L 7 AL 73/23

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 14 AL 4/23
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 73/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze


Die Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses wirkt bei andauernder Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans während der Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens auch dann fort, wenn sich die Überwachung auf die Ausschüttung der Insolvenzquote durch den Treuhänder beschränkt, mit der Folge, dass kein neuer Anspruch auf Insolvenzgeld entsteht.    


I.    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 15. Mai 2023 aufgehoben und die Klage abgewiesen.  

II.    Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen. 


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. Oktober bis 15. November 2022. 

Der 1989 geborene Kläger war zunächst von Mai 2010 bis März 2020 und erneut ab dem 1. Juli 2022 bei der B. GmbH in B-Stadt - zuletzt als Teamleiter im Bereich der Elektrowerkstatt zu einem Bruttoentgelt i. H. v. 5.416,16 € - beschäftigt. Gegenstand des inzwischen aufgelösten Unternehmens war der Betrieb einer Eisengießerei und Maschinenfabrik sowie der Ein- und Verkauf von Maschinen und Maschinenteilen sowie die damit zusammenhängenden und den Gesellschaftszweck fördernden Geschäfte.

Im Herbst 2019 wurde absehbar, dass das Unternehmen das Geschäftsjahr 2019 mit einem Verlust von ca. 1,588 Millionen € beenden würde. Zu diesem Zeitpunkt waren insgesamt ca. 130 Mitarbeiter bei der B. GmbH beschäftigt. Mit Beschluss vom 27. November 2019 (Az.: 3 IN 150/19) eröffnete das Amtsgericht Wetzlar das Insolvenzverfahren (im Folgenden: Erstinsolvenzverfahren) über das Vermögen der B. GmbH, bestellte Rechtsanwalt Dr. H. als Sachwalter und ordnete Eigenverwaltung an. Der Kläger erhielt im Zuge dieses Erstinsolvenzverfahrens vom 1. September bis 26. November 2019 Insolvenzgeld von der Beklagten.

Der zur Sanierung des Unternehmens aufgestellte und mit Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 13. Juli 2020 bestätigte Insolvenzplan sah zur Befriedigung der Gläubiger zwei Ausschüttungszahlungen durch einen Treuhänder vor. Als Treuhänder wurde Rechtsanwalt E., C-Stadt, bestellt. Die erste Ausschüttungszahlung i. H. v. 700.000 € war nach Teil 3 (Gestaltender Teil des Insolvenzplans) Abschnitt D (Regelungen für Planquoten, Quotenberechtigung und Präklusion) Ziff. II (Fälligkeit) und V (Ausschüttung) des Insolvenzplans 13 Monate nach Rechtskraft des Planbestätigungsbeschlusses fällig, die zweite Ausschüttungszahlung i. H. v. 50.000 € unverzüglich nach Vorlage des Stichtagsgutachtens des Pensions-Sicherungs-Vereins Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG), frühestens 13 Monate und spätestens am Ende des dritten Jahres nach Rechtskraft des Planbestätigungsbeschlusses. Die Insolvenzgläubiger verzichteten unter Teil 3 Abschnitt D Ziff. VI des Insolvenzplans mit Rechtskraft des Planbestätigungsbeschlusses gemäß § 248 Insolvenz-Ordnung (InsO) auf ihre über die Planquoten hinausgehenden Forderungen gegen die Schuldnerin, § 227 InsO. Gemäß Teil 3 Abschnitt G (Planbedingungen) setzte die Bestätigung des Insolvenzplans die Erfüllung folgender Bedingung voraus: „Bestätigung des Treuhänders gegenüber dem Gericht, dass die Schuldnerin, unwiderruflich EUR 250.000,00 auf das Treuhandkonto eingezahlt hat und eine entsprechende Treuhandabrede zur Verwendung des Gesamtausschüttungsbetrages vorliegt“. Die Erfüllung des Insolvenzplans wurde nach Teil 3 Abschnitt H (Allgemeine Bedingungen) Ziff. II (Planüberwachung) gemäß § 260 InsO ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens überwacht. Die Überwachung der Planerfüllung erfolgte gemäß §§ 261 Abs. 1, 284 Abs. 2 InsO durch den Sachwalter. Sie beschränkte sich auf die Ausschüttung der Insolvenzquote durch den Treuhänder gemäß der Treuhandabrede. Die Ämter des Sachwalters und der zum Zeitpunkt der Aufhebung des Insolvenzverfahrens bestellten Mitglieder des Gläubigerausschusses bestanden für die Dauer der Planüberwachung fort (§ 261 Abs. 1 Satz 2 InsO). Der Sachwalter hatte dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht jährlich über den Stand der Planerfüllung zu berichten, § 261 Abs. 2 Satz 1 InsO. Nach der dem Insolvenzplan als Anlage beigefügten Erklärung gemäß § 230 Abs. 3 InsO des Treuhänders Rechtsanwalt E. vom 24. Juni 2020 war der Restbetrag des 1. Ausschüttungsbetrags i. H. v. 500.000 € bis spätestens 30. Juni 2021 auf das Treuhandkonto einzuzahlen.

Die B. GmbH nahm zur Fortsetzung des Unternehmens in Eigenverwaltung ausweislich des am 2. Juli 2020 geschlossenen Darlehensvertrags ein Darlehen in Höhe von 2.050.000 € bei der Sparkasse D-Stadt auf. Die Vertragspartner vereinbarten einen jährlichen Zinssatz von 0,95 %, unveränderlich bis zum 30. Juli 2025, des Weiteren eine jährliche Tilgung von 123.000 € in monatlichen Teilbeträgen von 10.250 €. Die Zinsen waren ebenso in monatlichen Teilbeträgen zu zahlen. Eine Sondertilgung war nicht vereinbart. Voraussetzung der Darlehensgewährung war, dass die Zustimmung des Insolvenzgerichts zum Insolvenzplan vorlag. Die Inanspruchnahme des Darlehens wurde von der unwiderruflichen Zurverfügungstellung einer erstrangigen Buchgrundschuld in Höhe von 2.000.000 € auf dem Betriebsobjekt der B. GmbH als Sicherheit abhängig gemacht. 

Aufgrund des mit Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 13. Juli 2020 bestätigten Insolvenzplans, dessen Rechtskraft auf dem Insolvenzplan mit einem Stempel mit Datum vom 5. August 2020 vermerkt ist, und nachdem der Sachwalter angezeigt hatte, dass er die unstreitigen Masseansprüche berichtigt bzw. für die streitigen Masseansprüche Sicherheit geleistet habe, hob das Amtsgericht Wetzlar mit Beschluss vom 28. September 2020 das Insolvenzverfahren auf. Gleichzeitig ordnete es an, dass der bisherige Sachwalter die Erfüllung des Insolvenzplans zu überwachen habe.

Am 28. September 2022 stellte die B. GmbH, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen in Eigenverwaltung. Zum Insolvenzgrund wurde u. a. angegeben, die liquiden Mittel würden 105.596 € betragen. Die Schuldnerin sei derzeit mit fälligen Verbindlichkeiten i. H. v. 603.000 € belastet. In den nächsten 21 Tagen würden Verbindlichkeiten i. H. v. rund 571.000 € fällig. In dieser Zeit sei mit Zahlungseingängen i. H. v. 1.022.000 € zu rechnen. Die Schuldnerin verfüge über eine Liquidität i. H. v. 1.127.573,04 €. Es bestünden Passiva I und II von insgesamt 1.174.000 €. Es ergebe sich ein Deckungsgrad von 96 %, somit eine Liquiditätslücke von 4 %, die nach Ablauf von 21 Tagen nicht geschlossen werden könne. Die eingeleiteten Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen der B. GmbH hätten sich zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit als nicht geeignet erwiesen. Erschwerend komme hinzu, dass die Unwägbarkeiten, die die Ukraine- und damit die Energiekosten-Krise mit sich brächten, andauerten. 

Das von der Sparkasse D-Stadt der GmbH gewährte Darlehen saldierte zum Stichtag des 30. September 2022 noch auf eine Restforderung i. H. v. 634.400 €. Den Restbetrag, insgesamt 1.415.600 €, hatte die GmbH - u. a. durch erhebliche Sondertilgung zum Jahresende 2021 - zurückgezahlt. 

Mit Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 16. November 2022 (Az.: 3 IN 92/22) wurde erneut ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH, die zu diesem Zeitpunkt noch ca. 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigte, wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet und Rechtsanwalt G. zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der B. GmbH bestellt. Mit weiterem Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 16. November 2022 wurde die durch Beschluss vom 29. September 2022 angeordnete vorläufige Eigenverwaltung aufgehoben. Die Aufhebung erfolgte gemäß § 270e Abs. 1 Nr. 3 InsO, da sich die Erreichung des Eigenverwaltungsziels, insbesondere eine angestrebte Sanierung, als aussichtlos erweise. 

Zu diesem Zeitpunkt hatte die B. GmbH sowohl den ersten Ausschüttungsbetrag i. H. v. 700.000 € als auch den zweiten i. H. v. 50.000 € gemäß Insolvenzplan auf das Konto des Treuhänders überwiesen. Der Restbetrag des 1. Ausschüttungsbetrags i. H. v. 500.000 € war wie folgt beglichen worden: Die erste Rate i. H. v. 250.000 Euro wurde am 28. Oktober 2021 von Herrn C. aufgrund eines Gesellschafterdarlehens vom 27. Oktober 2021 auf das Treuhandkonto überwiesen, die weitere Rate i. H. v. 250.000 Euro wurde am 16. November 2021 von der F. Hausservice und Handels GmbH, deren Geschäftsführer seit 2018 der Mehrheitsgesellschafter der B. GmbH Herr K. war, ebenfalls aufgrund eines Darlehensvertrages überwiesen. Die erste Ausschüttung i. H. v. 700.000 € war zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im November 2022 vollständig erfolgt. Die Ausschüttung des zweiten Betrages i. H. v. 50.000 € durch den Treuhänder stand zu diesem Zeitpunkt noch teilweise offen, nachdem das versicherungsmathematische Gutachten des PSVaG noch nicht vorlag. 

Am 18. November 2022 hob das Amtsgericht Wetzlar die Überwachung des Insolvenzplans auf, da mit Beschluss vom 16. November 2022 das Folgeinsolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet worden war, arg. contr. § 268 Abs. 2 Nr. 2 InsO.

Den vom Kläger unter dem Datum des 6. Dezember 2022 gestellten Antrag auf Insolvenzgeld für von der B. GmbH nicht gezahlten Arbeitslohn für die Zeit vom 1. Oktober bis 15. November 2022 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Dezember 2022 mit der Begründung ab, dass über das Vermögen der B. GmbH mit Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 27. November 2019 bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Zwar sei durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 16. November 2022 erneut ein Insolvenzverfahren über das freigegebene Vermögen des Arbeitgebers eröffnet worden, ein erneutes arbeitsförderungsrechtliches Insolvenzereignis sei damit jedoch nicht eingetreten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 20. Dezember 2022 Widerspruch. Die Planüberwachung sei bei Beantragung des Insolvenzgeldes bereits aufgehoben gewesen, nämlich durch Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 18. November 2022. Ohnehin habe sich die Planüberwachung nur an den Treuhänder des Erstinsolvenzverfahrens und nicht an die Schuldnerin, die B. GmbH gerichtet. Die Erfüllung des Insolvenzplans des Erstverfahrens sei damit sichergestellt gewesen. Grundsätzlich sei eine laufende Planüberwachung für sich genommen kein Ausschlussgrund für einen neuen Anspruch auf Insolvenzgeld. Eine Planüberwachung sei für die tatsächlich maßgebliche Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin nur ein negatives Indiz bzw. eine Regelvermutung. Es komme darauf an, ob der Arbeitgeber nach einem Erstinsolvenzverfahren seine Zahlungsfähigkeit wiedererlangt habe. Die vorliegende Planüberwachung des Erstverfahrens habe sich auf die Ausschüttung der Insolvenzquote durch den Treuhänder gemäß Treuhandabrede beschränkt. Wegen der Überweisung der laut Insolvenzplan geschuldeten Zahlungen auf ein Treuhandkonto habe bereits sicher festgestanden, dass die Gläubiger des Erstverfahrens ihre Quote erhielten und der Insolvenzplan in Gänze erfüllt werden würde. Auf dem Treuhandkonto seien ursprünglich von den ehemals vorhandenen 750.000 € nur noch ca. 10.000 € vorhanden gewesen, weniger als 2 %. Dass der PSVaG noch nicht das von ihm zu erstellende versicherungsmathematische Gutachten geliefert habe, liege nicht in der Sphäre der B. GmbH, die zwischenzeitlich, also nach dem Erstinsolvenzverfahren und vor dem erneuten Insolvenzverfahren in 2022, wieder Zahlungsfähigkeit erlangt habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2022 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Das BSG (Urteil vom 9. Juni 2017 - B 11 AL 14/16 R) habe festgestellt, dass ein früheres Insolvenzereignis gegenüber dem Eintritt eines weiteren Insolvenzereignisses eine Sperrwirkung entfalte. Ein neues Insolvenzereignis im Sinne des Arbeitsförderungsrechts trete nicht ein, solange die auf einem früheren Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit desselben Arbeitgebers fortdauere. Die Freigabe des Vermögens aus einer selbständigen Tätigkeit rechtfertige keinen Verzicht auf das Erfordernis der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers nach einem ersten Insolvenzereignis. Eine Ausnahme sei nur möglich, wenn die Weiterarbeit oder Aufnahme einer Arbeit in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses erfolgt sei. Die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers dauere seit dem ersten Insolvenzereignis 2019 an, so dass kein Anspruch auf Insolvenzgeld bestehe.

Hiergegen hat der Kläger am 5. Januar 2023 bei dem Sozialgericht Gießen (im Folgenden: SG) Klage erhoben und die Auffassung vertreten, dass die Schließung der B. GmbH maßgeblich auf der Ablehnung der Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes seitens der Beklagten beruhe. Diese Zustimmungsverweigerung habe eine Kettenreaktion ausgelöst, an deren Ende der Verlust von 67 Industriearbeitsplätzen stehe. Soweit die Beklagte davon ausgehe, dass das erste Insolvenzereignis aus dem Jahr 2019 eine Sperrwirkung entfalte, stelle sie unzutreffender Weise darauf ab, dass die Planüberwachung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Diese sei tatsächlich nur noch auf die Überwachung des Treuhänders gerichtet gewesen. Mittels der Treuhandkonstruktion habe keine Gefahr bestanden, dass die Gläubiger aus dem ersten Insolvenzverfahren leer ausgingen. Die GmbH sei zwischenzeitlich auch wieder zahlungsfähig gewesen. Insoweit werde auf die zwischenzeitlich erfolgte erhebliche Tilgung des Darlehens bei der Sparkasse D-Stadt verwiesen. 

Dem hat die Beklagte entgegnet, dass zu beachten sei, dass die Gesamtforderung aus dem Insolvenzplan wieder aufleben könne, wenn die Vereinbarungen des Insolvenzplans nicht erfüllt würden. Der Gesetzgeber verfolge nicht die Ziele der Insolvenzordnung (InsO), sondern begründe eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers. Bei andauernder Planüberwachung könne kein neues arbeitsförderungsrechtliches Insolvenzereignis eintreten. Für die Dauer der Planüberwachung werde der Zusammenhang mit dem vorangegangenen Insolvenzverfahren dokumentiert. Die Einlassung des Klägers, dass die Planüberwachung nach der Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens seitens des Gerichts aufgehoben worden sei, habe keine Auswirkungen auf die Entscheidung, da die Aufhebung durch das Gericht bei Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens zwingend vorgeschrieben sei.

Das SG hat im Erörterungstermin vom 17. April 2023 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K. und G. Der Zeuge und frühere Geschäftsführer der B. GmbH K. hat angegeben, dass die Mittel für die Ausschüttungszahlungen aus dem Unternehmen selbst heraus finanziert worden seien. Nach seiner Erkenntnis habe der Treuhänder die letzten 50.000 € vollständig zur Auszahlung gebracht. Die B. GmbH sei aufgrund der Folgen des Ukraine-Kriegs zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Das Unternehmen habe die explodierenden Energiepreise nicht (mehr) abdecken können, ebenso sei es zu Versorgungschwierigkeiten mit Rohmaterialien gekommen, so dass insgesamt die Planung ins Stocken geraten sei. Es sei auch nicht möglich gewesen, die normalerweise vorzunehmenden Preiserhöhungen innerhalb der kurzen Zeit am Markt zu etablieren. Der Zeuge und Insolvenzverwalter G. hat hingegen u. a. mitgeteilt, dass nach seiner Kenntnis die Auszahlung des Restbetrages aus dem zweiten Ausschüttungsbetrag bislang noch nicht erfolgt sei. Wegen des weiteren Ergebnisses der Beweisaufnahme des SG wird auf das Sitzungsprotokoll vom 17. April 2023 (Bl. 117ff. der führenden, nicht elektronischen Gerichtsakte des SG; Bl. 187ff. der elektronischen Gerichtsakte des SG) Bezug genommen. 

Auf den entsprechenden Antrag des Klägers hat das SG mit Urteil vom 15. Mai 2023 den Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2022 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis 15. November 2022 zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger gemäß § 165 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) einen Anspruch auf Insolvenzgeld für diesen Zeitraum habe. Nach der Rechtsprechung des BSG sei bei der Frage nach dem Bestehen eines Anspruchs auf Insolvenzgeld im Falle des Aufeinanderfolgens mehrerer Insolvenzereignisse im Grundsatz das zeitlich erste für den Insolvenzgeldanspruch maßgeblich (Hinweis auf st. Rspr. des BSG, grundlegend: Urteile vom 17. Dezember 1975 - 7 RAr 17/75 - und vom 17. Mai 1989 - 10 RAr 10/88). Ein neues arbeitsförderungsrechtlich relevantes Insolvenzereignis trete nach der st. Rspr. des BSG nicht ein, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauere (Hinweis auf BSG, Urteile vom 6. Dezember 2012 - B 11 AL10/11 R - und vom 17. März 2015 - B 11 AL 9/14 R). Das BSG fordere für die Annahme eines (erneuten) Anspruchs auf Insolvenzgeld die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit dabei unabhängig davon, ob im Rahmen des Insolvenzverfahrens ein Insolvenzplan zur Sanierung des Unternehmens vereinbart worden sei, dessen Überwachung durch den Insolvenzverwalter vom Gericht angeordnet worden sei. 

Im Falle der B. GmbH sei eine Planüberwachung durch den Insolvenzverwalter gerichtlich angeordnet worden. Diese Planüberwachung sei im Zeitpunkt des Eintritts des zweiten Insolvenzereignisses auch noch nicht aufgehoben gewesen. Nichtsdestotrotz sei auf die Frage der zwischenzeitlichen Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit einzugehen. Insoweit stelle die laufende Überwachung eines Insolvenzplans nach der Auffassung des SG, welche sich dieses unter wertender Betrachtungsweise der in diesem Punkt nicht ganz eindeutigen Ausführungen des BSG gebildet habe, lediglich ein Indiz für fortbestehende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners dar. Würde man wie die Beklagte allein eine formale Betrachtungsweise zugrunde legen und bei fortbestehender Planüberwachung unabhängig von der tatsächlichen Ausgestaltung dieses Plans unweigerlich fortbestehende Zahlungsunfähigkeit annehmen, widerspräche dies der Entscheidung des BSG vom 6. Dezember 2012 (B 11 AL 10/11 R). Denn dort habe das BSG trotz zwischenzeitlich durch Zeitablauf erledigter Planüberwachung das Fortbestehen von Zahlungsunfähigkeit des insolventen Unternehmens geprüft. Die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit bzw. die Wiedererlangung der Fähigkeit, fällige Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (BSG, a.a.O.) sei nach Auffassung des SG das einzige tatbestandliche Abgrenzungsmerkmal zwischen einem noch fortwährenden Insolvenzereignis, also einer dauerhaften bzw. andauernden Zahlungsunfähigkeit (=Insolvenz) und einem nach zwischenzeitlicher Zäsur eingetretenen neuen Insolvenzereignis. Das Fortbestehen einer Planüberwachung allein hingegen sage nach Auffassung des SG nicht in jedem Fall etwas darüber aus, ob Zahlungsfähigkeit wiedererlangt worden sei, was sich im vorliegenden Falle eindrücklich zeige: Im Falle der B. GmbH habe sich die Planüberwachung ausweislich der im Insolvenzplan getroffenen Regelung lediglich auf die Ausschüttung des bereits zuvor an den Treuhänder überwiesenen Betrages erstreckt. Die Aussichten der Erfüllung des Insolvenzplans, welcher bei laufender Planüberwachung Berichtsverpflichtungen gegenüber dem Gläubigerausschuss bzw. dem Gericht vorsehe, vgl. § 261 Abs. 2 S. 1 InsO, seien im Falle der GmbH gerade nicht überwacht worden, weil dies nicht erforderlich gewesen sei. Die Erfüllung des Insolvenzplans sei jederzeit sichergestellt gewesen. Sei hingegen eine (reguläre) Planüberwachung angeordnet, sehe § 268 InsO vor, dass das Insolvenzgericht die Aufhebung der (Plan-) Überwachung beschließe, wenn 1. die Ansprüche, deren Erfüllung überwacht werde, erfüllt seien oder 2. die Erfüllung dieser Ansprüche gewährleistet sei, was beispielsweise im Falle der Hinterlegung, mittels Bürgschaft oder durch sonstige Sicherung der Fall sein könne (Hinweis auf Braun in: Braun/Frank, InsO, 9. Aufl. 2022, § 268 RdNr. 4; Spliedt in: K. Schmidt, InsO, 20. Aufl. 2023, § 268 RdNr. 2). Auch hieran zeige sich, dass im Falle der B. GmbH die Tatsache der Überwachung nichts über die absehbare Erfüllbarkeit bzw. Gewährleistung der Erfüllung der Ansprüche der Gläubiger habe aussagen können. Im Falle der B. GmbH habe die Tatsache des Bestehens eines Insolvenzplans und seiner Überwachung von vornherein kein geeignetes Abgrenzungsmerkmal im vorgenannten Sinne darstellen können. Denn es sei bereits nach Überweisung der beiden Ausschüttungsbeträge in Höhe von insgesamt 750.000,00 € unmittelbar nach Aufstellung des Insolvenzplans aufgrund der im Insolvenzplan geregelten Treuhandabrede ausgeschlossen gewesen, dass die Gläubiger nicht entsprechend des Insolvenzplans befriedigt würden. Die Gefahr des Wiederauflebens von Zahlungsverpflichtungen, auf welche die Insolvenzgläubiger im Rahmen der Aufstellung des Insolvenzplans verzichtet hätten, falls die Vereinbarungen des Insolvenzplans nicht erfüllt würden (vgl. § 255 InsO) und welche das BSG unter anderem in seiner Entscheidung vom 17. März 2015 (B 11 AL 9/14 R) argumentativ herangezogen habe, habe im Falle des hiesigen Insolvenzplans nicht bestanden. Insoweit unterscheide sich der Fall der B. GmbH von anderen Insolvenzplanverfahren, in welchen regelmäßig noch nicht feststehende und im Einzelnen zu ermittelnde, quotale Ausschüttungsbeträge beispielsweise anhand und aufgrund von Gewinnen oder Erträgen des Unternehmens vorgesehen seien. Der Ausschüttungsbetrag im Rahmen des Insolvenzplans der B. GmbH habe jedoch nicht nur von Anfang an festgestanden und habe damit keinen Spielräumen mehr unterlegen - unabhängig vom Ergebnis des Gutachtens des PSVaG - sondern sei durch die Treuhandabrede bereits von Anfang an erfüllt worden.

Darüber hinaus stehe zur Überzeugung des SG in Anbetracht der dem Gericht vorliegenden Stichtagsbetrachtungen (Schriftsatz der GmbH vom 21. April 2023, Bl. 196 ff. der elektronischen Gerichtsakte) und des Ausmaßes der Ende 2021 erfolgten Sondertilgungen fest, dass die GmbH zwischenzeitlich durchaus wieder in der Lage gewesen sei, ihre fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Allein die (Sonder-)Tilgung von über 1.200.000 € am Ende des Jahres 2021 belege dies eindrücklich. Das Bestehen von Zahlungsverbindlichkeiten in Form von Darlehen im Allgemeinen rechtfertige hierbei keine andere Betrachtungsweise. Insoweit bestehe kein Zweifel, dass die regelmäßigen Darlehensverpflichtungen in Form der regelhaften Rate (Zins und Tilgung) von der B. GmbH jedenfalls bis Anfang/Mitte 2022 hätten bedient werden können. Die Tatsache, dass die GmbH aufgrund des Ukrainekrieges und der damit einhergehenden Energiekrise erneut in die Zahlungsunfähigkeit gerutscht sei, vermöge wegen dieser zwischenzeitlich wiedererlangten Zahlungsfähigkeit die Annahme eines erneuten, arbeitsförderungsrechtlich relevanten Insolvenzereignisses zu begründen.

Die Notwendigkeit der Bewilligung von Insolvenzgeld in Fällen, in denen es nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzerfahrens erneut zu einem Insolvenzereignis komme, sei bereits im Jahre 2011 erkannt und im Zuge eines Gesetzgebungsverfahrens jedenfalls versucht worden, dies normativ zu verankern. So sei bereits in einer Stellungnahme des Bundesrates vom 8. Juli 2011 (BR-Drs. 313/11) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt die Einfügung eines entsprechenden Passus in § 183 SGB III a. F. (§ 165 SGB III) angeregt worden. Die bisherige Rechtsprechung des BSG sei vor allem in den Fällen problematisch, in denen Beschäftigte ihre Beschäftigung in einem Unternehmen, das im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens saniert werden solle, fortsetzten. Denn in diesen Fällen seien Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG stets mit dem Risiko belastet, bei einem erneuten Insolvenzereignis, das bei Anordnung eines Insolvenzplanverfahrens regelmäßig nicht ganz unwahrscheinlich sei, trotz Vorleistungspflicht in Bezug auf ihre Arbeitsleistung (vgl. § 614 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) mit Arbeitsentgeltansprüchen auszufallen, bzw. auf eine entsprechende, meist sehr geringe Insolvenzquote verwiesen zu werden. In Erweiterung der Argumentation des Bundesrates, der in dieser Rechtslage einen Widerspruch zur vom Gesetzgeber verfolgten Stärkung des Insolvenzplanverfahrens zur erfolgreichen Sanierung von Unternehmen gesehen habe, könne das SG an der sich bei rein formalistisch auf das Bestehen eines laufenden Insolvenzplans abstellenden Rechtsprechung ergebenden Folge kein arbeitsförderungsrechtliches Interesse erkennen. Denn gerade aus arbeitsförderungsrechtlicher Sicht müsse es oberstes Ziel sein, den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse Einzelner zur Vermeidung von Massenarbeitslosigkeit zu fördern. Demgemäß müsse der Abwanderungsgefahr von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei laufendem Insolvenzplan, deren tatsächlicher Verlust den Bestand des gesamten Unternehmens und damit auch die Sanierung gefährde, mit allen, auch arbeitsförderungsrechtlichen, Mitteln vorgebeugt werden. Der Nichtaufnahme der vom Bundesrat empfohlenen Ergänzung der bestehenden gesetzlichen Regelung dergestalt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch bei laufendem Insolvenzplan und erneutem Insolvenzereignis neuerlich Anspruch auf Insolvenzgeld hätten, könne keine eigenständige Bedeutung zukommen. Denn tatsächlich sei im Zuge des vorgenannten Gesetzgebungsverfahrens § 165 SGB III nur redaktionell und nicht inhaltlich angepasst worden. Eine Auseinandersetzung des Gesetzgebers mit der sich nach der Entscheidung des BSG aufdrängenden Rechtsfrage habe daher bislang erkennbar nicht stattgefunden.

Gegen das ihr am 17. Mai 2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. Juni 2023 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Entgegen der Ansicht des SG habe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 27. November 2019 Sperrwirkung. Allein aus der Bestätigung des Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht ergebe sich noch nicht die Beseitigung des zunächst eingetretenen Insolvenzfalls mit der Folge der Möglichkeit des Entstehens neuer Ansprüche gegen die Insolvenzgeld-Versicherung (Hinweis auf BSG, Urteil vom 21. November 2002 - B 11 AL 35/02 R). Von einer Fortdauer der aus Anlass des früheren Insolvenzereignisses eingetretenen Zahlungsunfähigkeit sei dann auszugehen, wenn die im Insolvenzplan vorgesehene Überwachung der Planerfüllung andauere (Hinweis auf BSG mit Urteil vom 29. Mai 2008 - B 11a AL 57/06 R). Von der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit könne vorliegend schon allein deswegen nicht ausgegangen werden, weil zum Zeitpunkt des zweiten Insolvenzereignisses am 16. November 2022 die Überwachung der Planerfüllung noch fortbestanden habe. Dass die Überwachung der Planerfüllung kurz nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgehoben worden sei, könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Die Aufhebung sei allein deswegen vorgenommen worden, weil sie aufgrund der nun erfolgten Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens sinnentleert geworden sei. Es dürfte unstreitig sein, dass der Insolvenzplan noch nicht erfüllt gewesen sei. Der Zeuge G. habe im Erörterungstermin am 17. April 2023 angegeben, dass nach seiner Kenntnis die Auszahlung des Restbetrages aus dem zweiten Ausschüttungsbetrag bislang noch nicht erfolgt sei. Hierfür sei unerheblich, dass die Planüberwachung ausweislich der im Insolvenzplan getroffenen Regelung lediglich auf die Ausschüttung der Insolvenzquote durch den Treuhänder gemäß Treuhandabrede beschränkt gewesen sei (Hinweis auf Uhlenbruck/Lüer/Streit, InsO, § 255 RdNr. 19). Selbst wenn man der Auffassung des SG folge, dass auf die Frage der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit einzugehen sei, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Für die Annahme, es läge wieder Zahlungsfähigkeit vor, reiche allein die Erfüllung der Verpflichtung aus dem Insolvenzplan, also die Einzahlung der 750.000 Euro, nicht aus. Aus den Unterlagen ergebe sich, dass die 1. Rate von 250.000 Euro am 6. Juli 2020 von der Firma B. überwiesen worden sei, und damit vor Bestätigung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 13. Juli 2020. Die bereits erfolgte Zahlung sei Grundlage des Insolvenzplans gewesen und bleibe daher bei der Beurteilung, ob wieder Zahlungsfähigkeit eingetreten sei, außer Betracht, ebenso die Tatsache, dass die Sparkasse ein Darlehen in Höhe von 2.050.000 Euro gewährt hat. Auch dies sei im Rahmen des Insolvenzplans erfolgt und führe nicht zu einer Kreditwürdigkeit, die für eine Zahlungsfähigkeit sprechen könne. Voraussetzung für die Darlehensgewährung sei ausdrücklich gewesen, dass die Zustimmung des Insolvenzgerichts zum Insolvenzplan vorliege. Auch sprächen die weiteren Einzahlungen von jeweils 250.000 Euro erst am 28. Oktober 2021 und am 16. November 2021 gegen eine wiedererlangte Zahlungsfähigkeit. Gemäß der dem Insolvenzplan beigefügten Erklärung sei vereinbart gewesen, dass der Restbetrag von 500.000 Euro bis spätestens 30. Juni 2021 auf das Konto des Treuhänders eingezahlt werde. Tatsächlich sei dieser Betrag erst aufgrund zweier Darlehensverträge vom 27. Oktober 2021 gezahlt worden. Eine Rate i. H. v.  250.000 Euro sei am 28. Oktober 2021 von Herrn C. aufgrund eines Gesellschafterdarlehens und eine weitere Rate i. H. v. 250.000 Euro am 16. November 2021 von der F. Hausservice und Handels GmbH, deren Geschäftsführer seit 2018 der Zeuge Herr K. (auch Mehrheitsgesellschafter der B. GmbH) sei, ebenfalls aufgrund eines Darlehensvertrages auf das Treuhandkonto eingezahlt worden. Dies widerspreche dem Vortrag des Zeugen Herrn K., wonach das Geld aus dem Unternehmen entnommen worden sei. Auch aus der vorzeitigen Tilgung des Darlehens der Sparkasse lasse sich die Zahlungsfähigkeit nicht ohne Weiteres ableiten. Woher die Mittel für die Sondertilgung im Dezember 2021 in Höhe von circa 1.200.000 Euro gekommen seien, erschließe sich für die Beklagte nicht ohne Weiteres, zumal die Einzahlungen für die Erfüllung der Verpflichtung aus dem Insolvenzplan nicht aus dem Unternehmen hätten entnommen werden können, sondern mit 4 Monaten Verspätung nur aufgrund von Darlehen hätten finanziert werden können. Zudem habe die B. GmbH im Jahr 2021 einen Verlust von 790.000 Euro erwirtschaftet (Bericht gemäß § 156 InsO vom 6. Februar 2023), wenngleich von der Erwirtschaftung eines Verlustes nicht zwingend auf fehlende Liquidität geschlossen werden könne. Zwar sei der Hinweis des Gerichts zutreffend, dass im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens in Fällen, in denen es nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens erneut zu einem Insolvenzereignis komme, bereits im Jahre 2011 Handlungsbedarf im Hinblick auf die Bewilligung von Insolvenzgeld gesehen worden sei. In einer Stellungnahme des Bundesrates vom 8. Juli 2011 (BR-Drs. 313/11) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt sei die Einfügung eines entsprechenden Passus in § 183 SGB III a. F. angeregt worden. Diese Anregung, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch bei laufendem Insolvenzplan und erneutem Insolvenzereignis neuerlich Anspruch auf Insolvenzgeld haben sollten, sei jedoch nicht umgesetzt worden. Entgegen der Auffassung des SG habe sich der Gesetzgeber sehr wohl mit dem Vorschlag des Bundesrates auseinandergesetzt und diesen abgelehnt (Hinweis auf BT-Drs. 17/6853): „Die Bundesregierung lehnt den Änderungsvorschlag ab. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind aufgrund ihrer Vorleistungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber einem Risiko ausgesetzt, das vertraglich geschuldete Entgelt für ihre Arbeitsleistung nicht zu erhalten. Zweck des Insolvenzgeldes ist es daher, bei Insolvenz des Arbeitgebers für einen Zeitraum von längstens drei Monaten Arbeitsentgeltansprüche zu sichern. Folgerichtig sehen die §§ 358 ff SGB III eine Finanzierung des Insolvenzgeldes ausschließlich durch die Arbeitgeber vor. Die generelle Neubegründung des Insolvenzgeldanspruchs nach einem erfolglosen Insolvenzplanverfahren würde zu Mehrkosten der Arbeitgeber führen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass die umlagepflichtigen Arbeitgeber aufgrund der durch das Insolvenzplanverfahren ermöglichten Fortführung von Betrieben ein weiteres Mal mittels Insolvenzgeld mögliche Konkurrenten unterstützen müssen.“ Damit sei eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers erfolgt, die vom Bundesrat vorgeschlagene Ergänzung sollte nicht normiert werden. 

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 15. Mai 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. 

Er hält die Entscheidung des SG für rechtmäßig. Entscheidend für den erneuten Anspruch auf Insolvenzgeld sei die bei der B. GmbH zwischenzeitlich wiederhergestellte Zahlungsfähigkeit. Die Beklagte gehe demgegenüber weiterhin davon aus, dass ein Automatismus zwischen der Überwachung der Insolvenzplanerfüllung und einer fortdauernden Zahlungsunfähigkeit bestehe. Dieser Automatismus sei bereits nicht in der Rechtsprechung des BSG angelegt. Selbst wenn man der BSG-Rechtsprechung einen solchen Automatismus entnähme, sei damit keine Aussage für den hiesigen Rechtsstreit verbunden. Denn in allen vom BSG entschiedenen Verfahren bezögen sich die Aufgaben und Befugnisse der Planüberwachung auf den Arbeitgeber. Im Gegensatz dazu sei im hiesigen Fall die Planerfüllung durch die B. GmbH nicht überwacht worden. Diese habe ihre Verpflichtungen aus dem Insolvenzplan erfüllt. Die Überwachung habe sich einzig auf den Treuhänder beschränkt, der die verbleibenden Quotenzahlungen habe tätigen sollen. Jedenfalls wenn die Gläubigerbefriedigung garantiert sei, den Arbeitgeber keine Pflichten mehr aus dem Insolvenzplan träfen und die Planerfüllung durch den Arbeitgeber nicht überwacht werde, sondern nur ein Treuhänder überwacht werde, müsse ein neuer Insolvenzgeldanspruch begründet werden können. Unterstellt, ein erstes Insolvenzereignis könne Sperrwirkung entfalten, habe das SG überzeugend begründet, wieso eine Sperrwirkung ausscheide. Es habe zutreffend darauf hingewiesen, dass die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit bzw. die Wiedererlangung der Fähigkeit, fällige Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, das einzige tatbestandliche Abgrenzungsmerkmal zwischen einem noch fortwährenden Insolvenzereignis und einem nach zwischenzeitlicher Zäsur eingetretenen neuen Insolvenzereignis sei. Weiterhin sei das SG zu Recht davon ausgegangen, dass eine andauernde Planüberwachung allenfalls ein Indiz für die andauernde Zahlungsunfähigkeit sei - jedenfalls, wenn sich die mit der Planüberwachung verbundenen Befugnisse nicht auf den ursprünglich insolventen Arbeitgeber bezögen. Das BSG habe bislang keinen Fall entschieden, in dem eine Planüberwachung angeordnet gewesen sei, sich diese aber nicht auf den Arbeitgeber, sondern auf einen Treuhänder beschränkt habe. Auch soweit die Beklagte auf das Urteil des BSG vom 29. Mai 2008 - B 11a AL 57/06 R - abstelle, rechtfertige dieses ihre Rechtsauffassung nicht. Das BSG ziehe die Planüberwachung und die Nichterfüllung des Plans als „Beleg" heran für die tatsächliche und für das BSG verbindliche Feststellung des LSG, dass der Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt wieder zahlungsfähig gewesen sei. Die Sozialgerichte seien auch nach diesem Urteil gehalten, festzustellen, ob ein Arbeitgeber nach einem ersten Insolvenzverfahren seine Zahlungsfähigkeit wiedererlangt habe. In seinem Urteil vom 17. März 2015 - B 11 AL 9/14 R - juris RdNr. 14 betone das BSG, dass es bei der Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses bleibe, wenn bindend festgestellt sei, dass „nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen". Diese Feststellung hätte für das BSG unerheblich sein müssen, wenn es - wie die Beklagte meine - allein auf die fortdauernde Planüberwachung ankäme, die in dem dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt bestanden habe. Das vorstehend erläuterte Verständnis der BSG-Rechtsprechung liege auch den Fachlichen Weisungen der Beklagten zugrunde. Da die Beklagte in ihren Fachlichen Weisungen nur „in der Regel" von der Planüberwachung auf die durchgehende Zahlungsunfähigkeit schließe, müssten Ausnahmen von dieser Regelbetrachtung möglich sein. Eine solche Ausnahme sei in seinem Fall zwingend geboten. Dies werfe die Frage auf, ob - wenn das Gericht wider Erwarten seinen Anspruch nach § 165 SGB III ablehnen sollte - sein Anspruch auf Insolvenzgeldgewährung nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund einer Selbstbindung der Verwaltung folge. Im vorliegenden Fall habe die B. GmbH die Verbindlichkeiten aus dem Insolvenzplan vollständig erfüllt. Schließlich stehe auch das von der Beklagten angeführte Gesetzgebungsverfahren der Annahme nicht entgegen, dass eine fortdauernde Planüberwachung lediglich ein Indiz für die anhaltende Zahlungsunfähigkeit sei und nicht zwingend eine Sperrwirkung begründe. In ihrer Berufungsbegründung stelle die Beklagte auf die Gegenäußerung der Bundesregierung ab (BT-Drs. 17/6853) und setze diese Gegenäußerung der Exekutive mit einer Entscheidung des Gesetzgebers gleich. Dies verbiete sich aufgrund der Gewaltentrennung. Zudem sei damit keine Aussage darüber verbunden, ob ein erneuter Anspruch auf Insolvenzgeld bestehe, wenn die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers zwischenzeitlich wiederhergestellt worden sei. Dabei habe das SG richtigerweise auf das durch die Sparkasse D-Stadt gewährte und durch B. GmbH weitreichend getilgte Darlehen abgestellt. Dass die Darlehensgewährung vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgt sei, sei ohne Belang. Einzig entscheidend sei die mit der Darlehensgewährung verbundene Einschätzung einer Bank, dass die B. GmbH in der Lage sei und künftig sein werde, ihre „fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen", d. h. ein Darlehen i. H. v. mehr als 2.000.000 € vollständig zurückzuzahlen sowie die regelmäßigen Tilgungs- und Zinszahlungen zu erbringen. Auch die vom SG angeführte (Sonder-)Tilgung i. H. v. 1.200.000 € belege, dass die Zahlungsfähigkeit wiederhergestellt gewesen sei. Gleiches gelte hinsichtlich der ordnungsgemäß geleisteten regelhaften Rate in Form der Zinszahlungen und Tilgungsleistungen jedenfalls bis Anfang/Mitte 2022. Das Darlehen sei in Höhe von 1.415.600 € getilgt worden. Die der B. GmbH gewährten Darlehen eines Gesellschafters sowie einer Gesellschaft, deren Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafter der B. GmbH gewesen sei, stünden der wiedererlangten Zahlungsfähigkeit nicht entgegen. Darlehen egal welchen Darlehensgebers vermittelten einem Unternehmen Liquidität, die bei der insolvenzrechtlichen Prüfung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen sei. Die gewährten Darlehen der Gesellschafter bewiesen, dass die Gesellschafter in die Zahlungsfähigkeit und Zukunft B.s vertraut hätten. Hieraus ergebe sich auch kein Widerspruch zu der Aussage des Zeugen Herrn K. Die B. GmbH habe die Zahlungen auf das Treuhandkonto aus dem Unternehmen heraus geleistet. Die Mittel für die Sondertilgung hätten aus Beträgen gestammt, die die Gesellschaft erlöst habe. Es sei rechtlich ferner irrelevant, woher die Mittel für die Sondertilgung i. H. v. 1.200.000 € des Darlehens stammten und wieso sich die B. GmbH zu der Sondertilgung entschieden habe. Entscheidend sei einzig, dass die B. GmbH in der Lage gewesen sei, ein Darlehen in Millionenhöhe einzuwerben sowie durch Ratenzahlung (regelmäßige Tilgungsleistungen in Höhe von 215.600 €) und durch Sondertilgung von noch nicht fälligen Zahlungen in erheblichem Maße zurückzuführen. Im Übrigen habe die B. GmbH seit Beendigung des Insolvenzverfahrens ab dem 1. Oktober 2020 wie ein normales Unternehmen gehandelt und ihre gesamten Zahlungsverpflichtungen erfüllt. Jedenfalls beruhe sein Anspruch auf § 165 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 SGB III. Er habe in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet, da die B. GmbH ihre laufenden Verbindlichkeiten erfüllt habe. Daher habe er hilfsweise davon ausgehen dürfen, dass das Insolvenzereignis aus dem Jahr 2019 arbeitsförderungsrechtlich beendet gewesen sei (Hinweis auf Gagel/Peters-Lange, 85. EL März 2022, § 165 SGB III RdNr. 52a). Sollte das Gericht wider Erwarten einen Anspruch nach § 165 SGB III ablehnen, beruhe der geltend gemachte Anspruch jedenfalls auf der unmittelbaren Wirkung der RL 2002/74/EG, insbesondere ihrem Art. 3 (Hinweis auf EuGH, Urteil vom 10. März 2011 - C-477/09 - (Defossez/Wiart), NJW 2011, 1791 RdNr. 19). Rechtsanwalt G. sei nach § 75 SGG als Insolvenzverwalter über das Vermögen der B. GmbH beizuladen. Die Entscheidung in dem Rechtstreit könne i. S. des § 75 Abs. 2 SGG gegenüber Rechtsanwalt G. und dem Kläger nur einheitlich ergehen. Gebe das Gericht der Klage statt, würden damit die Rechte des Beizuladenden zwangsläufig verändert. Denn gewähre die Beklagte dem Kläger nach einer entsprechenden Verpflichtung durch das Gericht Insolvenzgeld, gehe sein Anspruch auf Arbeitsentgelt für den Zeitraum 1. Oktober bis 15. November 2022 gegen Rechtsanwalt G. nach § 169 Satz 1 SGB III auf die Beklagte über. Wegen dieser Inhaltsänderung der Forderung gegen Herrn G. sei dieser notwendig beizuladen. In jedem Fall seien die Voraussetzungen einer Beiladung nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG gegeben. 

Mit gerichtlichem Schreiben vom 3. Juni 2025 ist der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt G. vorsorglich um die kurzfristige Übersendung von Kapitalflussrechnungen bzw. Jahresabschlüssen der B. GmbH für die Jahre 2020, 2021 und 2022 gebeten worden, soweit noch vorhanden, und um Mitteilung, aus welchen Mitteln die Sondertilgung des Kredits der B. GmbH bei der Sparkasse D-Stadt Ende 2021 erfolgte. Auf diese Anforderung wurde der Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2021 und des Lageberichts 2021 der B. GmbH (im Folgenden: Jahresbericht 2021) vorgelegt. 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der beigezogenen Akten der Insolvenzverfahren bei dem Amtsgericht Wetzlar (Az.: 3 IN 150/19 und 3 IN 92/22) ergänzend Bezug genommen, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.


Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig und ist von der Beklagten form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.
Die Berufung ist auch begründet. 

Eine notwendige Beiladung des Insolvenzverwalters zum vorliegenden Rechtsstreit gemäß § 75 Abs. 2 SGG war nicht erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, dass die Entscheidung auch gegenüber dem Insolvenzverwalter nur einheitlich erfolgen kann (§ 75 Abs. 2 1. Alt. SGG). Durch die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis wird nicht in die Rechtssphäre des Insolvenzverwalters unmittelbar eingegriffen, was Voraussetzung für eine notwendige Beiladung wäre (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, 14. Aufl. 2024, § 75 RdNr. 10 m. w. N). Die Voraussetzungen des § 75 Abs. 2 2. Alt. SGG sind ebenso wenig gegeben.
Das Urteil des SG vom 15. Mai 2023 war aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Dezember 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. Oktober bis 15. November 2022.

Gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit dem 1. April 2012 gültigen Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, BGBl. I S. 2854, haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III u. a. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers. Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht gemäß § 165 Abs. 3 SGB III der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Ein solches Insolvenzereignis i. S. des § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist mit der Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 16. November 2022 über das Vermögen der B. GmbH nicht eingetreten. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts hat das erste Insolvenzereignis, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B. GmbH mit Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 27. November 2019 eine sogenannte „Sperrwirkung“ entfaltet.

Nach der Rechtsprechung des BSG kann ein neues Insolvenzereignis nicht eintreten, solange die auf einem früheren Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers noch andauert (vgl. BSG, Urteil vom 21. November 2002 - B 11 AL 35/02 R - juris RdNr. 14; BSG Urteil vom 29. Mai 2008 - B 11a AL 57/06 R - juris RdNr. 11; BSG, Urteil vom 17. März 2015 - B 11 AL 9/14 R- juris RdNr. 14). Für die Annahme wiedererlangter Zahlungsfähigkeit genügt es nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit fortführt und die laufenden Verbindlichkeiten, wie insbesondere die Lohnansprüche, befriedigt. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist vielmehr so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet deshalb nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelnen Zahlungsverpflichtungen wieder nachkommt (vgl. BSG, Urteil vom 21. November 2002 - B 11 AL 35/02 R - juris RdNr. 14 m. w. N.; BSG Urteil vom 29. Mai 2008 - B 11a AL 57/06 R - juris RdNr. 11; BSG, Urteil vom 17. März 2015 - B 11 AL 9/14 R- juris RdNr. 14).

Zur Sanierung des Unternehmens der B. GmbH wurde ein sog. Insolvenzplanverfahren durchgeführt. Dieses beginnt grundsätzlich mit der Vorlage eines Insolvenzplans durch den Insolvenzverwalter oder den Schuldner an das Insolvenzgericht (§ 218 InsO; zu den Einzelheiten des Verfahrens vgl. BSG, Urteil vom 21. November 2002 - B 11 AL 35/02 R - juris RdNr. 16). Nach der Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger und der Zustimmung des Schuldners bestätigt das Insolvenzgericht den Insolvenzplan bzw. versagt die Bestätigung (§§ 248 bis 252 InsO). Mit der Rechtskraft der Bestätigung treten die im gestaltenden Teil des Plans festgelegten Wirkungen ein (§ 254 InsO) und das Insolvenzgericht beschließt die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 Abs 1 InsO). Zur Sicherung der Planerfüllung kann die Überwachung des Insolvenzplans beschlossen werden (§ 260 InsO). Dann ist nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter die Erfüllung der nach dem gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehenen Ansprüche zu überwachen. Gemäß § 268 Abs. 1 InsO beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung der Überwachung, wenn die Ansprüche, deren Erfüllung überwacht wird, erfüllt sind oder die Erfüllung dieser Ansprüche gewährleistet ist (Nr. 1) oder wenn seit der Aufhebung des Insolvenzplanverfahren drei Jahre verstrichen sind und kein Antrag auf Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens vorliegt. 

Das erste Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH war zum Zeitpunkt der Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B. GmbH mit Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 16. November 2022 formal beendet (durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 28. September 2020) und eine Planüberwachung angeordnet. 

Allein die formale Beendigung des Insolvenzverfahrens bei gleichzeitiger Anordnung der Planüberwachung genügt nach der Rechtsprechung des BSG nicht, um eine Wiederherstellung der allgemeinen Zahlungsfähigkeit des Gemeinschuldners zu begründen. Die Gläubiger verzichten bei dieser Art der Abwicklung eines Insolvenzereignisses auf den Großteil ihrer Forderungen nur, um den im Insolvenzplan vereinbarten (geringen) Teil der Forderung zu erhalten. Ihre Gesamtforderung kann grundsätzlich insolvenzrechtlich wieder aufleben, wenn die Vereinbarungen des Insolvenzplans nicht erfüllt werden (vgl. § 255 InsO; BSG, Urteil vom 21. November 2002 - B 11 AL 35/02 R - juris RdNr. 17; BSG, Urteil vom 17. März 2015 - B 11 AL 9/14 R- juris RdNr. 16). Zur Zielsetzung des Insolvenzplanverfahrens hat das BSG mit Urteil vom 21. November 2002 - B 11 AL 35/02 R - juris RdNr. 19 m. w. N. ausgeführt, dass durch dieses ebenso wie durch das Insolvenzverfahren die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger sichergestellt werden solle. Schon diese Konkurrenz von regulärem Insolvenzverfahren und Insolvenzplanverfahren schließe es aus, allein das Insolvenzplanverfahren dadurch zu begünstigen, dass den Gläubigern durch die wiederholte Zuerkennung von Insolvenzgeld-Ansprüchen ein Sondervorteil verschafft werde. Zwar würde dies die bereits in § 1 Satz 1 InsO erwähnte weitere Zielsetzung des Insolvenzplans, den Erhalt des Unternehmens zu fördern, unterstützen. Die letztgenannte Erwägung führe jedoch nicht zu einer anderen Bewertung, denn der Gesetzgeber verfolge mit §§ 183 ff SGB III (jetzt: §§ 165 ff InsO) nicht die Ziele der InsO, sondern begründe lediglich eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen in der Insolvenz des Arbeitgebers.
Ferner hat das BSG die zunächst offene gelassene Frage, ob nach Einleitung eines Insolvenzplanverfahrens ein Entfallen der Sperrwirkung des früheren Insolvenzereignisses unter besonderen Umständen auch bereits vor der Planerfüllung in Betracht kommen könne, dahingehend beantwortet, dass von einer Fortdauer der aus Anlass des früheren Insolvenzereignisses eingetretenen Zahlungsunfähigkeit jedenfalls dann auszugehen ist, wenn die im Insolvenzplan vorgesehene Überwachung der Planerfüllung andauert (vgl. BSG, Urteil vom 29. Mai 2008 - B 11a AL 57/06 R - juris RdNr. 14 m. w. N.). Denn bei vorgesehener und andauernder Planüberwachung wird trotz Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 InsO) der weiter gegebene Zusammenhang mit dem einmal eröffneten Insolvenzverfahren dadurch dokumentiert, dass Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters und gegebenenfalls des Gläubigerausschusses sowie die Aufsicht des Insolvenzgerichts insoweit fortbestehen (§§ 260, 261, 262 InsO). In einer solchen Situation kommt die Wiedererlangung der Fähigkeit des Schuldners, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen erfüllen zu können, nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 29. Mai 2008 - B 11a AL 57/06 R - juris RdNr. 14 m. w. N.). Bei andauernder Planüberwachung wird besonders deutlich, dass insbesondere im Hinblick auf die fortbestehenden Befugnisse des Insolvenzverwalters von einer Wiedererlangung der Fähigkeit, fällige Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, von vornherein keine Rede sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012 – B 11 AL 10/11 R - juris RdNr. 17; BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012 - B 11 AL 11/11 - juris RdNr. 19).

Im Falle der B. GmbH dauerte die vorgesehene Überwachung der Planerfüllung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 16. November 2022 hinaus an. Das Amtsgericht Wetzlar hob die Überwachung des Insolvenzplans erst am 18. November 2022 auf. Die Überwachung der Planerfüllung endet nicht automatisch durch Zeitablauf oder Planerfüllung, vielmehr ist ein gesonderter Beschluss des Insolvenzgerichts über die Aufhebung der Überwachung erforderlich (vgl. Spliedt in: Schmidt, InsO, 20. Aufl. 2023, § 268 RdNr. 1). Insoweit kann nicht der Auffassung des SG gefolgt werden, dass der Insolvenzplan durch die Treuhandabrede bereits erfüllt gewesen sei, weil der Ausschüttungsbetrag von Anfang an festgestanden und keinen Spielräumen unterlegen habe, während in anderen Insolvenzplanverfahren regelmäßig nicht feststehende und im Einzelnen zu ermittelnde quotale Ausschüttungsbeträge vorgesehen seien. Die Planerfüllung beinhaltete im vorliegenden Fall nach Teil 3 Abschnitt D Ziff. V i. V. m. Abschnitt H Ziff. II und V des Insolvenzplans auch die Ausschüttung an die Gläubiger durch den Treuhänder. Die zur Überwachung der Planerfüllung dem Sachwalter übertragenen Befugnisse gemäß §§ 260, 261 i. V. m. 284 Abs. 2 InsO (Teil 3 Abschnitt H Ziff. II des Insolvenzplans) dauerten insoweit fort. Der Sachwalter überwachte die Ausschüttung der Insolvenzquote durch den Treuhänder gemäß der Treuhandabrede. Die Regelung, dass sich die Überwachung auf die Ausschüttung der Insolvenzquote durch den Treuhänder beschränkte, ändert nichts daran, dass der Insolvenzplan noch nicht erfüllt war. Seitens des (vorläufigen) Sachwalters wurde zwar der Agentur für Arbeit in Gießen unter dem 26. Oktober 2022 mitgeteilt, dass die Schuldnerin alle Pflichten aus dem Insolvenzplan erfüllt habe, und die Erfüllung des Insolvenzplans durch die Treuhandabrede sichergestellt werde. Die Erfüllung hänge nur noch an einer Erklärung des PSVaG. Allerdings hat der Zeuge G. im Erörterungstermin am 17. April 2023 bestätigt, dass die Auszahlung des Restbetrages aus dem zweiten Ausschüttungsbetrag zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgt war. Auch im Insolvenzplan über das Vermögen der B. GmbH wurde in Teil 3 Abschnitt H Ziff. II darauf hingewiesen, dass das Insolvenzgericht die Aufhebung der Überwachung beschließe, wenn die Ansprüche, deren Erfüllung überwacht werde, erfüllt seien oder die Erfüllung dieser Ansprüche gewährleistet sei, § 268 Abs. 1 InsO. Dies erfolgte jedoch erst nach Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens. Wird vor vollständiger Erfüllung des Plans über das Vermögen des Schuldners ein neues Insolvenzverfahren eröffnet, so ist die Stundung oder der Erlass für alle Gläubiger hinfällig (§ 255 Abs. 2 InsO). Insoweit vermag der Senat nicht der Auffassung des SG zu folgen, dass die Gefahr des Wiederauflebens von Zahlungsverpflichtungen, auf welche die Insolvenzgläubiger im Rahmen der Aufstellung verzichtet hätten, falls die Vereinbarungen des Insolvenzplans nicht erfüllt würden (§ 255 InsO) im Falle des hiesigen Insolvenzplans nicht bestanden habe. Somit ist nach der st. Rspr. des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 29. Mai 2008 - B 11a AL 57/06 R - juris RdNr. 14 m. w. N.; BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012 - B 11 AL 10/11 R - juris RdNr. 17; BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012 - B 11 AL 11/11 - juris RdNr. 19) schon deshalb von einer Fortdauer der aus Anlass des früheren Insolvenzereignisses eingetretenen Zahlungsunfähigkeit auszugehen, weil die im Insolvenzplan vorgesehene Überwachung der Planerfüllung andauerte.

Selbst wenn man - wie das SG - annähme, dass im vorliegenden Fall die Fortdauer der Planüberwachung allein nicht ausreichte, um von einem Fortbestehen der Zahlungsunfähigkeit auszugehen, vermochte der Senat unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht den Wiedereintritt der Zahlungsfähigkeit (d. h. der Fähigkeit, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen) bei der B. GmbH zwischen dem ersten und zweiten Insolvenzverfahren festzustellen. Auch der zuletzt vorgelegte Jahresbericht 2021 führt insoweit zu keiner anderen Beurteilung. Die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO wird festgestellt durch eine Gegenüberstellung der aktuell fälligen Verbindlichkeiten und der liquiden Mittel des Schuldners (vgl. Andres/Leithaus, Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2018 § 17 RdNr. 2 m. w. N.). Entsprechendes hat für die Feststellung der Zahlungsfähigkeit bzw. deren Wiedereintritt zu gelten. Eine aussagekräftige Gegenüberstellung der aktuell fälligen Verbindlichkeiten und der liquiden Mittel des Schuldners sind dem Jahresbericht für 2021, auch der Jahresbilanz zum 31. Dezember 2021 (Anlage 1), nicht zu entnehmen. Vielmehr finden sich in dem Jahresbericht 2021 lediglich Aufstellungen über langfristig und mittel-/kurzfristig gebundenes Vermögen (Seite 12) sowie langfristig und mittel-/kurzfristig verfügbares Kapital (Seite 13). Ferner enthält der Jahresbericht 2021 eine Zusammenstellung von Verbindlichkeiten mit Restlaufzeiten von „bis zu einem Jahr, von mehr als einem Jahr und von mehr als fünf Jahren“ (Anlage 3 Seite 5 des Jahresberichts 2021). Auch den sonstigen aktenkundigen Unterlagen können solche Gegenüberstellungen nicht entnommen werden. Aus diesen Gründen sowie unter Miteinbeziehung der nachfolgend noch dargelegten Umstände kann auch unter Berücksichtigung des insgesamt positiven Cashflows im Jahresbericht 2021 (Seite 14) sowie der Umsatzsteigerung (Anlage 4 Seite 2) nicht der Wiedereintritt der Zahlungsfähigkeit der B. GmbH festgestellt werden. Da sich der Kläger auf den Wiedereintritt der Zahlungsfähigkeit der B. GmbH beruft, wirkt sich die Nichterweislichkeit zu seinen Lasten aus. 

Für die Annahme des Wiedereintritts von Zahlungsfähigkeit reicht, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, die Zahlung bzw. Erfüllung der Insolvenzquote in Höhe von 750.000 € nicht aus. Nach der Rechtsprechung des BSG bleibt es bei der Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses auch dann, wenn der Schuldner die ihm im Insolvenzplan aufgegebene Quote leisten konnte, aber nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2015 - B 11 AL 9/14 R - juris RdNr. 14). 

Auch wenn vor der Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens ein Insolvenzplanverfahren ohne Überwachung der Planerfüllung durchgeführt worden ist, kann ohne Wiedereintritt der Zahlungsfähigkeit ein den Insolvenzgeld-Anspruch auslösendes Insolvenzereignis nicht eintreten (vgl. BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012 - B 11 AL 10/11 R - juris RdNr. 17; BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012 - B 11 AL 11/11 - juris RdNr. 19). Soweit das BSG zunächst offengelassen hatte, wie in Fällen fehlender oder wieder aufgehobener Planüberwachung zu verfahren ist, hat es seine Rechtsprechung dahingehend weiterentwickelt, dass auch dann ein einheitlicher Insolvenztatbestand vorliegen kann, wenn keine Überwachung der Planerfüllung stattfindet. Dies ist dann anhand der Einzelumstände zu prüfen und im Streitfall von den Tatsachengerichten festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012 - B 11 AL 10/11 R - juris RdNr. 17; BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012 - B 11 AL 11/11 - juris RdNr. 19). 

Für die Feststellung eines Wiedereintritts der Zahlungsfähigkeit kann, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, nicht bereits auf das von der Sparkasse D-Stadt mit Darlehensvertrag vom 2. Juli 2020 vereinbarte Darlehen abgestellt werden, nachdem die Gewährung des Darlehens im Rahmen des Insolvenzverfahrens erfolgte und von der Zustimmung des Insolvenzgerichts zum Insolvenzplan abhing, sowie durch eine erstrangige Buchgrundschuld auf dem Betriebsobjekt der B. GmbH abgesichert war. Insoweit kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Sparkasse von der Einschätzung ausging, dass die B. GmbH in der Lage sei und künftig sein werde, ihre fälligen Gesamtschulden im Allgemeinen zu erfüllen, wie vom Kläger vertreten. Gegen einen Wiedereintritt der Zahlungsfähigkeit spricht im vorliegenden Fall, dass die noch offenen Beträge für die 1. Ausschüttung i. H. v. 500.000 € erst am 28. Oktober und 16. November 2021 auf das Treuhandkonto eingezahlt wurden, obwohl sie dort bereits am 30. Juni 2021 hätten eingehen sollen. Diese konnten offenbar nicht aus dem laufenden Geschäftsbetrieb beglichen werden. Vielmehr waren hierfür ein Gesellschafterdarlehen des Herrn C. sowie ein Darlehen der F. Hausservice und Handels-GmbH, deren Geschäftsführer seit 2018 und gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter der B. GmbH der Zeuge K. war, erforderlich. Die 13 Monate nach der Rechtskraft des Planbestätigungsbeschlusses vom 13. Juli 2020 fällige 1. Ausschüttung i. H. v. 700.000 € konnte somit vollständig frühestens knapp 2 bzw. knapp 3 Monate nach ihrer Fälligkeit erfolgen, was gegen einen Wiedereintritt der Zahlungsfähigkeit spricht. Hinzu kommt, dass zum 30. September 2020 ein Jahresüberschuss von 1.989.000 € angegeben wurde, zum 31. Dezember 2020 ein Verlust in Höhe von 57.000 € sowie im Jahr 2021 wiederum in Verlust in Höhe von 790.000 € (vgl. Eigenantrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens der B. GmbH vom 28. September 2022, Seite 4; Sachverständigengutachten des Insolvenzverwalters vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 15. November 2022, Seite 11; Jahresbericht 2021 Seite 14, 15), selbst wenn dieser Umstand allein nicht zwingend gegen eine Wiederherstellung der Liquidität spricht. Seitens des SG wurde die Sondertilgung i. H. v. mindestens 1.200.000 € des Darlehens der Sparkasse D-Stadt trotz laut Darlehensvertrag vom 2. Juli 2020 nicht geschlossener Sondertilgungsverein¬barung im Dezember 2021 als eines der Hauptargumente für den Wiedereintritt der Zahlungsfähigkeit angeführt. Nach Mitteilung des Insolvenzverwalters vom 5. Juni 2025 und dem vorliegenden Jahresbericht 2021, Seite 14, erfolgte die Sondertilgung aus dem Erlös von Immobilienverkäufen (insbesondere der „Villa B.“). In diesem Zusammenhang ist in die Erwägungen mit einzubeziehen, dass nach der Rechtsprechung des BGH von einer Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit nicht ausgegangen werden kann, wenn sich der Schuldner durch die Befriedigung seiner gegenwärtigen Gläubiger der Mittel entäußert, die er zur Begleichung seiner künftigen, alsbald fällig werdenden Verbindlichkeiten benötigt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11 - Leitsatz). 

Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis lässt sich auch nicht aus dem Gesetzgebungsverfahren zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (BT-Drs. 17/6277) ableiten. Soweit dort der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 8. Juli 2011 (BT-Drs. 17/6853 Seite 2) eine Regelung dahingehend angeregt hatte, dass bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach der rechtskräftigen Bestätigung eines Insolvenzplans und danach eintretendem neuerlichen Insolvenzereignis Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen neuen Anspruch auf Insolvenzgeld haben sollten, ist diese Anregung durch den Gesetzgeber nicht umgesetzt worden. Dem voraus ging eine ablehnende Stellungahme der Bundesregierung (BT-Drs. 17/6853 Seite 18), in der diese auf die Nachteile einer solchen Regelung für die das Insolvenzgeld ausschließlich finanzierenden Arbeitgeber aufmerksam machte. Zwar hat der Kläger zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich insoweit um eine Äußerung der Exekutive und nicht um eine gesetzgeberische Entscheidung gehandelt hat. Allerdings lagen dem Gesetzgeber damit sowohl die für als auch gegen eine Erweiterung der Ansprüche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Insolvenzgeld bei einem laufenden Insolvenzplan und einem erneuten Insolvenzereignis sprechenden Argumente vor. Dennoch sah er keinen Handlungsbedarf, die geltende Rechtslage zu ändern. Hieraus lässt sich - anders als das SG meint - nicht der Schluss ziehen, dass sich der Gesetzgeber mit dieser Rechtsfrage nicht auseinandergesetzt habe, und nur deshalb keine Erweiterung der Insolvenzgeldansprüche normiert habe. Jedenfalls lässt sich dem auch keine Abkehr des Gesetzgebers von den in der Rechtsprechung des BSG zum Anspruch auf Insolvenzgeld bei einem zweiten Insolvenzverfahren aufgestellten Grundsätzen entnehmen. Das BSG hatte in seiner Rechtsprechung (Urteil vom 21. November 2002 - B 11 AL 35/02 R - juris RdNr. 19 m. w. N) darauf hingewiesen, dass es die Konkurrenz von regulärem Insolvenzverfahren und Insolvenzplanverfahren ausschließe, allein das Insolvenzplanverfahren dadurch zu begünstigen, dass den Gläubigern durch die wiederholte Zuerkennung von Insolvenzgeld-Ansprüchen ein Sondervorteil verschafft werde. Zwar würde dies die bereits in § 1 Satz 1 InsO erwähnte weitere Zielsetzung des Insolvenzplans, den Erhalt des Unternehmens zu fördern, unterstützen. Die letztgenannte Erwägung führe jedoch nicht zu einer anderen Bewertung, denn der Gesetzgeber verfolge mit §§ 183 ff SGB III (jetzt: §§ 165 ff InsO) nicht die Ziele der InsO, sondern begründe lediglich eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen in der Insolvenz des Arbeitgebers. Dieser Auffassung ist der Gesetzgeber mit § 165 SGB III in der seit dem 1. April 2012 gültigen Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, BGBl. I S. 2854, nicht erkennbar entgegengetreten. 

Ebenso wenig kann sich der Kläger für seinen Anspruch auf Insolvenzgeld auf Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung berufen. Eine Selbstbindung aufgrund einer früheren Verwaltungspraxis kann nur im Rahmen eines der Verwaltung eingeräumten Beurteilungsspielraums oder Ermessens eintreten. Im Widerspruch zu zwingenden gesetzlichen Vorgaben kann keine Selbstbindung der Verwaltung entstehen (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2019 - B 12 R 25/18 R - juris RdNr. 28 m. w. N.). Demgemäß kann sich auch keine Selbstbindung der Verwaltung durch die Formulierung in den ab 20. Dezember 2018 gültigen Fachlichen Weisungen der Beklagten zum Insolvenzgeld/  § 165 Abs. 3 SGB III (hier: Ziff. 2.7 [weiteres materiell-rechtlich beachtliches Insolvenzereignis]) ergeben, wonach (nur) „in der Regel“ davon auszugehen ist, „dass bei Nichterfüllung des Insolvenzplanes oder vor Aufhebung der Planüberwachung durchgehende Zahlungsunfähigkeit vorliegt“, wenn dieser die (engere) Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des Begriffs des Insolvenzereignisses i. S. des § 165 Abs. 3 SGB III entgegensteht. Ein Beurteilungsspielraum ist insoweit nicht ersichtlich. Zudem konnte im vorliegenden Fall der Wiedereintritt der Zahlungsfähigkeit der B. GmbH zwischen dem ersten und zweiten Insolvenzverfahren nicht festgestellt werden, was sich zu Lasten des Klägers auswirkt (siehe bereits obige Ausführungen). 
  
Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Anspruch aus § 165 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 SGB III stützen, wonach er in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet habe, da die B. GmbH ihre laufenden Verbindlichkeiten erfüllt habe und er daher davon habe ausgehen können, dass das Insolvenzereignis aus dem Jahr 2019 arbeitsförderungsrechtlich beendet sei. Jedenfalls steht die Kenntnis des Klägers von dem ersten Insolvenzereignis am 27. November 2019, als er bei der B. GmbH beschäftigt war und Insolvenzgeld bezogen hatte, einer Anwendbarkeit des § 165 Abs 3 SGB III entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012 - B 11 AL 10/11 R - juris RdNr. 18 m. w. N.). Von einer Unkenntnis von einem Insolvenzereignis im Sinne dieser Regelung ist nur auszugehen, solange kein ausreichender Anhaltspunkt vorhanden ist, dass der Arbeitnehmer Kenntnis von einem vorausgegangenen Insolvenzereignis nach § 165 Abs 1 SGB III hat (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 2017 - B 11 AL 14/16 R - Juris RdNr. 29). Überdies kann sich der Kläger auch nicht auf ein Vertrauen darauf berufen, dass er aufgrund der Erfüllung laufender Verbindlichkeiten durch die B. GmbH davon ausgehen habe können, dass das Insolvenzereignis aus dem Jahr 2019 arbeitsförderungsrechtlich beendet sei. Denn der Umstand, dass ein insolventer Arbeitgeber seinen Betrieb zeitweise weiterführt und insoweit auch Arbeitsentgelt an Arbeitnehmer zahlt, ist für die Frage, ob Zahlungsfähigkeit im Allgemeinen wieder angenommen werden und deshalb ein neuer Versicherungsfall eintreten kann, grundsätzlich unerheblich (vgl. BSG, Urteil vom 29. Mai 2008 - B 11a AL 57/06 R - juris RdNr. 15 unter Hinweis zum Kaug:  BSG SozR 4100 § 141b Nr. 43 S. 164 f; SozR 4100 § 141b Nr. 46 S. 170).

Die vorgenommene Auslegung des § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III verstößt auch nicht gegen die Vorgaben des europäischen Rechts, insbesondere kann sich der Kläger auch nicht auf einen unmittelbaren Anspruch aus europäischem Recht berufen. 

Nach Art. 2 Abs 1 der RL 2008/94/EG (hier maßgebliche Neufassung der Richtlinie RL 2002/74/ EG) gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig, wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgeschriebenen Gesamtverfahrens beantragt worden ist, das die Insolvenz des Arbeitgebers voraussetzt und den teilweisen oder vollständigen Vermögensbeschlag gegen diesen Arbeitgeber sowie die Bestellung eines Verwalters oder einer Person, die eine ähnliche Funktion ausübt, zur Folge hat. Weitere Voraussetzung ist nach Art. 2 Abs 1 der RL 2008/94/EG, dass entweder die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde die Eröffnung des Verfahrens beschlossen oder festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen. Die Richtlinie knüpft damit grundsätzlich an ein formelles Insolvenzereignis an und ermöglicht es den Mitgliedstaaten, mehrere formell eigenständige, wegen materiell andauernder Insolvenz aber sachlich verbundene Insolvenzverfahren zu einem Gesamtverfahren zusammenzufassen. Eine solche Zusammenfassung wird durch diese Option jedoch nicht europarechtlich angeordnet, sie existiert im nationalen Recht nicht (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 2017 - B 11 AL 14/16 R - juris RdNr. 30 m. w. N.). Die europarechtliche Regelung schreibt auch nicht vor, dass und unter welchen Voraussetzungen ein bereits eingetretenes Insolvenzereignis arbeitsförderungsrechtlich abgeschlossen ist, um ein neues Insolvenzereignis annehmen zu können (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 2017 - B 11 AL 14/16 R - juris RdNr. 31 m. w. N.).

Art. 3 der RL 2008/94/EG (früher: RL 2002/74/EG), auf den sich der Kläger beruft, lautet: 
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vorbehaltlich des Artikels 4 Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen sicherstellen, einschließlich, sofern dies nach ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehen ist, einer Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Ansprüche, deren Befriedigung die Garantieeinrichtung übernimmt, sind die nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitsentgelt für einen Zeitraum, der vor und/oder gegebenenfalls nach einem von den Mitgliedstaaten festgelegten Zeitpunkt liegt.“ 

Aus den vorstehenden Regelungen kann nicht gefolgert werden, dass ohne ausdrückliche Neuregelung zwei aufeinanderfolgende Insolvenzereignisse nicht als einheitliches Insolvenzereignis behandelt werden dürfen, wenn zwischenzeitlich weiterhin von Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012 - B 11 AL 10/11 R - juris RdNr. 22). Bereits mangels einer entsprechenden Regelung des nationalen Gesetzgebers vermag der Kläger daher keinen Anspruch aus der RL 2008/94/EG herzuleiten. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Entscheidung ergeht in Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
 

Rechtskraft
Aus
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