Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 27.12.2024 geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 10.10.2024 (Sozialgericht Duisburg, S 17 KR 1302/24 KH) gegen den Bescheid der Antragsgegnerinnen vom 04.10.2024 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerinnen tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen gesamtschuldnerisch.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 81.250 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Streitig ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Widerlegung einer Mindestmengenprognose.
Die Antragstellerin ist Trägerin eines Plankrankenhauses im Regierungsbezirk J.. Bis zum 31.12.2024 war die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Krankenhauses berechtigt, komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus (Speiseröhre) gemäß der Mindestmengenregelung (Mm-R, vorliegend i.d.F. des Beschlusses vom 21.12.2023, BAnz AT 14.02.2024 B8) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) durchzuführen.
Am 05.08.2024 übermittelte das Krankenhaus per Datenträgeraustausch die Prognose für u.a. den Leistungsbereich „komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus“ für das Jahr 2025. Hiernach betrug die Leistungsmenge in diesem Leistungsbereich im Kalenderjahr 2023 19 Leistungen und im Zeitraum vom 3. Quartal 2023 bis einschließlich des 2. Quartals 2024 21 Leistungen.
Mit einem gemeinsamen Schreiben vom 27.08.2024 hörten die Antragsgegnerinnen die Antragstellerin dazu an, dass erwogen werde, die Prognose zu widerlegen. Daraufhin begründete die Antragstellerin ihre Prognose mit Schreiben vom 09.09.2024 näher. Die Eingriffszahlen hätten von 12 Eingriffen im Jahr 2021 auf 18 Eingriffe im Jahr 2022 und 21 Eingriffe in den letzten vier Quartalen gesteigert werden können. Zum Ende des Jahres 2024 seien nach Abschluss der Krankenhausplanung weitere Steigerungen der Fallzahlen zu erwarten, denn es sei nach dem Stand der Anhörungen zum Landeskrankenhausplan mit einer Leistungsmenge von 26 Eingriffen zu rechnen. Demgegenüber sei allein im Regierungsbezirk J. 14 Krankenhäusern die beantragte Leistungsmenge nicht gewährt worden. Hiervon werde ihr Krankenhaus überproportional profitieren. Die weiteren Häuser in der Umgebung befänden sich aufgrund der Altersstruktur in einer Umbruchsituation. Wie auch in den vorangegangenen Anhörungsverfahren werde auf bestehende Kooperationsvereinbarungen mit anderen Häusern hingewiesen. Konkret sei zu berücksichtigen, dass der Kooperationspartner A. V. die Durchführung von zehn Ösophagus-Eingriffen beantragt habe, nach dem Stand der Anhörung aber den Versorgungsauftrag nicht erhalten werde. Es werde zudem noch einmal auf die Einrichtung des Refluxzentrums W. hingewiesen, das sich weiter positiv entwickle mit einer Steigerung von 320 Patientenkontakten in 2019 auf 650 Patientenkontakte in 2023.
Mit Bescheid vom 04.10.2024 widerlegten die Antragsgegnerinnen die Prognose. Die maßgebliche Mindestmenge sei im Kalenderjahr 2023 nicht erreicht worden. Personelle Veränderungen seien nicht mitgeteilt worden. Der Hinweis auf bestehende Kooperationen könne nicht überzeugen, da diese bereits im vorangegangenen Prognosejahr 2024 angeführt worden seien. Die hervorgehobene Qualität und geringe Sterblichkeitsrate sowie die Refluxsprechstunde hätten bereits im vorangegangenen Prognosejahr keine Auswirkung auf potentielle Patienten gehabt. Die Ausführungen zur Krankenhausplanung könnten im Ergebnis nicht als weitere Umstände i.S.d. § 4 Abs. 2 S. 3 Mm-R herangezogen werden. Dies einerseits, da die Leistungsberechtigung im Zuge der Mm-R keine krankenhausplanerische Maßnahme darstelle. Andererseits liefen derzeit noch die Anhörungsverfahren für die Krankenhausplanung.
Die Antragstellerin hat am 10.10.2024 Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben und am 12.11.2024 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerinnen vom 04.10.2024 beantragt. Zur Begründung hat sie ergänzend vorgetragen, sie habe in den vorangegangenen Jahren die Anzahl der Eingriffe kontinuierlich um 75 % gesteigert. Die Krankenhausplanung strebe für die einschlägige Leistungsgruppe eine noch deutlichere Konzentration der Leistungserbringung zugunsten der leistungsstärksten Krankenhäuser an, zu denen sie sich zähle. Hieraus sowie aus den bereits bestehenden Kooperationsverhältnissen und der voraussichtlich weiteren Kooperation mit dem A. V. ergebe sich konkret die Erwartung einer Fallzahlsteigerung.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 27.12.2024, auf den Bezug genommen wird, den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zurückgewiesen.
Mit der hiergegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihr bisheriges Vorbringen.
Sie beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 27.12.2024 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 10.10.2024 (Sozialgericht Duisburg, Az.: S 17 KR 1302/24 KH) gegen den Widerlegungsbescheid der Antragsgegnerinnen vom 04.10.2024 anzuordnen.
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.
Ihr Antrag ist statthaft (zur isolierten Anfechtungsklage als statthaftem Rechtsbehelf in der Hauptsache: BSG, Urteil vom 25.03.2021 – B 1 KR 16/20 R –, Rn. 10 ff., 15 ff.) und auch im Übrigen zulässig. Darüber hinaus ist der Antrag auch begründet.
Gemäß § 86b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Interesses der Antragstellerin an einem Aufschub der Vollziehung einerseits sowie des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage in der Hauptsache zu berücksichtigen. Erweist sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, ist regelmäßig die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, denn am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 19.03.2012 – L 11 KA 15/12 B ER –, juris Rn. 23; Beschluss vom 05.03.2012 – L 19 AS 292/12 B ER –, juris Rn. 29; Beschluss vom 13.08.2010 – L 6 AS 999/10 B ER –, juris Rn. 24 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 30.10.2009 – 1 BvR 2395/09 –, Rn. 6 f.). Ist der Verwaltungsakt dagegen nicht offensichtlich rechtswidrig, ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG das Entfallen der aufschiebenden Wirkung angeordnet und damit grundsätzlich von einem überwiegenden Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes ausgeht; die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss insoweit eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (LSG NRW, Beschluss vom 09.12.2013 – L 2 AS 1956/13 B ER –, juris Rn. 3; zum Ganzen auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 86b Rn. 12c).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist statthaft, denn der Klage der Antragstellerin gegen die Widerlegungsentscheidung der Antragsgegnerinnen vom 04.10.2024 kommt kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 136b Abs. 5 S. 11 Hs. 2 SGB V). Der Antrag ist auch begründet. Nach summarischer Prüfung ist der Bescheid offensichtlich rechtswidrig. Es sind zwar die formellen (dazu 1), nicht aber die materiellen Voraussetzungen (dazu 2) für die angegriffene Widerlegungsentscheidung erfüllt.
1. Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit bestehen nicht, insbesondere haben die Antragsgegnerinnen die Antragstellerin vor Erlass des angegriffenen Verwaltungsaktes (mit Schreiben vom 27.08.2024) ordnungsgemäß angehört (zum Anhörungserfordernis BSG, Urteil vom 25.03.2021, a.a.O. Rn. 26 f.). Weiter leidet die Widerlegungsentscheidung auch nicht an einem formellen Begründungsmangel i.S.d. § 35 Abs. 1 SGB X; für einen solchen formellen Begründungsmangel ist vorliegend nichts ersichtlich.
2. Die materiellen Voraussetzungen für eine Widerlegungsentscheidung nach § 136b Abs. 5 S. 6 Hs. 1 SGB V (i.d.F. des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes <GVWG> vom 11.07.2021, BGBl. I 2754) liegen nach summarischer Prüfung jedoch nicht vor. Danach müssen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen für Krankenhausstandorte in ihrer Zuständigkeit ab der Prognose für das Kalenderjahr 2023 bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Krankenhausträger getroffene Prognose durch Bescheid widerlegen. Begründete Zweifel im vorgenannten Sinne liegen nach § 136b Abs. 5 S. 6 Hs. 2 SGB V i.V.m. § 4 Abs. 4 S. 2 Mm-R in der Regel vor, wenn beispielsweise
- die maßgebliche Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr nach § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Mm-R nicht erreicht wurde und auch unter Berücksichtigung aller weiteren Kriterien gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 bis 4 Mm-R konkrete, objektive Umstände der Richtigkeit der getroffenen Prognose widersprechen;
- die maßgebliche Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr nach § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Mm-R nicht erreicht wurde, sich die vom Krankenhausträger getroffene Prognose ausschließlich auf die erreichte Leistungsmenge im Zeitraum gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Mm-R stützt und unter Berücksichtigung aller weiteren Kriterien gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 und 4 und S. 3 Mm-R konkrete, objektive Umstände der Richtigkeit der getroffenen Prognose widersprechen.
Bei den genannten Fällen handelt sich um Regelbeispiele (§ 136b Abs. 5 S. 6 Hs. 2 SGB V). Die Kassenverbände haben mithin, soweit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 S. 2 Buchst. a oder b Mm-R erfüllt sind, grundsätzlich eine Widerlegung auszusprechen. Möglich bleibt es aber auch, Prognosen wegen anderer Umstände als den in § 4 Abs. 4 S. 2 Mm-R genannten zu widerlegen oder in begründeten Einzelfällen von einer Widerlegung abzusehen, obwohl eines der Regelbeispiele einschlägig ist (vgl. BT-Drs. 19/26822, 92 f.). Ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum kommt den Kassenverbänden in diesem Zusammenhang jedoch nicht zu (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25.03.2024 – L 6 KR 2/24 B ER –, juris Rn. 71).
Da die Antragstellerin ihre Prognose nicht ausschließlich auf die erreichte Leistungsmenge im Zeitraum gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Mm-R gestützt hat, kommt vorliegend allein das Regelbeispiel des § 4 Abs. 4 S. 2 Buchst. a Mm-R in Betracht. Dessen Voraussetzungen sind entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen und des Sozialgerichts nicht erfüllt. Die Antragstellerin erreichte zwar die maßgebliche Mindestmenge nicht (dazu a). Unter Berücksichtigung aller weiteren Kriterien gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 bis 4 Mm-R widersprechen konkrete, objektive Umstände der Richtigkeit der getroffenen Prognose jedoch nicht (dazu b).
a) Die nach § 4 Abs. 4 S. 2 Buchst. a Mm-R maßgebliche Mindestmenge erreichte die Antragstellerin im vorausgegangenen Kalenderjahr – vorliegend nach § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Mm-R angesichts der Widerlegungsentscheidung vom 04.10.2024 das Kalenderjahr 2023 – nicht. Vorausgegangenes Kalenderjahr ist das Kalenderjahr vor demjenigen, in dem die Prognose gestellt wird, nicht das vor dem Jahr, für das sie gestellt wird (vgl. Beschluss des Senats vom 05.06.2023 – L 10 KR 119/23 B ER –, juris Rn. 25 m.w.N.). Seinerzeit nahm die Antragstellerin lediglich 19 komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus vor, wohingegen insoweit seit dem Kalenderjahr 2023 eine Mindestmenge von 26 Leistungen pro Standort eines Krankenhauses erforderlich ist. Dass die Antragstellerin mit den genannten 19 Eingriffen die insoweit zuvor geltende Mindestmenge von nur zehn Leistungen mehr als erfüllte, ist ohne Belang, weil § 4 Abs. 4 S. 2 Buchst. a und b Mm-R jeweils auf „die maßgebliche Mindestmenge“ abstellen und nicht auf die zuvor noch maßgebliche.
b) Das Nichterreichen der maßgeblichen Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr reicht allein zur Widerlegung der Prognose jedoch nicht aus. Vielmehr muss kumulativ („und“) hinzukommen, dass auch unter Berücksichtigung aller weiteren Kriterien gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 bis 4 Mm-R konkrete, objektive Umstände der Richtigkeit der getroffenen Prognose widersprechen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Hiernach sind zu berücksichtigende Kriterien personelle (§ 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 Mm-R) und strukturelle Veränderungen (§ 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 Mm-R) sowie weitere Umstände (§ 4 Abs. 2 S. 3 Mm-R), insbesondere die COVID-19-Pandemie (§ 4 Abs. 2 S. 4 Mm-R).
Zwar können zugunsten der Antragstellerin entgegen ihrem Vorbringen keine personellen Veränderungen Berücksichtigung finden. Für das eigene Krankenhaus trägt die Antragstellerin solche Veränderungen nicht einmal vor. Die behauptete ungünstige Altersstruktur der umgebenden Kliniken – Chefärzte stünden kurz vor der Pensionierung – wird ohne nähere und somit nachvollziehbare Konkretisierung lediglich behauptet.
Die Steigerung der Eingriffszahlen von zwölf im Jahr 2021 auf 19 im Jahr 2023 und die daraus folgende Steigerung um 75 % ist für sich betrachtet ebenfalls nur bedingt geeignet, die Richtigkeit der Prognose zu untermauern. Diese Steigerung führte bisher jedenfalls nicht zur Erreichung der Mindestmenge. Auch die stetig wachsende Zahl von Patientenkontakten (320 in 2019 gegenüber 650 in 2023) im Refluxzentrum W. ist für sich genommen nicht geeignet, die Prognose der Antragstellerin zu stützen. Eine gesicherte Korrelation zwischen der Anzahl dieser Patientenkontakte und darauf beruhender Ösophaguseingriffe lässt sich derzeit ersichtlich nicht ableiten.
Für das Erreichen der maßgeblichen Mindestmenge von 26 Eingriffen im Kalenderjahr 2025 sprechen jedoch andere konkrete, objektive Umstände in Gestalt von strukturellen Veränderungen bzw. weiteren Umständen (vgl. § 4 Abs. 2 S. 3 Mm-R). Die vom G-BA explizit aufgeführten Umstände sind gerade nicht abschließend, vielmehr auch nicht explizit dort genannte Gesichtspunkte berücksichtigt werden, um eine an den besonderen Umständen des Einzelfalles orientierte Beurteilung zu ermöglichen (so ausdrücklich bereits die tragenden Gründe des G-BA zum Beschluss vom 17.11.2017, S. 8; ebenso: Deister in Hauck/Noftz, SGB V <Stand: X/2024>, § 136b Rn. 27; Hauck in Hauck/Klakow-Franck, jurisPK-SGB V/G-BA, 1. Aufl. 2019 <Stand: 22.08.2023>, § 4 Mm-R Rn. 38.4).
Nach der Krankenhausplanung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) war gemäß § 14 Krankenhausgestaltungsgesetz (KHGG) für den maßgeblichen Regierungsbezirk J. bereits zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung der Antragstellerin beabsichtigt, dass für die Leistungsgruppe 16.3 („Ösophaguseingriffe“) von 24 Krankenhäusern, die einen entsprechenden Versorgungsauftrag beantragten, nur elf überhaupt ein solcher zugewiesen werden sollte. Von diesen elf Krankenhäusern sollten wiederum vier weniger Fallzahlen zugewiesen bekommen als beantragt. Das Krankenhaus der Antragstellerin zählte zu den elf Kliniken, die voraussichtlich einen entsprechenden Versorgungsauftrag erhalten sollten, wenn auch im Umfang von vier Fallzahlen weniger als beantragt (26 statt 30; s. hierzu das Anhörungsschreiben des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW vom 21.06.2024).
Im (ersten) Anhörungsverfahren wurde hierzu konkret ausgeführt:
„Bezüglich der Leistungsgruppe 16.3 Ösophaguseingriffe liegt auf der Planungsebene insgesamt eine Überzeichnung durch die beantragenden Krankenhäuser vor, so dass zur Sicherstellung der Versorgung nur der Teil des prognostizierten Bedarfes berücksichtigt werden kann. In dieser Leistungsgruppe soll aufgrund der oftmals onkologischen Indikation und hohen Mortalität eine deutliche Konzentration der Leistungserbringung erfolgen. Das reale Fallgeschehen in Nordrhein-Westfalen zeigt, dass bereits heute über 30 Prozent aller Ösophaguseingriffe von den drei größten Versorgern des Landes vorgenommen werden. Der größte Versorger alleine zeichnet sich für rund 20 Prozent aller Eingriffe verantwortlich. Ebenso legte der Gemeinsame Bundesausschuss mit seinem Beschluss vom 17.12.2020 eine Mindestmenge von 26 komplexen Eingriffen am Organsystem Ösophagus für Erwachsene pro Standort fest. Das Land strebt perspektivisch eine noch deutlichere Konzentration der Leistungserbringung an. Die Auswahl erfolgte zugunsten der leistungsstärksten Krankenhäuser. Der prognostizierte Bedarf wurde unter den berücksichtigten Krankenhäusern und unter Berücksichtigung der voranstehenden Mindestmengenregelung mit mindestens 26 Fällen anteilsmäßig verteilt.“
Im Rahmen des Krankenhausplans ist der Bedarf der Leistungsgruppe 16.3 landesweit auf 1.261 Fälle (vgl. S. 192 des Krankenhausplans) und auf Planungsebene (Regierungsbezirk J.) auf 351 Fälle ermittelt worden. Der antragsbedingten Überzeichnung Rechnung tragend sollte nach dem Anhörungsschreiben sodann die Zuweisung auf elf Krankenhäuser im Regierungsbezirk erfolgen. Vergleichbar stellten sich die Planungen in den benachbarten Regierungsbezirken dar. Beispielhaft war im Regierungsbezirk S. eine Zuweisung lediglich für zwei Krankenhäuser in S. und ein Krankenhaus in Z. vorgesehen, eine Zuweisung etwa an das A. V. als einem der mit dem Krankenhaus der Antragstellerin kooperierenden Krankenhäuser war hingegen nicht geplant.
Vor dem Hintergrund der im Rahmen der Krankenhausplanung konkret bezweckten Konzentrationswirkung war unter Berücksichtigung der weiteren von ihr angeführten und oben im Einzelnen wiedergegebenen Umstände die der ihr obliegenden Prognose zugrundeliegende Erwartung der Antragstellerin, im Rahmen der Landeskrankenhausplanung werde sich eine Konzentration der mindestmengenrelevanten Eingriffszahlen zu ihren Gunsten ergeben, die eine sie betreffende Steigerung der Fallzahlen in ausreichendem Umfang bewirken würde, gerechtfertigt. Das Krankenhaus hatte im Jahr 2023 19 und im Zeitraum 3. Quartal 2023 bis einschließlich 2. Quartal 2024 bereits 21 Ösophaguseingriffe vorgenommen, so dass nur fünf Eingriffe bis zum Erreichen der Mindestmenge fehlten und dies ohne jeglichen Effekt der skizzierten und erst noch umzusetzenden Landeskrankenhausplanung. Die Erwartung einer Steigerung der Fallzahlen trägt umso mehr, als die bereits durch Kooperationsvertrag mit dem A. V., einem in einem anderen Regierungsbezirk gelegenen, Krankenhaus im Jahr 2023 begründete Kooperation sich erwartbar im Kalenderjahr 2025 auswirken wird, denn dieses sollte nach der Krankenhausplanung des Landes keinen entsprechenden Versorgungsauftrag erhalten und beabsichtigte daher ausweislich einer Mitteilung vom 06.09.2024, die Behandlung seiner Patienten im Krankenhaus der Antragstellerin zu ermöglichen.
Bei dieser Sachlage liegen zur Überzeugung des Senats keine die Widerlegungsentscheidung tragenden begründeten erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der Prognose der Antragstellerin vor. Insoweit besteht eine Wechselbezüglichkeit zwischen Prognose und Widerlegung dergestalt, dass die Anforderungen an die Widerlegung je nach Tragfähigkeit der Prognose selbst variieren (vgl. Deister a.a.O. Rn. 27b). Die Zweifel müssen umso begründeter sein, je weiter das Krankenhaus von der Erfüllung der Mindestmenge im nach dem Gesetz zentralen vorausgegangenen Kalenderjahr (Deister a.a.O.) entfernt ist. Soweit die Antragsgegnerinnen im Rahmen ihrer Widerlegungsentscheidung die „umfangreichen Ausführungen rund um das Thema Krankenhausplanung NRW“ zwar unter „weitere Umstände“ i.S.v. § 4 Abs. 2 S. 3 Mm-R subsumiert, sodann aber ausgeführt haben, die Bewertung gemäß den geltenden Mindestmengenregelungen habe losgelöst von der derzeit laufenden Krankenhausplanung zu erfolgen, im Übrigen gebe es noch keine bestandskräftigen Feststellungsbescheide, vermag der Senat diese Ausführungen ebenso wenig zu teilen wie die Schlussfolgerung, tragfähige und objektive Umstände, die eine positive Prognose rechtfertigen könnten, seien nicht gegeben.
Der Senat geht vielmehr im Ausgangspunkt davon aus, dass auch Umstände der Krankenhausplanung nicht nur pro forma als weiterer Umstand unter § 4 Abs. 2 S. 3 Mm-R zu subsumieren sind, sondern durchaus geeignet sein können, ggf. für sich genommen, jedenfalls aber – wie hier – in Kombination mit weiteren organisatorischen, personellen oder strukturellen Veränderungen, die Prognoseentscheidung eines Krankenhauses nach § 136b Abs. 5 S. 3 SGB V zu stützen bzw. der Annahme begründeter erheblicher Zweifel im Rahmen der Widerlegungsentscheidung entgegenzustehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Krankenhausplanung so konkretisiert, dass es nicht bei der abstrakten Beschreibung der mit ihr verfolgten Ziele bleibt, sondern deren Umsetzung bereits konkret Gestalt annimmt. Dies nicht zuletzt wegen der beabsichtigten Konzentration der Leistungsempfänger auch auf regionaler Planungsebene in einem die Zahl der Leistungserbringer prognostisch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit signifikant regulierenden Umfang, der unmittelbare Auswirkungen auf die Eingriffszahlen eines Krankenhauses erwarten lässt. Ohnehin ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass die Krankenhauslandschaft in tatsächlicher Hinsicht wesentich durch die Krankenhausplanung geprägt wird (vgl. in diesem Zusammenhang auch Urteil des Senats vom 04.09.2024 – L 10 KR 825/21 KH –, juris Rn. 53). Dabei ist der naturgemäß mit Unsicherheiten behaftete Charakter einer Prognoseentscheidung zu berücksichtigen. Dass die Leistungsberechtigung im Zuge der Mm-R keine krankenhausplanerische Maßnahme darstellt, wie die Antragsgegnerinnen ausführen, steht der hier naheliegenden Annahme der Konsequenzen der Krankenhausplanung auf die im Zusammenhang mit der Mm-R maßgeblichen Eingriffszahlen ersichtlich nicht entgegen.
Soweit die Antragsgegnerinnen im angefochtenen Bescheid zutreffend darauf hinweisen, dass sich die Krankenhausplanung noch im Stadium der Anhörung befinde, genügt dies nicht für eine Widerlegung der Prognose. Auch bei einem Anhörungsverfahren handelt es sich bereits um ein verfestigtes Verwaltungsverfahren. Denn bereits die Anhörung verlangt Entscheidungsreife (vgl. dazu Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 28 Rn. 42), so dass ein völliges Abweichen von den sich vorliegend manifestierenden Planungen nicht zu erwarten war.
Nach alledem gibt es keine begründeten erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der vom Krankenhausträger getroffenen und unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände tragfähigen Prognose, die deren Widerlegung rechtfertigen könnten.
Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung folgen aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO bzw. §§ 63 Abs. 2 S. 1, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 S. 1 GKG; bezüglich der Festsetzung des Streitwerts nimmt der Senat im Übrigen auf den insoweit zutreffenden Beschluss des Sozialgerichts Bezug.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).