L 2 SO 1096/25

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 1182/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 1096/25
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. März 2025 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten



Gründe


I.
Streitig ist die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für das Jahr 2023.

Der 1980 geborene, voll erwerbsgeminderte Kläger, der vom Beklagten laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII bis 30.09.2021 bezogen hatte, erhielt ab dem 01.10.2021 keine Leistungen mehr vom Beklagten (vgl. Bewilligungsbescheide vom 23.06.2021 und 20.08.2021 sowie Aufhebungsbescheid vom 23.09.2021), weswegen der Kläger in der Vergangenheit bereits zahlreiche Verfahren beim Sozialgericht (SG) Reutlingen sowie beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg geführt hatte. Am 13.01.2023 (Bl. 2279 VA) beantragte er erneut formlos die Gewährung von Grundsicherungsleistungen beim Beklagten.

Auf die Anforderung des Beklagten vom 19.01.2023, die Antragsformulare ausgefüllt und unterschrieben zurückzusenden sowie weitere Unterlagen vorzulegen (Bl. 2304 VA), erwiderte der Kläger mit Faxschreiben vom 24.01.2023 (Bl. 2347 VA), dass bereits alle Unterlagen beim Beklagten vorlägen. Er füge deshalb nur folgende Unterlagen bei: Kontoauszüge der Monate September bis November 2022 - wonach der Kläger die Rente monatlich komplett an seine Mutter überwies - weitere Buchungsvorgänge oder Barauszahlungen lassen sich den Kontoauszügen nicht entnehmen
- (Bl. 2344 bis 2346 VA), eine aktuelle Rentenauskunft (Bl. 2343 VA) und eine Kopie seines Personalausweises (Bl. 2341 VA). Mit Schreiben vom 24.05.2023 (Bl. 2682 VA) wiederholte er, dass er keine weiteren Angaben machen und auch keine anderen Unterlagen vorlegen werde. Dem Beklagten liege alles vor, um über seinen Antrag zu entscheiden.

Diesen Antrag lehnte der Beklagte sodann mit Bescheid vom 05.06.2023 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 11.06.2023 (Bl. 2698 VA), in dem der Kläger nochmals betonte, er habe alles Erforderliche mitgeteilt, mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2023 als unbegründet zurück. Der Kläger weigere sich, die notwendigen Formulare auszufüllen. Da er seit Oktober 2021 keine Leistungen mehr erhalte, könne darauf nicht verzichtet werden. Der Kläger trage die Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale.

Hiergegen hat der Kläger am 22.06.2023 Klage beim SG Reutlingen erhoben und den Kammervorsitzenden des SG zum wiederholten Male wegen Befangenheit abgelehnt, da dieser u.a. jahrelang Schreiben des Beklagten ohne Unterschriften akzeptiert, Verfahren wegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ausgesetzt und Dinge übersehen habe, „sowie jeden Mist glaube“. Dieser sei ein „Rechtsbeuger“. Zur Sache hat der Kläger u.a. erklärt, dass er einen Mietvertrag aus Straftaten bedienen müsse. Aber selbst ohne Anerkennung des Mietvertrags sei er hilfebedürftig. Die Grundsicherung hätte nie eingestellt werden dürfen. Er habe seit 2021 nonstop Fortzahlungsanträge gestellt, die vom Beklagten ignoriert und vertuscht würden.

Einen im August 2023 im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren vom Kläger gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das SG mit Beschluss vom 13.09.2023 abgelehnt (S 4 SO 1688/23 ER). Die vom Kläger hiergegen zum LSG Baden-Württemberg erhobene Beschwerde ist erfolglos geblieben (Beschluss des Senats vom 18.10.2023, - L 2 SO 2683/23 ER-B -).

Den vom Kläger gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorliegende Verfahren hat das SG mit Beschluss vom 30.10.2023 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Klägers ist vom Senat zurückgewiesen worden (Beschluss vom 19.12.2024, - L 2 SO 3095/23 B -).

Der Kläger hat am 03.01.2024 erneut beim Beklagten die Gewährung von Grundsicherungsleistungen beantragt. Daraufhin sind dem Kläger für die Zeit ab 01.01.2024 mit Bescheid vom 23.05.2024 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2024 Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung des Regelsatzes und der von ihm bezogenen Erwerbsminderungsrente gewährt worden. Unterkunftskosten sind nicht anerkannt worden. Die hiergegen zum SG Reutlingen erhobene Klage (S 4 SO 1353/24) ist noch anhängig.

Das SG hat die vorliegende Klage mit Urteil vom 17.03.2025 abgewiesen. Die Kammer könne unter Mitwirkung des Vorsitzenden entscheiden. Das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch des Klägers sei unzulässig. Der Kläger versuche seit Jahren einen Richter, der eine ihm missliebige Ansicht vertrete, mit unsubstantiierten, zu einem erheblichen Teil unsachlichen Vorhaltungen auszuschalten. Das sei rechtsmissbräuchlich. Die Klage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden, der Kläger habe in den streitbefangenen Monaten keinen Anspruch auf Grundsicherung gegen den Beklagten. Hierzu nehme man vollumfänglich Bezug auf die Ausführungen des LSG Baden-Württemberg im Beschluss vom 19.12.2024.

Gegen das ihm gegen Postzustellungsurkunde am 26.03.2025 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.03.2025 Berufung zum LSG Baden-Württemberg erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, dass er um „Fahrtkosten, Terminverschiebung, PKH und Anwalt und Akteneinsicht beschissen“ worden sei. Er habe den Kammervorsitzenden des SG wegen Befangenheit abgelehnt. Er halte auch die Richterin am LSG E1 und den Vorsitzeden S1 für fragwürdig. Er halte auch die Richterin am LSG E1 und den Vorsitzeden S1 für fragwürdig. In einem früheren Verfahren habe diese Richterin ihn „um Fahrtkosten nach S2 betrogen“. Dieser Befangenheitsantrag sei nie ordentlich behandelt worden. S1 folge sicher den realitätsfremden Entscheidungen. Er halte es zudem keine gute Idee, ohne ehrenamtliche Richter und ohne Termin zu entscheiden.
Der Kläger hat weiter angegeben, dass er alle Unterlagen vorgelegt habe. Seine Hilfebedürftigkeit werde durch die Zahlung der Miete eindeutig belegt. Er habe kein Geld zum Überleben und müsse Straftaten begehen. Er benötige dringend Leistungen ab 01.01.2023, insbesondere als Befreiungsbeleg für den Rundfunkbeitrag. Er begehre zudem Zinsen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß)

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. März 2025 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.Juni 2023 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2023 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die angefochtene Entscheidung.

Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 15.05.2024 darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

II.
Der Senat kann in der geschäftsverteilungsplanmäßigen Besetzung entscheiden. Der Kläger hat zwar ausgeführt, dass er den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht S1 und die Richterin am Landessozialgericht E1 für „fragwürdig“ und „realitätsfremd“ halte. Unabhängig davon, ob darin schon ein Ablehnungsgesuch gesehen werden kann, wäre ein solches zumindest offensichtlich unzulässig, denn es handelt sich hierbei um ein rechtsmissbräuchliches und gänzlich untaugliches Ablehnungsgesuch, über das ausnahmsweise im vereinfachten Ablehnungsverfahren in der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten Richter (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 02.06.2005 - 2 BvR 625/01 -, juris, Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage 2023, § 60 Rn. 10d; Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 09.01.2023 - B 8 SO 45/22 BH -, BeckRS 2023, 1570 Rn. 2, beck-online) und auch nicht vorab zu entscheiden ist. Irgendwelchen substantiierten und individualisierten Tatsachenvortrag zu einer möglichen Befangenheit der Richter enthalten die Aussagen des Klägers nämlich nicht und sind im Übrigen auch sonst nicht erkennbar. Soweit der Kläger vorträgt, vorherige Befangenheitsanträge seien nicht bearbeitet worden, stimmt dies so nicht. Auf den Beschluss des Senats vom 05.06.2024 (L 2 SF 1698/24 B) wird Bezug genommen.

III.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass das SG das Ablehnungsgesuch gegen den Kammervorsitzenden wegen offensichtlicher Unzulässigkeit verworfen hat. Deshalb war der Kammervorsitzende auch nicht von dieser Entscheidung ausgeschlossen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 20.07.2021 - 2 BvE 4/20 - juris, Rdn. 35 m.w.N.; Keller a.a.O. Rn. 10b, d). Etwas anderes ergibt sich entgegen des Vorbringens des Klägers auch nicht daraus, dass das SG das persönliche Erscheinen des Klägers zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht angeordnet und ihn mit Schreiben vom 20.02.2025 darauf hingewiesen hat, dass eine Fahrtkostenübernahme in einem solchen Fall nur bei nachgewiesener Mittellosigkeit erfolgen könne. Einen ausdrücklichen Verlegungsantrag hat der Kläger im Anschluss hieran nicht gestellt. Das SG konnte daher, da dem Kläger die Ladung zum Termin offensichtlich zugegangen ist (vgl. Postzustellungsurkunde vom 18.02.2025, Bl. 42 SG-Akte) und er hierin darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten bzw. Bevollmächtigten Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann, in Abwesenheit des Klägers entscheiden. Soweit der Kläger sich über die fehlende Gewährung von PKH beschwert, wird auf die PKH-Ablehnung des SG vom 30.10.2023 sowie die hierzu ergangene Beschwerdeentscheidung des Senats verwiesen.

Wie das SG weiter zu Recht ausgeführt hat, ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens allein der Leistungszeitraum vom 01.01.2023 (Antragstellung am 13.01.2023) bis zum 31.12.2023. Durch den Neuantrag des Klägers vom 03.01.2024 (Bl. 2966b VA), mit dem er Leistungen ab 01.01.2024 begehrt, ist eine zeitliche Zäsur eingetreten. Die Stellung eines neuen Antrags bewirkt die Erledigung des angefochtenen Bescheids für den Zeitraum, der von dem neuen Bescheid erfasst ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.02.2010 - B 8 SO 21/08 R - juris Rn. 9; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14.06.2018 - L 15 AS 258/16 - juris Rn. 27 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R - juris Rn. 17).

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils weiter zutreffend unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 19.12.2024 ausgeführt, das für den streitigen Zeitraum kein Anspruch des Klägers auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung besteht, da der Kläger nicht hilfebedürftig ist. Auf seine nach wie vor zutreffenden Ausführungen in diesem Beschluss - auch im Berufungsverfahren hat der Kläger keine weiteren Unterlagen, die seine Hilfebedürftigkeit belegen würden, vorgelegt - nimmt auch der Senat erneut Bezug. Dem ist nichts hinzuzufügen, so dass von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend abgesehen werden kann.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der Vortrag im Berufungsverfahren. Allein dass der Kläger ausweislich der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen die von ihm erhaltene Erwerbsminderungsrente jeden Monat vollständig auf das Konto seiner Mutter (nach seinem Vortrag seine Vermieterin) überweist, belegt weder die Wirksamkeit eines Mietvertrags noch dass der Kläger hilfebedürftig ist. Vielmehr kann anhand der vorliegenden Unterlagen nicht nachvollzogen werden, dass Hilfebedürftigkeit im streitigen Zeitraum bestanden hat. Hieran bestehen nach wie vor erhebliche Zweifel (vgl. Beschluss des Senats vom 19.12.2024, a.a.O.). Soweit der Kläger (wiederholt) im Berufungsverfahren angeführt hat, auf „Straftaten“ zur Deckung seines Lebensunterhaltes zurückzugreifen, genügt dies auch den hiesigen Anforderungen an den Nachweis für die Hilfebedürftigkeit nicht. Zwar ist der Kläger nicht verpflichtet, sich durch konkrete Angaben zu Straftaten selbst zu bezichtigen und damit gegebenenfalls einer Strafverfolgung auszusetzen, jedoch ändert dies nichts an dem Erfordernis des Nachweises seiner Hilfebedürftigkeit.

Da schon kein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung besteht, kann der Kläger (unabhängig davon, ob die sonstigen Voraussetzungen hierfür vorliegen würden), auch keine Zinsen geltend machen.

Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).


 

Rechtskraft
Aus
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