Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.04.2024 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.334,00 € festgesetzt.
Tatbestand:
Im Streit steht die Rückzahlung von an Arbeitnehmer ausgezahlten Corona-Prämien durch die Beklagte an die Pflegekasse.
Die Beklagte betreibt seit 2019 einen ambulanten Pflegedienst, zunächst in der Rechtsform einer UG, seit April 2021 in der Rechtsform einer GmbH.
Am 02.07.2020 beantragte die Beklagte bei der Klägerin nach Maßgabe des § 150a Abs. 7 SGB XI in der Fassung vom 19.05.2020 die Erstattung der an die Mitarbeiter der Beklagten zu zahlenden Corona-Prämien. In Auslegung des Antrags bezifferte die Klägerin die Höhe einschließlich der Aufstockung mit Landesmitteln auf insgesamt 6.500,00 € und zahlte diesen Betrag nachfolgend an die Beklagte aus.
Nachdem die Beklagte in der Folge nicht gemäß § 150a Abs. 7 Satz 8 SGB XI bis zum 15.02.2021 mitteilte, dass und wann sie die Corona-Prämien an ihre Mitarbeiter ausgezahlt hatte, forderte die Klägerin die Beklagte mit E-Mail vom 07.05.2021 auf, den Betrag an sie bis zum 17.05.2021 zurückzuzahlen. Noch am selben Tag übersandte die Beklagte per E-Mail den Vordruck Anlage 3 „Mitteilung der Pflegeeinrichtung über die Auszahlung der Corona-Prämien an die Beschäftigten“ an die Klägerin, jedoch ohne die erforderliche Angabe des Auszahlungszeitpunkts unter Ziffer 3 vorzunehmen. Mit E-Mail vom 27.05.2021 sandte die Klägerin die Anlage 3 an die Beklagte zurück. Sie beanstandete neben der vorgenannten fehlenden Angabe eine nicht nachvollziehbare Angabe von Bundes- und Landesmitteln. Letztere würden immer 50 % der ersteren betragen. Die Klägerin bat um Übermittlung eines korrigierten Vordrucks binnen einer Frist von sieben Tagen. Mit E-Mail vom 23.06.2021 bat die Klägerin des Weiteren um Übersendung der Entgeltabrechnungen für alle Auszahlungszeitpunkte bzgl. der Corona-Prämien bis zum 30.06.2021.
Nach einem Telefonat am 09.02.2022 forderte die Klägerin die Beklagte mit E-Mail vom selben Tag zur Erstattung der Corona-Prämie i.H.v. insg. 6.500,00 € bis zum 10.03.2022 auf. Die E-Mail enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung.
Am 14.12.2022 hat die Klägerin Klage erhoben und die Zahlung von 6.500,00 € nebst 40,00 € Verzugspauschale und Zinsen von der Beklagten begehrt. Zur Begründung hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, dass die Beklagte gesetzlich verpflichtet gewesen sei, die Höhe und den Zeitpunkt der Auszahlung der Corona-Prämien an ihre Beschäftigten bis zum 15.02.2021 anzuzeigen. Diese Anzeige sei nicht fristgerecht erfolgt. Nach Ziff. 9 Abs. 6 der „Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150a Absatz 7 SGB XI über die Finanzierung von Sonderleistungen während der Coronavirus SARSCoV-2-Pandemie für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen“ vom 29.05.2020 (nachfolgend: Festlegungen) sei die Klägerin nun verpflichtet, die ausgezahlten Beträge zurückzuverlangen. Die Beklagte sei seit dem 16.02.2021 in Verzug mit der Rückzahlung. Die von der Beklagten im Klageverfahren eingereichten Unterlagen, die die Auszahlung an ihre Mitarbeiter bestätigen sollten, seien widersprüchlich und fehlerhaft.
Mit Schreiben vom 28.04.2023 hat die Klägerin die Klage in Höhe eines Betrages von 2.166,00 €, dem Anteil an Landesmitteln des ursprünglich an die Beklagte ausgezahlten Gesamtbetrags, zurückgenommen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 4.334,00 € sowie weitere 40,00 € Verzugskosten nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.02.2021 auf den sich errechnenden Gesamtbetrag zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da die Klägerin keinen Rückforderungs- und Erstattungsbescheid erlassen habe, was vorrangig hätte geschehen müssen. Dies sei auch im Verhältnis von Leistungserbringer und Versicherungsträger nicht ausgeschlossen, wie § 114 SGB XI zeige. Der Beklagten sei so die Möglichkeit der Durchführung eines Vorverfahrens genommen worden.
Darüber hinaus habe sie die Corona-Prämien allen ihren Mitarbeitern ausgezahlt.
Die Beklagte hat Kontobelege vorgelegt, aus denen sich folgende Auszahlungen ersehen lassen:
Y. C. am 13.10.2020 1.000,- €,
Z. E. am 02.10.2020 1.500,- €
K. V. am 20.01.2021 1.500,- €
Darüber hinaus habe Frau A. R. am 06.08.2020 einen Betrag von 1.000,- € in bar erhalten.
U. D., der Geschäftsführer der Beklagten, habe den ihm zustehenden Betrag von 1.500,- € zunächst auf dem Geschäftskonto belassen. Am 30.06.2021 sei der Betrag auf das Konto seiner Ehefrau überwiesen worden. Insoweit gelte es zu beachten, dass es keine Pflicht gebe, den lohnsteuer- und sozialversicherungsfreien Betrag in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen aufzuführen, weshalb dies auch nicht geschehen sei.
Mit Urteil vom 22.04.2024 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
„Die gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhobene isolierte Leistungsklage ist unzulässig und unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung des Betrages von insg. 4.374,- € nebst Zinsen gegenüber der Beklagten. Es mangelt der Klägerin schon an einem Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage, denn sie hätte ihr Begehren deutlich einfacher und ohne Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes, nämlich in Form eines Aufhebungs- und Erstattungsverfahrens gem. §§ 44ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), durchsetzen können. Da sie dies nicht gemacht hat, steht dem Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Corona-Prämien darüber hinaus auch ein bestandskräftiger Bewilligungsbescheid entgegen. Gemäß § 150a Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) werden die zugelassenen Pflegeeinrichtungen verpflichtet, ihren Beschäftigten im Jahr 2020 zum Zweck der Wertschätzung für die besonderen Anforderungen während der Coronavirus-SARS-CoV 2-Pandemie eine für jeden Beschäftigten einmalige Sonderleistung nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 und 8 zu zahlen (Corona-Prämie). Nach § 150a Abs. 7 Satz 1, 8 und 9 SGB XI erhalten die zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Wege der Vorauszahlung von der sozialen Pflegeversicherung den Betrag, den sie für die Auszahlung der in den Abs. 2 bis 4 und 6 genannten Corona-Prämien benötigen, erstattet. Die Pflegeeinrichtungen und die Arbeitgeber im Sinne von Abs. 1 Satz 2 haben den Pflegekassen bis spätestens 15.02.2021 die tatsächliche Auszahlung der Corona-Prämien anzuzeigen. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen legt im Benehmen mit den Bundesvereinigungen der Träger stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen und geeigneten Verbänden der Arbeitgeber nach Abs. 1 Satz 2 auf Bundesebene unverzüglich das Nähere für das Verfahren ein schließlich der Information der Beschäftigten und Arbeitnehmer nach Abs. 1 Satz 2 über ihren Anspruch fest. Nach § 150a sowie Abs. 8 Satz 1 bis 4 SGB XI hat die Auszahlung der jeweiligen Corona-Prämie durch die jeweilige zugelassene Pflegeeinrichtung oder die Arbeitgeber nach Abs. 1 Satz 2 an ihre Beschäftigten unverzüglich nach Erhalt der Vorauszahlung nach Abs. 7, spätestens mit der nächstmöglichen regelmäßigen Entgeltauszahlung zu erfolgen. Sie ist den Beschäftigten in der gesamten ihnen nach den Abs. 2 bis 4 und 6 zustehenden Höhe in Geld über das Arbeitsentgelt und sonstige Bezüge hinaus auszuzahlen. Eine Aufrechnung mit Ansprüchen der Pflegeeinrichtung oder der Arbeitgeber nach Abs. 1 Satz 2 gegen den Beschäftigten oder Arbeitnehmer nach Abs. 1 Satz 2 ist ausgeschlossen. Die Corona-Prämie ist unpfändbar. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen (handelnd durch den GKV-Spitzenverband) sieht in den Festlegungen nach § 150a Abs. 7 SGB XI vom 29.05.2020 in Ziff. 4 Näheres zum Anspruch der Pflegeeinrichtung vor, in Ziff. 5 zum Meldeverfahren, in Ziff. 6 zur Auszahlung an die Pflegeeinrichtung und in Ziff. 9 zum Nachweisverfahren und der Rückerstattung. In Ziff. 9 Abs. 6 steht insoweit, dass sofern eine Mitteilung über die tatsächlichen Auszahlungshöhen nicht bis spätestens zum 15.02.2021 durch die Einrichtung erfolgt, die zuständige Pflegekasse die an die Pflegeeinrichtung ausgezahlten Beträge zurückzuverlangen hat. Der Gesetzgeber hat sich während der Coronapandemie für die Zahlung einer Corona Prämie an die Beschäftigten im Bereich der Pflege entschieden. Um dieses Ziel umzusetzen, hat er die Pflegeunternehmen gesetzlich verpflichtet, die Prämien auszuzahlen und hat zeitgleich die Möglichkeit der vorherigen Erstattung gegenüber den Pflegekassen geschaffen. Die gesamte Regelung des § 150a SGB XI hat also den Sinn und Zweck, dass die Beschäftigten im Bereich der Pflege eine Sonderleistung während der Coronapandemie erhalten. Im Fall der Beklagten ist diesem Sinn und Zweck genüge getan, denn die Beklagte hat diese Leistungen nachweislich an ihre Beschäftigten ausgezahlt. Entgegen der gesetzlichen Vorgaben hat die Beklagte lediglich diese Auszahlungen nicht fristgerecht bis zum 15.02.2021 der Klägerin mitgeteilt. Es kann dahinstehen, ob die Regelung in Ziff. 9 Abs. 6 der Festlegungen nach § 150a SGB XI die Klägerin auch in diesem Fall berechtigt, die Corona-Erstattungsbeträge zurückzufordern, denn eine Bereicherung des Pflegeunternehmens ist hier nicht erkennbar. Jedenfalls stellt diese untergesetzliche Regelung keine spezialgesetzliche Erstattungsregelung dar, weshalb sich die Klägerin – sofern sie die gewährten Leistungen zurückverlangen will – an die allgemeinen Regelungen in §§ 44ff. SGB X zu halten hat. Insoweit stellt der Auszahlungsakt auf den Erstattungsantrag der Beklagten vom 02.07.2020 eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, mithin ein Verwaltungsakt, dar (vgl. § 31 Satz 1 SGB X). Dieser kann mangels spezialgesetzlicher Regelung nur unter Beachtung der allgemeinen Regelungen in den §§ 44ff. SGB X aufgehoben werden. Insbesondere handelt es sich bei der Auszahlung auch nicht nur um einen Realakt, also um schlicht hoheitliches Handeln, denn ein Realakt zeichnet sich dadurch aus, dass er gerade nicht darauf abzielt, Rechtswirkungen zu schaffen. Hier wollte die Klägerin jedoch eine Rechtswirkung schaffen. Sie hat in dem konkreten Fall geprüft, ob die Anspruchsvoraussetzungen für die Auszahlung der beantragten Leistung vorliegen oder ob Hindernisse für die Auszahlung bestehen. Hätte sie letzteres festgestellt, hätte sie einen rechtsbehelfsfähigen Ablehnungsbescheid erlassen müssen. So hat sie festgestellt, dass die Voraussetzungen vorliegen, insbesondere, dass die Beklagte ein anspruchsberechtigtes Pflegeunternehmen ist, und die Auszahlung vorgenommen. Auch wenn die Prüfungsdichte insoweit nicht sonderlich groß war, musste die Klägerin dennoch die Grundvoraussetzungen für den Anspruch prüfen und durfte gerade nicht wahllos auszahlen. Mit der Auszahlung hat sie dann ersichtlich auch eine Rechtsfolge setzen wollen, nämlich festzulegen, dass der Beklagten der Erstattungsanspruch hinsichtlich der Corona-Prämie in der geltend gemachten Höhe zusteht. Dies erfüllt alle Merkmale eines Verwaltungsakts. Eines separaten Schreibens mit der Überschrift „Bescheid“, auf den hier wohl v.a. aufgrund der besonderen Lage auch bei den Pflegekassen infolge dieser Gesetzesentscheidung und der Pandemie verzichtet wurde, bedurfte es dar über hinaus nicht. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die E-Mail vom 09.02.2022 keinen wirksamen Aufhebungsbescheid darstellt. Abgesehen davon, dass schon nicht erkennbar ist, an wen sie sich konkret richtete (Empfänger ist „info“), ist auch nicht erkennbar, dass die Bekanntgabe- und Formvorschriften eingehalten hat. Im Übrigen wäre, selbst wenn man hier einen Verwaltungsakt annehmen wollte, nicht die vorliegende Klage zur Anspruchsdurchsetzung erforderlich gewesen, so dass es auch dann noch immer an einem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin fehlen würde.“
Gegen das ihr am 29.04.2024 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.05.2024 Berufung eingelegt.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, sie habe ein Rechtsschutzbedürfnis, weil sie keinen Verwaltungsakt habe erlassen dürfen. Das Rechtsverhältnis der Sozialleistungsträger zu den Leistungserbringern sei durch ein öffentlich-rechtliches Gleichordnungsverhältnis geprägt. Grundsätzlich könnten in diesem Gleichordnungsverhältnis keine Verwaltungsakte erlassen werden, es sei denn, es gebe eine ausdrückliche oder jedenfalls eindeutig erkennbare gesetzliche Ermächtigungsgrundlage hierfür. § 150a Abs. 1 SGB XI stelle keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Selbst wenn dies anders zu sehen wäre, bestünde wegen der mangelnden Rechtssicherheit ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die Leistungsklage, da die Parteien jedenfalls nicht darauf vertrauen könnten, dass die Rechtsprechung die formalen Voraussetzungen für den Erlass eines Verwaltungsakts annehmen werde. Vornehmlich bestehe für beide Parteien ein Interesse daran, die materielle Rückerstattungspflicht zu überprüfen. Der von der Beklagten für die Befugnis zur Handlung durch Verwaltungsakt im Gleichordnungsverhältnis exemplarisch zitierte § 114 SGB XI weise ausdrücklich eine Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes auf (vgl. § 115 Abs. 2 SGB XI).
Gemäß § 150a Abs. 7 S. 7 SGB XI lege der Spitzenverband Bund der Pflegekassen im Benehmen mit den Bundesvereinigungen der Träger stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen und geeigneten Verbänden der Arbeitgeber im Sinne von Absatz 1 Satz 2 auf Bundesebene unverzüglich das Nähere für das Verfahren einschließlich angemessener Möglichkeiten zur Prüfung, Rückforderung und Aufrechnung durch die Pflegekassen sowie der Information der Beschäftigten und Arbeitnehmer im Sinne von Absatz 1 Satz 2 über ihren Anspruch fest. Das sei vorliegend durch die Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150a Abs. 7 SGB XI über die Finanzierung von Sonderleistungen während der Coronavirus SARS-CoV-2-Pandemie für Beschäftigte in Pflegeinrichtungen vom 29.05.2020 erfolgt. Die Beklagte sei gemäß § 150a Abs. 7 Sätze 8 und 9 SGB XI i.V.m. Ziffer 9 Abs. 1 Satz 1 der Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150a Abs. 7 SGB XI über die Finanzierung von Sonderleistungen während der Coronavirus SARS-CoV-2-Pandemie für Beschäftigte in Pflegeinrichtungen vom 29.05.2020 verpflichtet, unmittelbar nach der jeweiligen Auszahlung der Corona-Prämie an die Beschäftigten, spätestens jedoch bis zum 15.02.2021 die Höhe und den Zeitpunkt der tatsächlichen Auszahlung der Klägerin mitzuteilen. Da kein fristgerechter Nachweis über die Höhe und den tatsächlichen Zeitpunkt der Auszahlung von der Beklagten erbracht worden sei, sie die Klägerin gem. Ziffer 9 Abs. 6 der Festlegungen im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null verpflichtet, die an die Beklagte ausgezahlten Beträge vollständig zurückzuverlangen. Es handele sich um eine Ausschlussfrist. Sie diene der haushaltsrechtlichen Klarheit für die Klägerin. Dies sei für die Beklagte auch erkennbar gewesen. Auf eine Bereicherung der Beklagten komme es insofern nicht an.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgericht Dortmund vom 22.04.2024 abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.334,00 € sowie weitere 40,00 € Verzugskosten nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.02.2021 auf den sich errechnenden Gesamtbetrag zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat zur Begründung des Weiteren erneut ausgeführt, Verwaltungsakte gegenüber Leistungserbringern seien dem SGB XI nicht fremd. Zutreffend habe das Sozialgericht die Ansicht vertreten, dass wenn die Auszahlung wie hier durch Verwaltungsakt erfolge, nach dem „actus contrarius“ - Gedanken die Rückforderung auch durch Verwaltungsakt erfolgen müsse. Eine spezielle Anspruchsgrundlage für die Rückforderung sei in § 150a SGB XI nicht enthalten. Die Klägerin könne auch nicht auf die Regelungen der §§ 44 ff SGB X zurückgreifen, da die Beklagte die Leistungen zurecht erhalten habe. Die Beklagte habe die erhaltenen Leistungen nachweislich – wie vom Gesetzgeber vorgesehen – an die Beschäftigten weitergeleitet.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Klägerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben, § 124 Abs. 2 SGG.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.04.2024 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Die Klage der Klägerin ist zulässig (dazu zu 1.)) aber unbegründet (dazu zu 2.)).
1.
Die Klägerin hat mit der allgemeinen Leistungsklage die statthafte Klageart gewählt. Die Klägerin ist nicht darauf zu verweisen, die hier streitige Rückforderung von ausgezahlten Corona-Prämien durch belastenden Verwaltungsakt gegenüber der Beklagten durchzusetzen. Denn die Beteiligten stehen sich in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüber (nachfolgend a)), ohne dass eine Ausnahmevorschrift ersichtlich wäre, die der Klägerin eine Handlung mittels Verwaltungsakt ermöglichen würde (nachfolgend b)).
a) Das Gleichordnungsverhältnis ergibt sich aus der Anknüpfung der streitentscheidenden Norm an das Bestehen eines Versorgungsvertrages, also an eine durch öffentlich-rechtlichen Vertrag ausgestaltete Leistungserbringerbeziehung. Regelhaft verdrängt eine solche Ausgestaltung das Handeln durch Verwaltungsakt (vgl. Luthe in: Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB X, 3. Aufl., § 31 SGB X (Stand: 15.11.2023), Rn. 13).
§ 150a SGB XI in der hier maßgeblichen Fassung vom 19.05.2020 knüpft sowohl die Pflicht zur Auszahlung der Sonderleistung der „Corona-Prämie“ an die Beschäftigten in Abs. 1 als auch den damit korrespondierenden Erstattungsanspruch nach Abs. 7 primär an das Merkmal der zugelassenen Pflegeeinrichtung. Zugelassene Pflegeeinrichtungen sind nach der Legaldefinition des § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XI diejenigen Pflegeeinrichtungen, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht. Hiergegen spricht nicht, dass in Abs. 1 und Abs. 7 jeweils in Satz 2 auch Arbeitgeber einbezogen werden, deren Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung oder eines Werk- oder Dienstleistungsvertrags eingesetzt werden. Denn auch diese Personen müssen in einer Einrichtung nach dem jeweiligen Satz 1, also einer zugelassenen Pflegeeinrichtung tätig werden.
Gegen die Annahme eines Gleichordnungsverhältnisses spricht im Ergebnis auch nicht die Ähnlichkeit der Vorschrift mit den Regelungen des SGB III zur Leistung von Kurzarbeitergeld. Zwar weist Schlegel (NJW 2020, 1911, 1915) zutreffend darauf hin, dass vorliegend die Pflegeeinrichtungen als Arbeitgeber von Pflegekräften durch § 150 a SGB XI für Dienste staatlicher Verwaltung in Dienst genommen. Diese müssten sämtliche für die Ermittlung der zutreffenden Prämienhöhe notwendigen Ermittlungen vornehmen, die Prämien auszahlen und der Pflegekasse spätestens zum 15.2.2021 die tatsächliche Auszahlung der Prämien anzeigen. Diese Einordnung der Pflegeeinrichtungen als bloße „Zahlstelle“ wird in der Literatur (Roth in: Hauck/Noftz SGB XI, § 150a SGB 11, Rn. 18; Schlegel in: Schlegel/Meßling/Bockholdt, Covid-19-Corona–Gesetzgebung-Gesundheit und Soziales, 2. Aufl. 2022, § 15 Rn. 7, Rn. 60) und Rechtsprechung (BAG, Beschluss vom 01.03.2022 - 9 AZB 25/21 – mit Blick auf die Rechtswegfrage; ausführlich auch SG Stralsund, Urteil vom 24.01.2025 – S 2 P 26/23, Rn. 17 nach juris) aufgegriffen. Hieraus ist allerdings nicht notwendigerweise abzuleiten, dass die Gewährung des Pflegebonus, wie auch dessen Rückforderung als „actus contrarius“ gegenüber der Pflegeeinrichtung im Wege des Verwaltungsaktes zu erfolgen hätte.
Dies ergibt sich schon aus der Unterschiedlichkeit der beiden Ansprüche. Das Kurzarbeitergeld (KUG) ist Anspruch des Arbeitnehmers aus dem Verhältnis als (in der Arbeitslosenversicherung) pflichtversicherten Beschäftigten (§§ 98 Abs. 1 Nr. 1, 24 Abs. 1 SGB III), der das versicherte Risiko der teilweisen Beschäftigungslosigkeit kompensieren soll. Der Anspruch auf Corona-Prämie knüpft hingegen lediglich an die Beschäftigung, nicht an eine Versicherungspflicht des jeweiligen Arbeitnehmers, insbesondere nicht an eine bestehende Pflegeversicherungspflicht an. Die Prämie kompensiert kein in der Pflegeversicherung versichertes Risiko, sondern zielt(e) als Leistung sui generis im Ergebnis darauf, die Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer der Leistungserbringer und damit die Leistungserbringung selbst sicherzustellen. Die auf dem bestehenden Versicherungsverhältnis beruhenden Ansprüche auf KUG werden nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 323 ff SGB III auf Antrag per Verwaltungsakt bewilligt. Der Arbeitgeber wird lediglich als Verfahrensstandschafter zwischengeschaltet (BSG, Urteil vom 5. Juni 2024 - B 11 AL 1/23 R - Rn. 12 nach juris), um das Verwaltungsverfahren zu vereinfachen (Müller-Grune in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Aufl., § 95 SGB III (Stand: 18.12.2024), Rn. 43). Während Gründe der Verwaltungsvereinfachung auch vorliegend die Indienstnahme des Arbeitgebers nahegelegt haben, fehlt doch die Anknüpfung der Leistung an das bestehende Versicherungsverhältnis.
b)
Dafür, dass in dem bestehenden Gleichordnungsverhältnis gleichwohl eine Befugnis der Klägerin zur Bewilligung bzw. Rückforderung von Leistungen im Wege des Verwaltungsaktes normiert sein soll, ist der Vorschrift § 150a SGB XI auch im Übrigen nichts zu entnehmen. Die Norm spricht an keiner Stelle von einer Bewilligung von Leistungen, sondern nur von Zahlungen. So heißt es insbesondere in Abs. 7 Satz 1, dass die zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Wege der Vorauszahlung von der sozialen Pflegeversicherung den für die Auszahlung der Corona-Prämien erforderlichen Betrag erhalten.
Auch die Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150a Abs. 7 SGB XI über die Finanzierung von Sonderleistungen während der Coronavirus SARS-Cov-2-Pandemie für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen in der Fassung vom 29.05.2020 begründen - unabhängig von der Frage der Zulässigkeit einer solch untergesetzlichen Normierung - vorliegend keine Befugnis der Klägerin, eine Rückzahlungspflicht der Beklagten einseitig durch Verwaltungsakt zu begründen. Nach Ziffer 9 Abs. 6 der vorgenannten Vorschrift hat die zuständige Pflegekasse die an die Pflegeeinrichtung ausgezahlten Beträge zurückzuverlangen, sofern eine Mitteilung über die tatsächlichen Auszahlungshöhen nicht bis spätestens zum 15. Februar 2021 durch die Einrichtung erfolgt ist. Eine eigenständige verfahrensrechtliche Regelung zur Art und Weise des Rückzahlungsverlangens enthält die Vorschrift nicht.
Vor diesem Hintergrund ist entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts auch ein Rechtschutzbedürfnis der Klägerin gegeben.
2.
Die Klage ist allerdings unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 4.334,00 €. Aus diesem Grund stehen ihr auch weitere 40,00 € Verzugskosten nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nicht zu.
Einen solchen Anspruch kann sie weder auf Ziffer 9 Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 der Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes in der Fassung vom 29.05.2020 stützen noch auf die Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs.
Nach Ziffer 9 Abs. 6 der Vorschrift hat die zuständige Pflegekasse die an die Pflegeeinrichtung ausgezahlten Beträge zurückzuverlangen, sofern eine Mitteilung über die tatsächlichen Auszahlungshöhen nicht bis spätestens zum 15.02.2021 durch die Einrichtung erfolgt.
Hierbei handelt es sich nicht um eine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern um eine Verpflichtung der Pflegekassen zur Durchsetzung eines öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruchs ab dem 15.02.2021.
Ein solcher Erstattungsanspruch der Klägerin ist nicht gegeben.
Die Beklagte hat den streitigen Betrag zunächst mit Rechtsgrund erhalten (nachfolgend a)). Der Rechtsgrund für diese Leistung ist auch nicht später entfallen (nachfolgend b).
a)
Die Beklagte hat den Betrag von 4.334,00 € zur Auszahlung der Corona-Prämie an ihre Arbeitnehmer zunächst zurecht erhalten. Sie hatte nach § 150a Abs. 7 Satz 1 SGB XI als zugelassene Pflegeeinrichtung gegenüber der Klägerin im Wege der Vorauszahlung jedenfalls in dieser Höhe einen Anspruch. Denn sie schuldete ihrerseits in jedenfalls dieser Höhe ihren Arbeitnehmern nach § 150 a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SGB XI die Zahlung von Corona-Prämien. Dass die Voraussetzungen für die Leistung der Corona-Prämien durch die Klägerin an die Beklagte in dieser Höhe vorlagen, ist für den Senat nicht zweifelhaft und im Ergebnis zwischen den Beteiligten auch nicht (mehr) streitig.
Zur Überzeugung des Senats hat die Beklagte die erhaltenen Corona-Prämien auch nach Maßgabe des § 150a Abs. 8 Satz 1 SGB XI jedenfalls vor dem 15.02.2020 an die Arbeitnehmer ausgezahlt. Im Ergebnis unstreitig erfolgte (unter Einschluss landesrechtlicher Aufstockungsbeträge) eine Auszahlung an Frau Y. C. am 13.10.2020 in Höhe von 1.000,- €, an Frau Z. E. am 02.10.2020 in Höhe von 1.500,- €, an Frau K. V. am 20.01.2021 in Höhe von 1.500,- €, jeweils im Wege der Überweisung, an Frau A. R. am 06.08.2020 in Höhe von 1.000,- € in bar, sowie an Herrn U. D., den Geschäftsführer der Beklagten, der den Betrag von 1.500,- € zunächst auf dem Geschäftskonto belassen hat. Zur Überzeugung des Senats besaß der Geschäftsführer mit dem Eingang der Zahlung durch die Klägerin jederzeitige Verfügungsbefugnis hierüber, so dass schon zu diesem Zeitpunkt eine Auszahlung im Sinne des § 150a Abs. 8 SGB XI vorlag.
b)
Der Rechtsgrund für die Zahlung von 4.334,00 € durch die Klägerin an die Beklagte ist auch nicht später entfallen. Eine solche Rechtsfolge ist an die Versäumung der in § 150a Abs. 7 Satz 8 SGB XI bezeichneten Frist zur Anzeige der Auszahlung der Coronaprämien gegenüber der Klägerin bis zum 15.02.2021 nicht geknüpft.
Unabhängig von der Frage, ob mit § 150a Abs. 7 Satz 9 SGB XI hierfür überhaupt eine geeignete Ermächtigungsgrundlage geschaffen wurde, hat der Spitzenverband Bund der Pflegekassen vorliegend entgegen der Ansicht der Klägerin in der Ziffer 9 der Festlegungen weder eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (nachfolgend aa) noch eine materielle Präklusionsvorschrift (nachfolgend bb) geschaffen.
aa)
Schon nach dem Wortlaut ist weder in § 150a SGB XI noch in den hierauf gestützten Festlegungen ein Anspruchsausschluss normiert. Aufgrund der weitreichenden Folgen ist dabei eine materiell wirkende Ausschlussfrist grundsätzlich ausdrücklich als solche zu bezeichnen, vgl. § 325 Abs. 3 SGB III, der für das KUG ausdrücklich eine Ausschlussfrist mit Fristbeginn und -zeitraum regelt.
Nach § 150a Abs. 7 Satz 8 müssen die die Pflegeeinrichtungen den Pflegekassen bis
spätestens zum 15.02.2021 die tatsächliche Auszahlung der Corona-Prämien anzeigen. Nach Satz 9 legt der Spitzenverband Bund der Pflegekassen im Benehmen mit den Bundesvereinigungen der Träger stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene unverzüglich das Nähere für das Verfahren einschließlich der Information der
Beschäftigten über ihren Anspruch fest.
Nach Ziffer 9 Abs. 1 der hierauf gestützten Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150a Abs. 7 SGB XI über die Finanzierung von Sonderleistungen während der Coronavirus SARSCoV-2-Pandemie für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen in der Fassung vom 29.05.2020 (nachfolgend Festlegungen) hat die Pflegeeinrichtung der jeweils zuständigen Pflegekasse unmittelbar nach der jeweiligen Auszahlung der Corona-Prämien an ihre Beschäftigten, spätestens jedoch bis zum 15.02.2021 die Höhe und den Zeitpunkt der tatsächlichen Auszahlung mitzuteilen.
Nach Ziffer 9 Abs. 6 der Festlegungen hat die zuständige Pflegekasse die an die Pflegeeinrichtung ausgezahlten Beträge zurückzuverlangen, sofern eine Mitteilung über die tatsächlichen Auszahlungshöhen nicht bis spätestens zum 15.02.2021 durch die Einrichtung erfolgt ist.
Damit ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist nicht geregelt. Eine solche schließt einen Anspruch ganz oder teilweise allein durch Zeitablauf aus bzw. führt allein durch Zeitablauf zum Verlust einer (zunächst begründeten) materiell-rechtlichen Anspruchsposition (vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2021 - B 1 KR 24/20 R – m.w.N.).
Eine materielle Ausschlusswirkung ist den Festlegungen auch nicht im Wege der weiteren Auslegung zu entnehmen.
Die systematische Einordnung nach den Absätzen 4 und 5 der Ziffer 9 der Festlegungen spricht dafür, dass lediglich zeitnah nach der Auskehr der Corona-Prämien - nämlich nach dem 15.02.2021 - ein Ausgleich im Sinne einer Schlussrechnung geschaffen werden sollte. Nach Ziffer 9 Abs. 4 der Festlegungen hat die Pflegeeinrichtung die Differenz unaufgefordert und unverzüglich an die zuständige Pflegekasse zurückzuzahlen, sofern der nach Absatz 1 mitgeteilte Betrag geringer ist als der Betrag, den die Pflegekasse aufgrund der Meldung nach Ziffer 5 ausgezahlt hat. Die zuständige Pflegekasse kann zudem den Differenzbetrag jederzeit von der Pflegeeinrichtung zurückfordern. Ziffer 9 Abs. 5 der Festlegungen schließt eine Nachforderung der Pflegeeinrichtung regelhaft aus, sofern nicht die Voraussetzungen einer Nachmeldung im Sinne von Ziffer 5 Abs. 4 vorliegen.
Die Gesetzesbegründung bestätigt die Zielsetzung eines bloßen Ausgleichs. In der BT-Drs. 19/18967, S. 77, ist zu § 150a Abs. 7 ausgeführt:
„Bis zum 15. Februar 2021 haben die Pflegeeinrichtungen und Arbeitgeber nach Absatz 1 Satz 2 nach Abschluss des Verfahrens den Pflegekassen die tatsächlich ausgezahlten Prämien anzuzeigen. Ziel dieser unmittelbaren Information an die Pflegekassen ist, dass diese gegebenenfalls zu viel oder zu wenig gezahlte Beträge ausgleichen können.
Das Nähere für das dafür notwendige Meldeverfahren hinsichtlich der einrichtungsbezogenen Gesamtbeträge, des Auszahlungsverfahrens und der Information der Beschäftigten hat der Spitzenverband Bund der Pflegekassen im Benehmen mit den Bundesvereinigungen der Träger stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen und geeigneten Verbänden der Arbeitgeber nach Absatz 1 Satz 2 auf Bundesebene unverzüglich festzulegen. Dabei sollen insbesondere auch Vorgaben zum Anzeigeverfahren und zu einer möglichen Prüfung der von den Einrichtungen gemachten Angaben auf Nachvollziehbarkeit unter Einhaltung des Datenschutzes gemacht werden.“
Die Intention, einen Anspruchsuntergang bei Fristversäumung zu schaffen, lässt sich hier nicht entnehmen. Die Schaffung einer solchen Regelung wird auch nicht in das Ermessen des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen gestellt. Letzterer sollte insoweit lediglich zeitnah ein Meldeverfahren etablieren. Daran ändert auch nichts, dass in der ab dem 30.06.2022 geltenden Normfassung des § 150 Abs. 7 SGB XI (Gesetz zur Zahlung eines Bonus für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen (Pflegebonusgesetz) v. 28.6.2022, BGBl. I 938) der nunmehrige Satz 10 lautet:
„Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen legt im Benehmen mit den Bundesvereinigungen der Träger stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen und geeigneten Verbänden der Arbeitgeber im Sinne von Absatz 1 Satz 2 auf Bundesebene unverzüglich das Nähere für das Verfahren einschließlich angemessener Möglichkeiten zur Prüfung, Rückforderung und Aufrechnung durch die Pflegekassen sowie der Information der Beschäftigten und Arbeitnehmer im Sinne von Absatz 1 Satz 2 über ihren Anspruch fest.“
Ob es sich bei der Ergänzung der Ermächtigungsgrundlage zur Verfahrensregelung um die Worte „angemessener Möglichkeiten zur Prüfung, Rückforderung und Aufrechnung durch die Pflegekassen sowie“ lediglich um eine „Klarstellung“ handelt, kann dahinstehen. Denn weder der Vorschrift noch der entsprechenden Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/1331, S 26) lässt sich an irgendeiner Stelle entnehmen, dass beabsichtigt war, den Spitzenverband zur Schaffung einer anspruchsvernichtenden Regelung zu ermächtigen.
Die Zielsetzung des Gesetzgebers, eine materielle Ausschlussfrist zu schaffen, lässt sich auch nicht aus der weiteren Gesetzeshistorie ableiten. Zwar wurde mit Wirkung v. 17.9.2022 in § 150a Abs. 7 SGB XI durch das Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 v. 16.9.2022 (BGBl. I 1454) ein neuer Satz 7 mit einer neuen Meldefrist für Auszubildende eingefügt. Hierzu ist in der BT-Drs. 20/3328 S 34 ausgeführt, dass mit Blick auf Auszubildende zu Unklarheiten über den Adressaten der Meldepflicht gekommen war. Dem Bundesministerium für Gesundheit sei nun bekanntgeworden, dass diese Unklarheiten zum Teil zum Ausbleiben einer fristgerechten Meldung nach Absatz 7 Satz 5 und „in der Folge zum Wegfall des Refinanzierungsanspruchs geführt“ hätten. Dies solle weder zu Lasten der Auszubildenden in den Pflegeeinrichtungen noch zu Lasten der Pflegeeinrichtungen gehen, weshalb eine Erstreckung der Meldefrist für die benannte Fallgruppe angezeigt sei.
Dass der Gesetzgeber eine in der Praxis vertretene – fehlerhafte – Rechtsauffassung der Pflegekassen in einer Begründung als „Unklarheit“ aufgreift, vermag diese Rechtsauffassung nicht zu stützen.
bb) Aus den vorgenannten Erwägungen ist mit § 150a Abs. 7 SGB XI i.V.m. Ziffer 9 Abs. 6 der Festlegungen auch keine materielle Präklusionsregelung geschaffen worden. Eine solche hätte die Rechtsfolge, dass die Pflegeeinrichtung eine Meldung nach Abs. 7 Satz 8 nach dem 15.02.2021 nicht mehr abgeben und ggf. durch Unterlagen belegen könnte. Da die Präklusion auch in einem späteren Gerichtsverfahren zu beachten wäre und präkludierte Unterlagen als Beweismittel endgültig ausgeschlossen wären (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 24/20 R - Rn. 11 nach juris), würde dies vorliegend zu demselben Ergebnis führen wie bei der Annahme eines unmittelbaren Anspruchsuntergangs. Auch eine materielle Präklusionswirkung ist damit zu verneinen.
Der Anspruch der Beklagten auf die erhaltenen Corona-Prämien ist damit weder durch Fristablauf untergegangen noch war die Beklagte mit der verfristeten Meldung der Auszahlung an ihre Arbeitnehmer materiell präkludiert. Eine solche konnte sie vielmehr bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abgeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Teilsatz SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 197a Abs. 1 Satz 1 1. Teilsatz SGG, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 Satz 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und bemisst sich nach der Höhe der geltend gemachten Forderung.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.