L 18 R 511/23

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 48 R 1291/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 R 511/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.05.2023 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand:

Streitig ist ein Auskunfts- und Datenkopieanspruch nach Art. 15 der EU- Datenschutzgrundverordnung (EU-DS-GVO). Der Kläger begehrt von der Beklagten, dass diese ihm alle über ihn verarbeiteten personenbezogenen Daten in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung stellt.

 

Der Kläger bezog in der Vergangenheit mehrfach von der Beklagten verschiedene Leistungen, u.a. Leistungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation.  

 

Mit per E-Mail an die Beklagte übersandtem Schreiben vom 06.07.2019 forderte der Kläger die Beklagte dazu auf, ihm Auskunft über seine bei der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten nach Art. 15 EU-DS-GVO zu erteilen. Die Auskunft werde gem. Art. 15 Abs. 3 Satz 3 EU-DS-GVO in einem gängigen elektronischen Format, z.B. im Dateiformat PDF verlangt.

 

Daraufhin übersandte die Beklagte die von ihr über den Kläger geführten fünf Band Papierakten an ihr I. in Q.W. zur Durchführung einer Akteneinsichtnahme von dort aus. Unter dem 23.07.2019 übersandte sie das diesbezügliche Abgabeschreiben an den Kläger zur Kenntnis.  

 

Mit Fax vom 25.07.2019 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass von ihm ein Auskunftsanspruch in Form der Erteilung einer Kopie in einem gängigen elektronischen Format geltend gemacht werde. Die Gelegenheit zu der von der Beklagten angebotenen Akteneinsichtnahme erfülle den Auskunftsanspruch nicht.  

 

Unter dem 31.07.2019 übersandte die Beklagte daraufhin dem Kläger einige der von ihr über den Kläger geführten Unterlagen in Papierform und teilte ihm dabei mit, mit den beigefügten Unterlagen entspreche sie dessen Antrag auf Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten nach Art. 15 EU-DS-GVO i.V.m. § 83 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).  

 

Nachdem der Kläger in der Folgezeit über die Vorgehensweise der Beklagten eine Beschwerde bei dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und die Informationsfreiheit eingelegt hatte, bot die Beklagte dem Kläger unter dem 30.03.2020 erneut die Möglichkeit einer Akteneinsicht in der Auskunfts- und Beratungsstelle in Q.W. an. Außerdem teilte sie ihm mit, es bestehe auch die Möglichkeit, dem Kläger die Einheitsakte in Kopie zu übersenden.  

 

Mit per Fax am 07.09.2020 übermitteltem Schreiben vom 03.09.2020 forderte der Kläger die Beklagte nochmals auf, die fünf Band Einheitsakten in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen und setzte ihr hierfür eine Frist bis zum 09.10.2020. Eine Reaktion der Beklagten hierauf erfolgte nicht.

 

Am 18.11.2020 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, gegenüber der Beklagten einen Anspruch darauf zu haben, dass diese ihm eine vollständige Kopie seiner von der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung stelle. Um seinen Anspruch nach Artikel 15 Abs. 3 Satz 3 EU-DS-GVO zu erfüllen, sei es erforderlich, ihm die fünf Band Einheitsakten als Kopie in digitaler Form herauszugeben und dauerhaft zu überlassen. Vor der Erteilung der von ihm begehrten Auskunft bedürfe es hierüber auch nicht einer vorgelagerten Entscheidung der Beklagten.  

 

Der Kläger hat beantragt,

 

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Kopie aller seiner bei ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten, insbesondere die fünf Band Einheitsakten in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen,  

 

  1. hilfsweise die Beklagte im Wege der Untätigkeitsklage zu verurteilen, über den von ihm unter dem 06.07.2019 gestellten Antrag auf Auskunftserteilung zu entscheiden.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

           die Klage abzuweisen.

 

Sie hat sich mit der in der öffentlichen Sitzung des SG vom 03.05.2023 vom Kläger vorgenommenen Klageerweiterung durch die Untätigkeitsklage nicht einverstanden erklärt. In der Sache hat sie die Auffassung vertreten, dass der Kläger nicht beschwert sei, weil er die betreffenden Daten vor Ort einsehen oder in bereits zur Verfügung gestellter Papierform zur Kenntnis nehmen könne. Ihm könne die Verwaltungsakte der Beklagten nicht auf elektronischer Weise zur Verfügung gestellt werden. Ihr stehe derzeit kein entsprechendes Verfahren zur Verfügung. Sie arbeite daran, zukünftig die Auskunftserteilung nach Art. 15 EU-DS-GVO in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Es sei geplant, ein Auskunftsersuchen in den Online-Diensten der Deutschen Rentenversicherung zu etablieren. Über die Online-Dienste hätten die Versicherten heute die Möglichkeit, Versicherungsverläufe und Rentenauskünfte nach erfolgreicher Identifzierung elektronisch einzusehen. An der technischen und organisatorischen Umsetzung, die bisher in Papier und zum Teil digital geführte Akten für den Betroffenen einsehbar zu machen, werde gearbeitet. Der Kläger habe das Recht, die über ihn vorhandenen Papierakten in einer nahegelegenen Auskunfts- und Beratungsstelle einzusehen und/oder eine vollständige Kopie seiner Akten zu erhalten.  Aus Gründen der IT-Sicherheit und des Datenschutzes könnten jedoch keine Daten aus dem System der DRV Bund auf externe Träger ausgelagert werden. Ein Ablehnungsbescheid bezüglich der beantragten elektronischen Akteneinsicht sei nicht erteilt worden.

 

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat dem Kläger unter dem 09.02.2022 mitgeteilt, dass seiner Beschwerde nach Artikel 77 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) stattgegeben werde. Nach Aufklärung des Sachverhalts stehe für ihn fest, dass die DRV Bund gegen Art. 15 Abs. 3 Satz 3 EU-DS-GVO verstoßen habe. Die von dem Kläger dargelegte Problematik sei ihm bereits im Rahmen eines Aufsichts- und Kontrollbesuches bei der DRV Bund bekannt geworden. Er prüfe derzeit den Erlass einer aufsichtsrechtlichen Maßnahme nach Art. 58 Abs. 2 EU-DS-GVO gegen die DRV Bund.

 

Mit Urteil vom 03.05.2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Sozialrechtsweg sei eröffnet. Der Klageantrag zu 1) sei jedoch unzulässig. Die insoweit von dem Kläger erhobene Leistungsklage sei unstatthaft (§ 54 Abs. 5 SGG). In den Fällen, in denen eine Behörde einen Antrag auf Auskunftserteilung nach Art. 15 EU-DS-GVO ablehnen möchte, habe sie hierüber einen Verwaltungsakt zu erteilen. In dem dem Rechtsstreit vorangegangenen Verwaltungsverfahren habe die Beklagte jedoch keinen ablehnenden Verwaltungsakt über das Auskunftsersuchen des Klägers erlassen. Auch der Kläger selber habe die Schriftsätze der Beklagten nicht als Verwaltungsakt verstanden. In der mündlichen Verhandlung habe er vielmehr ausdrücklich ausgeführt, eine vorgelagerte Entscheidung über die Ablehnung der von ihm begehrten Auskunftserteilung sei seiner Ansicht nach nicht erforderlich.

 

Der Klageantrag zu 2) habe ebenfalls keinen Erfolg, er sei unzulässig, weil der Kläger seine Klage nicht wirksam geändert habe. Die Voraussetzungen des § 99 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien nicht gegeben.

 

Gegen das ihm am 21.06.2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.06.2023 Berufung eingelegt. Er erfülle sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des geltend gemachten Auskunfts- und Datenkopieanspruchs. Entgegen der Auffassung des SG sei die erstinstanzlich erhobene isolierte Leistungsklage statthaft. Es bedürfe keines Verwaltungsaktes für sein Begehren. Hinsichtlich des Auskunfts- und Datenkopieanspruchs aus Art. 15 EU-DS-GVO stünden die Beteiligten nicht in einem Subordinations-, sondern in einem Gleichordnungsverhältnis. Dies schließe eine Entscheidung durch Verwaltungsakt aus. Ihm stehe das unbedingte Klagerecht aus Artikel 79 Abs. 1 EU-DS-GVO unter den dort genannten und vorliegend erfüllten Voraussetzungen zu. Das vom SG kreierte Erfordernis einer Entscheidung durch Verwaltungsakt stelle eine Einschränkung im Sinne des Art. 23 Abs. 1 EU-DS-GVO der Pflichten und Rechte gemäß den Artikeln 12 bis 22 dar. Das Unionsrecht gebe verbindlich vor, dass der Verantwortliche auf einen Antrag der betroffenen Person auf Auskunft und Datenkopie nach Art. 15 EU-DS-GVO nur im Sinne eines bloßen Realakts tätig oder nicht tätig werde und keinesfalls Regelungsmacht ausübe.

 

Es treffe nicht zu, dass die Beklagte kein elektronisches Verfahren zur Verfügung stelle, mit dem eine Auskunft nach Art. 15 EU-DS-GVO beantragt werden könne. Jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt des Auskunftsantrages habe die Beklagte ein solches Verfahren in Form ihres E-Mail Systems mit Empfangsadresse „drv@drv-bund.de“ bereitgestellt. Diese Empfangsadresse habe sie als Kommunikationsmöglichkeit unter anderem auf ihrem geschäftlichen Schreiben an ihn (vgl. z.B. Schreiben vom 23.07.2019 oder 31.07.2019) angegeben und diese Kommunikationsmöglichkeit nicht auf bestimmte Zwecke oder Vorgänge beschränkt. Die Form der Auskunftserteilung stehe nicht im Ermessen der Beklagten als Verantwortliche im Sinne der EU-DS-GVO. Deren Art. 15 Abs. 3 Satz 3 gebe zwingend die elektronische Form vor. Mit Blick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.09.2024 im Verfahren B 7 AS 15/23 R erscheine es naheliegend, dass der hier streitige Auskunftsanspruch zutreffend im Wege der isolierten Leistungsklage geltend gemacht werden könne.

 

Der streitige Anspruch auf Zurverfügungstellung der Datenkopie in einem gängigen elektronischen Format werde von der Beklagten weiterhin nicht erfüllt. Nur in der elektronischen Form, nicht aber in der bewirkten Papierform, sei er auch angesichts des erheblichen Umfangs der Daten in angemessener Zeit in der Lage, mit Suchbegriffen das Datenmaterial „automatisiert“ zu durchsuchen. Der Senat werde gebeten, entweder die Revision zuzulassen oder dann als letztinstanzlich tätiges Gericht der Vorlagepflicht an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nachzukommen.

 

Klarstellend sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte mit Bescheid vom 29.08.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2024 die beantragte elektronische Auskunft/Datenkopie abschlägig beschieden habe. Dagegen sei ein Klageverfahren vor dem SG Düsseldorf zum dortigen Aktenzeichen S 48 R 657/24 anhängig. Die beiden Bescheide seien erst nach Anhängigkeit der hiesigen Berufung erlassen worden und auch nicht Gegenstand des hiesigen Berufungsverfahrens geworden.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.05.2023 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Kopie aller seiner bei der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten, insbesondere die fünf Band Einheitsakten in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen.

                                   

Die Beklagte beantragt,

 

                                    die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hat erneut dargelegt, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund zurzeit kein elektronisches Verfahren zur Verfügung stelle, mit dem eine Auskunft nach Art. 15 EU-DS-GVO beantragt und erteilt werden könne, solches aber geplant sei. Die Form der Auskunftserteilung habe die Beklagte als Verantwortliche des Verfahrens nach pflichtgemäßen Ermessen gemäß § 83 Abs. 2 SGB X zu bestimmen. Die Auskunft habe in erster Linie rechtssicher zu erfolgen und der erforderliche Aufwand für die Erteilung der Auskunft dürfe nicht außer Verhältnis zu dem von der betroffenen Person geltend gemachten Informationsinteresse stehen. Der Kläger habe weiterhin das Recht, die über ihn vorhandenen Papierakten in einer nahegelegenen Auskunfts- und Beratungsstelle einzusehen und/oder eine vollständige Kopie seiner Akten zu erhalten. Aus Gründen des Datenschutzes und der IT-Sicherheit können jedoch keine Daten aus dem IT-System der Deutschen Rentenversicherung Bund auf externe Datenträger ausgelagert werden. Dem Kläger seien zuletzt am 16.10.2023 sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen übersandt worden.

 

Von einer inzwischen ergangenen Aufsichtsanordnung des Bundesdatenschutzbeauftragten war dem Vertreter der Beklagten auf entsprechendes Befragen in der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2025 nichts bekannt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der Streitakten des SG Düsseldorf (S 48 R 825/20, S 48 R 855/20 und S 48 R 657/24) sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

 

Das SG hat die Leistungsklage des Klägers zu Recht abgewiesen. Der Sozialrechtsweg ist eröffnet. Dies ergibt sich für den Senat bereits aus § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).

 

Den geltend gemachten Anspruch verfolgt der Kläger unzulässiger Weise mit der echten Leistungsklage. Nach § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage eine Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Innerhalb des Klagesystems des SGG, das im Verhältnis zwischen Bürgern und öffentlich-rechtlichen Leistungsträger vom Verwaltungsakt als typischem Regelungsinstrument nach dem SGB X und der darauf aufbauenden Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ausgeht (§ 54 Abs. 1, 2 SGG), ist die isolierte oder echte Leistungsklage des Bürgers gegen den öffentlich-rechtlichen Leistungsträger die Ausnahme (BSG, Urteil vom 21.03.2006 – B 2 U 24 / 04 R – juris Rdn. 24).

 

Die Voraussetzungen für eine echte Leistungsklage sind nicht gegeben. Nicht entscheidungserheblich für die Zulässigkeit der Klage ist, ob gegen die Beklagte der Erlass einer aufsichtsrechtlichen Maßnahme nach Art. 58 Abs. 2 EU-DS-GVO durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit erfolgt ist. Denn eine solche Maßnahme betrifft das Verhältnis zwischen der Aufsichtsbehörde und dem Verantwortlichen bzw. dem Auftragsverarbeiter.

 

Über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch nach Art. 15 Abs.1, 3 EU-DS-GVO ist vor Klageerhebung eine Verwaltungsentscheidung in Form eines Verwaltungsakts erforderlich. Während Art. 15 Abs. 1 und 2 die inhaltlichen Anforderungen an zu erteilende Auskünfte regeln, bestimmt Abs. 3 das Verfahren, nach dem solche Auskünfte zu erteilen sind (Kamlah in Plath, DSGVO, BDSG/TTDSG, 4. Auflage 2023, Art. 15 Rdn. 16). Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 EU-DS-GVO stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Nicht zu entscheiden ist, in welchem Verhältnis die in Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 EU-DS-GVO normierten Rechtspositionen stehen, die die von einer Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten betroffene Person gegenüber dem Verantwortlichen geltend machen kann und welchen Inhalt bzw. welche Reichweite das Recht auf eine von dem Verantwortlichen zur Verfügung zu stellende Datenkopie aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 EU-DS-GVO hat (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.11.2022 – 6 C 10/21 – juris Rdn. 22 ff.).

 

Nach Maßgabe des materiellen Rechts der EU-DS-GVO und des nationalen Verfahrensrechts besteht jedenfalls bezüglich des Auskunftsrechts nach Art. 15 EU-DS-GVO ein Über- und Unterordnungsverhältnis der Beteiligten sowie eine gesetzliche Ermächtigung der Beklagten zur Entscheidung durch Verwaltungsakt.

 

Will die Behörde einen Antrag auf Auskunftserteilung nach Art. 15 EU-DS-GVO i.V.m. § 83 Abs. 2 SGB X n.F. ablehnen, hat sie hierüber durch Verwaltungsakt zu entscheiden (LSG NRW, Urteil vom 24.03.2021 – L 12 AS 2102/19 –  juris Rdn 58; Hundt in Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB X. 3. Auflage 2023, § 83 Rdn. 21). Nichts anderes gilt für den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 EU-DS-GVO. Die Entscheidung über die Auskunftserteilung nach Art. 15 EU-DS-GVO setzt eine Prüfung möglicher Ausschluss- und Beschränkungstatbestände, etwa nach Art. 15 Abs. 4, Art. 12 Abs. 5 Satz 2 oder Art. 23 EU-DS-GVO voraus (so zum Erfordernis einer Verpflichtungsklage bei einem Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 EU-DS-GVO BVerwG Urteil vom 30.11.2022 – 6 C 10/21 – juris Rdn. 14 und Urteil vom 16.09.2020 – 6 C 10/19 – juris Rdn. 14). So darf das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Abs. 3 die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen (Art. 15 Abs. 4 EU-DS-GVO).

 

Zu einer Entscheidung durch Verwaltungsakt ist die Beklagte auch nach der ab dem 25.05.2018 geltenden Fassung des § 83 SGB X (n.F.) ermächtigt. Diese ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 83 SGB X n.F. Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf nach Art. 15 EU-DS-GVO i.V.m. § 83 Abs. 3 Satz 2 SGB X n.F. keiner Begründung, soweit durch die Mitteilung der tatsächlichen und rechtlichen Gründe, auf die die Entscheidung gestützt wird, der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet würde. In diesem Fall ist die betroffene Person darauf hinzuweisen, dass sie sich, wenn die in § 35 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) genannten Stellen der Kontrolle des oder der Bundesbeauftragten unterliegen, an diesen oder diese, sonst an die nach Landesrecht für die Kontrolle des Datenschutzes zuständige Stelle wenden kann (§ 83 Abs. 3 Satz 3 SGB X). Die Einschränkung der Begründungspflicht nach § 83 Abs.3 Satz 2 spiegelt die Regel wider, dass die Ablehnung grundsätzlich durch einen zu begründenden Verwaltungsakt zu erfolgen hat (so zur ablehnenden Entscheidung nach § 83 SGB X a.F. bereits BSG Urteil vom 13.11.2012 –B 1 KR 13/12 R – juris Rdn. 10 ff.). Mit zutreffender Begründung hat das SG im angefochten Urteil ausgeführt, dass die Beklagte (bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils) keinen Verwaltungsakt erlassen hat.

 

Der während des Berufungsverfahrens ergangene Bescheid vom 29.08.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2024, mit dem der Antrag des Klägers auf elektronische Auskunft nach Art. 15 Abs. 3 EU-DS-GVO vom 06.07.2019 abgelehnt worden ist, ist unabhängig davon, dass der Kläger sein Begehren allein mit der Leistungsklage verfolgt, nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 SGG). Diese Verwaltungsentscheidung ersetzt oder ändert keinen Verwaltungsakt. Es handelt sich um die erstmalige Entscheidung durch einen Verwaltungsakt, die Gegenstand des Klageverfahrens S 48 R 657/24 ist.

 

Die Voraussetzungen für eine Klageänderung (im Sinne einer Klageerweiterung nach § 99 SGG in Verbindung mit § 153 Abs. 1 SGG), die vom Kläger nicht geltend gemacht wird, wäre auch nicht sachdienlich. Gegen den Bescheid vom 29.08.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2024 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 04.03.2024 Klage erhoben (S 48 R 657/24). Während der Rechtshängigkeit ist ein zweites Verfahren zwischen denselben Beteiligten über denselben Streitgegenstand unzulässig (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage 2023, § 94 Rdn. 7).

 

Für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach Art. 267 AEUV besteht im vorliegenden Verfahren kein Anlass. Die Rechtslage ist bereits durch die Rechtsprechung des EuGH in einer Weise geklärt, die keine Zweifel offen lässt. Insbesondere hat der EuGH geklärt, dass die nationalen Verfahrensvorschriften bestimmen, wie die von der Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe durchzuführen sind (vgl. BFH, Urteil vom 12.11.2024 IX R 20/22, juris Rdn. 54 unter Hinweis auf EuGH-Urteil vom 12.01.2023 – C-132/21 –    EU:C: 2023: 2, Rdn. 46).

 

Ob die materiellen Voraussetzungen für einen Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 EU-DS-GVO gegeben sind, ist im Streitverfahren S 48 R 657/24 zu prüfen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Kläger ist aufgrund seiner Versicherteneigenschaft gemäß § 183 SGG kostenprivilegiert. Die Beklagte verarbeitet die Daten, deren elektronische Auskunft und Übermittlung der Kläger verlangt, für Zwecke der Durchführung der gesetzlichen Rentenversicherung, deren Versicherter der Kläger ist.

 

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Rechtskraft
Aus
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