L 20 AL 154/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AL 594/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AL 154/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Dortmund vom 13.09.2021 neu gefasst.

Die Beklagte wird unter Änderung ihres Bescheides vom 25.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2020 verurteilt, dem Kläger Insolvenzgeld für den Monat Dezember 2019 in Höhe von 1.294,66 € zu zahlen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob dem Kläger für ein am 01.12.2019 tarifvertraglich fälliges 13. Monatseinkommen Insolvenzgeld zusteht, obwohl er seit dem 19.10.2019 arbeitsunfähig war und im Dezember 2019 Verletztengeld bezog.

 

Der 00.00.0000 geborene Kläger war seit dem 10.04.1989 als Walzer bei der Q. D. N. GmbH (Arbeitgeberin) versicherungspflichtig beschäftigt. Nach einem Arbeitsunfall war er vom 19.10.2019 bis zum 02.03.2020 arbeitsunfähig. Nach Ende der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bezog er vom 01.12.2019 bis zum 02.03.2020 Verletztengeld.

 

Mit Beschluss vom 01.03.2020 – 106 N 116/19 eröffnete das Amtsgericht Hagen wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin. Bereits jetzt liege Masseunzulänglichkeit vor.

 

Der Kläger meldete im April 2020 im Insolvenzverfahren Forderungen i.H.v. 22.240,46 € an. Diese bezogen sich u.a. auf Lohn bzw. Gehalt für die Zeit von April bis November 2019 (754,11 €), auf Mehrarbeitsentgelt für April bis November 2019 (261,62 €), auf Spät- bzw. Nachtschichtzuschläge für April bis November 2019 (60,60 €) sowie auf „Urlaubsgeld“ für 2019 (1.496,30 €) sowie einen „Rest aus 2019“ (945,03 €) und auf „Weihnachtsgeld“ für einen „Rest aus 2019“ (2.117,53 €). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Forderungsanmeldung Bezug genommen. Nach einem vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Schreiben des Konkursverwalters vom 11.04.2024 war das 13. Monatseinkommen (Weihnachtsgeld) bei fehlender Betriebsvereinbarung jeweils spätestens am 01.12. eines Jahres fällig, die zusätzliche Urlaubsvergütung pro genommenem Urlaubstag vor dem Urlaub. Die Angaben in der Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren zum Urlaubs- und Weihnachtsgeld seien (wegen Verwendung eines Formulars) insofern irreführend, als die Bezeichnung „Rest aus 2019“ beim Weihnachtsgeld keinen Restbetrag bezeichne, sondern den gesamten Betrag für 2019. Zum Urlaubsgeld bezögen sich die Angaben zu 2019 auf in diesem Jahr genommenen Urlaub, die Angaben zum „Rest aus 2019“ auf am Ende dieses Jahres noch nicht genommenen Urlaub.

 

Nach § 2 Nr. 1 des Einheitlichen Tarifvertrags über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens zwischen dem G. NRW Verband der G.- und H.-A. Nordrhein-Westfalen e.V. und der V. G. Y. Nordrhein-Westfalen vom 18.12.2003 (ETV 13. ME) hatten Beschäftigte ab einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen, der Höhe nach in Abhängigkeit vom Krankenstand im Betrieb im jeweils vorausgehenden sog. Vergleichszeitraum von Oktober bis September sowie von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, nach einer „Ausgangsstaffel“ zwischen 20 % (bei mindestens sechsmonatiger Zugehörigkeit) und 50 % (bei mindestens 36-monatiger Zugehörigkeit) einer monatlichen Vergütung (i.E. § 2 Nr. 2.1, Nr. 2.2, Nr. 4 und Nr. 5 ETV 13. ME). Im Betrieb der Arbeitgeberin wurde diese Sonderzahlung jeweils am 01. Dezember zur Auszahlung fällig (§ 3 Nr. 2 ETV 13. ME). Nach § 2 Nr. 6 Abs. 1 ETV 13. ME erhielten Anspruchsberechtigte keine Leistungen, wenn deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruhte, bei teilweisem Ruhen eine anteilige Leistung; laut Protokollnotiz zu § 2 Nr. 6 ETV 13. ME bestand Einigkeit darüber, dass (u.a.) erkrankte Anspruchsberechtigte nicht von § 2 Nr. 6 Abs. 1 ETV 13. ME erfasst wurden. Die Entgeltabrechnung für Dezember 2019 vom 13.01.2020 wies (bei einem Jahreswert des Gesamtbruttoentgelts von 55.886,24 €) für den Kläger Gesamtbruttobezüge von 2.118,81 € (2.117,53 € tarifliche Sonderzahlung zzgl. 1,28 € für Kontoführungsgebühr) und ein gesetzliches Nettoeinkommen von 1.294,66 € aus; dieser Anspruch wurde von der Arbeitgeberin bzw. vom Insolvenzverwalter nicht mehr erfüllt. Wegen der Einzelheiten wird auf den ETV 13. ME sowie auf die Entgeltabrechnung Bezug genommen.

 

Der Insolvenzverwalter kündigte mit Schreiben vom 29.06.2020 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum 30.09.2020, hilfsweise zum nächstzulässigen Termin. In einem dagegen vom Kläger geführten arbeitsgerichtlichen Verfahren (Arbeitsgericht Dortmund 3 Ca 2833/20) wurde nach Angaben des Klägers eine Abfindung in Höhe von 30.000,00 € zzgl. dreier Monatsgehälter vereinbart.

 

Im Februar 2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten Insolvenzgeld; er machte darin einzig „Weihnachtsgeld“ i.H.v. 1.294,66 € für den Abrechnungszeitraum Dezember 2019 geltend und legte die Entgeltabrechnung vom 13.01.2020 vor.

 

Mit Bescheid vom 25.03.2020 lehnte die Beklagte den Antrag auf Insolvenzgeld ab. Wegen Bezugs von „Krankengeld“ im Dezember 2019 liege der 01.12.2019, an dem der Anspruch auf Weihnachtsgeld fällig geworden sei, nicht im Insolvenzgeldzeitraum. Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte fachliche Weisungen heran. Danach (Rn. 165.33) bezieht sich der Insolvenzgeldzeitraum nicht auf Zeiten, in denen die gegenseitigen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhen, etwa bei Bezug von Kranken- oder Verletztengeld. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2020 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die tarifliche Sonderzahlung für 2019 sei fällig geworden, während das Arbeitsverhältnis des Klägers geruht habe. Zeiten von Arbeitsunfähigkeit nach Ende des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung seien nicht als Arbeitsverhältnis i.S.v. § 165 SGB III anzusehen.

 

Hiergegen hat der Kläger am 20.08.2020 vor dem Sozialgericht Dortmund Klage erhoben. Trotz seines Anspruchs auf Verletztengeld habe er gegen den Arbeitgeber Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung gehabt. Sein Arbeitsverhältnis habe nicht geruht. Die Protokollnotiz zu § 2 Nr. 6 Abs. 1 ETV 13. ME stelle dementsprechend klar, dass erkrankte Arbeitnehmer nicht von der Ausschlussregelung des § 2 Abs. 6 ETV 13. ME erfasst seien.

 

Der Kläger hat schriftlich beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2020 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld zu gewähren.

 

Die Beklagte hat schriftlich beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat auf ihren Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ein Anspruch auf Jahressonderzahlungen bestehe nicht, wenn Krankengeld von einem Sozialleistungsträger bezogen werde. Denn in solchen Zeiten ruhe das Arbeitsverhältnis. Da die Beklagte im Insolvenzfall an die Stelle des insolventen Arbeitgebers trete, könnten über Insolvenzgeld nur Ansprüche befriedigt werden, die ohne Insolvenz gegen den Arbeitgeber hätten durchgesetzt werden können. Der Kläger habe am 01.12.2019 Verletztengeld bezogen. Die Zeit eines solchen Bezug werde aus dem Insolvenzgeldzeitraum ausgeklammert, weil dann kein Anspruch auf Arbeitsentgelt bestehe.

 

Mit Urteil (im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung) vom 13.09.2021 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger Insolvenzgeld unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewähren. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Insolvenzgeld nach § 165 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 und Abs. 2 SGB III. Er sei als Arbeitnehmer im Inland beschäftigt gewesen, als am 01.03.2020 über das Vermögen seiner Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Für die diesem Insolvenzereignis vorangehenden drei Monate (01.12.2019 bis 29.02.2020) habe er noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt gehabt, nämlich auf die am 01.12.2019 fällige tarifliche Sonderzahlung nach dem ETV 13. ME. Demensprechend habe die Arbeitgeberin eine Entgeltabrechnung für Dezember 2019 erstellt. Der Anspruch auf Insolvenzgeld entfalle auch nicht wegen Bezuges von Verletztengeld ab dem 01.12.2019. Während dieser Zeit hätten die gegenseitigen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht geruht. Die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bedeute lediglich eine Leistungsstörung auf dessen Seite (BAG, Urteil vom 25.09.2013 – 10 AZR 850/12). Es gebe zudem keine abweichende Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien oder eine gesetzliche oder tarifvertragliche Regelung, dass das Arbeitsverhältnis hätte ruhen sollen. Vielmehr regele die Protokollnotiz zu § 2 Nr. 6 ETV 13. ME gerade ausdrücklich, dass das Arbeitsverhältnis bei Erkrankung nicht ruhe und damit ein Anspruch auf die Jahressonderzahlung auch bei Erkrankung bestehe. Aus § 7 Abs. 3 Satz 3 SGB IV folge nichts anderes. Die Vorschrift betreffe das Arbeitsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinn; die Regelungen zum Insolvenzgeld in §§ 165 ff. SGB III stellten jedoch auf das Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne ab (BSG, Urteil vom 26.02.2019 – B 11 AL 3/18 R). Daran änderten auch entgegenstehende Weisungen der Beklagten nichts, an die das Gericht ohnehin nicht gebunden sei. Die Beklagte führe zu Recht aus, dass der Kläger nur verlangen könne, was er ohne Insolvenz auch gegenüber der Arbeitgeberin hätte durchsetzen können. Da der Fälligkeitszeitpunkt der tariflichen Sonderzahlung in den Insolvenzgeld­zeitraum falle, sei die Beklagte verpflichtet, Insolvenzgeld in Höhe der Jahressonderzahlung (nebst Kontoführungsgebühr) zu leisten (§ 167 Abs. 1 SGB III). Die Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 SGB III zur Beantragung von Insolvenzgeld habe der Kläger gewahrt.

 

Gegen das ihr am 21.09.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.10.2021 Berufung eingelegt. Der Anspruch des Klägers auf die tarifliche Sonderzahlung am 01.12.2019 sei kein „Anspruch auf Arbeitsentgelt“ i.S.v. § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Denn der Begriff des Arbeitsverhältnisses sei im Zusammenhang mit dem Insolvenzgeld dahin auszulegen, dass er nur Zeiträume erfasse, die ihrer Natur nach zu nicht erfüllten Ansprüchen auf Arbeitsentgelt führen könnten (BSG, Urteil vom 18.12.2003 – B 11 AL 27/03). Während des Bezugs von Verletztengeld im Dezember 2019 habe das Arbeitsverhältnis des Klägers jedoch geruht, weil die gegenseitigen Hauptpflichten der Vertragsparteien suspendiert gewesen seien. Nach Ende der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall habe der Arbeitnehmer, der einen Anspruch auf Krankengeld habe, nach § 45 Abs. 3 SGB V einen Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber; im Ergebnis bedeute dies die Suspendierung der Hauptpflicht des Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Damit korrespondiere die Suspendierung der Hauptpflicht des Arbeitgebers, Lohn zu zahlen. Zwar schließe der Bezug von Verletztengeld nach §§ 45 ff. SGB VII den Anspruch auf Krankengeld gemäß § 11 Abs. 5 SGB V aus. Die Auswirkungen der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers auf die Hauptpflichten der Arbeitsvertragsparteien unterschieden sich jedoch bei Bezug von Verletztengeld nicht von denjenigen bei Bezug von Krankengeld. Das Bundessozialgericht (a.a.O.) verneine ein Arbeitsverhältnis, wenn ein solches nach arbeitgeberseitiger Kündigung aufgrund einer arbeitsgerichtlichen Entscheidung zwar fortbestehe, der Arbeitnehmer jedoch bereits ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen sei und gegenüber dem alten Arbeitgeber wirksam die Verweigerung der Fortsetzung des dortigen Arbeitsverhältnisses erklärt habe; nach § 12 Satz 4 KSchG sei dann entgangener Verdienst nur für die Zeit zwischen Entlassung und Eintritt in das neue Arbeitsverhältnis zu zahlen. Nicht erfüllte Arbeitsentgeltansprüche fielen nach Eintritt in das neue Arbeitsverhältnis nicht mehr an, selbst wenn der frühere Verdienst höher gewesen sei als bei dem neuen Arbeitgeber. Die Situation des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers sei insoweit vergleichbar, was durch § 45 Abs. 3 SGB V unterstrichen werde; auch hier bestehe kein insolvenzgeldfähiger Arbeitsentgeltanspruch mehr. Aus der Protokollnotiz zu § 2 Nr. 6 ETV 13. ME ergebe sich nichts anderes; wenn die Tarifvertragsparteien diese Notiz für notwendig erachtet hätten, zeige dies nur, dass sie ebenfalls von einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses ausgegangen seien. Auf Anfrage des Senats hat die Beklagte für den Fall des Obsiegens des Klägers einen Insolvenzgeldbetrag von 1.294,66 € berechnet; dies sei der Nettobetrag, der sich aus dem in der Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren angegebenen Bruttobetrag für Weihnachtsgeld „Rest aus 2019“ ergebe, und der dementsprechend in der Entgeltabrechnung vom 13.01.2020 für Dezember 2019 angegeben sei.

 

Die Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.09.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

 

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 25.09.2013 – 10 AZR 850/12) und die Protokollnotiz zu § 2 Nr. 6 ETV 13. ME belegten eindeutig, dass das Arbeitsverhältnis nicht geruht habe. Deshalb seien die Voraussetzungen des § 165 Abs. 1 SGB III erfüllt. Die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des Bundessozialgerichts beziehe sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, welches eine Mindestgarantie für Arbeitnehmer gewährleisten wolle. Im Krankheitsfall müsse der Arbeitgeber das Fernbleiben des Arbeitnehmers hinnehmen, ohne dass ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart wäre. Der Ausfall der Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers finde insofern ohne eine Willensbekundung statt. Krankengeld solle die wirtschaftliche Hauptpflicht des Arbeitgebers übernehmen, der erkrankte Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz behalten. Im streitigen Zeitraum sei das Weihnachtsgeld fällig geworden; dafür sei Insolvenzgeld zu zahlen (Schriftsatz vom 04.12.2024).

 

Der Senat hat am 09.10.2023 sowie am 18.03.2024 jeweils einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt. Auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften wird Bezug genommen.

 

Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz der Beklagten vom 13.12.2024; Schriftsatz des Klägers vom 16.12.2024).

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. Er liegt der Entscheidung des Senats zugrunde.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

A. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten mit einer solchen Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

 

B. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

 

I. Streitgegenstand ist die Bewilligung von Insolvenzgeld i.H.v. 1.294,66 € für den Monat Dezember 2019, welches die Beklagte mit Bescheid vom 25.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2020 abgelehnt hat. Der Kläger hat jedenfalls mit Schriftsatz vom 04.12.2024 klargestellt, dass er nur für das im Dezember 2019 fällige „Weihnachtsgeld“ Insolvenzgeld begehre. Allein Insolvenzgeld für dieses Weihnachtsgeld i.H.v. 1.294,66 € hatte er auch bei Antragstellung im Februar 2020 geltend gemacht.

 

II. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von Insolvenzgeld verurteilt. Die zulässig erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG) ist begründet. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten verletzt den Kläger i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in seinen Rechten. Der Kläger kann von der Beklagten Insolvenzgeld für den Monat Dezember 2019 i.H.v. 1.294,66 € beanspruchen.

 

1. Gemäß § 165 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben (Satz 1). Als Insolvenzereignis gilt (u.a.) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (Satz 2 Nr. 1). Nach § 165 Abs. 2 Satz 1 SGB III gehören zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Insolvenzgeld ist gemäß § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen.

 

a) Der Kläger war i.S.v. § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III bei seiner Arbeitgeberin im Inland beschäftigt. Das Insolvenzereignis lag in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 01.03.2020 – 106 N 116 (§ 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Dementsprechend lief der sog. Insolvenzgeldzeitraum (die dem Insolvenzereignis vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses) grundsätzlich vom 01.12.2019 bis zum 29.02.2020 (zur Frage, ob hiervon wegen des Bezugs von Verletztengeld eine Ausnahme zu machen ist, noch später unter c). Der Kläger hat Insolvenzgeld bereits im Februar 2020 beantragt und damit die Antragsfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III gewahrt. Eine Antragstellung bereits vor dem Insolvenzereignis wird durch die Vorschrift nicht ausgeschlossen, wenn – wie hier – die notwendigen Angaben bereits zu diesem Zeitpunkt gemacht werden können (Schaumberg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Aufl. 2023, Stand: 20.02.2023, § 324 Rn. 39 m.w.N.).

 

b) Der Kläger hatte in den dem Insolvenzereignis vorausgegangenen drei Monaten des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Arbeitsentgelt.

 

aa) Die Sonderzahlung in Form von Weihnachtsgeld war ein „Anspruch auf Arbeitsentgelt“ i.S.v. § 165 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB III. Die Berücksichtigung einer Jahressonderzahlung wie etwa des 13. Monatsgehalts setzt voraus, dass der Anspruch darauf arbeitsrechtlich entstanden ist und die Zahlung Entgeltcharakter hat (Kühl in Brand, SGB III, 9. Auflage 2021, § 165 Rn. 60). Die Jahressonderzahlung stand dem Kläger aufgrund arbeitsrechtlicher (tarifvertraglicher) Vereinbarung im ETV 13. ME als Arbeitnehmer seiner Arbeitgeberin zu, da er die Voraussetzungen nach § 2 Nr. 1 ETV 13. ME (hinreichende Dauer der Betriebszugehörigkeit) erfüllte. Der Entgeltcharakter einer tariflichen Sonderzahlung (die der Höhe nach nicht nur von einer Mindestdauer der Betriebszugehörigkeit, sondern u.a. auch vom betrieblichen Krankenstand im vorangegangenen Vergleichszeitraum Oktober bis September abhing; § 2 Nr. 2.1 und 2.2 ETV 13. ME), liegt auf der Hand (siehe zum Entgeltcharakter jährlicher Sonderzahlungen zum Arbeitsentgelt auch Kühl, a.a.O.).

 

bb) Der Anspruch auf Weihnachtsgeld war am 01.12.2019 fällig und fiel damit in den Insolvenzgeldzeitraum (01.12.2019 bis 29.02.2020).

 

cc) Der Monat Dezember 2019 fällt nicht etwa deshalb aus dem Insolvenzgeldzeitraum heraus, weil der Kläger in diesem Monat durchgehend arbeitsunfähig war und (nach bereits zum 30.11.2019 ausgelaufener Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) Verletztengeld bezog. Entgegen der Auffassung der Beklagten ruhte das Arbeitsverhältnis des Klägers während seines Bezugs von Verletztengeld nicht mit der Folge, dass sich der Insolvenz­geldzeitraum auf die Monate September bis November 2019 verschoben hätte.

 

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 25.09.2013 – 10 AZR 850/12 Rn. 14 sowie 10 AZR 400/12 Rn. 15; siehe ferner bereits BAG, Urteil vom 23.08.1990 – 6 AZR 124/89 Rn. 17) ruht ein Arbeitsverhältnis zwar, wenn die wechselseitigen Hauptpflichten kraft Gesetzes oder (ggf. stillschweigender) vertraglicher Vereinbarung suspendiert sind und somit der jeweilige Gläubiger von seinem Schuldner die Erbringung der Leistungen nicht mehr verlangen und durchsetzen kann. Bei einer über den sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraum (§ 3 Abs. 1 EntgFG) hinausreichenden Erkrankung allerdings ruht das Arbeitsverhältnis nach dieser Rechtsprechung nicht; vielmehr besteht danach auf Seiten des Arbeitnehmers eine Leistungsstörung.

 

Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Hauptpflicht eines Arbeitgebers zur (weiteren) Entgeltzahlung nach Ende der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer der Erkrankung suspendiert ist, und dass ein krankenversicherter Arbeitnehmer nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB V für die Dauer des Krankengeldbezuges einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung hat, soweit nicht aus gleichem Grund Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht. Dass das Arbeitsverhältnis nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gleichwohl arbeitsrechtlich nicht ruhen soll, mag deshalb nur aus der Situation zu erklären sein, dass die Entgeltfortzahlungspflicht durch die Sozialleistung des Krankengeldes substituiert wird, und dass der Arbeitnehmer nach Genesung seine Arbeitsleistung ungehindert wieder aufnehmen kann (und muss); der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wird auf diese Weise im Interesse beider Arbeitsvertragsparteien wirtschaftlich abgesichert.

 

Dass bei Zahlung von Verletztengeld gemäß §§ 45 ff. SGB VII (das für den Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe des § 47 SGB VII wirtschaftlich günstiger ist als Krankengeld und gemäß § 11 Abs. 5 SGB V den Anspruch auf Krankengeld ausschließt) das Arbeitsverhältnis abweichend von der Situation bei Krankengeldbezug ruht, ist nicht ersichtlich. Auch hier soll ggf. bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit (§ 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII) der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wirtschaftlich abgesichert werden.

 

(2) Zwar erhalten nach § 2 Nr. 6 Abs. 1 ETV 13. ME anspruchsberechtigte Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht, keine Leistungen bzw. bei teilweisem Ruhen nur anteilige Leistungen nach dem ETV 13. ME. Nach der Protokollnotiz zu § 2 Nr. 6 ETV 13. ME besteht zwischen den Tarifvertragsparteien jedoch Einigkeit, dass erkrankte Anspruchsberechtigte nicht unter § 2 Nr. 6 Abs. 1 ETV 13. ME fallen.

 

Aus dieser Protokollnotiz folgt keineswegs – wie die Beklagte meint –, dass die Beteiligten selbst von einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses ausgegangen sind. Die Notiz stellt vielmehr lediglich klar, was arbeitsrechtlich ohnehin für den Krankheitsfall nach Ende der Lohnfortzahlung mit Blick auf das Arbeitsverhältnis gilt. Für Fragen des Arbeitsverhältnisses ist im Rahmen von § 165 SGB III jedoch allein die arbeitsrechtliche Bewertung maßgebend (BSG, Urteil vom 03.11.2021 – B 11 AL 4/20 R Rn 15 f. m.w.N.; vgl. Schneider in Schlegel/Voelzke, a.a.O., Stand 08.12.2023, § 165 Rn. 69 m.w.N.). Deshalb können sich aus sozialrechtlichen Regelungen über das Beschäftigungsverhältnis in § 7 SGB IV (insbesondere aus dessen Abs. 3 Satz 1) von vornherein nicht etwa Einschränkungen für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ergeben.

 

(3) Keine andere Beurteilung ergibt sich daraus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (Urteil vom 18.12.2003 – B 11 AL 27/03 R Rn. 15) ein Arbeitsverhältnis ruht, wenn es zwar nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts fortbesteht, der Arbeitnehmer jedoch inzwischen ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist. In dieser Situation – in der nach § 12 Satz 4 KSchG dem Arbeitnehmer (der nach Satz 1 der Vorschrift die Fortsetzung des alten Arbeitsverhältnisses gegenüber dem alten Arbeitgeber verweigert hat) entgangener Verdienst nur für die Zeit zwischen der Entlassung und dem Tag des Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis zu gewähren ist – fehlt ab Aufnahme der neuen Beschäftigung ein Anspruch auf Arbeitsentgelt i.S.v. § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III, so dass ein Anspruch auf Insolvenzgeld insoweit nicht in Frage kommt.

 

(a) Das Bundessozialgericht (a.a.O. Rn. 16) legt in einer solchen Situation das deutsche Recht unter Beachtung der Maßstäbe des europäischen Rechts (Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20.10.1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers) dahingehend aus, dass in der Zeit nach Aufnahme der neuen Beschäftigung das bisherige Arbeitsverhältnis i.S.d. § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III (seinerzeit § 141b Abs. 1 Satz 1 AFG) nicht mehr bestand mit der Folge, dass der Insolvenzgeldzeitraum entsprechend nach vorne zu verlegen ist. Es bezieht sich hierzu auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 15.05.2003 – C-160/01 „Mau“ (Nr. 38 ff.) zu der genannten Richtlinie. Nach jener Entscheidung (die sich zum Ruhen eines Arbeitsverhältnisses wegen Erziehungsurlaubs verhält) sind für die Auslegung des Begriffs „Arbeitsverhältnis“ nur solche Zeiträume zu berücksichtigen, die ihrer Natur nach geeignet sind, zu nicht erfüllten Ansprüchen auf Arbeitsentgelt zu führen (EuGH, a.a.O. Rn. 44 und Leitsatz 2), weil ansonsten die durch das Europarecht vorgegebene Mindestgarantie auf null reduziert werden könnte (siehe dazu auch Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, 2. Aufl. 2021, 8. EL 2024, § 165 Rn. 87, wonach sich der Insolvenzgeldzeitraum zugunsten des betroffenen Arbeitnehmers um derartige Zeiten „verlängere“ und die Rechtsprechung des EuGH auch unter der Geltung der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitsgebers fortzuführen sei).

 

(b) Der Grundgedanke der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes mag zwar sinngemäß auf andere Sachverhaltsgestaltungen übertragen werden, bei denen das Arbeitsverhältnis fortbesteht, jedoch – schon mangels Anspruchs auf Arbeitsentgelt – keine Ansprüche auf Insolvenzgeld begründet werden (so etwa Voelzke, a.a.O. Rn. 89, wonach dem vom EuGH entschiedenen Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses wegen Elternzeit insbesondere „alle anderen Fälle“ des Ruhens des Arbeitsverhältnisses ohne Entgeltanspruch gleichzustellen sein sollen). Dass als Konsequenz aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nach Ende des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung von vornherein nicht als Arbeitsverhältnis i.S.v. § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III anzusehen seien (so Voelzke, a.a.O. Rn. 89), überzeugt indes in dieser Allgemeinheit – gerade mit Blick auf Fälle wie den des Klägers – nicht.

 

(aa) Zum einen ist die Situation, in der zwar nach Ende der Entgeltfortzahlung gemäß § 3 EntgFG Kranken- bzw. Verletztengeld bezogen wird, aber auch eine tarifliche Jahressonderzahlung fällig wird, nicht mit solchen Situationen vergleichbar, in denen – z.B. wegen alleinigen Bezugs von Erziehungsgeld (wie im vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall) oder in einer Situation des § 12 Satz 4 KSchG (die der Entscheidung des Bundessozialgerichts zugrunde lag) – von vornherein kein Anspruch auf Arbeitsentgelt i.S.v. § 165 Abs. 2 Satz 1 SGB III („alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis“) besteht. Denn der Kläger hatte im Dezember 2019 mit dem Anspruch auf die am 01.12.2019 fällige tarifliche Sonderzahlung gerade einen solchen Anspruch gegen seine Arbeitgeberin.

 

(bb) Wollte man gleichwohl Zeiten des mit dem Anspruch auf die Sonderzahlung einhergehenden Bezugs von Kranken- oder Verletztengeld aus dem Insolvenzgeldzeitraum herausnehmen, weil jedenfalls laufendes Arbeitsentgelt nicht mehr zustand, so würde sich zum anderen eine Mindestgarantie des europäischen Rechts, die dem Arbeitnehmerschutz dient, im Falle des Klägers allein zu seinem Nachteil auswirken. Dies würde die europäische Schutzvorschrift sinnwidrig in ihr Gegenteil verkehren; schon aus diesem Grund kann sie nach ihrem Sinn und Zweck in der vorliegenden Fallgestaltung die Auslegung des deutschen Rechts nicht im Sinne der Beklagten bestimmen.

 

(4) Der Senat sieht durchaus, dass Sachverhaltsgestaltungen denkbar sind, in denen ein Kranken- oder Verletztengeldbezug (allein) mit einem Anspruch auf eine tarifliche Jahressonderzahlung einhergeht, deren Höhe diejenige des regelmäßigen, laufenden Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers unterschreitet, und in denen der Arbeitgeber zugleich dieses Arbeitsentgelt (in einem die Jahressonderzahlung überschreitenden Umfang) auch für Zeiten vor Einsetzen des Kranken- bzw. Verletztengeldes insolvenzbedingt nicht mehr gezahlt hat. Ob in einem solchen Fall der Anspruch auf die Sonderzahlung (als „Anspruch auf Arbeitsentgelt“ i.S.v. § 165 Abs. 2 Satz 1 SGB III) ein höheres Insolvenzgeld durch Vorverlegung des Insolvenzgeldzeitraums verhindert, oder ob unter dem Gesichtspunkt einer Mindestgarantie nach europäischem Recht dieser Zeitraum (zur Gewährleistung eines höheren Insolvenzgeldes) dennoch vorverlegt werden kann bzw. insoweit ein Wahlrecht des Insolvenzgeldberechtigten besteht, muss der Senat nicht entscheiden. Der Kläger jedenfalls begehrt allein Insolvenzgeld für das im Dezember 2019 fällig gewesene Weihnachtsgeld.

 

2. Der Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld beläuft sich auf 1.294,66 €.

 

a) Gemäß § 167 Abs. 1 SGB III wird Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgelts gezahlt, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4 SGB III) begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird. Die Arbeitgeberin hat in der Entgeltabrechnung für Dezember 2019 1.294,66 € als Nettoarbeitsentgelt abgerechnet; die Beklagte hat auf Anfrage des Senats diesen Netto-Betrag bestätigt. Da sich die Höhe der Sonderzahlung u.a. nach dem Krankenstand von Oktober 2018 bis September 2019 richtete (§ 2 Nr. 2.1 ETV 13. ME), kommt insoweit der – durch den Kläger nicht widersprochenen – Entgeltabrechnung der Arbeitgeberin maßgebende Bedeutung zu. Die Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4 SGB III: diejenige der allgemeinen Rentenversicherung) wurde (bei einem Bruttoentgelt im Dezember 2019 von 2.118,81 €) ersichtlich nicht überschritten (der Jahreswert des Gesamtbruttoentgelts betrug im Dezember 2019 nach der Entgeltabrechnung der Arbeitgeberin 55.886,24 €; die Beitragsbemessungsgrenze nach § 160 Nr. 2 SGB VI i.V.m. der Anlage 2 zum SGB VI lag für das Jahr 2019 bei 80.400 €). Es besteht danach kein Anlass, an der Richtigkeit der Berechnung des Anspruchs auf die Sonderzahlung durch Arbeitgeberin und Beklagte zu zweifeln. Die im Brutto-Entgeltbetrag für Dezember 2019 enthaltene Zahlung für eine Kontoführungsgebühr (1,28 €) gehört als (ausweislich der Entgeltabrechnung der Arbeitgeberin) ersichtlich innerhalb des Arbeitsverhältnisses zustehender Betrag zum Umfang des Entgeltanspruchs für Dezember 2019 (§ 165 Abs. 2 Satz 1 SGB III).

 

b) Für die Jahressonderzahlung 2019 ist Insolvenzgeld auch nicht etwa nur zeitanteilig für die Dauer des dreimonatigen Insolvenzgeldzeitraums, mithin nur zu einem Viertel von (netto) 1.294,66 €, zu zahlen. Vielmehr steht dem Kläger der Gesamtbetrag als Insolvenzgeld zu. Lässt sich eine Sondervergütung – wie hier das Weihnachtsgeld – nicht einzelnen Monaten zurechnen, so ist sie in voller Höhe beim Insolvenzgeld zu berücksichtigen, wenn sie im Insolvenz­geldzeitraum hätte ausgezahlt werden müssen (Kühl, a.a.O. Rn. 60). Ausweislich des ETV 13. ME war das bei der tariflichen Sonderzahlung der Fall. Ihre Höhe bestimmte sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit zwischen 20 % (bei mindestens sechsmonatiger Zugehörigkeit) und 50 % (bei mindestens 36-monatiger Zugehörigkeit) einer monatlichen Vergütung sowie dem Krankenstand im Betrieb im jeweils vorausgehenden sog. Vergleichszeitraum von Oktober bis September (i.E. § 2 Nr. 2.1, Nr. 2.2, Nr. 4 und Nr. 5 ETV 13. ME); sie war nicht pro rata temporis einer Arbeitsleistung in bestimmten Zeitabschnitten zugeordnet.

 

III. Hat der Kläger nach allem Anspruch auf Insolvenzgeld in Höhe seines Netto-Weihnachtsgeldanspruches für Dezember 2019, so war der Tenor des Sozialgerichts in der von Senat vorgenommenen Weise neu zu fassen. Denn die sozialgerichtliche Verurteilung zur Gewährung von Insolvenzgeld unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts bei gleichzeitigem Fehlen jeglicher Begründung zur Berechnung des Anspruchs erscheint für eine Vollstreckungsfähigkeit nicht hinreichend klar.

 

C) Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

D) Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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