Die Aussetzung des sozialgerichtlichen Klageverfahrens bis zum Abschluss eines vor der Klageerhebung obligatorischen außergerichtlich Vorverfahrens ist nicht geboten.
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Tatbestand
Die Beteiligten streiten erneut um ein Darlehen für Mietschulden nach dem SGB II.
Der 1976 geborene Kläger zu 1. und die 1984 geborene Klägerin zu 2. sind Eltern des 2016 geborenen Kläger zu 3. Sie bewohnen zu dritt eine Mietwohnung mit einer Bruttokaltmiete in Höhe von 2.000,- € monatlich, die sie nicht mithilfe ihrer (Erwerbs-) Einkommen entrichten können.
Ihre auf die Verurteilung zur Gewährung eines Darlehens zur Tilgung ihrer Mietschulden in Höhe von 24.000,- € gerichtete Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 13.06.2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.2024 wies das Sozialgericht Karlsruhe mit Gerichtsbescheid vom 02.05.2025 ab (S 16 AS 2045/24). Zur Begründung führte das angerufene Gericht aus, die Voraussetzungen für die Gewährung eines Darlehens nach § 22 Abs. 8 SGB II lägen nicht vor. Die Vorschrift ermögliche die Übernahme von Schulden für Unterkunft und Heizung, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt sei. Im vorliegenden Fall sei eine Darlehensgewährung nicht zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt, denn ein Darlehen sei zur Sicherung der Unterkunft nicht geeignet. Der Zweck der Sicherung der Unterkunft werde nicht erreicht, wenn trotz Schuldenübernahme langfristig die unangemessen teure Wohnung nicht erhalten werden könne. Keinesfalls dürfe die Transferleistung dazu dienen, den Leistungsempfänger lediglich von zivilrechtlichen Ansprüchen eines Vermieters freizustellen. Im vorliegenden Fall übersteige die monatliche Bruttokaltmiete mit 2.000,00 Euro die herangezogenen Werte des Wohngeldgesetzes für einen 3-Personen Haushalt in der Mietenstufe III von 726,66 Euro um ein Vielfaches. Eine konkrete Aussicht, wie die Kläger diese hohe Miete werden tragen können, bestehe nicht, zumal der Kläger zu 1. für zwei minderjährige Kinder außerhalb der Bedarfsgemeinschaft dem Grunde nach unterhaltspflichtig ist. Es sei daher zu erwarten, dass erneut Mietschulden entstehen und eine dauerhafte Sicherung nicht erreicht werden könne.
Die Kläger bewohnen immer noch die gleiche Unterkunft und konnten auch für Februar und März die Bruttokaltmiete von 2.000,- € nicht zahlen. Sie beziehen immer noch Bürgergeld. Der Beklagte bewilligte es ihnen zuletzt am 17.04.2025 für Mai bis Oktober 2025.
Bereits am 16.04.2025 stellten die Kläger den hier streitgegenständlichen Antrag auf darlehensweise Übernahme der im Februar und März 2025 zusätzlich zu den bisherigen Mietschulden aufgelaufenen 4.000,- €. Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 16.04.2025 mit der Begründung ab, ihre Kosten der Unterkunft und Heizung der Kläger seien unangemessen hoch.
Die Kläger haben deshalb am 06.06.2025 erneut das Sozialgericht Karlsruhe angerufen, den Ablehnungsbescheid vom 16.04.2025 vorgelegt, ihre Notsituation beschrieben und (in einer sachgerechten Fassung durch das Gericht) sinngemäß beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 16.04.2025 zu verurteilen, ihnen ein Darlehen für Mietschulden in Höhe von 4.000,00 Euro zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er hält die Klage für unzulässig, weil vor der Klage kein Vorverfahren abgeschlossen worden sei.
Das Gericht hat die Beteiligten zur Klageabweisung durch Gerichtsbescheid angehört und nimmt wegen des Sachverhalts und Vorbringens auf die Akten Bezug. |
Entscheidungsgründe: |
Entscheidungsgründe
1. Über die Klage kann das Gericht nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist.
2. Die Klage ist als unzulässig abzuweisen, weil die prozessrechtlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Sachentscheidung aus § 78 SGG fehlen.
Danach ist eine Klage vor Abschluss eines sog. Vorverfahrens betreffend die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungshandelns unzulässig. Das Vorverfahren muss mit einer ablehnenden Entscheidung der Verwaltung durch Widerspruchsbescheid enden (vgl. MKLS/B. Schmidt, 12. Aufl. 2017, SGG § 78 Rn. 2).
Gemessen hieran können die Kläger Ansprüche wegen der Gewährung eines Darlehens zur Tilgung ihrer Mietschulden für die Monate Februar und März 2025 noch nicht vor dem Sozialgericht geltend machen. Es ist insofern noch kein Widerspruchsbescheid erlassen worden. Insbesondere ist ein solches Vorverfahren nicht im Nachgang zum Ablehnungsbescheid vom 16.04.2025 abgeschlossen worden. Es ist schon deshalb nicht durchgeführt worden, weil die Kläger den zur Einleitung des Vorverfahrens erforderlichen Widerspruch nicht eingelegt haben.
Die Aussetzung des sozialgerichtlichen Klageverfahrens bis zum Abschluss eines vor der Klageerhebung obligatorischen außergerichtlich Vorverfahrens ist nicht geboten. Soweit dem Klagebegehren im Rahmen eines künftigen Vorverfahrens noch nicht abgeholfen werden sollte, würde im Anschluss an den künftigen Erlass eines etwaigen Widerspruchsbescheides eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig und dadurch der Justizgewährleistungsanspruch der Kläger hinreichend gewahrt sein. Zudem trägt den gesetzgeberisch gewollten Funktionen von Widerspruchsverfahren diese Klageabweisung besser Rechnung als eine alternativ mögliche Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens: Erstens dienen Widerspruchsverfahren der Selbstkontrolle der Verwaltung. Zweitens erweitern sie die Rechtsschutzmöglichkeiten für die Betroffenen. Drittens entlasten sie das Sozialgericht. Viertens ist die Abweisung der verfrüht vor Abschluss des Vorverfahrens erhobenen Klage als unzulässig den Klägern hier zuzumuten, weil ihnen die Rechtsauffassung des Gerichts bereits aufgrund des Gerichtsbescheides vom 02.05.2025 hinlänglich bekannt und eine Senkung ihrer Kosten für Unterkunft und Heizung sozialrechtlich geboten sein dürfte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. |