L 1 SF 18/25 DS ER B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SF 2063/24 DS ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 SF 18/25 DS ER B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 6. Dezember 2024 wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird endgültig auf 1.500 € festgesetzt.



Gründe


I.

Der Beschwerdeführer (Bf.) macht im Rahmen eines Eilrechtsschutzes einen datenschutzrechtlichen Schadensersatzspruch geltend.

Der Bf. ist bei der IKK Classic nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) krankenversichert. Ihm wurde eine Versorgung mit Hörgeräten zu Lasten der Krankenversicherung verordnet. Hierzu wandte er sich an die Beschwerdegegnerin (Bg.), ein Hörgeräteakustiker-Unternehmen.

Mit Schreiben vom 18. Juli 2023 wandte sich der Bf. an die Bg. und widersprach der Verarbeitung seiner dort gespeicherten personenbezogenen Daten. Falls die Bg. seine personenbezogenen Daten weiteren Empfängern offengelegt habe, verlange er außerdem, dass die Empfänger über die Löschung der personenbezogenen Daten informiert würden und unverzügliche Bestätigung, dass seine personenbezogenen Daten gelöscht worden seien.

Am 21. November 2024 hat der damalige Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Konstanz Klage erhoben (Az.: S 2 SF 2064/24 DS) und gleichzeitig Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung hat er ausgeführt: „Hiermit erhebe ich Klage gegen die Firma G1 als Auftragsverarbeiter der IKK Classic wegen Hörgeräteversorgung, hier Datenschutzmissachtung/Datenschutzauskunft. Hiermit erhebe ich zusätzlich nach § 86b Abs:2 S:2 SGG die einstweilige Anordnung gegenüber dem Auftragsverarbeiter der IKK Classic. Hiermit fordere ich Schadensersatz in Höhe von 1.500,00 € von der Firma: G1 Hörakustik ... wegen Missachtung meiner Datenschutzauskunftsbegehren seit dem 18.07.2023.“

Mit Beschluss vom 6. Dezember 2024 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Zur Begründung hat das SG u.a. ausgeführt, der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei eröffnet. Es bestehe jedoch bereits kein Anordnungsanspruch. Der Antragsteller könne von der Antragsgegnerin nicht nach den Regelungen des Sozialdatenschutzes die Löschung der dort gespeicherten Daten verlangen. Die Antragsgegnerin sei weder Leistungsträgerin, noch eine Auftragsdatenverarbeiterin für die IKK Classic. Vielmehr habe die Antragsgegnerin als privatrechtlich organisiertes Unternehmen mit dem Antragsteller eine rein privatrechtliche Vertragsbeziehung geführt. Die Antragsgegnerin habe auch nicht im Auftrag der IKK Classic Daten verarbeitet. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin nur diejenigen Daten verarbeitet habe, die ihr der Kläger selbst geliefert habe, etwa über die Verordnung. Entsprechend könne der Antragsteller auch keinen Schadensersatz aus einer Pflichtverletzung nach den Vorschriften über den Sozialdatenschutz ableiten. Darüber hinaus habe der Antragsteller einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Eine Eilbedürftigkeit hinsichtlich einer Datenlöschung und eines Schadensersatzanspruches sei nicht erkennbar.

Mit Schreiben vom 24. Dezember 2024 (Eingang beim SG am 30. Dezember 2024) hat der Bf. hiergegen Beschwerde eingelegt. Er hat mitgeteilt, der Sachverhalt könne - um Wiederholungen zu vermeiden - den Akten des SG entnommen werde. Ergänzend hat er eine „ausführliche Stellungnahme“ bis zum 31. Januar 2024 angekündigt, die dann auch im Internet „online gestellt“ werde und zudem - ohne nähere Erläuterung des Zusammenhangs - verschiedene Aktenzeichen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aufgelistet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakte der Bg. Bezug genommen.

II.

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Bf. ist statthaft und zulässig. Der Beschwerdeausschluss des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG greift nicht ein. Sie ist jedoch unbegründet.

Der Bf. hat im Beschwerdeverfahren keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, seinen Schriftsätzen vor dem SG kann jedoch entnommen werden, dass er mit dem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz eine (einstweilige) Zahlung von Schadensersatz wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Vorschriften begehrt. In Abweichung zur Auslegung durch das SG vermag der Senat hingegen nicht zu erkennen, dass der Bf. im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz auch die Löschung gespeicherten Daten begehrt, sein artikuliertes Begehren beschränkt sich ausschließlich auf die Gewährung von Schadensersatz.

Die Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung liegen nicht vor.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu bedarf es eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds. Der Anordnungsanspruch ist der materiell-rechtliche Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die Entscheidung eilbedürftig ist und es nach den Umständen des Einzelfalls für den Betroffenen unzumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und umgekehrt. (Keller in: Meyer-Ladewig/u.a., SGG, 14. Auflage, 2024, § 86b Rn. 27 – m.w.N.).

Ist die Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist ein Antrag auf einstweilige Anordnung auch dann abzulehnen, wenn ein Anordnungsgrund gegeben ist. Ist die Hauptsache hingegen offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Bei offenem Ausgang der Hauptsache ist eine Abwägung unter Berücksichtigung der Folgen und Interessen erforderlich (Keller, a.a.O., Rn. 29, 29a). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind unter Beachtung der objektiven Beweislastverteilung glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind.

Mit Blick auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch fehlt es sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch an einem Anordnungsgrund.

1.)
Rechtsgrundlage eines möglichen Schadenersatzanspruchs ist Art 82 DS-GVO. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gem. Art 82 Abs. 1 DS-GVO sind jedoch nicht erfüllt. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO ist nach eindeutiger Rechtsprechung des EuGH dahingehend auszulegen, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 – C-300/21 –, juris) und der in dieser Bestimmung vorgesehene Schadenersatzanspruch ausschließlich eine Ausgleichsfunktion erfüllt, da eine auf diese Bestimmung gestützte Entschädigung in Geld es ermöglichen soll, den erlittenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen (EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 – C-182/22 und C-189/22 –, juris). Voraussetzung für die Entstehung des Schadenersatzanspruchs nach Art 82 Abs. 1 DS-GVO ist daher kumulativ eine Verarbeitung personenbezogener Daten unter Verstoß gegen die Bestimmungen der VO und ein der betroffenen Person entstandener Schaden sowie ein Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Verarbeitung und diesem Schaden (EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 C-182/22 und C-189/22 - juris).

Der Senat kann offenlassen, ob - wofür allerdings auch keine Anhaltspunkte ersichtlich sind - hier überhaupt eine Datenverarbeitung unter Verstoß gegen die DS-GVO vorliegt. Selbst wann man nämlich einen entsprechenden Verstoß als gegeben unterstellt, scheidet ein Schadensersatzanspruch jedenfalls deswegen aus, da dem Bf. kein ersatzfähiger Schaden entstanden ist (vgl. zum Folgenden: BSG Urteil vom
24. September 2024 - B 7 AS 15/23 R -, juris, Rn. 30 ff m.w.N.).

Art 82 Abs. 1 DS-GVO ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGHs dahin auszulegen, dass der bloße Verstoß gegen die VO bei der Datenverarbeitung nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen. Vielmehr muss auch ein konkreter materieller oder immaterieller Schaden vorliegen (vgl. ua EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-182/22 und C-189/22 - juris, m.w.N.). Der Eintritt eines Schadens wird nicht vermutet. Vielmehr trägt die Person, die auf der Grundlage von Art. 82 DS-GVO den Ersatz eines immateriellen Schadens verlangt, die objektive Beweislast, dass ihr durch den Verstoß gegen die VO ein solcher Schaden entstanden ist. Der Zweck der DS-GVO, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten, würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn die pauschale Behauptung eines Nachteils ausreichen würde, um einen ersatzfähigen Schaden zu begründen (BSG vom 24. September 2024 - B 7 AS 15/23 R -, juris, Rn. 30 ff; LAG Düsseldorf vom 28. November 2023 - 3 Sa 285/23 – juris, Rn. 49 ff; ähnlich LAG Baden-Württemberg vom 27. Juli 2023 - 3 Sa 33/22 -, juris, Rn. 8). Vorliegend hat der Bf. Gesichtspunkte, die für die Feststellung des Vorliegens eines ersatzfähigen Schadens sprechen könnten, weder vorgetragen, noch sind diese sonst wie ersichtlich. Die vom Bf. begehrte Schadenssumme in Höhe von 1.500 € ist von diesem beliebig und nicht durch begründete Angaben belegt bestimmt worden.

Zwar kann eine betroffene Person einen konkreten immateriellen Schaden iS des Art 82 Abs. 1 DS-GVO auch durch den Verlust der Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten erleiden, wie sich aus Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck des Art 82 DS-GVO ergibt (EuGH, Urteil vom 25. Januar 2024 – C-687/21 –, juris). Unter einem Kontrollverlust versteht der EuGH dabei allerdings nur eine Situation, in der die betroffene Person die begründete Befürchtung hegt, dass einige ihrer personenbezogenen Daten künftig von Dritten weiterverbreitet oder missbräuchlich verwendet werden. Ein rein hypothetisches Risiko der missbräuchlichen Verwendung durch einen unbefugten Dritten genügt dafür nicht. Rein hypothetisch ist das Risiko beispielsweise dann, wenn kein Dritter die fraglichen personenbezogenen Daten zur Kenntnis genommen hat. Das Schadensverständnis der VO wird auch aus Erwägungsgrund 75 bzw. 85 Satz 1 deutlich. Als Regelbeispiele, die einen physischen, materiellen oder immateriellen Schaden begründen können, werden ua benannt, wenn die Verarbeitung zu einer Diskriminierung, einem Identitätsdiebstahl oder -betrug, einem finanziellen Verlust, einer Rufschädigung, einem Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden personenbezogenen Daten, der unbefugten Aufhebung der Pseudonymisierung oder anderen erheblichen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Nachteilen führen kann, wenn die betroffenen Personen um ihre Rechte und Freiheiten gebracht oder daran gehindert werden, die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren (BSG vom 24. September 2024 - B 7 AS 15/23 R -, a.a.O., Rn. 31 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass Daten vom Antragsgegner verordnungswidrig an einen Dritten gelangt sind oder dass eine der Situationen vorliegt, die den in den Erwägungsgründen regelbeispielhaft aufgeführten entspricht, trägt der Bf. weder vor, noch sind solche feststellbar.

2.)
Zudem fehlt es an einem Anordnungsgrund im Sinne einer Eilbedürftigkeit für eine gerichtliche Regelung. Der Bf. hat weder Gründe vorgetragen, die für eine besondere Eilbedürftigkeit sprechen könnten, noch sind solche bei dem geltend gemachten Schadensersatzbegehren auch nur denkbar. Der Senat hat vor diesem Hintergrund auch keinen Anlass, die angekündigte weitere (und im Internet veröffentlichte) Begründung des Bf. abzuwarten, zumal eine wochenlange Dauer bis zur Begründung eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz von vorneherein nicht mit einer behaupteten Eilbedürftigkeit in Einklang zu bringen ist.

3.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 Alt 1 SGG werden Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben, wenn weder der Bf. noch die Bg. zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. So liegt der Fall hier. Insbesondere ist der Bf. nicht in seiner Eigenschaft als Versicherter iS des § 183 SGG an dem Verfahren beteiligt (BSG vom 24. September 2024 - B 7 AS 15/23 R -, juris Rn. 45), sondern begehrt als betroffene Person von dem Bf. als Verantwortlichem für die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten Schadenersatz nach Art 82 DS-GVO. Schadenersatz stellt keine Versicherungsleistung dar. Für eine Anwendbarkeit des Kostenprivilegs des § 183 SGG müssen zumindest Leistungen mit ähnlicher oder vergleichbarer Funktion wie bei echten Sozialleistungen nach § 11 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) im Streit stehen. Dem Schadenersatz fehlt eine einer Sozialleistung vergleichbare Funktion. Sozialleistungen dienen der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SGB I), während dem Schadenersatzanspruch nach Art 82 DS-GVO - wie ausgeführt - Ausgleichsfunktion für begangene Verstöße gegen die VO zukommt (BSG vom 24. September 2024 - B 7 AS 15/23 R -, juris m.w.N.).

Die Kostenentscheidung des SG war entsprechend abzuändern.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Klage- und Berufungsverfahren durch den Senat beruht auf § 197a Abs. 1 SGG iVm § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 und § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Da der Antrag des Bf. auf Zahlung von 1.500 € gerichtet ist, war der Streitwert auf diesen Betrag festzusetzen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).


 

Rechtskraft
Aus
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