Lebt ein volljähriges behindertes Kind in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern, so ist das an den Elternteil ausgezahlte Kindergeld nur dann als Einkommen des Kindes anzurechnen, wenn es an das Kind weitergeleitet wird, ihm also tatsächlich zufließt (Bezug auf BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 - B 9b SO 5/05 R - juris Rn 16).
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 16. Juni 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt vom beklagten Landkreis höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ohne die Anrechnung des an ihn weitergeleiteten Kindergeldes als Einkommen für die Zeit von Januar 2018 bis September 2019.
Der am ... 1984 geborene Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. Ihm sind die Merkzeichen „G“, „B“, „H“ und „RF“ zuerkannt. Er leidet unter einer mittelgradigen Intelligenzminderung, Epilepsie und einer inkompletten Lähmung des rechten Arms. Der Kläger lebt im Haushalt seiner Eltern. Von seiner Mutter wird er rechtlich betreut, u.a. in dem Aufgabenkreis „Regelung von Behördenangelegenheiten“ (Beschluss des Amtsgerichts B.-W. vom 9. Oktober 2008 – Az.: ... ). Er ist seit September 2003 beschäftigt in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in W. Dafür erhält er einen monatlichen Verdienst, der sich aus dem Grundlohn, dem Leistungslohn und dem Arbeitsförderungsgeld zusammensetzt. Diesen rechnet der Beklagte teilweise als Einkommen auf den Grundsicherungsbedarf des Klägers an. Die Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt der Beklagte bezogen auf den Kläger mit einem Drittel der von der Mutter des Klägers mitgeteilten Miet- und Heizkosten. Nach den Feststellungen der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland ist der Kläger seit seiner Geburt dauerhaft voll erwerbsgemindert (Bescheid vom 30. April 2019). Nach Erfüllung der 20 Jahre währenden Wartezeit gemäß § 43 Abs. 6 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bezieht er seit September 2023 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland vom 18. Oktober 2023).
Mit Schreiben vom 21. Oktober 2010 hatte der Kläger bei der Bundesagentur für Arbeit – Familienkasse – die Überweisung des Kindergeldes an sich beantragt (beginnend ab Januar 2010). Der Beklagte rechnete daraufhin seither bei der Ermittlung der Höhe der Grundsicherungsleistungen das Kindergeld von Januar 2010 bis September 2019 als Einkommen des Klägers an. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 18. November 2019 beantragte der Kläger beim Beklagten, die (bestandskräftigen) Bescheide vom 10. Juli 2018, 15. Januar 2019, 1. August 2019 und 21. Januar 2020 bezogen auf den Leistungszeitraum von Januar 2018 bis September 2019 zu überprüfen. Die Bescheide seien rechtswidrig, weil der Beklagte zu Unrecht das Kindergeld als Einkommen berücksichtigt und deshalb zu geringe Leistungen bewilligt habe. Deshalb stehe ihm ein Anspruch von 4.158 Euro gegen den Beklagten zu (Januar 2018 bis Juni 2019: jeweils 194 Euro monatlich; Juli 2019 bis September 2019: 204 Euro monatlich).
Der Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 6. März 2020, Widerspruchsbescheid vom 27. April 2020). Er habe die Grundsicherungsleistungen während des streitgegenständlichen Zeitraums in zutreffender Höhe gewährt. Die Eltern des Klägers hätten selbst die Zahlung des Kindergeldes an ihn veranlasst, indem sie der Familienkasse dessen Bankverbindung für die weitere Überweisung mitgeteilt hätten. Deshalb habe der Kläger ab Januar 2010 das Kindergeld erhalten. Nachdem seine Eltern ab Oktober 2019 die Überweisung des Kindergeldes an sich verlangt hätten unter Mitteilung ihrer Bankverbindung, stehe es dem Kläger nicht mehr zur Verfügung. Seither rechne der Beklagte das Kindergeld nicht mehr als Einkommen des Klägers an.
Dagegen hat sich die am 28. Mai 2020 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobene Klage gerichtet. Das Kindergeld diene grundsätzlich zur Sicherung des Unterhaltsanspruchs der Eltern gegenüber dem Kind und zähle deshalb nicht zu dessen Einkommen. Die Eltern hätten den Kläger während des streitgegenständlichen Zeitraums betreut, verpflegt und ihm Unterkunft gewährt. Damit seien sie ihrer Unterhaltsverpflichtung nachgekommen. Die bloße Änderung der Bankverbindung zur Auszahlung des Kindergeldes auf das Konto des Klägers führten nicht etwa dazu, dass es nunmehr als dessen Einkommen anzusehen sei. Vielmehr habe das Kindergeld weiterhin den Eltern zugestanden. Deshalb hätten sie das Kindergeld während des streitgegenständlichen Zeitraums „entnommen und eingesetzt“ (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 30. September 2021, Bl. 50 Gerichtsakte). Der Beklagte habe deshalb zu Unrecht das Kindergeld bedarfsmindernd berücksichtigt und somit zu geringe Grundsicherungsleistungen gewährt. Der Beklagte hat darauf entgegnet, dass das Kindergeld seiner Natur nach als Einkommen bei demjenigen zu berücksichtigen sei, an den es ausgezahlt werde (Bezug auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. August 2008 – B 8/9b SO 16/07 R; Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. Juli 2011 – L 8 SO 9/08).
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. Juni 2023). Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Der Beklagte sei bezüglich der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen während des streitgegenständlichen Zeitraums vom zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Er habe auch das Recht richtig angewandt. Das Kindergeld sei gemäß § 82 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bei demjenigen bedarfsmindernd anzurechnen, dem es zufließe. Dies sei grundsätzlich der Kindergeldberechtigte, also im Regelfall der Elternteil, dem das Kindergeld ausgezahlt werde. Im Falle der Weiterleitung des Kindergeldes an das Kind fließe diesem der ausgezahlte Betrag tatsächlich als Geldleistung zu und sei deshalb als dessen Einkommen anzurechnen
(Bezug auf BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 – B 9b SO 6/06 R). Im Falle des Klägers hätten die Eltern das Kindergeld an ihn weitergeleitet, weshalb es ihm zugeflossen und als sein Einkommen zu berücksichtigen gewesen sei. Der Umstand, dass der Kläger von seiner Mutter rechtlich betreut werde, ändere nichts an seiner Kontoinhaberschaft. Der dem zitierten Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt zugrunde liegende Sachverhalt sei nicht vergleichbar, da der dortige Betroffene nicht im Haushalt seiner Eltern gelebt habe und ihm das Kindergeld tatsächlich nicht zugeflossen sei. Unerheblich sei die Anrechnung des Kindergeldes auf den Betreuungsunterhalt nach § 1612b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Vorschrift ziele allein auf den unterhaltsrechtlichen Ausgleich zwischen den Elternteilen. Anlass dafür, das Kindergeld deshalb nicht als Einkommen zu bewerten, ergebe sich daraus nicht. Vielmehr richte sich die Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen bei der Berechnung der Höhe der Grundsicherungsleistungen nach § 82 SGB XII (Bezug auf BSG, Urteil vom 14. Juni 2018 – B 14 AS 37/17 R – juris Rn. 32).
Gegen das ihm am 26. Juni 2023 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 24. Juli 2023 beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegten Berufung. Auch in Ansehung des Zuflussprinzips führe die Modalität der Auszahlung des Kindergeldes auf das Konto des Klägers nicht dazu, dass dieses rechtlich als sein Einkommen zu werten sei. Da der Kläger auch für den Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ von seiner Mutter betreut werde, habe nur diese sowohl rechtlich als auch tatsächlich Zugriff auf sein Konto. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Eltern des Klägers – ungeachtet der Weiterleitung – kindergeldberechtigt seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 16. Juni 2023 sowie den Bescheid des Beklagten vom 6. März 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2020 aufzuheben, ferner den Beklagten zu verpflichten, die Bescheide vom 10. Juli 2018, 15. Januar 2019, 1. August 2019 und 21. Januar 2020 zu ändern und ihn zu verurteilen, dem Kläger höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 30. September 2019 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Nach Zustimmung der Beteiligten entscheidet der Senat über die Berufung des Klägers durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG) erweist sich als unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn dem Kläger stehen höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 30. September 2019 nicht zu. Der Beklagte hat diese unter zutreffender Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen des Klägers berechnet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 6. März 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2020, mit dem der Beklagte den Antrag des Klägers auf Überprüfung der Bescheide vom 10. Juli 2018, 15. Januar 2019, 1. August 2019 und 21. Januar 2020 sowie die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 30. September 2019 abgelehnt hat (§ 95 SGG). Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4, § 56 SGG), die zulässigerweise auch auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs. 1 SGG) gerichtet sein kann (vgl. dazu BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016 – B 4 AS 37/15 R – juris Rn. 11; Urteil vom 8. Dezember 2022 – B 8 SO 4/21 R – juris Rn. 10). Mit der Anfechtungsklage begehrt der Kläger die Aufhebung des die Überprüfung ablehnenden Bescheides vom 6. März 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2020. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides durch den Beklagten gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der Bewilligungsbescheide vom 10. Juli 2018, 15. Januar 2019, 1. August 2019 und 21. Januar 2020 bewirken soll. Mit der Leistungsklage beantragt der Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in der ihm gesetzlich zustehenden Höhe im streitigen Zeitraum.
Der beklagte Landkreis ist der zuständige Träger der Sozialhilfe. Nach § 46b Abs. 1 SGB XII werden die für die Ausführung des Gesetzes nach dem Vierten Kapitel zuständigen Träger nach Landesrecht bestimmt, sofern sich – wie hier – nach § 46b Abs. 3 SGB XII nichts Abweichendes ergibt. Soweit keine abweichende landesrechtliche Regelung besteht, gilt nach § 3 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch im Land Sachsen-Anhalt (AG SGB XII) vom 11. Januar 2005 in der Fassung des Gesetzes vom 23. April 2023 (GVBl. LSA S. 215) das Zwölfte Kapitel des SGB XII über die Regelungen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit für das Vierte Kapitel des SGB XII entsprechend.
Nach § 97 Abs. 1 SGB XII ist der örtliche Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig, sofern nicht der überörtliche Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig ist. Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird nach Landesrecht bestimmt (§ 97 Abs. 2 SGB XII). Nach § 3 Abs. 2 AG SGB XII ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig für
1. Leistungen der Hilfe zur Pflege im Sinne von §§ 61 bis 66 SGB XII,
2. Leistungen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten im Sinne von §§ 67 bis 69 SGB XII, wenn es erforderlich ist, die Hilfe in einer teilstationären oder stationären Einrichtung zu gewähren, und
3. Leistungen der Blindenhilfe im Sinne von § 72 SGB XII.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich die sachliche Zuständigkeit des örtlichen Trägers der Sozialhilfe für die Geldleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in Verbindung mit § 1 Satz 3 AG SGB XII. Örtliche Träger der Sozialhilfe sind die Landkreise und die kreisfreien Städte (§ 1 Satz 1 AG SGB XII). Für die Sozialhilfe örtlich zuständig ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten (§ 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Der Kläger wohnt in G. im Landkreis Anhalt-B., so dass der Beklagte der sachlich und örtlich zuständige Träger der Sozialhilfe ist.
Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger kein Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 30. September 2019 nach Überprüfung der Bescheide vom 10. Juli 2018, 15. Januar 2019, 1. August 2019 und 21. Januar 2020 zusteht. Denn im Gegensatz zur Ansicht des Klägers erweisen sich diese als rechtmäßig. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Der Beklagte ist vom zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Er hat auch das Recht richtig angewandt.
Nach § 19 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit § 41 Abs. 1 SGB XII in der Fassung des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I, S.453) ist älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 SGB XII und § 90 SGB XII bestreiten können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Leistungsberechtigt wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung nach § 41 Abs. 1 SGB XII ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat, unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI ist und bei dem es unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.
Diese Voraussetzungen lagen im Falle des Klägers während des streitgegenständlichen Zeitraums vor: Er hat das 18. Lebensjahr vollendet und ist unabhängig von der Arbeitsmarktlage dauerhaft voll erwerbsgemindert seit seiner Geburt (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland vom 30. April 2019), wobei die volle Erwerbsminderung offensichtlich nicht behoben werden konnte (ausweislich des Bescheides der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland vom 18. Oktober 2023 bezieht der Kläger nach Erfüllung der 20jährigen Wartezeit gemäß § 43 Abs. 6 SGB VI seit September 2023 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer).
Er hat allerdings keinen Anspruch auf höhere Leistungen gehabt. Vielmehr hat der Beklagte den Anspruch auf Grundsicherung korrekt - unter Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen - berechnet. Er hat dazu den monatlichen Regelbedarf und den Mehrbedarf „Merkzeichen G“ (§§ 42, 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII) angesetzt sowie die Bedarfe für Unterkunft und Heizung berücksichtigt (anteilige Heizkosten und anteilige Absetzungen für Abwasserkosten, Gebäudeversicherung, Grundsteuer, Müllentsorgung, Kehrgebühren und Trinkwasserkosten). Zutreffend hat der Beklagte das Kindergeld als Einkommen berücksichtigt sowie den aus der Beschäftigung in der WfbM erzielten Grundlohn unter Abzug des Freibetrages nach § 82 Abs. 3 SGB XII (50 Prozent des Grundlohns zzgl. des anrechnungsfreien Arbeitsförderungsgeldes), der Arbeitsmittelpauschale sowie der Haftpflicht- und Pflegeversicherung nach § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Anlagen der überprüften Bescheide Bezug genommen.
Das Kindergeld war als Einkommen auf den Bedarf des Klägers anzurechnen.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind für den Einsatz des Einkommens und des Vermögens die §§ 82 bis 84 sowie 90 und 91 SGB XII anzuwenden. Der Verweis auf die in Bezug genommenen Vorschriften ist umfassend gemeint (Scheider in: Schellhorn/Hohm/Scheider/Busse, SGB XII, 21. Aufl. 2023, § 43 Rn. 16, 20). Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Der sozialhilferechtliche Einkommensbegriff wird weder in § 82 SGB XII noch an anderer Stelle des SGB XII legal definiert. Unter „Einkommen“ im Sinne des § 82 SGB XII ist all das zu verstehen, was jemand in Form von Geld oder Geldeswert in der Bedarfszeit (Kalendermonat) wertmäßig dazu erhält (was ihm zufließt), ohne Rücksicht darauf, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahme besteht oder ob die Zahlung ohne Rechtspflicht erfolgt sowie unabhängig von Art, Rechtsgrund und Quelle der Einnahmen und ob sie laufend oder einmalig anfallen (BSG, Urteil vom 3. Juli 2020 – B 8 SO 27/18 R – juris Rn. 15; Urteil vom 28. Februar 2013 – B 8 SO 12/11 R – juris Rn. 14; Urteil vom 8. Februar 2007 – B 9b SO 5/06 R – juris Rn. 15; Sächsisches LSG, Urteil vom 15. September 2020 – L 8 SO 70/16 – juris Rn. 36).
Dem Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII sind grundsätzlich nur tatsächliche Zuflüsse in Geld oder Geldeswert zuzurechnen, es sei denn, es wird normativ ein anderer Verwendungszeitraum als maßgeblich festgelegt (modifizierte Zuflusstheorie: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Juni 2020 – L 20 SO 452/19 – juris Rn. 33). Nur bereite Mittel können als Einkommen berücksichtigt werden und die Hilfebedürftigkeit ausschließen. Nicht alsbald realisierbare Ansprüche sind dagegen kein Einkommen, weil den Anspruchsinhabern kein Geld oder Geldeswert tatsächlich zufließt und ihnen deshalb keine bereiten Mittel zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Dezember 2012 – L 9 SO 420/12 B ER – juris Rn. 18). Dies gilt nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) nicht, wenn Leistungsberechtigte nicht bereit sind, realisierbare Möglichkeiten der Selbsthilfe auszuschöpfen, da insoweit die Nachrangigkeit der Sozialhilfe greife (BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1983 – 5 C 112/81 – juris Rn. 11). Dem gegenüber vertritt das BSG die Ansicht, dass es sich bei § 2 Abs. 1 SGB XII nicht um eine isolierte Ausschlussnorm handele, was sich aus der Systematik des SGB XII sowie auch aus dem Wortlaut der Norm ergebe, der nicht auf bestehende andere Leistungsansprüche, sondern auf den Erhalt anderer Leistungen abstelle. Ein Leistungsausschluss ohne Rückgriff auf andere Normen des SGB XII ist demnach allenfalls in extremen Ausnahmefällen denkbar, etwa wenn sich der Bedürftige generell eigenen Bemühungen verschließt und Ansprüche ohne weiteres realisierbar sind (BSG, Urteil vom 26. August 2008 – B 8/9b 16/07 R – juris Rn. 15; Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R – juris Rn. 20; Urteil vom 2. Oktober 2010 – B 8 SO 21/08 R – juris Rn. 13).
Gemessen daran ist das Kindergeld dem Kläger während des streitgegenständlichen Zeitraums tatsächlich zugeflossen, da es von der Familienkasse auf sein Konto überwiesen und ihm gutgeschrieben worden ist. In Abgrenzung zum Vermögen im Sinne des § 90 SGB XII ist zu berücksichtigen, dass der Kläger das Kindergeld während der Bedarfszeit (Kalendermonat) tatsächlich wertmäßig dazu erhalten hat, während zum Vermögen zählt, was er in der Bedarfszeit bereits hat (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30. Juli 2008 – B 14/7b AS 12/07 R; Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 47/08 R – juris Rn. 14). Lebt ein volljähriges behindertes Kind in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern, so ist das an den Elternteil ausgezahlte Kindergeld nur dann als Einkommen des Kindes anzurechnen, wenn es an das Kind weitergeleitet wird, ihm also tatsächlich zufließt (BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 - B 9b SO 5/05 R – juris Rn. 16). Die Zurechnungsregel des § 82 Abs. 1 Satz 4 SGB XII gilt bereits ihrem Wortlaut nach nicht für volljährige Kinder (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Dezember 2016 – L 2 SO 5358/15 – juris Rn. 38).
Dem Kläger stand das Kindergeld von Januar 2018 bis September 2019 tatsächlich auch als „bereites Mittel“ zur Verfügung. Dagegen lässt sich im Gegensatz zur Ansicht der rechtlichen Betreuerin – seiner Mutter – nicht erfolgreich einwenden, dass diese den jeweiligen monatlichen Betrag nach eigenem Vortrag dem Konto des Klägers entnommen und für eigene Zwecke verbraucht hat. Das Sozialgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die eigentumsrechtliche Zuordnung eines Bankkontos auch bei rechtlicher Betreuung unberührt bleibt und hier nicht etwa dem Vermögen der Betreuerin zuwächst. Deren irrige Annahme, sie könne nach Belieben über das Konto des Klägers verfügen, müsste gegebenenfalls vom zuständigen Amtsgericht – Betreuungsgericht – geprüft werden. Als in diesem Sinne „bereites Mittel“ hat das Kindergeld als laufende Einnahme (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30. Juli 2008 – B 14 AS 26/07 R – juris Rn. 27) den Bedarf des Klägers im jeweiligen Kalendermonat in Höhe des ausgezahlten Betrages gedeckt.
Der Beklagte hat somit zutreffend das Kindergeld als Einkommen auf den Bedarf des Klägers angerechnet und schließlich die Höhe der ihm zustehenden Grundsicherungsleistungen korrekt berechnet.
Die Berufung war deshalb nicht erfolgreich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 160 Abs. 2 SGG.