Bei Untätigkeitsklagen in Betriebsprüfungsverfahren ist der Streitwert in der Regel zwischen 10 und 25 v.H. des Streitwerts der "Hauptsache" anzusetzen. Dabei ist es unerheblich, ob die Beitragsforderung im Verwaltungsverfahren bereits beglichen wurde (entgegen LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2018 – L 7 BA 1871/18 B).
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 15.08.2024 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Über die Streitwertbeschwerde entscheidet der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung mit drei Berufsrichtern (§ 66 Abs. 6 S. 2 Gerichtskostengesetz [GKG]).
Die gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte Beschwerde ist zulässig. Insbesondere steht ihr die fehlende Nichtabhilfeentscheidung des Sozialgerichts nicht entgegen. Zwar ist gemäß §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 1 GKG eine Abhilfeentscheidung des Sozialgerichts weiterhin vorgesehen. Eine solche ist hier nicht erfolgt, denn die Akte ist nach Eingang der Beschwerdeschrift und Kenntnisnahme der Kammervorsitzenden unmittelbar dem Landessozialgericht vorgelegt worden. Dies führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit der Beschwerde, da das Vorliegen einer Abhilfeentscheidung keine Verfahrensvoraussetzung für die Beschwerdeinstanz ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23.02.2010 – 3 Ws 301/09 – juris Rn. 21; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.05.2022 – L 8 BA 30/22 B – juris Rn. 3f.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 30.05.2016 – L 1 KA 3/15 B – juris Rn. 17).
Die Beschwerde ist indes nicht begründet. Die Streitwertfestsetzung des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden.
Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert aufgrund richterlichen Ermessens nach der Bedeutung zu bestimmen, die die Sache für den Kläger seinem Antrag nach hat, soweit nichts anderes geregelt ist. Eine in diesem Sinne abweichende Vorschrift enthält § 52 Abs. 3 GKG. Betrifft der Antrag des Klägers einen Verwaltungsakt, der auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet ist, so ist deren Höhe maßgebend. Nur wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts, d.h. die Feststellung der Bedeutung der Sache für den Kläger, keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist ein Streitwert von 5.000 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).
Der Antrag der Klägerin betraf keinen Verwaltungsakt, der auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet ist. Zwar ist auch bei Anfechtungsklagen in Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p Abs. 1 S. 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) der Streitwert nach § 52 Abs. 3 GKG zu bestimmen, da das Interesse des klagenden (möglichen) Arbeitgebers in der Regel im Wesentlichen darin besteht, die im Bescheid festgesetzte - bezifferte - Beitragsforderung zu vermeiden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.09.2020 – L 8 BA 45/20 B – juris Rn. 3). Hier ging es der Klägerin aber nicht um die Aufhebung des Beitragsbescheides, sondern im Wege der Untätigkeitsklage um die Verpflichtung der Beklagten, über ihren Widerspruch gegen den Bescheid vom 31.05.2022 zu entscheiden. Die Klage war damit nicht auf Erlass bzw. Aufhebung eines Bescheides über eine bezifferte Geldleistung gerichtet, sondern auf den Erlass eines Widerspruchsbescheides.
Bei Untätigkeitsklagen im sozialgerichtlichen Verfahren ist der Streitwert dementsprechend nicht nach § 52 Abs. 3 GKG zu bestimmen, sondern in aller Regel nach § 52 Abs. 1 GKG. Er beträgt zwischen 10 und 25 v.H. des Streitwerts der "Hauptsache" (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.11.2021 – L 9 SO 310/20 B – juris Rn. 9; Beschluss vom 13.05.2013 – L 8 R 126/13 B – juris Rn. 7; Bayerisches LSG, Beschluss vom 09.10.2014 – L 5 R 604/14 B – juris Rn. 8).
Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 06.07.2018 (L 7 BA 1871/18 B) die Auffassung vertritt, der Streitwert sei jedenfalls in Fällen, in denen – wie hier – die Beitragsforderung im Verwaltungsverfahren bereits beglichen worden ist, auf die Hälfte der streitigen Beitragsforderung festzusetzen, vermag der erkennende Senat dem nicht zu folgen (so aber LSG Baden-Württemberg, a.a.O., juris Rn.25). Denn es ergeben sich mit der Zahlung auf die Beitragsforderung in der Bemessung des wirtschaftlichen Interesses keine für den Ansatz des Streitwerts erheblichen Unterschiede. Sowohl vor als auch nach der Zahlung liegt das wirtschaftliche Interesse alleine darin, den Beitragsanspruch abzuwehren. Zwar ist mit der Zahlung eine – vorläufige – finanzielle Belastung eingetreten, die mit dem Obsiegen im Widerspruchsverfahren jedoch wieder beseitigt werden kann. In beiden Fällen korrespondiert das wirtschaftliche Interesse mit der Höhe der Beitragsforderung. Es besteht daher kein Anlass, einen anderen Rahmen anzuwenden als in den übrigen denkbaren Konstellationen bei Untätigkeitsklagen, sodass der Streitwert auch hier in der Regel zwischen 10 und 25 v.H. des Streitwerts der "Hauptsache“ anzusetzen ist. Grundsätzlich mag es Sachverhalte geben, in denen die Untätigkeitsklage einen höheren Streitwert als bis zu 25 v.H. der Hauptsache auslöst. Dafür bedarf es dann aber besonderer Umstände, für der vorliegende Sachverhalt keine Anhaltspunkte bietet. Das Sozialgericht hat in der Anwendung richterlichen Ermessens den im Regelfall anzuwendenden Rahmen nicht überschritten. Dies ist durch den Senat nicht zu beanstanden.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 Sozialgerichtsgesetz).