L 16 KR 223/23

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 74 KR 714/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 223/23
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 4/25 BH
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.02.2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Mitgliedschaft des Klägers in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

 

Der 0000 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.07.1969 bis Ende August 1971 als Soldat bei der Bundeswehr tätig. Nach Absolvieren eines Jurastudiums und Bestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung war er ab dem 01.08.1978 als Volljurist berufstätig, zunächst als angestellter Rechtsanwalt und später als selbstständig tätiger Rechtsanwalt. Nach einem Insolvenzverfahren einschließlich Beendigung der Anwaltstätigkeit war der Kläger in der Zeit vom 01.10.2003 bis zum 31.12.2009 versicherungspflichtig beschäftigt und sodann seit 2010 wieder als Rechtsanwalt hauptberuflich selbstständig tätig. Nachdem der Kläger für die Zeit ab 01.04.2012 eine freiwillige Mitgliedschaft als hauptberuflich selbstständiger Rechtsanwalt bei der Beklagten beantragt hatte, stellte diese bei ihrer Prüfung fest, dass der Kläger bereits in den Jahren 2007 bis 2010 nebenberufliche Einkünfte aus selbstständiger Arbeit hatte und bereits vor dem 01.04.2012 hauptberuflich selbstständig erwerbstätig gewesen war. Mit Bescheid vom 20.03.2014 bestätigte die Beklagte sodann die freiwillige Mitgliedschaft als hauptberuflich Selbstständiger zunächst ab 2009, half dem dagegen erhobenen Widerspruch jedoch mit Teilabhilfebescheid vom 18.07.2014 dahingehend ab, dass die freiwillige Versicherung ab dem 01.01.2010 bestehe und forderte die Beiträge von Januar 2010 bis März 2012 nach. Den weiter aufrechterhaltenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2014 im Übrigen zurück. Klage hat der Kläger hiergegen nicht erhoben.

 

Die Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte dem Kläger auf seinen Rentenantrag vom 07.01.2015 mit Wirkung zum 01.09.2015 eine Regelaltersrente.

 

Nach Beendigung der Anwaltstätigkeit im Januar 2017 war der Kläger vom 01.09.2018 bis zum 31.10.2018 als Beschäftigter versicherungspflichtiges Mitglied und ist, nachdem er vom 01.11.2018 bis 31.08.2020 bei einer anderen Kranken- und Pflegekasse versichert war, seit dem 01.09.2020 als Rentner freiwillig versichert bei der Beklagten zu 1). Zugleich ist er bei der Beklagten zu 2) in der sozialen Pflegeversicherung versichert. Der Kläger ist Vater von zwei Kindern.

 

Nachdem die Beklagten zuletzt mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2018 den Antrag des Klägers auf Einstufung in die KVdR seit dem 01.08.2017 abgelehnt hatten, stellte der Kläger mit Schreiben vom 29.03.2021 einen Überprüfungsantrag zur Neuentscheidung über die Einordnung in die KVdR. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 01.04.2021 ab, da der Antrag bereits mehrfach abgelehnt worden sei und keine neuen Erkenntnisse zum Sachverhalt vorlägen.

 

Der Kläger hat am 08.04.2021 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund (Aktenzeichen S 74 KR 714/21) erhoben und dort sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass die Bundeswehrzeit als Soldat auf Zeit für zwei Jahre (SaZ 2) nicht der Beginn seines Erwerbslebens sei. Der Wehrdienst stelle keine Erwerbstätigkeit dar. Die Bundeswehrzeit von zwei Jahren stehe diesem aber gleich, da keine Berufsausübung als Berufssoldat erfolgt sei und die eigentliche Berufsausübung erst nach dem zweiten juristischen Staatsexamen mit der sodann am 01.08.1978 aufgenommenen Tätigkeit begonnen habe. Als SaZ biete die Bundeswehr Längerdienenden eine Berufsausbildung an, die dann auch Grundlage für das anschließende Berufsleben sei. Bei Längerdienenden solle deshalb schon der Beginn des Wehrdienstes als Beginn der Rahmenfrist gelten. Er habe keine Berufsausbildung erhalten und sei in der Bundeswehrzeit als Wachsoldat tätig gewesen. Die fehlende Berufsausbildung als SaZ stehe deshalb dem Wehrdienst von 18 Monaten gleich. Er sei auch kein Berufssoldat gewesen und die Bundeswehr habe keine nachfolgende Förderung für das Jurastudium bewilligt. Die Zeit bei der Bundeswehr habe er freiwillig absolviert, er habe damit seine Wehrpflicht erfüllt, da er sich anstelle der Wehrpflicht freiwillig als Soldat auf Zeit verpflichtet habe. Der geringe Wehrsold habe nicht für eine freiwillige zusätzliche Krankenversicherung bei bestehender freier Heilfürsorge in der Bundeswehr ausgereicht. Die Verlängerung des Wehrdienstes um sechs Monate habe der Überbrückung bis zum Studienbeginn im Wintersemester 1971/1972 in D. gedient. Er habe nicht neun Monate als Bauarbeiter tätig sein wollen. Aufgrund der rechtswidrigen Versagung der Einordnung in die KVdR stehe ihm ein Rückzahlungsanspruch zu.

 

Die Beklagte zu 1) hat die Klageerhebung am SG als Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.04.2021 gewertet. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2021 hat sie auch im Namen der Beklagten zu 2) den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass als Erwerbstätigkeit jede auf Erwerb gerichtete oder zur Berufsausbildung ausgeübte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit gelte. Für den Beginn der Rahmenfrist komme es nicht darauf an, ob die Erwerbstätigkeit den Zugang zur Krankenversicherung eröffne. Deshalb löse auch die Aufnahme einer Tätigkeit, die nicht zur Versicherungspflicht führe oder kein Recht zum freiwilligen Beitritt eröffne, den Beginn der Rahmenfrist aus. Dies schließe etwa den Eintritt in ein Dienstverhältnis als SaZ oder Berufssoldat ein. Es werde auf das Gemeinsame Rundschreiben zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung der Rentner vom 01.01.2020, RDSchr. 19l, Tit. A I 3.3.1 Abs. 2 verwiesen.

 

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

 

die Beklagte zu verurteilen, ihn ab dem 01.08.2017 in der Krankenversicherung der Rentner statt als freiwillig Versicherten zu führen. Die Beklagte hat überzahlte Krankenversicherungsbeiträge ab 01.08.2017 zu erstatten/zu verrechnen mit Ausnahme der Beschäftigungszeit von September 2018 bis April 2020.

 

Die Beklagten haben schriftsätzlich beantragt,

 

                        die Klage abzuweisen.

 

Die Beklagte zu 1) hat ergänzend vorgetragen, dass das Dienstverhältnis des Klägers als SaZ die erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sei. Dies entspreche auch dem Zweck und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Denn die Bundesregierung habe zur Begründung ihres Gesetzesentwurfes erklärt, zur notwendigen Konsolidierung der KVdR solle beitragsfrei in der KVdR künftig nur der Rentner sein, der bereits vor der Rentenantragstellung zur Solidargemeinschaft der in der gesetzlichen Kranversicherung Versicherten gehört habe (Hinweis auf BT-Drs. 8/166 S. 23). Die Regelung der Krankenversicherungspflicht für Rentner gehe von dem Grundsatz aus, dass die Personen, die eine angemessene Zeit in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert und damit am Solidarausgleich für die KVdR ausreichend beteiligt gewesen seien, in der KVdR versichert würden. Dagegen sei es nicht vertretbar, auch solche Personen in der KVdR zu versichern, die als Erwerbstätige nicht am Solidarausgleich teilgenommen hätten. Bei der Beurteilung einer Erwerbstätigkeit komme es auf die Begründung von Versicherungspflicht nicht an. Die Rahmenfrist umfasse das gesamte Erwerbsleben. Alle Erwerbstätigkeiten seien unabhängig von der Dauer und von der Begründung einer Versicherungspflicht als Erwerbstätigkeit anzusehen. Denn wer eine Erwerbstätigkeit aufnehme, sei in der Regel sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich in der Lage, für seinen Krankenversicherungsschutz zu sorgen. Würde nur dann die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit vorliegen, wenn diese auch Versicherungspflicht begründen würde, würden diejenigen begünstigt, die zunächst zwar erwerbstätig, aber nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert gewesen seien. Für alle Erwerbstätigen, mit Ausnahme von versicherungsfrei geringfügig Beschäftigten, gelte, dass sie erwerbstätig im Sinne des Gesetzes seien und zwar unabhängig davon, ob Versicherungspflicht bestehe oder nicht. Auch eine Beschäftigung als Praktikant sei eine Erwerbstätigkeit, wenn sie gegen Entgelt ausgeübt werde. Der Kläger habe sich nach dem Absolvieren seiner Wehrpflicht freiwillig und gegen Zahlung eines Entgeltes dazu entschieden, für einige Monate zur Überbrückung bis zum Beginn seines Studiums als SaZ tätig zu sein. Eine Dienstverpflichtung habe mithin nicht bestanden. Als SaZ habe der Kläger in einem Arbeitsverhältnis und einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis mit der Bundeswehr gestanden. Er sei somit auch wirtschaftlich in der Lage gewesen, für seinen Krankenversicherungsschutz zu sorgen. Die Nichterfüllung der Zugangsvoraussetzungen für die KVdR führe auch nicht zum Verlust des Krankenversicherungsschutzes insgesamt. Der Kläger habe die Möglichkeit der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung, welche eine gleichwertige Absicherung im Krankheitsfalle beinhalte.

 

Das SG hat am 09.02.2022 einen Erörterungstermin durchgeführt, in welchem der Kläger seine Klagebegehren dargestellt hat. Sodann ist mit Beschluss vom 26.08.2022 eine Auftrennung des Verfahrens erfolgt. Unter dem bisherigen Aktenzeichen ist die Klage gegen den Bescheid vom 01.04.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2021 auf Einordnung in die KVdR fortgeführt worden.

 

Das SG hat die Klage mit nach Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangenem Urteil vom 06.02.2023 abgewiesen. Der Kläger sei nicht Mitglied der KVdR, da er die gesetzlichen Voraussetzungen der Vorversicherungszeit nicht erfülle. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V i. d. F. vom 01.01.2015 (a.F.) seien versicherungspflichtig Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen würden und diese Rente beantragt hätten, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert gewesen seien. Gemäß § 5 Abs. 2 SGB V a. F. stünden der nach Absatz 1 Nr. 11 erforderlichen Mitgliedszeit bis zum 31. Dezember 1988 die Zeit der Ehe mit einem Mitglied gleich, wenn die mit dem Mitglied verheiratete Person nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder selbstständig tätig gewesen sei. Bei Personen, die ihren Rentenanspruch aus der Versicherung einer anderen Person ableiten würden, gälten die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 11 oder 12 als erfüllt, wenn die andere Person diese Voraussetzungen erfüllt hätte. Auf die nach Absatz 1 Nr. 11 erforderliche Mitgliedszeit werde für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 SGB I) eine Zeit von drei Jahren angerechnet. Die Rahmenfrist, innerhalb der Versicherungszeiten anrechenbar seien, beginne mit dem Tag der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und ende mit dem Tag der Rentenantragstellung. Zwischen den Beteiligten sei vorliegend der Beginn der Rahmenfrist streitig, während die der Berechnung zugrunde zu legenden Versicherungszeiten unstreitig seien. Der Kläger habe erstmalig am 01.01.1971, mithin nach Absolvierung des gesetzlich vorgeschriebenen Wehrdienstes von 18 Monaten, durch die freiwillige Verpflichtung zum Dienst als SaZ eine Erwerbstätigkeit aufgenommen. Die Rahmenfrist umfasse das gesamte Erwerbsleben. Eine Erwerbstätigkeit sei jede entgeltliche Beschäftigung oder Tätigkeit (Hinweis auf BSG, Urteil vom 17.05.2001 – B 12 KR 33/00 R –, Rn. 16 sowie Urteil vom 22.02.1996 – 12 RK 33/94 –, Rn. 18, beide juris) mit Ausnahme von versicherungsfreien geringfügigen Beschäftigungen. Unerheblich sei, ob die konkrete Beschäftigung nach dem jeweils geltenden Recht in allen oder in einzelnen Zweigen der Sozialversicherung versicherungsfrei sei und ob sie auf Dauer angelegt sei. Denn wer eine Erwerbstätigkeit aufnehme, sei in der Regel sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich in der Lage, für seinen Krankenversicherungsschutz zu sorgen. Läge nur dann die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit vor, wenn diese auch Versicherungspflicht begründe, würden diejenigen begünstigt, die zunächst zwar erwerbstätig, aber nicht in der GKV versichert gewesen seien. Entgegen der Ansicht der Beklagten beginne die Rahmenfrist nicht bereits mit dem Beginn des Wehrdienstes, denn dieser führe nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Nach § 3 Abs. 1 Wehrpflichtgesetz (WPflG) in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung vom 14. Mai 1965 (BGBl I, 391) werde die Wehrpflicht durch den Wehrdienst oder durch den zivilen Ersatzdienst erfüllt. Der aufgrund der Wehrpflicht zu leistende Wehrdienst umfasse nach § 4 Abs. 1 WPflG den Grundwehrdienst, die Wehrübung und im Verteidigungsfall den unbefristeten Wehrdienst. Von diesen Arten des Wehrdienstes komme im vorliegenden Fall nur der Grundwehrdienst in Betracht. Der Grundwehrdienst habe nach § 5 Abs. 1 WPflG 18 Monate betragen. Während nach § 4 Abs. 3 WPflG die freiwillig den Grundwehrdienst Leistenden die Rechtsstellung von Soldaten hätten, die aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leisteten, werde nach § 7 WPflgG der aufgrund freiwilliger Verpflichtung (von Soldaten auf Zeit) in der Bundeswehr geleistete Wehrdienst auf den Grundwehrdienst angerechnet. Dies bedeute, dass SaZ keinen Grundwehrdienst zu leisten brauchten, soweit sie aufgrund der freiwilligen Verpflichtung Wehrdienst geleistet hätten. Der Grund dafür liege darin, dass der von SaZ freiwillig geleistete Wehrdienst dem aufgrund der Wehrpflicht zu leistenden Grundwehrdienst gleichwertig sei und ihn überflüssig mache. Der Gesetzgeber des WPflG habe daher durch die Anordnung den von SaZ freiwillig geleisteten Wehrdienst dem aufgrund der Wehrpflicht zu leistenden Grundwehrdienst gleichgestellt (Hinweis auf BSG, Urteil vom 26.09.1974 – 5 RJ 77/72 –, Rn. 12, juris). Damit beginne ab dem Zeitpunkt, ab dem der Kläger freiwillig als SaZ gedient und seine Wehrpflicht bereits erfüllt habe, seine Erwerbstätigkeit. Der Kläger habe sich freiwillig und gegen Zahlung eines Entgeltes dazu entschieden, sich weiter zu verpflichten. Er habe dies getan, um die Zeit bis zum Studienbeginn zu überbrücken und nicht als Bauarbeiter arbeiten zu müssen. Allerdings hätte auch die Tätigkeit als Bauarbeiter den Beginn der Erwerbstätigkeit ausgelöst. Es überzeuge nicht, nur dann den Beginn der Erwerbstätigkeit anzunehmen, wenn ein SaZ eine Berufsausbildung von der Bundeswehr erhalte oder finanziert bekomme. Der Kläger werde nicht besser oder schlechter gestellt als jeder andere, der nach Absolvierung der Wehrpflicht und vor Beginn eines Studiums oder einer Ausbildung eine entgeltliche Beschäftigung aufnehme und dabei nicht gesetzlich krankenversichert sei. Dies zugrunde gelegt, beginne die Rahmenfrist am 01.01.1971 und ende am 07.01.2015 mit Stellung des Rentenantrages. Die zweite Hälfte der Rahmenfrist beginne daher am 04.01.1993 und umfasse 22 Jahre und 4 Tage. Davon müsse der Kläger mindestens 9/10, mithin 19 Jahre, 9 Monate und 26 Tage bei Berücksichtigung von zwei Kindern Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert gewesen sein. Diese Vorversicherungszeit erfülle der Kläger jedoch nicht, da sie bei ihm lediglich 17 Jahre, 3 Monate und 7 Tage mit den zu berücksichtigenden zwei Kindern umfasse.

 

Gegen dieses ihm am 16.02.2023 zugestellte Urteil richtet sich die am 22.02.2023 erhobene Berufung des Klägers. Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Das SG habe gegen die gesetzliche Bestimmung der BW-Heilfürsorgeverordnung verstoßen, die für aktive Soldaten einschließlich Berufssoldaten und SaZ eine freie Heilfürsorge bestimmt habe. Auch könne der 01.01.1971 nicht als Beginn der Vorversicherungszeit bestimmt werden. Nach Studium und Referendariat sei der Beginn der Rahmenfrist der Beginn der Anstellung als Rechtsanwalt am 01.08.1978. Bei Stellung des Rentenantrages am 07.01.2015 sei die zweite Hälfte der Vorversicherungszeit von 36,5 Jahren und 5 Monaten mit 18 Jahren plus 2 Monaten der Rahmenfrist von 17 Jahren 3 Monaten und 7 Tagen mit über 95% voll erfüllt und die beantragte Einordnung in die KVdR somit durchzuführen.

 

Der Kläger beantragt schriftsätzlich bei verständiger Würdigung seines Vortrages,

 

das Urteil des SG Dortmund vom 06.02.2023 aufzuheben und die Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01.04.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2021 zu verpflichten, ihn ab dem 01.08.2017 in der KVdR zu versichern und überzahlte Beiträge zu erstatten, hilfsweise ihn beitragsfrei zu versichern.

 

Die Beklagten beantragen schriftsätzlich,

 

                        die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

 

Den am 27.06.2023 gestellten Antrag des Klägers, eine „Eilentscheidung zur Einordnung in die KVdR vor dem nächsten Zahltag am 14.07.“ zu treffen, hat der Senat mit Beschluss vom 12.12.2023 (Aktenzeichen L 16 KR 637/23 ER) abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs- sowie der Gerichtsakte und der beigezogenen Verfahrensakte L 16 KR 637/23 ER verwiesen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG). Insbesondere ist das Einverständnis auch nicht durch die im Nachgang zur Beratung des Senates vom 19.12.2024 eingegangenen weiteren Schriftsätze des Klägers vom 02.01.2025, 08.01.2025, 19.01.2025 und 21.01.2025 überholt, denn eine wesentliche Änderung der Sach-, Beweis- und Rechtslage liegt darin nach Auffassung der Berufsrichter, die ohne die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter über die Erheblichkeit des weiteren Vorbringens entscheiden, nicht (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.10.2019 – L 6 U 40/17 –, Rn. 24, juris; Bergner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 124 SGG <Stand: 15.06.2022>, Rn. 90 m. w. N.).

 

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

 

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Beklagten haben mit ihnen zutreffend die Einordnung des Klägers in die KVdR ab dem 01.08.2017 abgelehnt.

 

Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug, § 153 Abs. 2 SGG. Allerdings weist der Senat darauf hin, dass, ohne dass er darüber abschließend entscheiden müsste, als Beginn der maßgeblichen Rahmenfrist im Falle des Klägers auch der von den Beklagten gewählte Zeitpunkt am 01.07.1969 in Betracht kommt. Auch ab diesem Zeitpunkt erscheint bereits die Annahme einer Aufnahme der Erwerbstätigkeit aufgrund der freiwilligen Verpflichtung zum Dienst als SaZ bei der Bundeswehr vertretbar. Denn während nach § 4 Abs. 3 WPflG die freiwillig den Grundwehrdienst Leistenden die Rechtsstellung von Soldaten zukam, die aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leisteten, erfolgte nach § 7 WPflgG die Anrechnung des aufgrund freiwilliger Verpflichtung (von SaZ) in der Bundeswehr geleistete Wehrdienst auf den Grundwehrdienst. Dies führte im Ergebnis dazu, dass SaZ keinen Grundwehrdienst zu leisten brauchten, soweit sie aufgrund der freiwilligen Verpflichtung Wehrdienst geleistet hatten (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26.09.1974 – 5 RJ 77/72 –, Rn. 12, juris). Der aufgrund freiwilliger Verpflichtung geleistete Wehrdienst kann aber – was der Senat angesichts der Tatsache, dass der Kläger sowohl bei Annahme der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am 01.07.1969 als auch am 01.01.1971 nicht die nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V für die Aufnahme in die KVdR erforderlichen Vorversicherungszeiten erreicht, im Ergebnis dahinstehen lassen kann – als Tätigkeit gegen Entgelt zur Sicherung des Lebensunterhaltes angesehen werden. Soweit der Kläger vorträgt, das SG habe gegen die gesetzliche Bestimmung der BW-Heilfürsorgeverordnung verstoßen, die für aktive Soldaten einschließlich Berufssoldaten und SaZ eine freie Heilfürsorge bestimmt habe, trägt dieses Argument einen späteren Beginn der Rahmenfrist nicht. Für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als maßgeblicher Beginn für die Rahmenfrist ist es unerheblich, ob die konkrete Beschäftigung nach dem jeweils geltenden Recht in allen oder in einzelnen Zweigen der Sozialversicherung versicherungsfrei ist (BSG, Urteil vom 17.05.2001 – B 12 KR 33/00 R –, juris, Rn. 19).

 

Da die Einordnung in die KVdR ausscheidet, kann der Kläger keine Beitragserstattung aus bzw. eine beitragsfreie Durchführung seiner freiwilligen Mitgliedschaft verlangen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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