L 5 KR 160/24 B ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 10 KR 25/24 B ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR160/24 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Die Darlegung, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird (Prognose), erfordert, dass der Krankenhausträger die relevanten Tatsachen plausibel schildert und aussagekräftig mit Nachweisen belegt.

2. Bei der Überprüfung von Prognoseentscheidungen ist auf den zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung ermittelten Kenntnisstand der Behörde abzustellen.

3. Zur Widerlegung der Prognose des Krankenhauses müssen die Krankenkassen tatsächliche Anhaltspunkte aufzeigen, die begründeten Anlass zu Zweifeln an deren Richtigkeit geben; sie haben sich mit allen bis zu diesem Zeitpunkt ihr bekannten, die Prognose des Krankenhausträgers tragenden Argumenten/Elementen sorgfältig auseinandersetzen.

3. Die Prognose den Krankenhauses ist bereits widerlegt, wenn die rechtlich relevanten Zweifel die sonstigen Umstände überwiegen, nicht erst dann, wenn die Erreichung der Mindestmenge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.

4. In die im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vorzunehmende umfassende Interessen- und Folgenabwägung im Einzelfall sind wirtschaftliche Interessen des Krankenhauses nicht (nochmals) einzustellen, wenn die zum Ausschluss von der Versorgung führenden Normen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen und der Ausschluss des betreffenden Krankenhauses von der Versorgung der Erwartung des Normgebers entspricht.

Auf die Beschwerde der Antragsgegner werden der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 17. Dezember 2024 aufgehoben und der Antrag abgelehnt.

 

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

 

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 45.939,50 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Trägerin eines zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenen Krankenhauses am Standort H.

Mit Schreiben vom 23. Juli 2024 teilte die Antragstellerin den Landesverbänden der Krankenkassen und dem Verband der Ersatzkassen e.V. in Schleswig-Holstein – den Antragsgegnern dieses Verfahrens – ihre Prognose zur Erreichung der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgesetzten jährlichen Mindestmenge von 100 chirurgischen Behandlungen des Brustkrebses (Mamma-CA-Chirurgie) mit. Sie gab an, im Jahr 2023 insgesamt 67, jedoch in den letzten zwei Quartalen 2023 und den beiden ersten Quartalen 2024 insgesamt 80 dieser Eingriffe durchgeführt zu haben, die sich konkret wie folgt verteilten:

III. Quartal 2023: 19,

IV. Quartal 2023: 21,

I. Quartal 2024: 26,

II. Quartal 2024: 14.

Für 2025 prognostizierte die Antragstellerin mindestens 100 entsprechende Behandlungen. Sie begründete ihre Prognose mit einer deutlichen Leistungssteigerung seit dem Jahr 2022 um 60 Prozent; gerade in den letzten 12 Monaten sei eine Leistungssteigerung klar erkennbar gewesen. Im März 2024 sei jedoch der Chefarzt der Frauenklinik sehr plötzlich und überraschend verstorben.

Im Rahmen der Anhörung durch die Antragsgegner erläuterte die Antragstellerin mit Schreiben vom 23. August 2024 dazu weiter, dass zum 1. September 2024 eine personelle Neubesetzung der Chefarztstelle erfolge. Es sei zu erwarten, dass ein Teil des Patientenstamms der bis dahin in S wirkenden neuen Chefärztin dieser folgen werde. Weiter seien neue Strukturen initiiert worden zur Versorgung der Mammakarzinompatientinnen, u.a. sei „externes Know-how“ gewonnen und der Ablauf des Tumorboards optimiert worden. Dieses sei an die Zuweiser kommuniziert worden, wodurch ein Abbruch in der Zuweisung neuer Patientinnen habe abgemildert werden können. In die Betrachtung der Fallzahlen sei auch die veränderte neoadjuvante Behandlungssituation der Mammakarzinompatientinnen einzubeziehen. Durch veränderte Therapieschemata gehe ein Großteil der Mammakarzinompatientinnen zunächst in die Therapieschleife einer neoadjuvanten Chemo-/ Antikörpertherapie für mehrere Monate. Die eigentliche Operation, die einzig für die Fallzahlerfassung zähle, erfolge dann erst im Intervall, so dass ein aktuell bereits in Therapie befindlicher Schwung an Patientinnen für das laufende und letzte Quartal des Jahres erwartet werde.

Die Antragsgegner baten mit Schreiben vom 3. September 2024 um Klärung weiterer, konkret benannter Punkte. So wurde u.a. um einen Beleg gebeten, dass der anhand der Fallzahlen bereits auch für 2024 erkennbare deutliche Negativtrend beendet werden könne. Weiter werde um eine Erklärung der Antragstellerin gebeten, weshalb sie davon ausgehe, dass es zu einer „Patientinnen-Mitnahme“ der neuen Chefärztin und dadurch bedingt zu einer Fallzahlensteigerung kommen werde. Ferner wurde die Antragstellerin aufgefordert zu erläutern, weshalb die beabsichtigte Auffrischung der Kontakte zu niedergelassenen Zuweisern zu einer Steigerung der Fallzahlen führen solle, wenn dies doch in der Vergangenheit nicht gelungen sei. Auch wegen der erwarteten Fallzahlensteigerung durch Gewinnung externen Know-hows, der Optimierung des Tumorboards und der Berücksichtigung der Therapieschleife bei neoadjuvanten Chemo-/Antikörpertherapie wurde die Antragstellerin zu einer konkretisierenden Stellungnahme aufgefordert.

Dieser Aufforderung entsprechend nahm die Antragstellerin mit Schreiben vom 17. September 2024 Stellung. Im Jahr 2024 seien bislang 47 Mammakarzinom-Operationen durchgeführt worden. Weitere neun Operationen seien noch im September und Anfang Oktober 2024 geplant. In der Rückschau sei der verstorbene Chefarzt der Frauenklinik schwer erkrankt gewesen und habe seiner Arbeit wahrscheinlich nicht mehr vollumfänglich nachgehen können, worunter auch die Patientinnen-Akquise und die Kommunikation mit den niedergelassenen Kollegen gelitten habe. Auch sei es nach Versterben des Chefarztes zu einem Einbruch bei den Zuweisungen gekommen. Durch die neu besetzte Position und nun aktuell bereits offenere Kommunikation mit den Zuweisern zeige sich ein deutlich positives Stimmungsbild; bereits in den letzten drei Wochen habe man konkret Zuweisungen von Niedergelassenen aus dem ehemaligen Arbeitsgebiet der neuen Chefärztin verzeichnen und neue Patientinnen mit Mammakarzinom anbinden können. Die Kooperation mit einem externen gynäkologischen Onkologen sei nach Versterben des chefärztlichen Kollegen kurzfristig geschaffen worden, um so eine fachlich optimale Versorgung der onkologischen Patientinnen auch in der Abwesenheit eines Chefarztes zu gewährleisten. Die Kooperation bestehe zunächst weiter, so dass im Klinikum eine breite gynonkologische Expertise angeboten werden könne. Die Tumorkonferenz sei in der Frequenz von vierwöchentlich auf nun zweiwöchentlich erhöht worden, so dass eine weitere rasche Information über Patientinnen und Therapieentscheidungen an die niedergelassenen Kollegen weitergeleitet werde. Dieses steigere bereits die subjektive Zufriedenheit der Zuweiser, wodurch eine Fallzahlsteigerung zu erwarten sei. Die neoadjuvante Chemotherapie sei eine etablierte Therapieform bei der Mammakarzinom Behandlung und auch bei der Antragstellerin bereits lange Jahre durchgeführt worden. Durch zunehmende onkologische Erkenntnisse und neue Substanzgruppen in der Therapie zeigten sich eine Verlängerung der Applikationsphase für Chemotherapie zwischen der eigentlichen Diagnose und anschließender Operation der Patientinnen. Damit gebe es auch zeitliche Verzögerungen zwischen Erstdiagnose und Operation. Abschließend verwies die Antragstellerin nochmals auf die durch das plötzliche Versterben des Chefarztes der Frauenklinik hervorgerufene Ausnahmesituation, sowie das große Versorgungsgebiet des Kreises einschließlich der dazugehörigen Inseln und die Notwendigkeit, die Versorgung der Mammakarzinompatientinnen aufrecht zu erhalten.

Mit Bescheid vom 1. Oktober 2024 widerlegten die Antragsgegner nach abschließender Abstimmung untereinander die Mindestmengenprognose der Antragstellerin für die chirurgische Behandlung des Brustkrebses (Mamma-Ca-Chirurgie). Zur Begründung führten sie aus, dass erhebliche Zweifel daran bestünden, dass die Antragstellerin die festgelegte Mindestmenge im nächsten Kalenderjahr erreichen werde und begründeten dies damit, dass die Mindestmenge sowohl im Jahr 2023, als auch im Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2023 und dem 30. Juni 2024 jeweils deutlich verfehlt worden sei. Eine positive Entwicklung sei überdies nicht zu erkennen, da bei linearer Fortschreibung der bisherigen Fallzahlen die Mindestmenge bezogen auf das Gesamtjahr 2024 erneut deutlich unterschritten werde. Den Stellungnahmen von der Antragstellerin könnten keine Gründe entnommen werden, die für ein zukünftiges Erreichen der Mindestmenge sprächen. Insbesondere fehle es an einem positiven Trend. Der Wechsel in der Chefarztposition stelle einen Personalwechsel und keine Personalmehrung dar. Wegen der Patientinnenströme und Zuweiserkontakte sei zu berücksichtigen, dass auch andere Krankenhäuser in der Region die in Rede stehende Leistung erbrächten. Das Tumorboard sei ein etabliertes Instrument an nahezu allen relevanten Krankenhäusern und stelle kein Alleinstellungsmerkmal der Antragstellerin dar. Hinsichtlich der neoadjuvanten Behandlungsform sei darauf zu verweisen, dass eine zeitlich verlagerte Behandlung keine Auswirkungen auf die Gesamtfallzahlen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid (Bl. 65 ff. eVerwaltungsakte) Bezug genommen.

Gegen den von den Antragsgegnern gemeinschaftlich erlassenen Widerlegungsbescheid hat die Antragstellerin am 1. November 2024 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben (Az. S 10 KR 25/24).

Am 6. Dezember 2024 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Schleswig um einstweiligen Rechtsschutz ersucht mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Widerlegungsbescheid anzuordnen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Bescheid vom 1. Oktober 2024 sei offensichtlich rechtswidrig. Die von ihr mit Schreiben vom 23. Juli 2024 übermittelte Prognose sei „richtig“ i.S. des § 136b Abs. 5 Satz 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Sie habe anhand von konkreten personellen und strukturellen Veränderungen aufgezeigt und begründet, weshalb im Jahr 2025 mit voraussichtlich mindestens 100 chirurgischen Behandlungen des Brustkrebses in ihrer Klinik zu rechnen sei. Der Bescheid vom 1. Oktober 2024 enthalte keine begründeten Zweifel an der von der Antragstellerin übermittelten Prognose.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegner vom 1. Oktober 2024 anzuordnen.

Die Antragsgegner sind dem Eilantrag mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2024 entgegengetreten und haben beantragt,

            den Antrag abzulehnen.

Sie haben zur Begründung ausgeführt, dass es für eine einstweilige Anordnung an einem Anordnungsgrund fehle. Die Interessenabwägung falle jedoch zumindest zuungunsten der Antragstellerin aus. Der Gesetzgeber habe mit § 136b Abs. 5 Satz 11 SGB V und dem dort geregelten Wegfall der aufschiebenden Wirkung klargestellt, dass er dem Patientenwohl gegenüber den Erwerbsinteressen der Kliniken grundsätzlich den Vorrang einräume. Damit sei prinzipiell das Risiko verbunden, dass es zu einem Personalabbau im Klinikum komme, der auch im Fall eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren nicht rückgängig gemacht werden könne. Im Übrigen verliere die Antragstellerin ihr Recht zur Leistungserbringung nicht endgültig, sondern könne nach einer 24-monatigen Unterbrechung ggf. wieder in die Leistungserbringung einsteigen. Sollte die Patientenversorgung im Einzugsgebiet bedroht sein, komme ferner eine Ausnahmegenehmigung nach § 136b Abs. 5a SGB V in Betracht. Darüber hinaus sei ihr Bescheid vom 1. Oktober 2024 auch offenkundig rechtmäßig, weshalb es auch an einem Anordnungsanspruch fehle. Formelle und Begründungsmängel seien nicht ersichtlich. Auch materiell sei der Bescheid rechtmäßig, weil die Prognose der Antragstellerin zutreffend widerlegt worden sei. Insoweit haben die Antragsgegner die Ausführungen im Widerlegungsbescheid vertieft.

Der entsprechende Schriftsatz ist am 13. Dezember 2024 im Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Sozialgerichts eingegangen, jedoch versehentlich nicht zur Akte genommen worden und der zuständigen Richterin nicht zur Kenntnis gelangt.

Mit Beschluss vom 17. Dezember 2024 hat das Sozialgericht Schleswig dem Antrag stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt:

„Der von der Antragstellerin begehrte einstweilige Rechtsschutz ist nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu beurteilen, weil ihre Klage gegen den Widerlegungsbescheid wegen der gesetzlichen Bestimmung des § 136b Abs. 5 Satz 11 SGB V keine aufschiebende Wirkung hat.

In solchen Fällen kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung teilweise oder ganz anordnen. Die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung setzt in der Sache grundsätzlich voraus, dass das Aufschubinteresse des Betroffenen, vorliegend der Antragstellerin, das Interesse der Allgemeinheit oder eines Beteiligten an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Im Vordergrund der erforderlichen Interessenabwägung haben wegen der Gesetzesbindung der Verwaltung und der Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) vor allem die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu stehen. Dabei ist die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes summarisch zu prüfen. Ergibt diese Prüfung, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, besteht für dessen sofortige Vollziehung kein öffentliches Interesse und auch kein berücksichtigungsfähiges privates Interesse Dritter. Die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfes ist dann anzuordnen. Ist dagegen der Verwaltungsakt rechtmäßig, besteht kein Interesse, den Vollzug bis zur Bestandskraft aufzuschieben. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist dann abzulehnen.

Ist nach diesen Maßstäben bei summarischer Prüfung eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nicht möglich, so dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen zu beurteilen ist, entscheidet das Gericht auf Grundlage einer Folgenabwägung. Das Gericht hat dann abzuwägen zwischen dem Aussetzungsinteresse und dem Vollzugsinteresse anhand der Folgen, die eine Aussetzung einerseits und die sofortige Vollziehung andererseits hätten. Dabei wird die Gewichtung der Interessen in den Fällen, in denen bereits kraft Gesetzes die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage entfällt (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG), durch die Entscheidung des Gesetzgebers, den abstrakten öffentlichen Interessen den Vorrang einzuräumen, vorgeprägt. In diesen Fällen ist die aufschiebende Wirkung nur anzuordnen, wenn die das Aussetzungsinteresse tragenden Gründe eindeutig überwiegen (vgl. u.a. Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 86b SGG, Stand: 11.12.2024, Rn. 188 ff.).

An diesen Maßstaben gemessen hat der Antrag der Antragstellerin Erfolg.

In formeller Hinsicht ist der Widerlegungsbescheid vom 1. Oktober 2024 nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden (vgl. zu den formellen Voraussetzungen eines Widerlegungsbescheides z.B. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 26.01.2023, L 10 KR 125/22 B ER, juris, Rn. 21 ff.).

In materiell-rechtlicher Hinsicht ist der Kammer eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des mit der Klage im Hauptsacheverfahren angefochtenen Widerlegungsbescheides vom 1. Oktober 2024 im Rahmen der hier allein vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht möglich.

Rechtsgrundlage für die Berechtigung der Krankenkassenverbände, die von einem Krankenhausträger abzugebende Prognose (wonach die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird) durch eine gemeinsame Entscheidung zu widerlegen, ist § 136b Abs. 5 Satz 6 SGB V.

Danach müssen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen für Krankenhausstandorte in ihrer Zuständigkeit ab der Prognose für das Kalenderjahr 2023 bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Krankenhausträger getroffene Prognose durch einen Bescheid widerlegen; der Gemeinsame Bundesausschuss legt im Beschluss nach § 136b Abs. 1 SGB V Regelbeispiele für begründete erhebliche Zweifel fest (vgl. § 136b Abs. 5 Satz 6 SGB V).

Vorliegend sind die „Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 136b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser“ [sog. Mindestmengenregelung (Mm-R)] in der Fassung vom 21. Dezember 2023 mit Wirkung vom 15. Februar 2024 maßgeblich.

§ 4 Mm-R regelt die Berechtigung zur Leistungserbringung und lautet in der hier maßgeblichen Fassung:

(1) Für die Zulässigkeit der Leistungserbringung gemäß § 136b Absatz 5 Satz 3 SGB V muss der Krankenhausträger gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen jährlich darlegen, dass die in der Anlage festgelegte Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird (Prognose). Eine berechtigte mengenmäßige Erwartung liegt gemäß § 136b Absatz 5 Satz 4 SGB V in der Regel vor, wenn das Krankenhaus im vorausgegangenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge je Arzt oder Standort eines Krankenhauses oder je Arzt und Standort eines Krankenhauses erreicht hat.

(2) Der gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen jährlich darzulegenden Prognose sind die im Katalog planbarer Leistungen jeweils spezifisch bestimmten Leistungen zu Grunde zu legen. Die voraussichtliche Leistungsentwicklung nach Absatz 1 ist vom Krankenhausträger unter Berücksichtigung

1. der Leistungsmenge gemäß § 3 Absatz 1 des vorausgegangenen Kalenderjahres,

2. der Leistungsmenge gemäß § 3 Absatz 1 in den letzten zwei Quartalen des vorausgegangenen Kalenderjahres und den ersten zwei Quartalen des laufenden Kalenderjahres,

3. personeller Veränderungen und

4. struktureller Veränderungen zu begründen.

Der Krankenhausträger kann weitere Umstände zur Begründung der berechtigten mengenmäßigen Erwartung heranziehen. Ein weiterer Umstand nach Satz 3 ist auch die COVID-19-Pandemie; § 4 Absatz 3 findet insoweit keine Anwendung.

(3) Personelle, strukturelle und gegebenenfalls weitere Veränderungen, die das Erreichen der Mindestmengenzahl in den in Absatz 2 in Nummer 1 und 2 genannten Zeiträumen verhindert haben, können kein weiteres Mal in Folge als alleiniger Umstand zur Begründung der Prognose herangezogen werden.

(4) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen müssen für Krankenhausstandorte in ihrer Zuständigkeit ab der Prognose für das Kalenderjahr 2023 bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Krankenhausträger getroffene Prognose gemäß § 136b Absatz 5 Satz 6 erster Halbsatz SGB V durch Bescheid widerlegen (Entscheidung). Begründete erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der vom Krankenhausträger getroffenen Prognose liegen in der Regel vor, wenn beispielsweise

a) die maßgebliche Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 nicht erreicht wurde und auch unter Berücksichtigung aller weiteren Kriterien gemäß Absatz 2 Satz 2 bis 4 konkrete, objektive Umstände der Richtigkeit der getroffenen Prognose widersprechen.

b) die maßgebliche Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 nicht erreicht wurde, sich die vom Krankenhausträger getroffene Prognose ausschließlich auf die erreichte Leistungsmenge im Zeitraum gemäß Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 stützt und unter Berücksichtigung aller weiteren Kriterien gemäß Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 4 und Satz 3 konkrete, objektive Umstände der Richtigkeit der getroffenen Prognose widersprechen.

Die Regelbeispiele für begründete erhebliche Zweifel nach Satz 2 finden ab den Prognosen für das Kalenderjahr 2024 Anwendung.

(5) Wird die Mindestmenge voraussichtlich nicht erreicht und sind gemäß § 136b Absatz 3 Satz 3 SGB V keine festgelegten Übergangsregelungen oder Regelungen für die erstmalige und für die auf eine Unterbrechung folgende erneute Erbringung einer Leistung nach § 6 erfüllt, dürfen gemäß § 136b Absatz 5 Satz 1 SGB V entsprechende Leistungen nicht bewirkt werden. Einem Krankenhaus, das die Leistungen dennoch bewirkt, steht gemäß § 136b Absatz 5 Satz 2 SGB V kein Vergütungsanspruch zu. Satz 2 gilt nicht, wenn diese Leistung im Notfall erbracht wurde oder eine Verlegung der Patientin oder des Patienten in ein Krankenhaus, das die Mindestmenge erfüllt, medizinisch nicht vertretbar war.

Die Mindestmenge für die Chirurgische Behandlung des Brustkrebses (Mamma-Ca-Chirurgie) beträgt 100 pro Standort eines Krankenhauses (siehe Anlage zur Mm-R, dort Nr. 9).

Unstreitig hat die Antragstellerin weder im Jahr 2023 (67 Behandlungsfälle) noch im laufenden Jahr 2024 (inkl. Dezember voraussichtlich 68 Behandlungsfälle, Stand 6. Dezember 2024) die erforderliche Mindestmenge von 100 Behandlungsfällen der chirurgischen Behandlung des Brustkrebses erreicht. Betrachtet man jedoch die Leistungsmenge nach Vorgabe von § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Mm-R (hier: III. + IV. Quartal 2023 und I. + II. Quartal 2024), so nähert sich diese mit 80 Behandlungsfällen der Zielgröße 100 bereits an. Seit 2022 war es der Antragstellerin bereits gelungen, die Zahl der Behandlungsfälle maßgeblich – laut unbestrittenem Vortrag der Antragstellerin um 60 % - zu steigern. Die beachtliche Fallzahlensteigerung in einem recht kurzen Zeitraum von nur 2,5 Jahren spricht dafür, dass die Antragstellerin durch geeignete personelle und strukturelle Maßnahmen eine realistische Chance hat, die Mindestmenge von 100 Leistungsfälle per anno grundsätzlich erreichen zu können. Den plötzlichen Tod des Chefarztes ihrer Frauenklinik Ende März 2024 konnte die Antragstellerin nicht vorhersehen und sich demgemäß auch nicht organisatorisch und personell darauf einstellen. Es ist für die Kammer nachvollziehbar, dass es durch die überraschende Vakanz auf dem Chefarztposten zu einem Einbruch bei den Behandlungsfällen gekommen ist, der sich an den Fallzahlen im Zeitraum Mai bis August 2024 ablesen lässt. Die Stelle konnte zum 1. September 2024 zwar neu besetzt werden, aber naturgemäß muss die neue Stelleninhaberin sich erst einarbeiten, vor Ort vernetzen, Akzeptanz in der Mitarbeiterschaft erfahren etc., um auf dem Posten der Chefärztin den vollen Wirkungsgrad erreichen zu können. Ob bei umfassender Würdigung dieser Umstände tatsächlich erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der von der Antragstellerin getroffenen Prognose für das Jahr 2025 begründet sind, kann im Rahmen der hier nur vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilt werden.

Aus diesem Grund hat das Gericht eine Folgenabwägung vorzunehmen. Vorliegend ist abzuwägen zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin einerseits und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegner andererseits anhand der Folgen, die eine Aussetzung einerseits und die sofortige Vollziehung andererseits hätten.

Das Ergebnis dieser Folgenabwägung ist ein überwiegendes Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.

Im Falle eines Obsiegens der Antragsgegner im Hauptsacheverfahren bei Maßgabe einer rechtmäßigen Entscheidung mit Widerlegungsbescheid vom 1. Oktober 2024 bei gleichzeitiger Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage im vorliegenden Verfahren erschöpften sich die Folgen für die Antragsgegner in der Kostenübernahme für notwendig durchzuführende Operationen, deren Kostenlast ohnehin die GKV trifft. Auch unter Berücksichtigung des mit der Mindestmengenregelung verfolgten Zwecks des Patientenschutzes kommt die Kammer zu keinem anderen Ergebnis, denn die Antragstellerin verfehlt die Mindestmenge nicht eklatant, sondern verfügt über durch die Zahl von 80 Behandlungsfällen im Zeitraum vom 1. Juli 2023 bis 30. Juni 2024 (und damit 4/5 der Zielgröße) nach Einschätzung der Kammer über eine hinreichend nachgewiesene Expertise, damit der Patientenschutz (noch) gewahrt wird.

Dem stehen im Falle eines Obsiegens der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren bei Maßgabe einer rechtswidrigen Entscheidung der Antragsgegner bei gleichzeitiger Ablehnung des Eilantrags schwerwiegende und womöglich nicht mehr revidierbare Folgen für die Antragstellerin selbst wie auch teilweise für deren Patientinnen gegenüber. Für die unmittelbar zu Beginn des Jahres 2025 geplanten Brustkrebsoperationen würde eine Ablehnung des Antrags zur Folge haben, dass diese abgesagt werden und für die betroffenen Patientinnen anderenorts aufnehmende Kliniken gesucht werden müssten. Bereits die OP vorbereitende laufende Behandlungen in Form neoadjuvanter Chemotherapien müssten unter Umständen mit erheblichen gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen unterbrochen und Arzt-Patienten-Beziehungen abgebrochen werden.

Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass sie bei Eingreifen des gesetzlichen Leistungserbringungs- und Abrechnungsverbots angesichts des enormen Kostendrucks, der aktuell auf Krankenhausträgern lastet, gezwungen wäre, am Klinikstandort qualifiziertes Personal abzubauen. Die ausbleibenden Erlöse allein aus der Mamma-Ca-Chirurgie entsprechen nach unwidersprochenem Vortrag der Antragstellerin in etwa dem tariflichen Tabellenentgelt (Arbeitgeberbrutto) von drei Vollzeitstellen für Fachärztinnen und -ärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit mehr als drei Jahren Berufserfahrung in der Klinik der Antragstellerin entsprechend, wobei die Erlöse aus nachfolgender Behandlung nicht eingerechnet sind. Es bestünde die Gefahr, dass das hochqualifizierte Personal sich beruflich neu orientierte. Dies würde die Antragstellerin härter treffen als Kliniken an anderen Standorten, da es für sie aufgrund der geographischen Lage ohnehin schwierig ist, Fachkräfte zum dauerhaften Verbleib zu gewinnen. Selbst bei einem Erfolg im Hauptsacheverfahren wäre es für die Antragstellerin mutmaßlich kaum möglich, das abgewanderte Personal kurz- oder mittelfristig wiedereinzustellen. In der Folge hätte die Antragstellerin – selbst bei einem Erfolg im Hauptsacheverfahren – ein tiefgreifendes Personalproblem in der Frauenklinik. Dieses Personalproblem würde die Antragstellerin wiederum vor erhebliche Probleme stellen, die Mindestmengen für die auf das Jahr 2025 folgenden Jahre erreichen zu können. (…)“

Gegen den ihnen am 18. Dezember 2024 zugestellten Beschluss haben die Antragsgegner am 19. Dezember 2024 Beschwerde beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhoben.

Zur Begründung wiederholen sie im Wesentlichen das Vorbringen aus ihrem Schriftsatz vom 13. Dezember 2024, das im erstinstanzlichen Verfahren unberücksichtigt geblieben ist.

Sie beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 17. Dezember 2024 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

            die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Der Widerlegungsbescheid sei offensichtlich rechtswidrig und auch bei einer Folgenabwägung überwiege das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin deutlich. Sie habe anhand von konkreten personellen und strukturellen Veränderungen aufgezeigt und begründet, weshalb im Jahr 2025 mit voraussichtlich mindestens 100 chirurgischen Brustkrebsbehandlungen zu rechnen sei. Begründete erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Prognose seien auch mit der Beschwer nicht aufgezeigt worden. Vielmehr legten die Antragsgegner überhöhe Anforderungen an die Prognose bei gleichzeitig stark herabgesetzten Anforderungen an deren Widerlegung zugrunde. Dass ein Krankenhausträger die erforderliche Mindestmenge in den Vorjahren nicht erreiche, rechtfertige „begründete erhebliche Zweifel“ nicht. Das wiederholte Abstellen auf die Regelbeispiele sei nicht zielführend, weil das plötzliche Versterben des Chefarztes eine Ausnahmesituation sei, die durch Regelbeispiele nicht abgebildet werden könne. Zu den Besonderheiten des Einzelfalls zählten ferner der über Jahre positive Trend bei den Fallzahlen und die erfolgreiche Neubesetzung des Postens durch eine weibliche Chefärztin. Ein Erreichen der Mindestmenge im Jahr 2025 könne vor diesem Hintergrund nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Auch die Folgenabwägung falle zu ihren Gunsten aus, wie das Sozialgericht zutreffend bewertet habe. Eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 136b Abs. 5a SGB V zu beantragen sei keine echte Alternative zu der streitgegenständlichen Anordnung, weil diese Norm einen dursetzbaren Anspruch nicht vermittele. Der Hinweis auf die Möglichkeit, die Leistungserbringung nach einer 24-monatigen Unterbrechung wiederaufnehmen zu können, gehe an der Sache vorbei, weil der damit angesprochene Verfahrensausgang (Versagung Eilrechtsschutz bei späterem Unterliegen in der Hauptsache) in einer Folgenabwägung i.S. der Doppelhypothese nicht zur berücksichtigen sei. Auch die gesetzgeberische Wertentscheidung gegen die aufschiebende Wirkung der Klage dürfe in die Folgenabwägung nicht erneut eingestellt werden. Es sei unzutreffend, dass der Gesetzgeber die konkreten Gefahren für die Rechtsposition der Krankenhausträger antizipiert habe; für eine solche Sichtweise gebe die Gesetzesbegründung nichts her. Erwägungen, wonach alle wirtschaftliche Folgen hinzunehmen seien, die mit einem (vorübergehenden) Verbot der Bewirkung zwangsläufig verbunden seien, gingen in der von den Antragsgegnern vorgebrachten Pauschalität fehl. Dass es bei dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin nicht lediglich um „Umsatzeinbußen“ i.S. des allgemeinen Erwerbsinteresses gehe, hat das Sozialgericht überzeugend herausgearbeitet. Gleichwohl sei es angesichts der dramatischen finanziellen Situation der Krankenhäuser unrealistisch, in der Frauenklinik über die in der Hauptsache zu erwartende Verfahrensdauer die Mamma-Ca-Chirurgie aufrechtzuerhalten.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin zu 1. vorgelegen. Auf diese Akten und auf die Gerichtsakten wird wegen des der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.

II.

A. Die Beschwerde der Antragsteller hat Erfolg.

I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben worden (§ 173 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Sie ist zulassungsfrei statthaft, weil die Berufung in der Hauptsache nicht der Zulassung bedürfte (§§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 144 Abs. 1 SGG).

II. Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Widerlegungsbescheid vom 1. Oktober 2024 angeordnet. Nach den Maßstäben, die das Sozialgericht in seiner Entscheidung zutreffend dargestellt hat und wegen der der Senat nach § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die angefochtene Entscheidung Bezug nimmt, überwiegt das Vollziehungsinteresse der Antragsgegner das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin schon deshalb, weil sich der Bescheid der Antragsgegner bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.

1. Rechtsgrundlage für die Befugnis der Krankenkassenverbände, die von einem Krankenhausträger abzugebende Prognose (wonach die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird) durch eine formal gemeinsame Entscheidung zu widerlegen, ist die Regelung in § 136b Abs. 5 Satz 6 SGB V. Danach müssen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen für Krankenhausstandorte in ihrer Zuständigkeit ab der Prognose für das Kalenderjahr 2023 bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Krankenhausträger getroffene Prognose durch einen Bescheid widerlegen; dabei obliegt es außerdem dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), mit Wirkung zum 1. Januar 2022 Regelbeispiele für in diesem Sinne begründete erhebliche Zweifel zu beschließen.

Diesem gesetzlichen Auftrag ist der G-BA durch die Änderung der sog. Mindestmengenregelung (Mm-R) mit Wirkung zum 16. Juli 2022 nachgekommen. Diesem Beschluss folgend liegen ab der Prognose für das Kalenderjahr 2024 begründete erhebliche Zweifel an der Richtigkeit einer von einem Krankenhausträger getroffenen Prognose „in der Regel vor, wenn beispielsweise“ die maßgebliche Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr (hier: 2023) nicht erreicht wurde und auch unter Berücksichtigung weiterer Kriterien (der Leistungsmenge gemäß § 3 Abs. 1 Mm-R in den letzten zwei Quartalen des vorausgegangenen Kalenderjahres und den ersten zwei Quartalen des laufenden Kalenderjahres) objektive Umstände der Richtigkeit der Prognose des Krankenhausträgers widersprechen (siehe § 4 Abs. 4 Satz 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bis 4 Mm-R). Gleiches gilt, wenn die maßgebliche Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr nicht erreicht wurde, sich die vom Krankenhausträger getroffene Prognose ausschließlich auf die erreichte Leistungsmenge im Zeitraum der letzten zwei Quartale des vorausgegangenen Kalenderjahrs und den ersten zwei Quartalen des laufenden Kalenderjahrs stützt und unter Berücksichtigung aller weiteren Kriterien (personelle und strukturelle Veränderungen und weiterer Umstände zur Begründung der berechtigten mengenmäßigen Erwartung) konkrete, objektive Umstände der Richtigkeit der getroffenen Prognose widersprechen (siehe § 4 Abs. 4 Satz 2 Buchst. b i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, 4 und Satz 3 Mm-R).

Daran gemessen erweist sich der Widerlegungsbescheid vom 1. Oktober 2024 bei summarischer Prüfung zunächst als formell rechtmäßig.

 

2. a) In formeller Hinsicht ist nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass die Antragsgegner die Antragstellerin ausreichend i.S. des § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angehört haben.

Nach dieser Regelung im SGB X ist einem Beteiligten, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der – wie hier – in seine Rechte eingreift, grundsätzlich Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Vorschrift dient der Wahrung rechtlichen Gehörs und soll den Adressaten einer Verwaltungsentscheidung insbesondere vor Überraschungsentscheidungen schützen sowie sicherstellen, dass die an einem Verwaltungsverfahren Beteiligten alle für sie günstigen Umstände vorbringen können. Hierzu ist es insbesondere erforderlich, dass die jeweilige Behörde die entscheidungserheblichen Tatsachen dem Betroffenen in einer Weise unterbreitet, dass er sie als solche erkennen und sich zu ihnen – ggf. nach einer ergänzenden Anfrage bei der Behörde – sachgerecht äußern kann (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 25. März 2021 – B 1 KR 16/20 R – juris Rn. 26 ff. m.w.N.). Dabei kommt der Anhörung in dem Verwaltungsverfahren zur Widerlegung einer von einem Krankenhausträger abgegebenen Prognose zur möglichen Entwicklung einer Mindestmengenleistung nach § 136b Abs. 5 Satz 6 SGB V nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine besondere Bedeutung für das Recht auf ein faires Verfahren zu. Hintergrund ist, dass zum einen ein Vorverfahren nicht stattfindet (§ 136b Abs. 5 Satz 11 Halbs. 1 SGB V) und zum anderen – zumindest ab den Prognosen für das Jahr 2023 – den Klagen gegen die Widerlegungsentscheidungen der Krankenkassenverbände keine aufschiebende Wirkung mehr zukommt (§ 136b Abs. 5 Satz 11 Halbs. 2 SGB V). Daher ist einem Krankenhausträger ggf. bereits vor der Widerlegung seiner Prognose Gelegenheit zu geben, erkennbar unvollständige oder unplausible Angaben zu konkretisieren oder zu ergänzen. Das gilt in besonderer Weise, wenn die Widerlegung der von dem Krankenhausträger abgegebenen Prognose von den Krankenkassenverbän-den u.a. mit einer Unplausibilität der Angaben begründet wird. Dann müssen die Verbände die ihnen möglichen und zumutbaren Anstrengungen unternehmen, dem Krankenhausträger – ggf. unter Setzung einer kurzen Frist – eine Ergänzung des angeblich unvollständigen Vorbringens zu ermöglichen (vgl zu alledem BSG, a.a.O., juris Rn. 29).

Diesen verfahrensrechtlichen Anforderungen sind die Antragsgegner bei der Widerlegung der von der Antragstellerin für 2025 abgegebenen Prognose mindestmengenrelevanter Brustkrebsoperationen gerecht geworden. Sie hörten die Antragstellerin mit Schreiben vom 9. August 2024 erstmals an. Auf die Argumentation der Antragstellerin vom 23. August 2024 zur erwarteten Fallzahlsteigerung forderten die Antragsgegner sie unter Aufnahme deren Vortrags mit weiterem Schreiben vom 3. September 2024 zu weiteren Ausführungen bis zum 17. September 2024 auf. Die seitens der Antragstellerin mit Schreiben vom 17. September 2024 beigebrachten ergänzenden Ausführungen wurden im Bescheid der Antragsgegner vom 1. Oktober 2024 berücksichtigt.

b) Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass der Widerlegungsbescheid der Antragsgegner die nach § 33 SGB X verfahrensrechtlich erforderliche Form aufweist. Nach § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X muss ein – wie hier – schriftlicher Verwaltungsakt als Formerfordernis die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Dieser formellen Anforderung wird der Widerlegungsbescheid vom 1. Oktober 2024 gerecht. In der Kopfzeile des gemeinsamen Bescheids werden die einzelnen Kranken- und Ersatzkassenverbände aufgeführt, so dass die hier in der Mehrzahl erlassenden Behörden ohne Weiteres erkennbar sind. Ferner wird er mit namentlicher Bezeichnung des jeweiligen Behördenleiters bzw. des von ihm beauftragten Mitarbeiters gezeichnet.

3. Unter Berücksichtigung der besonderen Prüfungsmaßstäbe bei der Widerlegung von Prognoseentscheidungen nach § 136b Abs. 5 Satz 6 i.V.m. Abs. 5 Sätze 3 bis 5 SGB V trägt die Begründung der Antragsgegner bei summarischer Prüfung die von ihnen angenommene Widerlegung der Prognose der Antragstellerin; der Widerlegungsbescheid vom 1. Oktober 2024 ist bei summarischer Prüfung daher auch materiell rechtmäßig.

a) Aufgrund seiner besonderen regulatorischen Ausgestaltung – durch einen Leistungserbringer zu erstellende Prognose über seine Leistungsberechtigung; zeitnahe Überprüfung der Prognose; gesetzlich angeordneter Regelfall – gelten für die Beteiligten sowie die Tatsachengerichte bei der Prognose einer Mindestmenge und ihrer Widerlegung besondere Anforderungen.

Ausgangspunkt der Prüfung seitens der Krankenkassen(-verbände) sowie ggf. der Gerichte ist die Prognose des Krankenhausträgers gemäß § 136b Abs. 5 Satz 3 SGB V, d.h. seine Darlegung, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht werde. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers „liegt die Prognosekompetenz grundsätzlich beim Krankenhausträger, da er über die Gesamtheit der Informationen verfügt, die notwendig ist, um die zukünftige Leistungsentwicklung beurteilen zu können. Maßgeblich für die Entscheidung ist die prospektive Leistungsentwicklung; damit soll der Anreiz einer Indikations-ausweitung im laufenden Jahr zur Erfüllung der festgelegten Mindestmenge von vornherein ausgeschlossen werden“ (BT-Drs. 18/5372, S. 86 f.). Die von ihm zur Begründung seiner Prognose vorgebrachten Tatsachen hat der Krankenhausträger gemäß § 5 Abs. 2 Buchst. d Mm-R mit Nachweisen aussagekräftig zu belegen. Sein Vorbringen darf er (unter Beifügung entsprechender Belege) bis zur Entscheidung der Krankenkassen(-verbände) – auch ohne ausdrückliche Aufforderung durch diese – ergänzen, aber auch ändern (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 5. März 2025 – L 10 KR 162/24 B ER – juris Rn. 28; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juli 2024 – L 4 KR 128/21 – juris Rn. 114 m.w.N.).

Für die Widerlegung der Prognose fordert § 136b Abs. 5 Satz 6 SGB V begründete erhebliche Zweifel an deren Richtigkeit. Notwendig, aber auch hinreichend sind tatsächliche Anhaltspunkte, die begründeten Anlass zu solchen Zweifeln geben (vgl. BT-Drucks 18/5372, S. 87; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juli 2024 – L 4 KR 128/21 – juris Rn. 115). Dem Sinn und Zweck der Verfahrensregelungen in § 136b Abs. 5 Sätze 3 bis 8 SGB V, eine verbindliche Klärung der Berechtigung des Krankenhauses zur Erbringung und Abrechnung der mindestmengenbelegten Leistungen vor Beginn des maßgeblichen Kalenderjahres herbeizuführen, entspricht es, dass sich die Krankenkasse in ihrem Widerlegungsbescheid nach § 136b Abs. 5 Satz 6 SGB V mit allen bis zu diesem Zeitpunkt ihr bekannten, die Prognose des Krankenhausträgers tragenden Argumenten/Elementen sorgfältig auseinandersetzen muss (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 5. März 2025 – L 10 KR 162/24 B ER – juris Rn. 29).

b) Bei der Überprüfung von Prognosen durch Sozialleistungsbehörden und die Tatsachengerichte gilt ein eigener Prüfungsmaßstab.

Sachgerechte Prognosen beruhen auf erhobenen Daten und Fakten aus der Vergangenheit, auf deren Basis unter Berücksichtigung zu erwartender Veränderungen eine Vorausschau für eine künftige, ungewisse Entwicklung getroffen wird. Prognosen sind begriffsnotwendig zukunftsbezogen. Für eine Prognose sind alle für die Beurteilung der künftigen Entwicklung erkennbaren Umstände zu berücksichtigen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und Einfluss auf die zu beurteilenden Umstände haben, wobei regelmäßig die unmittelbar zurückliegenden Jahre eine größere Bedeutung haben als die weiter zurückliegende Vergangenheit. Maßgebend sind die Verhältnisse zur Zeit der Prognoseentscheidung. Spätere Entwicklungen können die Richtigkeit einer Prognose weder bestätigen noch widerlegen. Eine Prognose ist unrichtig, wenn sie auf unzutreffenden Tatsachen, auf unzureichender Tatsachenwürdigung oder auf sonstigen unrichtigen oder unsachlichen Erwägungen beruhen. Insoweit ist die behördliche Prognoseentscheidung gerichtlich darauf zu überprüfen, ob die Grundlagen für die Prognose richtig festgestellt sowie alle in Betracht kommenden Umstände hinreichend und sachgerecht gewürdigt wurden und den von der Behörde gezogenen Schluss rechtfertigen (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 5. März 2025 – L 10 KR 162/24 B ER – juris Rn. 31; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juli 2024 – L 4 KR 128/21 – juris Rn. 117; BSG, Urteil vom 18. Oktober 2022 – B 12 KR 2/21 R – juris Rn. 16, 21 f.).

c) Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Mindestmengenprognose können sich auf vielfältige Weise ergeben. Denkbar sind Zweifel an den der Prognose zugrundeliegenden Tatsachen (z.B. an Fallzahlen oder an den personelle oder strukturelle Veränderungen begründenden Umständen). Zweifel können auch berechtigt sein, wenn es an hinreichenden Belegen fehlt oder aus sonstigen Gründen an der Plausibilität ins Feld geführter Tatsachen bzw. gezogener Schlussfolgerungen mangelt (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 5. März 2025 – L 10 KR 162/24 B ER – juris Rn. 32; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juli 2024 – L 4 KR 128/21 – juris Rn. 118).

Nach dem Wortlaut von § 136b Abs. 5 Satz 6 SGB V genügen für eine Widerlegung der Prognose des Krankenhausträgers nicht beliebige Zweifel an deren Richtigkeit; gefordert werden begründete erhebliche Zweifel. Hierbei kommt dem Attribut „begründete“ keine eigenständige Bedeutung, weil generell nur begründete – nicht hingegen unbegründete oder unzureichend begründete – Zweifel rechtlich von Relevanz sein können. Mit dem Attribut „erhebliche“ bringt der Gesetzgeber hingegen zum Ausdruck, dass Zweifel, die nur leicht, von geringer oder von untergeordneter Art sind, zur Widerlegung nicht geeignet sind. Korrespondierend mit der unsicheren Tatsachengrundlage, auf der Prognosen naturgemäß beruhen, genügt es für eine Widerlegung, wenn die rechtlich relevanten Zweifel die sonstigen Umstände überwiegen. Lässt sich ein solches Überwiegen nicht feststellen, geht die Einschätzung des Krankenhausträgers vor (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 5. März 2025 – L 10 KR 162/24 B ER – juris Rn. 33; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juli 2024 – L 4 KR 128/21 – juris Rn 119). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Prognose hingegen nicht erst dann widerlegt, wenn die Erreichung der Mindestmenge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.

d) Die Pflicht zur Amtsermittlung nach § 20 SGB X bzw. § 103 SGG ist im Zusammenhang mit der Prüfung von Mindestmengenprognosen für die Krankenkassen(-verbände) und für die Tatsachengerichte eingeschränkt. Dies findet seinen Grund – zum einen – in der (auch die Einreichung von Belegen umfassenden) Darlegungslast der Krankenhausträger und korreliert mit anderen Konstellationen, in denen die Rechtsprechung wegen gesetzlich angeordneter Darlegungsobliegenheiten (z.B. zu Potential-Entscheidungen des G-BA nach § 137e Abs. 7 SGB V) oder bei aus der Sphäre eines Beteiligten stammenden, nur diesem zugänglichen Informationen eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht angenommen hat. Diese rechtfertigt sich – zum anderen – aus dem durch § 5 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 Mm-R vorgegebenen Zeitrahmen zwischen der Mitteilung der Prognose durch die Krankenhausträger und der Entscheidung der Krankenkassen(-verbände) über die Prognose zwischen dem 7. August und dem 7. Oktober des laufenden Kalenderjahres. In dieser Zeitspanne sind (ggf. umfangreiche) Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen in der Regel nicht durchführbar. Sie würden vielmehr das gesetzgeberische Ziel, das Verfahren einschließlich gerichtlichen Eilrechtsschutzes wenn möglich vor Beginn des maßgeblichen Kalenderjahres abzuschließen (BT-Drs. 18/5372, S. 87), gefährden. Sind unterschiedliche Aspekte zu würdigen, die teils für die Prognose, teils gegen sie sprechen, müssen die Krankenkassen(-verbände) alle ihnen bekannten Umstände zutreffend erfassen, in ihrer Bedeutung für den konkreten Fall gewichten und schließlich nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, einer Gesamtabwägung unterziehen und bei Unklarheiten nicht von Amts wegen ermitteln, aber ggf. – einmalig – das Krankenhaus unter Fristsetzung zu ergänzendem Vortrag auffordern. Der Hinweis, dass eine weitergehende Plausibilisierung für bereits erfolgten Vortrag fehle, reicht nicht (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 5. März 2025 – L 10 KR 162/24 B ER – juris Rn. 34; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juli 2024 – L 4 KR 128/21 – juris Rn. 121 ff. m.w.N.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Juni 2020 – L 16 KR 64/20 – juris Rn. 31; BSG, Urteil vom 18. Dezember 2018 – B 1 KR 11/18 R – juris Rn 34. F. zu Potential-Entscheidungen des G-BA nach § 137e Abs. 7 SGB V)

Aufgrund der Fristenregelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 Mm-R, die zwar keine materielle Präklusion bewirkt (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 7. Mai 2024 – L 8 KR 88/24 B ER – juris Rn. 35), ist allerdings die Möglichkeit, Argumente und Unterlagen für die Prüfung der Landesverbände der Krankenkassen vorzulegen, zeitlich begrenzt. Das Verwaltungsverfahren für das Nachvollziehen der Prognose des Krankenhauses und die eigene Prognoseentscheidung der Krankenkassen ist mangels Erforderlichkeit eines Vorverfahrens (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG iVm § 136b Abs. 4 Satz 8 SGB V) mit Erlass des Widerlegungsbescheides abgeschlossen (vgl. dazu auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 19. März 2024 – L 5 KR 22/24 B ER – juris Rn. 47). Bei Prognoseentscheidungen ist auf den zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung ermittelten Kenntnisstand der Behörde abzustellen (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2022 – B 12 KR 2/21 R – juris Rn 17; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Juni 2023 – L 10 KR 119/23 B ER – juris Rn. 36). Soweit das Krankenhaus die Frist bis zum 7. August und die ggf. von den Krankenkassen gesetzte Nachfrist nicht nutzt, geht dies angesichts seiner Mitwirkungsobliegenheit zu seinen Lasten. Die Unmöglichkeit, den Vortrag des Krankenhauses zu prüfen, kann dabei im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sein kann (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 5. März 2025 – L 10 KR 162/24 B ER – juris Rn. 35 und Hessisches LSG, Beschluss vom 7. Mai 2024 – L 8 KR 88/24 B ER – juris Rn. 36).

e) Daran gemessen haben die Antragsgegner vorliegend die Prognose der Antragstellerin wegen begründeter erheblicher Zweifel an deren Richtigkeit widerlegt. Dabei ist angesichts der Tatsache, dass das Klinikum der Antragstellerin sowohl im Jahr 2023 als auch im Zeitraum 1. Juli 2023 bis 30. Juni 2024 die Mindestmenge jeweils (deutlich) verfehlt hat, die Grundbedingung für das Regelbeispiel nach § 4 Abs. 4 Satz 2 Buchst. a Mm-R für begründete erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der von der Antragstellerin getroffenen Prognose gegeben. Auch unter Berücksichtigung der weiteren in § 4 Abs. 2 Satz 2 bis 4 Mm-R genannten Kriterien (hier relevant: personelle und strukturelle Veränderungen) widersprechen objektive Umstände der Richtigkeit der getroffenen Prognose.

(1) Im personellen Bereich hat die Antragstellerin ihre auf die Überschreitung der Mindestmenge im Jahr 2025 zielende Prognose auf den plötzlichen Tod des früheren Chefarztes der Frauenklinik Dr. G im März 2024, die Anstellung der neuen Chefärztin J zum 1. September 2024 und die Akquirierung zusätzlichen Sachverstands durch die Einbindung des externen Prof. Dr. L aus H zum 1. Mai 2024 begründet. Der Trend sei bereits unter der Leitung von Dr. G mit einer Leistungssteigerung um 16 Prozent seit dem Jahr 2022 positiv gewesen. Durch dessen plötzlichen Tod sei die Abteilung vor eine besonders schwierige Situation gestellt worden, die zur Stagnation des an sich positiven Prozesses beigetragen habe. Angesichts der Anstellung der motivierten und leistungsfähigen neuen Chefärztin, die einen Teil ihres früheren Patientinnenstamms mitbrächte, sei eine Wiederaufnahme und Steigerung des bisherigen positiven Trends zu erwarten.

An der Tragfähigkeit dieser Begründung bestehen auch nach Ansicht des Senats erhebliche begründete Zweifel. So haben die Antragsgegner zur Widerlegung der Prognose nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass es sich bei der Anstellung der neuen Chefärztin um einen Personalwechsel und nicht um eine Personalmehrung gehandelt habe, worauf die Erwartung einer Fallzahlenerhöhung nicht ohne Weiteres gestützt werden könne. Ergänzend zu berücksichtigen ist nach Ansicht des Senats, dass selbst eine Personalmehrung nicht zwangsläufig mit einer Steigerung der Leistungsmenge einhergehen würde. Etwas Anderes könnte grundsätzlich nur dann gelten, wenn in der Vergangenheit aus Kapazitätsgründen Patientinnen hätten zurückgewiesen werden müssen. Dergleichen hat die Antragstellerin allerdings schon nicht vorgetragen. Die Annahme, dass eine deutliche Fallzahlensteigerung durch Mitnahme von Patientinnen der neuen Chefärztin eintreten könnte, stößt ebenfalls auf erhebliche Zweifel. Nachvollziehbar gehen die Antragsgegner davon aus, dass es sich bei den Patientinnen, die – weil bereits bei ihr in Behandlung – Frau J wegen des aufgebauten Vertrauensverhältnisses zu ihr in das Klinikum der Antragstellerin folgen würden, schon der Natur der Behandlung entsprechend nur um einen kleinen und zeitlich befristeten Personenkreis handeln könne. Es kann hier in der Tat nicht um einen langjährig gewachsenen und gebundenen Patientinnenstamm gehen, der dem eines Allgemeinmediziners oder eines niedergelassenen Facharztes entspricht und argumentativ für eine nachhaltig substanzielle Erhöhung der Fallzahlen herangezogen werden könnte. Nachvollziehbar weisen die Antragsgegner auch auf Kooperationen hin, die Kliniken, die ihrerseits – wie das Klinikum, an dem Frau J zuvor tätig war – aus der Versorgung ausschieden, mit anderen Kliniken abschlössen und dass die kooperationsgemäße Verlagerung der Fälle dieses Krankenhauses nicht zwangsläufig analog den persönlichen Bestrebungen von Frau J verlaufe, ohne dass es nach Auffassung des Senats im Einzelnen auf den Inhalt der Kooperationsvereinbarung zwischen der Klinik, für die Frau J zuvor tätig war, und einem anderen Klinikum in K (vgl. dazu Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 5. März 2025 – L 10 KR 162/24 B ER – juris Rn. 5) entscheidend ankäme. Es entspricht der Natur der Sache, dass sich die Menge der in Betracht kommenden Patientinnen nicht beliebig erhöhen lässt und Patientinnen, die im Einzugsbereich eines aus der Versorgung ausscheidenden Krankenhauses leben, sich typischerweise auf umliegende Krankenhäuser verteilen und bei ihrer Auswahl besonders auf qualifizierte Brustzentren zurückgreifen werden, zu denen das Klinikum der Antragstellerin nicht gehört. Dass die Mitnahme von Patientinnen zumindest im Jahr 2024 noch keinen positiven Trend bewirkt hat, zeigt sich letztlich auch im deutlichen Verfehlen der Mindestmenge auch im Jahr 2024 bei Stagnation auf dem Vorjahresniveau, das im maßgeblichen Prognosezeitpunkt Ende September 2024 (47 Behandlungen durchgeführt, 9 weitere im Oktober geplant) bereits deutlich absehbar war.

Soweit die Antragstellerin mit der Kooperation mit Prof. Dr. L in H argumentiert, ist ebenfalls nicht erkennbar, welchen Einfluss dieser Aspekt auf die für die Erreichung der Mindestmenge erforderliche erhebliche Leistungssteigerung haben sollte. Dem Vortrag ist vielmehr zu entnehmen, dass Prof. Dr. L mit seiner Qualifikation die Lücke schließen sollte, die durch den unvorhersehbaren Tod von Dr. G in der Frauenklinik der Antragstellerin offenbar entstanden war. Die zum 1. Mai 2024 eingegangene Kooperation hatte demnach eher kompensatorischen Charakter. Die Antragstellerin hat in diesem Zusammenhang selbst darauf hingewiesen, dass die Aufrechterhaltung der fachlich optimalen Versorgung durch die Kooperation mit Dr. L „einen weiteren Einbruch der Fallzahlen [hat] verhindern können“. Dies mag plausibel sein, kann die Annahme einer Ausweitung der Fallzahlen hingegen schon im Ansatz nicht rechtfertigen.

(2) Auch die geltend gemachten strukturellen Veränderungen rechtfertigen nicht die Prognose, dass die in den Jahren davor jeweils deutlich verfehlte Mindestmenge im Jahr 2025 erreicht werde. Soweit die Antragstellerin insoweit mit einer neuen Organisation im Bereich des Tumorboards (Frequenzsteigerung der Tumorkonferenzen von ehemals vierwöchentlich auf zweiwöchentlich), der Auswirkungen der neoadjuvanten Chemotherapie auf die Gesamttherapiedauer zwischen Vorstellung und Operation und dem verbesserten engen Kontakt zu den Zuweisern argumentiert, haben die Antragsgegner diese Argumente nachvollziehbar entkräftet.

So ist schon nicht hinreichend dargelegt, wie insbesondere die Steigerung der Frequenz der Tumorkonferenzen zu einer substanziellen Fallzahlensteigerung führen sollte. Die Antragstellerin hat auf entsprechende Nachfrage der Antragsteller lediglich unbestimmt auf die „subjektive Zufriedenheit der Zuweiser“ abgestellt, die „im Umkehrschluss eine Fallzahlsteigerung erwarten“ lasse. Vor dem Hintergrund, dass Tumorboards etablierte quasiobligatorische Instrumente in der Brustkrebstherapie darstellen (vgl.  Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Zusammenführung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme nach § 137f Absatz 2 SGB V – DMP-A-RL, Anlage 3 S. 33 f.), deshalb bei Weitem kein Alleinstellungsmerkmal der Antragstellerin darstellen und in größeren Brustzentren durchaus auch in höherer Frequenz stattfinden, mag die Frequenzsteigerung zwar das Wohlwollen der Zuweiser erhöhen, führt aber nach überzeugender Begründung der Antragsgegner im Widerlegungsbescheid noch nicht zu der Erwartung substanziell höherer Zuweisungszahlen.

Dass die Gesamttherapiedauer bei Durchführung einer neoadjuvanten Chemotherapie gestreckt wird und die operative Behandlung des Brustkrebses dann erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet, mag im Übrigen zutreffen, führt aber selbstverständlich nicht zu einer absoluten Steigerung der Gesamtfallzahlen. Eine diesbezügliche Steigerung zum Jahr 2025 wäre allenfalls dann zu erwarten, wenn die Antragstellerin ihr Brustkrebstherapieschema erst in jüngster Zeit in Richtung der zuvor nicht durchgeführten neoadjuvanten Therapie umgestellt hätte, was nicht vorgetragen ist und angesichts der bereits längerfristigen Etablierung dieser Therapiemethode auch nicht zu erwarten wäre. Im Gegenteil hat die Antragstellerin vorgetragen, dass die neoadjuvante Chemotherapie als „etablierte Therapieform bei der Mammakarzinom-Behandlung und auch in unserem Haus bereits lange Jahre durchgeführt“ werde. Vor diesem Hintergrund gehen die Antragsgegner in ihrer Widerlegungsentscheidung nachvollziehbar davon aus, dass durch die Streckung des Verfahren zwar vereinzelt Patientinnen aus 2024 u.U. erst im Jahr 2025 operativ behandelt werden könnten, dass es in entsprechendem Umfang aber eben auch Patientinnen aus 2023 gegeben haben müsse, die in 2024 operiert worden seien, so dass von einem insgesamt ausgeglichenen Verhältnis ohne Fallzahlensteigerung auszugehen sei.

4. Insgesamt geht der Senat davon aus, dass die Antragstellerin eine realistische Chance, die Mindestmenge von 100 Fällen im Jahr 2025 (erstmals) zu erreichen, selbst unter günstigsten Bedingungen nicht hat. Ausgehend von 70.500 neuen Brustkrebsfällen pro Jahr in Deutschland entfallen statistisch auf das Versorgungsgebiet der Antragstellerin ca. 140 neue Fälle pro Jahr. Selbst wenn man von einer operativen Behandlung in jedem Fall ausgehen wollte, besteht bereits angesichts des Vorhandenseins zertifizierter Brustzentren in akzeptabler Entfernung in F und H und angesichts der landesweit einziehenden Zentren des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein nicht die Erwartung, dass die Antragstellerin das Gros dieser Patientinnen tatsächlich ansprechen wird. Folgerichtig ist auch der Gemeinsame Bundesausschuss in den Tragenden Gründen seines Beschlusses über eine Änderung der Regelungen gemäß § 136b Absatz 1 Nummer 2 SGB V für nach § 108 zugelassene Krankenhäuser (Mindestmengenregelungen – Mm-R) vom 16. Dezember 2021 im Rahmen seiner Folgenabschätzung davon ausgegangen, dass das Klinikum der Antragstellerin bereits bei einer Mindestmenge von 90 Behandlungsfällen von der Versorgung ausgeschlossen wäre (https://www.g-ba.de/downloads/40-268-8346/2021-12-16_Mm-R_Mamma-Carzinom-Chirurgie_TrG.pdf, recherchiert am 11. Juni 2025, Anlage 6, S. 32 ff.). Schon vor diesem Hintergrund verlangt auch die im Rahmen von § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG vorzunehmende umfassende Interessen- und Folgenabwägung nicht ausnahmsweise danach, trotz offenbarer Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Denn die hier letztlich eingetretene Rechtsfolge entspricht genau der Erwartung des Normgebers und weicht nicht in atypischer Weise davon ab. Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des § 136b SGB V und an der Ermächtigungskonformität der Mindestmengenregelung des Gemeinsamen Bundesausschusses hat der Senat nicht. Vor diesem Hintergrund sind die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des Ausschlusses der Antragstellerin von der Versorgung nicht mehr substanziell in die Interessenabwägung einzustellen. Etwaigen Interessen der Versicherten an der Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit wird durch die Regelung des § 136b Abs. 5a SGB V ausreichend Rechnung getragen. Angesichts der überschaubaren Entfernung selbst zertifizierter Brustzentren ist allerdings von einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung im Versorgungsgebiet der Antragstellerin auch erkennbar nicht auszugehen.

B. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

C. Die Entscheidung über den Streitwert ergeht gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat schließt sich der Berechnung durch das Sozialgericht an.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Rechtskraft
Aus
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