwohl die versicherungspflichtige Tätigkeit bekannt gewesen sei. Der Kläger hätte jedoch die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung unter Wahrnehmung seiner Sorgfaltspflichten erkennen müssen. Bereits beim Lesen des ursprünglichen Bewilligungsbescheids hätte er feststellen müssen, dass sein Einkommen bei der Bedarfsberechnung keine Berücksichtigung gefunden habe. Eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung ergebe ich auch aus der Höhe der bewilligten Leistungen. Die Leistungsgewährung für die Monate Juni und Juli 2017 sei wegen mangelnder Hilfebedürftigkeit (übersteigendes Einkommen) abgelehnt worden. Ab August 2017 seien über 1.200 €/Monat bewilligt worden. Beide Bescheide seien am 20. Juli 2017 erlassen worden. Bei einem derart hohen Anstieg der Leistungsbewilligung in einem Monat ohne wesentliche Veränderung in den tatsächlichen Verhältnissen sei es dem Hilfebedürftigen objektiv zumutbar, die Rechtsmäßigkeit des Bescheids zu hinterfragen und den Leistungsträger im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht zu informieren.

Der Bescheid ging in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers am 8. Oktober 2018 ein.

Der Kläger hat mit seiner am 2. November 2018 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage das Ziel der Aufhebung des Rücknahme- und Erstattungsbescheids weiterverfolgt. Der Beklagte selbst habe den Fehler der Nichtberücksichtigung seines Einkommens eingeräumt. Er sei seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen, indem er zeitnah alle Verdienstabrechnungen an die Zeugin zur Weiterleitung an den Beklagten übergeben habe. Er habe auf den Bestand und die Richtigkeit der Bescheide vertraut. Er sei kein Leistungsempfänger gewesen, wozu es nur durch Aufnahme in die Bedarfsgemeinschaft mit der Zeugin gekommen sei. Alle Bescheide seien nicht an ihn, sondern an die Zeugin gerichtet gewesen. Er habe sich nicht weiter um die Bescheide gekümmert. Wenn, dann seien die Bescheide von der Zeugin kontrolliert worden. Die Leistungen seien zudem ausschließlich auf ihr Konto gezahlt worden. Die Mittel seien im Übrigen verbraucht.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20. September 2021 den Bescheid vom 23. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2018 aufgehoben. Im Wesentlichen hat es zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe der Zeugin die Verdienstbescheinigungen immer zur Weiterleitung für deren Antrag beim Beklagten übergegeben. Der Umstand, dass er selbst die Bescheide nicht zur Kenntnis genommen habe, sei vor diesem Hintergrund allenfalls leicht fahrlässig. Der Kläger habe davon ausgehen dürfen, dass durch die Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten die Leistungsbewilligung ordnungsgemäß erfolge. Der Fehler des Beklagten, von einer Kündigung der Beschäftigungsverhältnisse beider Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auszugehen, sei ihm nicht anzulasten.

Gegen das ihm am 29. September 2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 28. Oktober 2021 Berufung eingelegt. Im Wesentlichen bezieht er sich auf die bereits im Widerspruchsbescheid vom 27. September 2018 genannten Argumente.

Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger mit der Zeugin in einer Einstandsgemeinschaft gelebt habe. Es sei daher von einem gegenseitigen Austausch über die Einkommensverhältnisse auszugehen. Das Mitverschulden des Beklagten entbinde den Leistungsberechtigten nicht von der Pflicht, den Leistungsträger auf einen Fehler hinzuweisen. Zudem seien die Verdienstnachweise des Klägers erst im April 2018 eingereicht worden.

Zumindest die Zeugin habe es grob fahrlässig unterlassen, den Beklagten auf die zu hohe Leistungsberechnung hinzuweisen. Diese habe den Fehler in der Leistungsberechnung erkannt. Deswegen habe sie die Kontoauszüge und Verdienstbescheinigungen des Klägers auch erst mit dem Weiterbewilligungsantrag eingereicht. Sie hätte jedenfalls leicht erkennen können, dass keine Einkommensanrechnung stattgefunden habe. Dieses sei dem Kläger zuzurechnen. Er habe geduldet, dass die Zeugin ihn beim Beklagten vertrete. Dem Kläger sei nach eigenen Angaben bekannt gewesen, dass er – wenn auch „leistungsloses“ – Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gewesen sei. Es sei weiterhin zu berücksichtigen, dass eine dem Kläger gegenüber geltend gemachte Rückforderung für den Monat Januar 2017 von ihm beglichen worden sei. 

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts vom 20. September 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

 die Berufung zurückzuweisen.

Er sei nicht imstande gewesen, den Fehler des Beklagten zu erkennen oder zu verhindern. Er sei voll erwerbstätig gewesen und habe daher keine Ansprüche gegen den Beklagten gehabt. Der Umstand, dass er mit der Zeugin eine Partnerschaft geführt habe, sei nicht relevant. Sie hätten getrennte Konten gehabt und auch die Post separiert. Es habe kein Anlass bestanden, dass die Zeugin ihm die Bescheide vorlegte. Er habe zwar vor Jahren einmal einen Leistungsantrag unterzeichnet, nicht aber den für den hier streitgegenständlichen Zeitraum. Ihn träfen keine Sorgfaltspflichten, die er verletzt haben könnte. Vielmehr habe der Beklagte seine Pflichten verletzt. Ihm hätte auffallen müssen, dass nicht auch der Kläger zum 30. Juni 2017 seine Erwerbstätigkeit beendet habe. 

Der Beklagte hat auf Hinweis des Gerichts auf die wohl nicht ausreichende Anhörung des Klägers im Verwaltungsverfahren diesen mit Schreiben vom 9. Dezember 2024 erneut zur Rücknahme und Erstattung der Leistungen angehört. Die Zeugin habe gewusst, dass der Kläger weiterhin über Einkommen verfügte. Sie habe erkennen können, dass dieses bei der Leistungsberechnung unberücksichtigt geblieben sei. Diese Kenntnis bzw. deren grob fahrlässige Unkenntnis müsse sich der Kläger als Vertretener zurechnen lassen.

Der Kläger hat in seiner Stellungnahme zu dieser Anhörung darauf verwiesen, dass ihn angesichts des groben Behördenfehlers allenfalls eine leichte Fahrlässigkeit treffe. Die Zeugin sei zudem juristisch unkundig und überdies auch nicht gehalten, jeden Berechnungsschritt nachzuvollziehen. Zudem sei die Nachholung der Anhörung zu spät erfolgt.  

Der Beklagte hat abschließend am 15. April 2025auf seine hiervon abweichende Rechtsansicht und auf das Festhalten an der ursprünglichen Entscheidung verwiesen.  

In der mündlichen Verhandlung am 14. April 2015 hat er ein Teilanerkenntnis hinsichtlich einer Reduzierung der Rücknahme und Erstattungsentscheidung für August 2017 i.H.v. 6,03 € abgegeben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

1.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Der Beschwerdewert liegt mit 4.248,99 € über der Schwelle von 750 €. 

2.

Streitig ist der Rücknahme- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 23. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2018 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 24. April 2025, mit dem dieser die dem Kläger für die Monate August 2017 bis April 2018 gewährten Leistungen teilweise zurückgenommen und eine Erstattung verlangt hat.

3.

Die Berufung des Beklagten ist nach Abgabe seines Teilanerkenntnisses und dessen Annahme durch den Kläger begründet.

Die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG vom 2. November 2018 ist zulässig, aber unbegründet gewesen. Der Erstattungsbescheid vom 23. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2018 ist rechtmäßig.

Lediglich für den Monat August 2017 war der angefochtene Bescheid rechtswidrig, soweit der Beklagte Leistungen in Höhe von mehr als 395,06 € aufgehoben und zur Erstattung gestellt hat (siehe unten unter d.).

a.

Als Rechtsgrundlage für den Rücknahme- und Erstattungsbescheid sind § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung - SGB III) und § 45 Zehntes Buch SGB X maßgeblich.

b.

Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

aa.

Zwar hatte der Beklagte den Kläger nicht – wie es nach § 24 Abs. 1 SGB X geboten gewesen wäre – vor Erlass des Bescheides vom 23. Mai 2018 ordnungsgemäß angehört. Auch im Widerspruchsverfahren sowie im Widerspruchsbescheid wurde die entsprechende Anhörung zunächst nicht nachgeholt.

Der Beklagte hatte dem Kläger im streitgegenständlichen Bescheid nicht alle entscheidungserheblichen Haupttatsachen mitgeteilt, auf die er die Rücknahme auf der Grundlage seiner Rechtsansicht letztlich gestützt hat. Entscheidungserheblich i.S.v. § 24 Abs. 1 SGB X sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, d.h. auf die sich die Verwaltung stützt. (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010, B 4 AS 37/09 R [12] juris).

Während der Ausgangsbescheid dem Kläger eine eigene grob fahrlässige Unkenntnis vorwarf, hat der Beklagte im Berufungsverfahren darauf abgestellt, dass sich der Kläger die Kenntnis der Zeugin zurechnen lassen müsse. Zu diesem veränderten Vorwurf war der Kläger zunächst nicht angehört worden.

Der Beklagte hat die erforderliche Anhörung aber im Berufungsverfahren wirksam nachgeholt.

Entgegen der klägerischen Ansicht ist die Nachholung der Anhörung im gerichtlichen Verfahren bis zur letzten Tatsacheninstanz zulässig. Nach § 41 Abs. 2 SGB X kann die Anhörung bis dahin wirksam nachgeholt werden, sofern die Verwaltung dem Beteiligten alle entscheidungserheblichen Tatsachen mitteilt und ihm Gelegenheit zur Äußerung gibt.

Dazu gehört, dass der Beklagte dem Kläger in einem gesonderten Anhörungsschreiben alle tragenden Umstände mitteilt und ihm eine angemessene Frist zur Stellungnahme einräumt. Ebenso erforderlich ist, dass er seine Stellungnahme berücksichtigt und sich abschließend dazu äußert (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010, a.a.O.[15], juris)

Diese Anforderungen hat der Beklagte erfüllt. Er hat das (erneute) Anhörungsverfahren mit Schreiben vom 9. Dezember 2024 in Gang gesetzt und mit der Erklärung vom 15. April 2025 abgeschlossen.

Damit hat der Beklagte in jeder Hinsicht den formalen und inhaltlichen Anforderungen genügt, die an eine im Gerichtsverfahren nachgeholte Anhörung zu stellen sind.

bb.

Der Beklagte hatte auch die Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X eingehalten. Er hatte am 17. April 2018 im Zuge des Antrags auf Weiterbewilligung der Leistungen ab Mai 2018 Kenntnis darüber erhalten, dass der Kläger weiterhin sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Der Erstattungsbescheid war noch im Mai 2018 bekannt gegeben worden.

c.

Der Rücknahmebescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung vom 21. Juli 2017 ist für den Zeitraum von August 2017 bis April 2018 rechtmäßig nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X. Die Voraussetzungen nach § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i.V.m. § 50 Abs. 2, 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III und § 45 SGB X sind erfüllt.

Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, ist er – auch nachdem er unanfechtbar geworden ist – nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 des § 45 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurück zu nehmen.

Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 nicht berufen, soweit (1.) er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder (3.) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

aa.

Der Bewilligungsbescheid vom 21. Juli 2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 23. November 2017 war von Anfang an rechtswidrig, denn dem Kläger standen bei dessen Bekanntgabe nur geringere Grundsicherungsleistungen für den Bewilligungsabschnitt zu.

bb.

Der Bescheid ist auch hinreichend bestimmt. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts in sich widerspruchsfrei ist und dem Betroffenen erlaubt, sein Verhalten daran auszurichten. Außerdem muss der Bescheid als Grundlage für eine mögliche zwangsweise Durchsetzung dienen können (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 AS 153/10 R, [31], Juris).

Bereits im Ausgangsbescheid vom 23. Mai 2018 hatte der Beklagte die vom Kläger zurückgeforderten Beträge im Einzelnen nach Höhe und Monat benannt. Die Neuberechnungen unter Zugrundelegung des Einkommens des Klägers erfolgten monatlich. Der zu viel gezahlte Betrag ist der vorherigen Bewilligung gegenübergestellt worden. Der Kläger konnte den Regelungsgehalt des Bescheides damit zweifelsfrei erkennen.

cc.

Als Ermächtigungsgrundlage für die teilweise Rücknahme der Leistungsbewilligungen kommt vorliegend allein § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X in Betracht.

Der Senat ist nach durchgeführter Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Zeugin die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Bewilligung grob fahrlässig nicht erkannt hatte.

Die Würdigung stützt sich auf folgende, ineinandergreifende Feststellungen:

Die Aussage der Zeugin erweist sich als widersprüchlich und interessengeleitet. Sie behauptete, sämtliche Lohn- und Kontoauszüge stets selbst bei beim Beklagten eingereicht und den Kläger nie in die Mitwirkung eingebunden zu haben. Tatsächlich wurden die Verdienstbescheinigungen des Klägers für den streitigen Zeitraum erstmals mit dem Weiterbewilligungsantrag vom 16. April 2018 vorgelegt; zuvor lagen sie dem Beklagten nicht vor. Sie hatte zudem in der Anhörung vor Erlass des Rücknahme- und Erstattungsbescheids angegeben, sie habe dem Beklagten immer fristgerecht die Verdienstbescheinigungen übergeben. Damit steht ihre Darstellung im offenen Widerspruch zu den Verwaltungsakten und lässt Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aufkommen.

Weiterhin zeigte die Zeugin Erinnerungslücken dort, wo ein Vergessen lebensfremd erscheint. Sie vermochte weder anzugeben, weshalb sie ihre eigene Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg zurückgenommen hatte, noch wieso sie den deutlichen Anstieg der bewilligten Leistungen gegenüber früher nicht bemerkte – obwohl es um eine Rückforderung von über 4.000 € ging und die Ereignisse erst wenige Jahre zurücklagen.

Demgegenüber bekundete sie detailliertes Wissen, sobald es ihr vorteilhaft erschien. So erinnerte sie sich zwar an die Leistungsablehnung für Juni/Juli 2017 wegen Lohneinkommens, verneinte aber jede Kenntnis vom Zusammenhang zwischen Einkommen und Leistungsanspruch. Dies ist nicht plausibel und spricht gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Einlassungen. Zumal mit Änderungsbescheid vom 28. April 2017 eine Erstattung wegen höheren erzielten Lohnes erfolgt war.

Für eine kaufmännisch vorgebildete gelernte Verkäuferin, die langjährig Leistungen bezog, musste zudem der plötzliche Leistungssprung von monatlich 1.200 € auf der Grundlage des Verlusts nur ihrer Beschäftigung offensichtlich sein. Dass sie ihn angeblich nicht erkannte, belegt einen schweren Sorgfaltsverstoß.

Gleichwohl unternahm sie über Monate nichts, um den Beklagten auf den offensichtlichen Berechnungsfehler hinzuweisen. Ein derartiges Ignorieren klarer Indizien übersteigt einfache Fahrlässigkeit deutlich.

Schließlich dokumentiert ihr prozessuales Verhalten ihr Bewusstsein von der eigenen Pflichtwidrigkeit: Nachdem das Sozialgericht sie in ihrem Parallelverfahren ausdrücklich auf „wohl vorliegende grobe Fahrlässigkeit“ hingewiesen hatte, nahm sie die Klage unverzüglich zurück. Dies legt nahe, dass sie den Fehler sehr wohl erkannt hatte.

Da der Bewilligungsbescheid klar gegliedert war nach Bedarf, Einkommen und Anspruch, konnte die Zeugin auch unschwer erkennen bzw. hätte dies erkennen müssen, dass nur das Kindergeld als Einkommen angerechnet worden war. Einer Nachvollziehbarkeit der Berechnung des Anspruchs im Detail bedurfte es hierfür nicht. Bei einem derart offensichtlichen Fehler des Beklagten bestand kein geschütztes Vertrauen in die Richtigkeit des Bescheids.

In der Gesamtschau hatte die Zeugin damit die im Verkehr erforderliche und ihr zumutbare Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzt. Sie hätte den Widerspruch zwischen Einkommen, Ablehnungs- und Bewilligungsbescheid sowie den sprunghaft gestiegenen Zahlungen ohne Weiteres realisieren und den Leistungsträger informieren müssen. Der Senat bewertet dieses Verhalten mithin als grob fahrlässig im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X.

dd.

Diese grob fahrlässige Unkenntnis muss sich der Kläger im Rahmen der Vertretungsregeln zurechnen lassen (§ 13 Abs. 1 SGB X). Der Kläger wusste und billigte, dass die Zeugin für ihn gegenüber dem Beklagten auftrat und die Leistungen für die Bedarfsgemeinschaft verwaltete.

Eine Verschuldenszurechnung nach allgemeinen Regeln (§§ 166, 278 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) unter volljährigen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft kommt in den Fällen einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht oder – was hier ausscheidet – einer gesetzlichen Vertretung in Betracht. Die rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht kann ausdrücklich erteilt werden, aber auch konkludent in Form einer sog. Duldungsvollmacht. Das setzt voraus, dass das vertretene Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Kenntnis vom Verhalten des Vertreters hat und dies stillschweigend duldet. Denn wer es duldet, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, muss sich nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht dessen Verhalten zurechnen lassen, selbst wenn er keinen Bevollmächtigungswillen gehabt hatte. Es besteht keine Veranlassung, denjenigen, der für sich durch einen Dritten handeln lässt, besser zu stellen als denjenigen, der selbst handelt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 2020, B 4 AS 46/20 R [26], juris).

Dieser Rechtsgedanke findet auch im Sozialrecht Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2024, B 5 R 14/23 R [24, 25], juris). Abweichendes folgt auch nicht daraus, dass der Begriff der groben Fahrlässigkeit eine Wertung beinhaltet (vgl. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X). Die Einstandspflicht des Geschäftsherrn entsprechend dem Rechtsgedanken des § 166 Abs. 1 BGB erstreckt sich auch im Zivilrecht auf die rechtserheblichen Versäumnisse seines Beauftragten in Fällen, in denen der positiven Kenntnis u.a. die grob fahrlässige Unkenntnis gleichsteht (sog. Kennenmüssen). Der Geschäftsherr soll auch in dieser Fallkonstellation keine (rechtlichen) Vorteile daraus ziehen, dass er einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut hat. Diese Erwägung gilt gleichermaßen in Bezug auf die das Vertrauen schützende Regelung in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Auch insoweit besteht keine Veranlassung, denjenigen, der für sich durch einen Dritten handeln lässt, besser zu stellen als denjenigen, der selbst handelt (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2024, a.a.O.).

Eine ausdrückliche Vollmachtserteilung des Klägers für die Zeugin, in seinem Namen Leistungen zu beantragen, liegt hier nicht vor. Eine Zurechnung des Verschuldens kommt allein aufgrund einer Duldungsvollmacht in Betracht.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger es willentlich hat geschehen lassen, dass die Zeugin für ihn bei der Beantragung von Leistungen wie ein Vertreter auftrat.

Der Kläger wusste, dass die Zeugin Leistungen nach dem SGB II bezog und er selbst Mitglied der Bedarfsgemeinschaft war. Er hat es jedoch willentlich geschehen lassen, dass die Zeugin gegenüber dem Beklagten als seine Vertreterin auftrat und alles regelte. Er hat selbst darauf hingewiesen, er sei seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen, indem er die Verdienstbescheinigungen an die Zeugin zur Weiterleitung an den Beklagten übergeben habe. Er hat eingeräumt, dass ihm bewusst gewesen war, die Zeugin erhalte die SGB-II-Zahlungen „auf ihr Konto“ und er habe „auch mal einen Leistungsantrag mitunterschrieben“. Damit gesteht der Kläger nicht nur die Kenntnis vom laufenden Leistungsbezug, sondern auch eine aktive Mitwirkung an dem Antragsverfahren ein.

Der Kläger wusste weiterhin, dass die Angabe der Höhe seines Einkommens zur Berechnung des Anspruchs der Bedarfsgemeinschaft vom Beklagten benötigt wurde.

Der Kläger hat zwar angegeben, er wäre „leistungsloses“ Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gewesen. Das erscheint insoweit nachvollziehbar, als er mit einem monatlichen Nettoverdienst i.H.v. 1.300 € bis 1.600 € in der Lage war, seinen eigenen Lebensunterhalt zu decken. Dies hindert hier jedoch nicht die Annahme einer Duldungsvollmacht.

Er hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, „es konnte auch schon mal passieren, dass ich selbst der Behörde Lohnunterlagen vorgelegt hatte“, überließ aber im Übrigen sämtliche Kommunikation und Prüfung der Bescheide der Zeugin. Diese Aussage zeigt, dass der Kläger die Zeugin in allen übrigen Belangen gewähren ließ und somit ein dauerhaftes Auftreten als seine Stellvertreterin duldete.

Schließlich hat er angegeben, keinerlei Vorstellung davon gehabt zu haben, was die Zeugin mit den zu viel geflossenen SGB-II-Leistungen gemacht hatte. Dieses vollständige Überlassen der finanziellen Abwicklung untermauert den Befund einer konkludent erteilten Duldungsvollmacht: Wer Bescheide, Zahlungsströme und Unterlagen einem Dritten überlässt, muss sich dessen Wissen und Verschulden zurechnen lassen.

Damit greift der allgemeine Rechtsgedanke des § 166 Abs. 1 BGB: Der Kläger darf sich nicht besserstellen als ein Leistungsempfänger, der selbst handelt; das grob fahrlässige Kennenmüssen der Zeugin ist ihm zuzurechnen. Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der rechtswidrigen Bewilligung besteht somit nicht (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X).

ee.

Das Mitverschulden des Beklagten an der rechtswidrigen Leistungsbewilligung ist vorliegend rechtlich unerheblich. Denn der Beklagte hatte vor Erlass des Erstattungsbescheides kein Ermessen auszuüben, im Rahmen dessen das Mitverschulden zu berücksichtigen gewesen wäre. Denn die Ermessensausübung wird vorliegend ausgeschlossen durch die in § 40 Abs. 1 S. 2 SGB II angeordnete entsprechende Geltung des § 330 Abs. 2 SGB III. Die zuletzt genannte Vorschrift lautet: "Liegen die in § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes – wie hier – vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen“.

d.

Der streitige Rücknahme- und Erstattungsbescheid ist nach dem Teilanerkenntnis des Beklagten und dessen Annahme durch den Kläger auch der Höhe nach rechtmäßig.

Für die Höhe der Erstattungsforderung ist monatsweise der Unterschiedsbetrag maßgeblich, der sich zwischen den tatsächlich ausgezahlten Leistungen und dem Anspruch ergibt, der bei zutreffender materieller Rechtsanwendung bestanden hätte (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 12/13 R [16], juris).

aa.

Der Bedarf des nach §§ 7 ff SGB II leistungsberechtigten Klägers setzt sich im streitgegenständlichen Zeitraum zusammen aus dem Regelbedarf sowie die ihm anteilig zustehenden KdUH. (§§ 19, 22 SGB II).

Neben dem Regelbedarf i.H.v. 368 €/Monat waren die kopfteilig beim Kläger in Ansatz zu bringenden KdUH zu berücksichtigen.

Der Kläger hatte keinen Anspruch auf die auf ihn kopfteilig zu verteilenden KdU in tatsächlicher Höhe.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II hat er Anspruch auf Leistungen für die KdUH in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Bedarf der Hilfebedürftigen solange zu berücksichtigen, wie es diesen nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

(1.)

Die für eine Absenkung der KdU vorgeschriebene Kostensenkungsaufforderung war mit Schreiben des Beklagten vom 26. August 2016 erfolgt. In diesem hatte er u.a. den Kläger unter Darstellung seiner Angemessenheitsgrenzen zu Kostensenkungsbemühungen bis spätestens 31. Dezember 2016 aufgefordert. Nach Ablauf der Frist würden nur noch die angemessenen Kosten übernommen. Der Kläger hatte die Möglichkeit, mit dem Beklagten in einen Dialog über die für die Bedarfsgemeinschaft angemessenen KdU einzutreten.

Die Kostensenkungsaufforderung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Notwendig war nur die Benennung des - seinerzeit - aus Sicht des Beklagten für angemessen gehaltenen Höchstmietpreises (BSG, Urteil vom 1. Juni 2010, B 4 AS 78/09 R, [15], Juris). Es ist also an dieser Stelle nicht erheblich, ob der genannte Höchstpreis für die BKM nach einem seinerzeit schlüssigen Konzept ermittelt wurde.

Es kann dahinstehen, ob die viermonatige Frist im vorliegenden Fall angemessen oder zu kurz bemessen war. Jedenfalls ab August 2017 war auch die nach § 22 SGB II genannte Höchstfrist von sechs Monaten abgelaufen. Zudem hatte der Kläger keinerlei Einwendungen gegen die vom Beklagten gesetzte Frist vorgetragen. Solche sind auch nicht ersichtlich.

(2.)

Die hier streitgegenständliche (zuletzt im März 2023 korrigierte) Unterkunftsrichtlinie des Beklagten für den streitigen Zeitraum beruht hinsichtlich der BKM auf einem schlüssigen Konzept (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26. Oktober 2023, L 5 AS 440/21, juris). Mithin war eine BKM i.H.v. 363,30 € /Monat angemessen. (Vergleichsraum Halberstadt, drei Personen).

(3.)

Die Vorauszahlungen für die Heizkosten hatte der Beklagte in voller Höhe zu übernehmen. Zwar liegen diese über dem rechnerisch abstrakten Grenzwert des „Bundesweiten Heizspiegels“ 2017 (94,50 €/Monat). Es fehlte jedoch eine entsprechende Kostensenkungsaufforderung des Beklagten (vgl. BSG, Urteil vom B 14 AS 57/19 [21, 24], juris).

Der Beklagte hatte im Schreiben vom 28. August 2026 zwar auch auf die seines Erachtens angemessenen Heizkosten i.H.v. 95,25 €/Monat hingewiesen. Zu diesem Zeitpunkt jedoch war eine Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 75 €/Monat zu zahlen. Die Angemessenheitsgrenze war für den Kläger insoweit nicht relevant. Dies änderte sich erst mit Erhalt der Heizkostenabrechnung für das Jahr 2016. Die ab August 2017 festgesetzten Vorauszahlungen i.H.v. 100 €/Monat lagen über dem Grenzwert des „Bundesweiten Heizspiegels“.

Dem Kläger war es zudem nicht möglich, die Kosten bereits ab August 2017 zu senken. Eine Reduzierung der Heizkostenvorauszahlung hätte sich frühestens mit der nächsten Heizkostenabrechnung ergeben können (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 12. Juni 2013, B 14 AS 60/12 R, juris)

Es waren mithin KdUH i.H.v. insgesamt 463,30 €/ Monat – hier kopfanteilig für den Kläger – als Bedarf zu berücksichtigen. Der Beklagte hatte der Bedarfsgemeinschaft 484,50 €/ bewilligt. Die erhöhten Heizkosten hatten daher (außer im Monat August 2017) keine Auswirkungen auf den Gesamthilfebedarf.

bb.

Diesem Bedarf war das Einkommen des Klägers in den jeweiligen Monaten gegenüber zu stellen (§§ 11 ff. SGB II).

Der Senat verweist zunächst auf die den Beteiligten bekannten Berechnungen des Beklagten in den Monaten September 2017 bis April 2018. Diese begegnen keinen rechtlichen oder tatsächlichen Bedenken.

Etwas Anderes ergibt sich lediglich für den Monat August 2017. Dem Kläger floss in diesem Monat ein Nettobetrag i.H.v. 1.313,81 € zu, nicht hingegen wie vom Beklagten angenommen ein Betrag i.H.v. 1.349,51 €. Der Beklagte hatte übersehen, dass der Arbeitgeber einen Betrag i.H.v. 35,70 € vom Nettolohn abgezogen und weitergeleitet hatte.

Unter Abzug der Freibeträge nach § 11b SGB II (330 €) ergibt sich ein anzurechnendes Einkommen i.H.v. 984,44 €. Daraus errechnet sich ein Anspruch des Klägers i.H.v. 309,99 €. Die Differenz zu den ihm zuvor bewilligten Leistungen beträgt 395,06 €. Die Reduzierung der Erstattungsforderung für den Monat August 2017 i.H.v. ursprünglich 401,09 € hat der Beklagte in vollem Umfang anerkannt (6,03 €).

Die Höhe des Erstattungsbetrages in den übrigen Monaten begegnet keinen Bedenken. Der vom Beklagten zuletzt geltend gemachte Betrag 4.242,96 € ist mithin vom Kläger nach § 50 SGB X zu erstatten.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Rechtskraft
Aus
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