1. Zu den Anforderungen an einen kurzfristig gestellten Terminsverlegungsantrag.
2. Zur Zurückweisung eines Antrags nach § 109 SGG als verspätet.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 28.10.2021 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist, ob die Schlaganfälle des Klägers vom 27.01.2015 als Folge des Arbeitsunfalls vom 28.10.2014 anzuerkennen sind und ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente infolge des Arbeitsunfalls vom 28.10.2014 hat.
Der 1966 geborene Kläger war im Unfallzeitpunkt als Feuerwehrmann bei der F M GmbH beschäftigt. Am 28.10.2014 um 08:05 Uhr war er auf dem Rückweg von der Arbeit in der Nähe seines Wohnortes in einen Verkehrsunfall verwickelt. Dabei wurde er in seinem Fahrzeug, während dieses stand, von einem anderen Fahrzeug von hinten erfasst. Hierbei zog sich der Kläger zunächst keine sichtbaren Verletzungen zu und begab sich nicht in ärztliche Behandlung. Eine zeitnahe Unfallmeldung erfolgte nicht. An beiden Pkw entstand Totalschaden. Der Unfall wurde durch die Polizeiinspektion Vilsbiburg aufgenommen (Az.: BY2115-006200-14/1).
Am 27.01.2015 erlitt der Kläger mehrere schwere Schlaganfälle. Er wurde von seiner Ehefrau am gleichen Tag in das Krankenhaus V gebracht. Der Durchgangsarzt Dr. A hielt einen Zusammenhang zwischen dem Verkehrsunfall vom 28.10.2014 und dem Schlaganfall vom 27.01.2015 für wahrscheinlich, was er der Beklagten mit Schreiben vom 13.02.2015 mitteilte. Nach dem vorläufigen Entlassbrief vom 02.02.2015 erlitt der Kläger am 27.01.2015 "Ischämische Hirninfarkte/Multiinfarktgeschehen im Stromgebiet der Arteria cerebri media bds. mit systemischer RT-PA-Lyse 62 Minuten nach Symptombeginn bei Dissektion der Arteria carotis interna bds.". Am 02.02.2015 erfolgte die Verlegung in das Bezirksklinikum M zur neurologischen Frührehabilitation, wo der Kläger bis 20.03.2015 stationär behandelt wurde. Im Entlassungsbrief vom 19.03.2015 wurden als Diagnosen angegeben:
- Multiple ischämische Infarkte am 27.01.2015 bei ACI-Dissektionen beidseits mit beidseitigen ACI-Verschlüssen bei Z.n. PkW-Unfall 10/2014; systemische Thrombolyse-Therapie am 27.01.2015
- Transkortikale Aphasie, linksbetonte Paraparese, Wernicke-Aphasie
- Hypothyreose
- Hypercholesterinämie
Der Kläger sei bei Aufnahme bettlägerig und wach gewesen mit erhaltenem Wortverständnis, schwerer Sprechapraxie, Neglect, faziale Parese rechts, Pronotationstendenz des rechten Arms und Paraparese der Beine mit Pyramidenbahnzeichen. Die Ursache der beidseitigen Dissektionen scheine noch nicht hinreichend geklärt. Der Kläger wurde am 20.03.2015 nach positivem Rehabilitationsverlauf mit auch barthelrelevanten Funktionsverbesserungen zur weiteren Rehabilitation in das Klinikum P W entlassen.
Auf Anforderung durch die Beklagte vom 28.07.2015 erstattete Herr Prof. Dr. K, Klinik und Poliklinik für Chirurgie, Abteilung für Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums R, nach Untersuchung des Klägers am 20.06.2016, am 04.07.2016 und am 06.07.2016 ein auf den 20.06.2016 datiertes fachärztliches Gutachten zur Zusammenhangsfrage aus der Gefäßchirurgie. Im Gutachten wurde ein Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 28.10.2014 und der primär nicht diagnostizierten Dissektion der Arteria carotis interna (ACI) beidseits nicht ausgeschlossen, allerdings auf die nur seltene traumatische Entstehung hingewiesen. Der Gutachter nahm an, dass in Folge dieses Geschehens am 27.01.2015 ischämische Hirninfarkte des Stromgebiets der ACI beidseits auftraten, die zu einer sensomotorischen Aphasie, Neglect nach rechts, partieller Blickparese nach rechts, im Verlauf Hemiparese rechts geführt hätten. An Vorerkrankungen bestünden eine Hypothyreose und eine Hypercholesterinämie. Diese seien durch den Unfall weder verursacht noch verschlimmert worden.
Der Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. W trat in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 19.12.2016 der Einschätzung von Herrn Prof. Dr. K entgegen. Seines Erachtens erscheine nach Aktenlage der Unfallzusammenhang unwahrscheinlich. Herr Dr. W wies insbesondere darauf hin, dass Befunde aus der Zeit zwischen Unfall und Schlaganfall nicht vorliegen. Als konkurrierende Ursache für die Dissektion erscheine die Fettstoffwechselstörung denkbar.
Mit ergänzender Stellungnahme vom 08.02.2017 hielt Herr Prof. Dr. K an seiner bisherigen Einschätzung fest. Eine Carotisdissektion verlaufe in vielen Fällen zunächst asymptomatisch und werde erst im Weiteren auf Grund zerebrovaskulärer Ischämien entdeckt. Die Länge des Intervalls schließe den Unfall als auslösendes Ereignis nicht aus, mache ihn sogar wahrscheinlicher, weil eine spontane Carotisdissektion eher einseitig auftrete.
Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres Gutachten zur Zusammenhangsfrage ein durch den Chefarzt der Abteilung für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Stiftungsklinik W PD Dr. E. Dieser wog in seinem Gutachten vom 07.06.2017, welches er nach Untersuchung des Klägers am 15.05.2017 erstattete, die Pro- und Contra-Kriterien einer spontanen Carotisdissektion ausführlich ab. Er kam zu dem Schluss, dass die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Unfall am 28.10.2014 und der dann symptomatisch werdenden Dissektion am 27.01.2015 bestehe, ohne dass ein Gutachter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen könnte, es handele sich nicht um eine klassische spontane Dissektion, sondern um eine traumatische Dissektion. Prof. Dr. E neigte eher dazu, den Pro-Kriterien den Vorrang zu geben.
Herr Dr. W führte in einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 05.07.2017 aus, dass die Pro- und Contra-Kriterien für einen Unfallzusammenhang von Herrn Prof. Dr. E in gut nachvollziehbarer Weise dargestellt worden seien. Er komme zu dem Schluss, dass die Möglichkeit eines solchen Zusammenhangs zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht ausreiche und wertete besonders die lange Latenz zwischen Unfall und Symptombeginn der ACI-Dissektionen und das gleichzeitig beidseitige Auftreten als wesentlich für seine Einschätzung. Er schlug vor, eine Verstauchungsverletzung der Halswirbelsäule bei vorbestehender Osteochondrose als Folge des Arbeitsunfalls vom 28.10.2014 anzuerkennen. Eine unfallbedingte MdE bestehe nicht.
Mit Bescheid vom 23.10.2017 erkannte die Beklagte den Unfall vom 28.10.2014 als Arbeitsunfall an. Sie entschied, dass ein Anspruch auf Rente nicht besteht. Durch den Arbeitsunfall kam es laut Bescheid vom 23.10.2017 zu einer Prellung der Halswirbelsäule bei vorbestehender Osteochondrose ohne fortbestehende Unfallfolgen. Nicht als Folge des Arbeitsunfalls anerkannt wurde der Schlaganfall nach Dissektion der beidseitigen Arteria carotis (Halsschlagader). Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sowie ein Anspruch auf Heilbehandlung zu Lasten der Beklagten wurden verneint.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2018 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.02.2018 Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers, Dr. M in V1, Dr. D in M F, Dr. R in D und Dr. P in M1, Entlassungsberichte über verschiedene stationäre Behandlungen des Klägers, verschiedene radiologische Aufnahmen aus dem Krankenhaus V und der Klinik A, Unterlagen der Krankenkasse des Klägers und der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd sowie die beim Zentrum Bayern Familie und Soziales geführte Behindertenakte des Klägers beigezogen.
Das SG hat den Facharzt für Chirurgie und für Gefäßchirurgie Dr. M, R, zum ärztlichen Sachverständigen ernannt. Dieser ist in seinem fachärztlichen Gutachten vom 29.07.2019 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 26.06.2019 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger bei dem Unfall vom 28.10.2014 ein klassisches Halswirbelsäulenschleudertrauma erlitten habe. Im Rahmen eines solchen Traumas könnten Dissektionen der Carotiden auftreten. Folgen des Halswirbelsäulenschleudertraumas seien mit hoher Wahrscheinlichkeit die Dissektion der Carotiden beidseits, die zunächst asymptomatisch verlaufend zum Schlaganfall mit allen seinen bekannten Folgen geführt hätten. Dies seien insbesondere Hirninfarkte der ACI beidseits, sensomotorische Aphasie, Neglect nach rechts, partielle Blickparese nach rechts, Hemiparese rechts, beinbetonte spastische Hemiparese links, Gleichgewichtsstörungen und kognitive Defizite. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit liege vom Tag des Schlaganfalls am 27.01.2015 an vor. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit werde wohl auf Dauer bestehen. Ab dem Tag des Schlaganfalls vom 27.01.2015 betrage die unfallbedingte MdE 100 v. H.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 09.09.2019, gestützt auf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Herrn Dr. L aus August 2019, Einwände gegen das Gutachten des Herrn Dr. M erhoben. Herr Dr. L hat insbesondere beanstandet, dass ein verkehrsunfallbedingter Erst-Gesundheitsschaden in keiner Weise gesichert sei. Es sei auch völlig offen, was der Sachverständige unter einem "Halswirbelsäulenschleudertrauma" verstehe.
Parallel zu diesem sozialgerichtlichen Verfahren ist ein Zivilrechtsstreit des Klägers gegen den Unfallgegner und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung vor dem Landgericht Landshut geführt worden (Az.: 41 O 609/18). Mit Einverständnis des Klägers hat das SG die Akte des Landgerichts Landshut zum Verfahren 41 O 609/18 beigezogen. Danach ist die Klage des Klägers gegen den Unfallgegner und die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung mit Endurteil des Landgerichts Landshut vom 07.02.2020 abgewiesen worden. In diesem Verfahren sind ein fachärztliches neurologisches Gutachten des Herrn Prof. Dr. B, B, vom 04.12.2018 und ein neuroradiologisches Sachverständigengutachten des Herrn Prof. Dr. D1, Universitätsklinikum E, vom 01.08.2019 eingeholt worden. Beide Sachverständige haben vor allem in Auswertung der MRT-Angiographie vom 28.01.2015 während des stationären Aufenthaltes im Krankenaus V eine traumatische Genese des Schlaganfalls nicht für wahrscheinlich gehalten. Sie haben ihr schriftliches Gutachten in der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Landshut vom 07.02.2020 mündlich erläutert und sich dabei auch kritisch mit den Ausführungen des Dr. M auseinandergesetzt.
Das SG hat die Beteiligten mit Schreiben vom 11.08.2021 auf die Möglichkeit hingewiesen, die Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. B und des Prof. Dr. D1 im sozialgerichtlichen Verfahren - nach § 118 Absatz 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 411a Zivilprozessordnung (ZPO) oder im Wege des Urkundsbeweises - zu verwerten. Auch die Sachverständigen Prof. Dr. B und Prof. Dr. D1 sind hierzu angehört worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.10.2021 hat das SG beschlossen, das im Verfahren des Landgerichts Landshut zum Az. 41 O 609/18 eingeholte fachärztliche neurologische Gutachten des Herrn Prof. Dr. B vom 04.12.2018, das neuroradiologische Gutachten des Herrn Prof. Dr. D1 vom 01.08.2019 sowie die mündlichen Erläuterungen dieser beiden Sachverständigen in der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Landshut vom 07.02.2020 gemäß § 118 Absatz 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 411a ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren zu verwerten. Zudem sind die Sachverständigen Dr. M, Prof. Dr. B und Prof. Dr. D1 im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.10.2021 ergänzend mündlich befragt worden. Die Sachverständigen haben jeweils an ihrem bisherigen Standpunkt festgehalten und dies nochmals argumentativ untermauert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 28.10.2021 verwiesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28.10.2021 abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 28.10.2014 bestehe nicht, da nicht nachgewiesen sei, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers infolge des Arbeitsunfalls vom 28.10.2014 über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus gemindert ist. Die beidseitige ACI-Dissektion lasse sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 28.10.2014 zurückführen. Dies ergebe sich aus den Gutachten des Herrn Prof. Dr. B vom 0.12.2018 und des Herrn Prof. Dr. D1 vom 01.08.2019 einschließlich deren mündlicher Erläuterung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Landshut am 07.02.2020 und im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 28.10.2021. Zur Begründung hat das SG ausgeführt:
"So hat Prof. Dr. B auf Seite 16 seines Gutachtens vom 04.12.2018 ausgeführt, es sei sehr gut möglich, dass die beidseitigen ACI-Dissektionen, die zu den dauerhaft behindernden Schlaganfällen geführt hätten, mit dem Verkehrsunfall vom Oktober 2014 in kausaler Verbindung stünden und durch diesen verursacht würden. Aus gutachterlicher Überzeugung sprächen jedoch ebenso viele Gründe dafür, dass es sich um spontane Dissektionen handele, bei denen kein Zusammenhang mit dem Unfallereignis bestehe. Auf Seite 19 seines Gutachtens hat Prof. Dr. B ausgeführt, dass er es sogar für wahrscheinlicher halte, dass die beidseitigen ACI-Dissektionen unfallunabhängig entstanden seien. Prof. Dr. D1 hat auf Seite 17 seines Gutachtens vom 01.08.2019 ausgeführt, dass hinreichend sicher die Dissektion der Arteria carotis interna beidseits nicht kausal auf den streitgegenständlichen Unfall zwölf Wochen vor dem Schlaganfall zurückzuführen sei. Aus diesen Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. B und Prof. Dr. D1 geht hervor, dass die unterschiedlichen Beweismaßstäbe im zivilgerichtlichen und im sozialgerichtlichen Verfahren nach Einschätzung der Sachverständigen im vorliegenden Fall im sozialgerichtlichen Verfahren gegenüber dem zivilgerichtlichen Verfahren nicht zu einer abweichenden Kausalitätsbeurteilung führen. Dies haben beide Sachverständige auch im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.10.2021 nochmals deutlich ausgeführt.
Die Kammer hält es zwar für möglich, dass die beidseitigen Dissektionen der Arteria carotis interna, welche zum Schlaganfall am 27.01.2015 geführt haben, Folge des Arbeitsunfalls vom 28.10.2014 sind. Nach Abwägung der in den verschiedenen aktenkundigen Gutachten für und gegen eine traumatische Dissektion angeführten Argumente spricht aber nicht mehr für eine traumatische Ursache als für eine spontane Dissektion.
Gegen eine traumatische Ursache spricht im vorliegenden Fall die erhebliche zeitliche Latenz zwischen dem Arbeitsunfall vom 28.10.2014 und dem Auftreten des Schlaganfalls von drei Monaten. In den meisten Fällen entwickelt sich der Schlaganfall laut der von Prof. Dr. B im Gutachten vom 04.12.2018 zitierten Literatur (Debette & Leys, Lancet Neurology 2009) innerhalb von einem Monat nach der Entstehung der ACI-Dissektion. Prof. Dr. B und Prof. Dr. D1 haben in ihren Gutachten vom 04.12.2018 und vom 01.08.2019 zudem übereinstimmend darauf hingewiesen, dass das Signalverhalten im MRT des Halses vom 28.01.2015, wonach beim Kläger auf beiden Seiten eine hyperintensere (signalintensivere) Einblutung in die ACI-Gefäßwand nachweisbar war, darauf hindeutet, dass die Carotisdissektionen maximal sechs (so Prof. Dr. B) bzw. maximal acht Wochen (so Prof. Dr. D1) zuvor eingetreten sind. Die Kammer verkennt zwar nicht, dass viele Carotisdissektionen zunächst asymptomatisch verlaufen und erst nach einer gewissen Zeit symptomatisch werden. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass sich die Dissektionen erst mit einer gewissen zeitlichen Latenz nach dem Verkehrsunfall ereignet haben und wiederum mit weiterer zeitlicher Latenz symptomatisch geworden sind. Prof. Dr. B und Prof. Dr. D1 haben aber übereinstimmend und nachvollziehbar dargelegt, dass es bei einer traumatischen Dissektion extrem unwahrscheinlich erscheine, dass sie nicht nur derart spät, sondern auch noch beidseitig und gleichzeitig auftritt.
Hinzu kommt, dass sich der Kläger Ende des Jahres 2014/Anfang des Jahres 2015 knapp über dem typischen Lebensalter über spontane Dissektionen befunden hat. Prof. Dr. E hatte insoweit in seinem Gutachten vom 07.06.2017 Literatur zitiert (Bevan et al), wonach eine spontane Dissektion typischerweise zwischen dem 38. und 45. Lebensjahr auftritt. Der Kläger war im Zeitpunkt des Auftretens der ACI-Dissektionen 48 Jahre alt und damit nur geringfügig älter. Soweit Dr. M in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2021 die Auffassung vertreten hat, beim Kläger als Berufsfeuerwehrmann sei im Falle einer spontanen ACI-Dissektion ein früheres Auftreten zu erwarten gewesen, erscheint dies spekulativ.
Wichtig ist zudem der Hinweis des Prof. Dr. B in seinem Gutachten vom 04.12.2018, wonach die Vermutung der Klägerseite, die beschriebene Abgeschlagenheit des Klägers nach dem Unfallereignis sei Folge einer verminderten Hirndurchblutung im Rahmen einer unfallbedingt aufgetretenen ACI-Dissektion, wissenschaftlich nicht haltbar ist. Sollte es durch einen Verschluss der Arteria carotis interna bereits zu einer Durchblutungsstörung des Gehirns gekommen sein, dann hätte sich diese laut Prof. Dr. B infolge von beispielsweise plötzlich auftretenden Lähmungen, Sensibilitätsstörungen, Sehstörungen, Koordinationsstörungen oder Sprachstörungen geäußert. Müdigkeit und Abgeschlagenheit sind jedoch laut Prof. Dr. B keine Symptome einer Hirnmangeldurchblutung.
[...]
Soweit Dr. M in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2021 zudem darauf hingewiesen hat, dass traumatische Dissektionen insgesamt häufiger seien als spontane Dissektionen, widerspricht dies dem von Prof. Dr. K und PD Dr. P im Gutachten zur Zusammenhangsfrage vom 20.06.2016 zitierten Review aus dem Jahr 2016 (Galyfos et al), wonach eine traumatische Carotisdissektion als sehr selten beschrieben wird (geschätzte Inzidenz: 0,08 %), die meisten Carotisdissektionen demgegenüber spontan auftreten.
Das von Dr. M beschriebene sog. Peitschenschlagphänomen kann eine mögliche Erklärung für eine traumatisch bedingte Dissektion darstellen, stellt aber keine zwingende Erklärung für eine traumatische Ursache dar.
Beim Gutachten des Prof. Dr. E bleibt nach genauerer Lektüre unklar, ob er eher von einer traumatischen oder von einer spontanen Dissektion ausgeht. Prof. Dr. E hat in seinem Gutachten vom 07.06.2017 zunächst die Pro- und Contra-Kriterien einer spontanen Dissektion der beiden Arteriae carotidis internae ausführlich diskutiert. Er schließt mit dem Fazit, dass letztendlich die Möglichkeit des kausalen Zusammenhangs zwischen dem Unfall am 28.10.2014 und der dann symptomatisch werdenden Dissektion am 27.01.2015 bestehe, ohne dass ein Gutachter jetzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen könnte, es handele sich nicht um eine klassische spontane Dissektion, sondern um eine traumatische Dissektion."
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 15.02.2022. Unter Verweis auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten wirft die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Frage auf, ob die Möglichkeit einer spontanen beidseitigen ACI-Dissektion oder einer traumatischen beidseitigen ACI-Dissektion wahrscheinlicher sei, nachdem es sich um eine generell eher ungewöhnliche Erkrankung handele. Der Kläger gehöre aufgrund seiner Alters gerade nicht mehr zur typischen Risikogruppe für eine spontane ACI-Dissektion, wie in den beiden im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten herausgestellt werde. Risikofaktoren für eine spontane Dissektion hätten bei dem Kläger nicht vorgelegen. Nach beiden Gutachten sei der lange zeitliche Abstand zwischen Unfall und Schlaganfall zwar ungewöhnlich, schließe den Zusammenhang aber nicht aus. Der Kläger sei seit dem Unfall auch nicht ohne Beschwerden gewesen, sondern fast ständig müde. Festzustellen sei überdies, dass eine spontane ACI-Dissektion eher selten beidseitig auftrete. Die beidseitige Dissektion spreche klar für eine traumatische Ursache. Auch die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten würden eine traumatische Ursache für wahrscheinlicher halten. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit reiche für die Anerkennung des Arbeitsunfalls aus. Der nach § 106 SGG beauftragte Sachverständige habe auch widerspruchsfrei festgestellt, dass der Schlaganfall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen sei.
Der Kläger beantragt laut Schriftsatz vom 15.02.2022:
1. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.10.2021 wird aufgehoben.
2. Der Bescheid vom 23.10.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.02.2018 wird teilweise aufgehoben und festgestellt, dass der Schlaganfall vom 27.01.2015 Folge des Arbeitsunfalls vom 28.10.2014 ist.
3. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger infolge des Arbeitsunfalls vom 28.10.2014 Verletztenrente nach einer MdE von 100 v. H. zu leisten.
4. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit der Berufungsbegründung würden keine neuen, bisher nicht berücksichtigten Aspekte vorgetragen. Es seien alle drei Sachverständige im Termin zur mündlichen Verhandlung gehört worden und das SG habe sich sehr ausführlich mit allen drei Gutachten auseinandergesetzt. Da es sich um einen rein medizinischen Sachverhalt handele, werde auf die Gutachten des Herrn Prof. Dr. B und des Herrn Prof. Dr. D1 sowie deren Ausführungen im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.10.2021 verwiesen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 21.09.2023 hat das Gericht die Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hingewiesen, dass die Akten des SG einschließlich der beigezogenen Akte des Landgerichts Landshut vorliegen, nach dem derzeitigen Stand keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen beabsichtigt sind und das Verfahren für das 4. Quartal 2023 zur mündlichen Verhandlung vorgesehen ist. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt mit Schriftsatz vom 06.11.2023 die Anhörung eines weiteren, namentlich benannten Sachverständigen nach § 109 SGG. Es bestehe weiterer Klärungsbedarf, nachdem das SG von den eingeholten Sachverständigengutachten abgewichen sei.
Einen mit Schriftsatz vom 06.11.2023 gestellten Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 29.11.2023 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers nach dem gerichtlichen Hinweis vom 07.11.2023 mit Schriftsatz vom 09.11.2023 zurückgenommen.
Mit Schriftsatz vom 28.11.2023, eingegangen mittels elektronischen Rechtsverkehrs um 15.04 Uhr, wurde erneut ein Verlegungsantrag wegen eines fiebrigen Infekts der Prozessbevollmächtigten gestellt. Am 29.11.2023 ist um 08.05 Uhr an die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten telefonisch der Hinweis erfolgt, dass eine Bescheinigung über die Verhandlungsunfähigkeit benötigt werde und zu prüfen sei, ob ein anderer Anwalt aus der Kanzlei den Termin wahrnehmen könne. Mit Beschluss vom 29.11.2023, an die Prozessbevollmächtigte elektronisch übermittelt um 8.51 Uhr, wurde der Verlegungsantrag abgelehnt, weil ein erheblicher Grund, der einen Anspruch auf Aufhebung rechtfertigen könnte, nicht glaubhaft gemacht worden sei.
Am Morgen des 30.11.2023 ist ein ärztliches Attest vom 29.11.2023 aufgrund einer ärztlichen Untersuchung am 29.11.2023 um 10.15 Uhr für die Prozessbevollmächtigte übermittelt worden, dass diese wegen einer akuten Gastroenteritis mit entsprechenden Symptomen nicht am Prozess teilnehmen könne.
Das Gericht hat die Akten des SG und die Akten der Beklagten beigezogen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2023 verhandeln und auf dieser Grundlage entscheiden, obwohl der Kläger weder persönlich anwesend noch durch seine anwaltliche Prozessbevollmächtigte (oder sonst) vertreten war. Der Kläger und seine Prozessbevollmächtigte waren durch die Ladungsschreiben vom 31.10.2023 ordnungsgemäß über den Termin informiert und darüber belehrt worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden könne (§ 110 Abs. 1 S. 2 SGG). Das Ladungsschreiben ist dem Kläger per Postzustellungsurkunde am 04.11.2023 und seiner Prozessbevollmächtigten ausweislich des elektronischen Empfangsbekenntnisses am 03.11.2023 zugegangen.
Der Verlegungsantrag der Prozessbevollmächtigten vom 28.11.2023 ist mit Beschluss des Vorsitzenden vom 29.11.2023 abgelehnt worden.
Ein erheblicher Verlegungsgrund ist auch danach bis zum Ende des Termins zur mündlichen Verhandlung am 29.11.2023 um 12.45 Uhr nicht substantiiert vorgetragen und nicht glaubhaft gemacht worden.
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in einer mündlichen Verhandlung umfasst das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten Termins, wenn dies aus erheblichen Gründen geboten ist (§ 202 S 1 SGG i.V.m. § 227 Abs 1 ZPO). Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen (§ 2020 S. 1 SGG i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO). Die Verhinderung eines Beteiligten oder seiner Prozessbevollmächtigten wegen einer plötzlichen Erkrankung kann einen erheblichen Grund darstellen. Eine Erkrankung bildet nur dann einen ausreichenden Grund für eine Terminsverlegung, wenn sie so schwer ist, dass die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann (BFH vom 04.03.2014 - VII B 189/13 - BeckRS 2014, 95021 Rn. 5). Wird eine Terminverlegung - wie hier - erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss dieser Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert werden, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit besteht. Dies erfordert grundsätzlich die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, aus der das Gericht Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung entnehmen und so die Frage der Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit des Betroffenen selbst beurteilen kann (BSG vom 03.04.2019 - B 6 KA 30/18 B - juris Rn. 6; BSG vom 27.09.2022 - B 7 AS 60/22 B, juris Rn. 3). Selbst wenn man davon ausgeht, die Glaubhaftmachung erheblicher Gründe im Sinne des § 227 Abs. 2 ZPO könne durch anwaltliche Versicherung erfolgen, so bedarf diese zumindest einer ausdrücklichen Erklärung des Anwalts (BSG vom 16.02.2023 - B 7 AS 123/22 B - juris Rn. 4 unter Verweis auf BGH vom 05.07.2017 - XII ZB 463/16 - juris Rn. 14), die hier nicht erfolgt ist.
Dem Terminsverlegungsantrag vom 28.11.2023 war weder eine ärztliche Bescheinigung mit einer Schilderung der Art, Schwere und voraussichtlichen Dauer der Erkrankung beigefügt noch wurde über die knappe Angabe "fieberhafter Infekt" hinaus mitgeteilt, welche Symptome in welcher Schwere bei der Prozessbevollmächtigten vorliegen. Überobligatorisch hatte im vorliegenden Fall der Vorsitzende im Beschluss vom 29.11.2023 über den Terminsverlegungsantrag vom Vortag auf das Erfordernis der Substantiierung und Glaubhaftmachung aufmerksam gemacht. Die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten teilte am Morgen des 29.11.2023 zwar noch mit, dass eine Bescheinigung der Verhandlungsunfähigkeit noch nicht vorgelegt werden könne und diese nachgereicht werde. Die Ankündigung, das zur Substantiierung und Glaubhaftmachung von einem Rechtsanwalt ohne weitere Aufforderung vorzulegende (BSG, Beschluss vom 27.05.2014 - B 4 AS 459/13 B - juris Rn. 5) ärztliche Attest nachzureichen, genügt indes nicht (Sächs. Finanzgericht, Urteil vom 17.02.2005 - 2 K 1561/03 - juris Rn. 12), zumal auch nicht erkennbar ist, dass die Vorlage der angekündigten ärztlichen Bescheinigung nicht zumindest bis zum Ende der mündlichen Verhandlung möglich gewesen wäre. Denn die Bevollmächtige war nach dem eigenen Vortrag bereits am Tag vor der mündlichen Verhandlung erkrankt. Zudem ist sie - so die Angaben in dem erst am 30.11.2023 vorgelegten Attest vom 29.11.2023 - von ihrer Ärztin am 29.11.2023 um 10.15 Uhr untersucht worden, sodass ihr eine Attestvorlage jedenfalls bis zum Ende des Termins der mündlichen Verhandlung um 12.45 Uhr zweifellos möglich gewesen wäre. Mit Blick auf die von der Bevollmächtigten in den Raum gestellten Nachreichung einer ärztlichen Bescheinigung hat der Senat sich nach Aufruf des Verfahrens um 11.10 Uhr zudem vergewissert, ob zwischenzeitlich Unterlagen oder Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten eingegangen sind, den Termin um 11.39 Uhr bis 12.38 Uhr unterbrochen und nach nochmaliger Prüfung, ob Unterlagen zur Substantiierung und Glaubhaftmachung eines Verlegungsgrundes eingegangen sind, das Urteil verkündet. Eine ärztliche Bestätigung über einen potentiellen Hinderungsgrund in der Person der Bevollmächtigten war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingegangen. Damit war bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 29.11.2023 um 12.45 Uhr kein erheblicher Grund für eine Terminverlegung oder Vertagung des aufgerufenen Termins dargelegt. Dass nach der Urteilsverkündung am Folgetag, dem 30.11.2023, eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt worden ist, die einen Terminverlegungsantrag möglicherweise begründen hätte können, hat keine rechtliche Bedeutung mehr. Denn ein Terminverlegungsantrag kann ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs unbeachtet bleiben, wenn er erst nach Ende der mündlichen Verhandlung und damit verspätet substantiiert und glaubhaft gemacht wird (vgl. auch BSG, Beschlüsse vom 24.10.2013 - B 13 R 230/13 B - juris Rn. 11, und vom 12.05.2017 - B 8 SO 69/16 B - juris Rn. 9).
I. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Der am 06.11.2023 gestellte Antrag auf Anhörung des benannten Sachverständigen nach § 109 Abs. 1 SGG wird abgelehnt.
Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Gemäß § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
Durch die Anhörung des vom Kläger benannten Sachverständigen würde eine Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits eintreten. Denn der Rechtsstreit ist entscheidungsreif und die Beteiligten sind am 31.10.2023 zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.11.2023 geladen worden. Bereits mit gerichtlichem Schreiben vom 21.09.2023 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass nach dem derzeitigen Stand keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen beabsichtigt sind und das Verfahren für das 4. Quartal 2023 zur mündlichen Verhandlung vorgesehen ist. Für die Anhörung des benannten Sachverständigen in dem vom Kläger beantragten Gutachten nach Aktenlage wäre ein Zeitraum von nicht unter zwei Monaten zu veranschlagen, da zunächst die Bereitschaft des Sachverständigen zur fristgerechten Erstellung des Gutachtens abzufragen und der Kostenvorschuss vom Kläger einzuzahlen wäre. Bereits hierfür ist regelmäßig ein Zeitraum von vier Wochen zu veranschlagen. Für die Erstellung des Gutachtens ist mit bis zu weiteren zwei Monaten zu rechnen, so dass eine Entscheidung des Rechtsstreits nach Ablauf der Stellungnahmefristen für die Beteiligten frühestens im Mai 2024 zu erwarten wäre. Dies würde eine Verzögerung um ca. fünf Monate bedeuten.
Der Antrag ist nach der freien Überzeugung des Senats aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden. Ein Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG ist spätestens dann innerhalb angemessener Frist zu stellen, wenn der Beteiligte erkennen muss, dass das Gericht keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen durchführen wird. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn das Gericht mitteilt, dass Ermittlungen nicht mehr beabsichtigt sind oder das Verfahren für eine Terminierung vorgesehen ist (Müller in BeckOGK, § 109 SGG, Rn. 26). Soweit das Gericht keine andere Frist setzt, ist eine Frist von einem Monat angemessen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 109 Rn. 11; Roller in Berchtold, SGG, 6. Aufl. 2021, § 109 Rn. 18 m. Nw. zur Rspr.; Müller a.a.O.). Das gerichtliche Schreiben vom 21.09.2023 ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich des elektronischen Empfangsbekenntnisses am 21.09.2023 zugegangen. Ein Antrag wäre daher allein aufgrund des Hinweises, dass weitere Ermittlung von Amts wegen nicht beabsichtigt sind, spätestens bis zum 21.10.2023 zu stellen gewesen. Insbesondere aus dem Hinweis auf die beabsichtigte Terminierung im 4. Quartal war auch zu erkennen, dass eine spätere Antragstellung zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits führen würde. Damit ist die Antragstellung am 06.11.2023 verspätet erfolgt. Bei der Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 2 SGG eingeräumten Ermessens hat das Gericht zum einen die zu erwartende Verzögerung des Rechtsstreits berücksichtigt. Zum anderen war der Sachverhalt bereits im erstinstanzlichen Verfahren durch die von der Beklagten eingeholten Gutachten des Herrn Dr. K sowie des Herrn PD Dr. E, das vom SG eingeholte Gutachten des Herrn Dr. M und die vom SG mit Beschluss vom 28.10.2021 vom 28.10.2021 gemäß § 118 Absatz 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 411a ZPO einbezogenen Gutachten des Herrn Prof. Dr. B vom 04.12.2018 und des Herrn Prof. Dr. D1 vom 01.08.2019 sowie deren mündlicher Erläuterungen in der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Landshut vom 07.02.2020 und der mündlichen Anhörung der Sachverständigen Dr. M, Prof. Dr.B und Prof. Dr. D1 im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 28.10.2021 hinreichend geklärt. Weiterer Aufklärungsbedarf wurde vom Kläger bis zum Antrag von 06.11.2023 nicht geltend gemacht, sondern allein auf die im Verwaltungsverfahren durch die Beklagte eingeholten Gutachten verwiesen.
2. Das SG hat die auf Feststellung, dass der Schlaganfall vom 27.01.2015 Folge des Arbeitsunfalls vom 28.10.2014 ist, und auf Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger infolge des Arbeitsunfalls vom 28.10.2014 Verletztenrente nach einer MdE von 100 v. H. zu leisten, gerichteten Klagen zu Recht abgewiesen. Das Gericht macht von der Regelung des § 153 Abs. 2 SGG Gebrauch und verweist auf die zutreffende Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger hat im Berufungsverfahren nichts vorgetragen, was die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in Zweifel ziehen könnte. Mangels eines weiteren Tatsachenvortrags oder Einwänden gegen die Beweiserhebung oder -würdigung durch das SG hat der erkennende Senat anhand des vom SG ermittelten und festgestellten Sachverhalts und seiner Würdigung der vorliegenden Unterlagen und Gutachten keinen Anlass für weitere Ermittlungen von Amts wegen gesehen. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
Das SG hat seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt, dass zwischen dem Arbeitsunfall vom 28.10.2014 und der maßgeblichen Erkrankung, hier der Schlaganfälle vom 27.01.2015 und ihrer Folgen, ein ursächlicher Zusammenhang im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen muss. Danach ist nur diejenige Ursache rechtserheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg dessen Eintritt wesentlich mitbewirkt hat. Nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnis muss dieser Zusammenhang wahrscheinlich sein, d. h. es muss mehr dafür als dagegen sprechen.
Die Schlaganfälle vom 27.01.2015 sind nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch den Arbeitsunfall vom 28.10.2014 verursacht worden. Es lässt sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die mittels MRT vom 27.01.2015 und MRT-Angiographie vom 28.01.2015 festgestellte beidseitige ACI-Dissektion als Ursache der Schlaganfälle vom 27.01.2015 Folge des Auffahrunfalls vom 28.10.2014 waren. Weder ist nachgewiesen, dass bereits am Unfalltag 28.10.2014 eine beidseitige ACI-Dissektion vorlag noch ist es hinreichend wahrscheinlich, dass der als Arbeitsunfall anerkannte Auffahrunfall vom 28.10.2014 eine solche Verletzung verursacht hat.
Mittels der MRT-Angiographie vom 28.01.2015 ist zwar im Vollbeweis der Gesundheitsschaden einer beidseitigen Dissektion der ACI nachgewiesen. Der Zeitpunkt, an dem dieser Gesundheitsschaden eingetreten ist, ist dagegen nicht nachgewiesen und zeitlich nur grob eingrenzbar. Aus den im Verfahren vor dem Landgericht Landshut, Az.: 41 O 609/18, eingeholten Gutachten des Herrn Prof. Dr. B vom 04.12.2018 und des Herrn Prof. Dr. D1 vom 01.08.2019 ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass die beidseitige ACI-Dissektion am Tag des Schlaganfalls nicht älter als acht Wochen war und deshalb nicht bereits am Unfalltag 28.10.2014 als Gesundheitsschaden vorlag. Die Gutachten sind nach § 118 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 411a ZPO nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mittels Beschluss des SG vom 28.10.2021 als Sachverständigenbeweis in das Verfahren einbezogen worden.
Herr Prof. Dr. B hat im Gutachten vom 04.12.2018 ausgeführt, dass die grundsätzlich seltene ACI-Dissektion traumatisch oder spontan entstehen kann. Gegen eine traumatische Verursachung durch den Auffahrunfall vom 28.10.2014 spricht der asymptomatische Verlauf über drei Monate, weil die typische Latenz zwischen Entstehung der Dissektion und Auftreten eines Schlaganfalls wesentlich kürzer ist. Die von der Klägerseite geäußerte Vermutung, die mehrere Wochen nach dem Unfall aufgetretene Müdigkeit und Abgeschlagenheit sei Folge einer verminderten Hirndurchblutung im Rahmen einer unfallbedingten ACI-Dissektion, ist nach Auffassung des Sachverständigen nicht haltbar. ACI-verschlussbedingte Durchblutungsstörungen hätten sich durch plötzliche Lähmungen, Sensibilitäts-, Seh-, Koordinations- oder Sprachstörungen geäußert, Müdigkeit und Abgeschlagenheit seien jedoch keine Symptome einer Mangeldurchblutung. Die Charakteristika der Schlaganfälle weist dagegen darauf hin, dass die Dissektionen erst kurz vor der Schlaganfallsymptomatik aufgetreten sind, da es in beiden Hirnhälften zu Schlaganfällen gekommen und es unwahrscheinlich ist, dass beide Dissektion über drei Monate ohne vorherige Symptome nahezu zeitgleich auf beiden Seiten unabhängig voneinander Schlaganfälle verursachen. Aus gutachtlicher Sicht spricht entscheidend gegen die unfallbedingte Entstehung der Dissektionen deren Signalverhalten im MRT. Im Befund vom 28.01.2015 werden in beiden ACI an typischer Stelle Wandhämatome der ACI beschrieben, die in der T1-Sequenz des MRT hyperintens, also heller als die Umgebung, zur Darstellung gekommen sind. Dies hat der Sachverständige anhand des vorhandenen Bildmaterials zur MR-Untersuchung am 28.01.2015 selbst nachvollzogen. Solche Signalsteigerungen in der T1-Sequenz sind nach Auffassung des Sachverständigen typisch für Dissektionen und diese weisen überdies einen typischen Zeitverlauf auf. ACI-Dissektionen erscheinen innerhalb der ersten drei Tage nach ihrer Entstehung hypointens, danach in der Subakutphase für vier bis sechs Wochen hyperintens und kommen dann in der chronischen Phase nach mehr als sechs Wochen hypointens zur Darstellung. Die Tatsache der hyperintensen Darstellung der Einblutungen in der MRT-Angiographie am 28.01.2015 spricht für den Sachverständigen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit klar dafür, dass die Dissektion maximal sechs Wochen vor den Schlaganfällen am 27.01.2015 und nicht bei dem Unfall am 28.10.2014 aufgetreten sein kann. Dem hat sich der neuroradiologische Sachverständige Prof. Dr. D1 im Gutachten vom 01.08.2019 im Wesentlichen angeschlossen. Er führte aus, dass sich in den diffussionssensitiven MRT-Sequenzen der kranialen MRT vom 28.01.2015 das Wandhämatom der ACI jeweils rechts und links signalangehoben darstellt. Auch in der T1-fettsuprimierten Sequenz zeigt sich dies hyperintens (also heller als die Gewebeumgebung), was für ein sog. "Methämoglobin-Stadium" des Wandhämatoms spricht. Dissektionen zeigen einen typischen zeitabhängigen Verlauf in der MR-Bildgebung. Während in den ersten Tagen nach Auftreten der Einblutung/Dissektion das Wandhämatom noch isotens, als mit gleichem Signal zur Umgebungsstruktur zur Darstellung kommt, zeigt die T1-gewichtete fettsuprimierte Aufnahme, wie sie am 28.01.2015 erfolgte, eine Signalanhebung entsprechend dem Methämoglobin-Stadium. Prof. Dr. D1 ist in Abweichung zum Gutachten des Prof. Dr. B lediglich davon ausgegangen, dass die hyperintense Darstellung der ACI-Dissektionen für einen Zeitraum von bis zu acht Wochen nach Eintreten der Dissektion möglich ist. Die MR-Befunde vom 28.01.2015 sprechen nach seiner Auffassung hinreichend sicher dafür, dass die ACI-Dissektionen beidseits nicht auf den Unfall zwölf Wochen vor dem Schlaganfall zurückzuführen sind.
Diese Auffassung haben beide Sachverständige in ihrer mündlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 28.10.2021 bestätigt. Herr Prof. Dr. B stellte klar, dass nicht eindeutig zu beweisen sei, ob die Dissektion traumatisch oder spontan aufgetreten ist, es aber die im Gutachten bereits genannten Hinweise auf eine spontane Dissektion gibt. Ob beim Kläger Risikofaktoren für einen spontane Dissektion vorlagen, hätte durch eine feingewebliche Untersuchung geklärt werden können, die aber nicht vorgenommen wurde. Herr Prof. Dr. D1 wies darauf hin, dass der Ort der Dissektion an, oberhalb und unterhalb der Halsschlagader, nicht an der Aufzweigung der Halsschlagader, keinen Rückschluss auf ihre Genese zulässt. Mittels MRT ist der Zeitpunkt der Einblutung gut eingrenzbar auf vier bis acht Wochen vor den Schlaganfällen. Das beidseitige und zeitgleiche Auftreten eines Infarktes in zwei Stromgebieten nach drei Monaten passt besser zu einer spontanen Dissektion.
Der Senat schließt sich diesen nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen und macht sie sich zu eigen.
Die Ausführung des vom SG ernannten Sachverständigen Dr. M waren nicht geeignet, die Überzeugung des Senats von den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. B und Prof. Dr. D1 zu erschüttern. Herr Dr. M hat sich weder in seinem Gutachten vom 29.07.2019 noch in seiner mündlichen Anhörung durch das SG mit der Darstellung der Wandhämatome im MRT vom 28.01.2015 auseinandergesetzt. Er hat die beidseitigen ACI-Dissektion letztlich allein wegen fehlender Risikofaktoren für eine spontane Dissektion mit hoher Wahrscheinlichkeit als durch den Unfall vom 28.10.2014 verursacht angesehen. Der Kläger habe bei dem Unfall am 28.10.2014 ein klassisches HWS-Schleudertrauma erlitten. Im Rahmen eines solchen Traumas könnten Dissektionen der Carotiden auftreten, wie es bereits im Gutachten des Herrn Prof. Dr. K vom 20.06.2016 beschrieben ist. Dissektionen könnten durchaus mit einer zeitlichen Latenz symptomatisch werden. Der vom Sachverständige dem Gutachten beigefügte Artikel von K.J.P. Wessem et al im European Journal of Trauma and Emergency Surgery, Jg. 2011, S. 147-154, beschreibt fünf bei Unfällen schwerverletzte Patienten mit Knochen- und/oder Schädelbrüchen, die innerhalb eines Zeitfensters von 24 Stunden bis einem Monat nach der Verletzung Symptome einer Carotis-Dissektion zeigten. Daraus lassen sich für den Fall des Klägers keinerlei Rückschlüsse ziehen. Weder ist der Kläger bei dem Unfall vom 28.10.2014 ähnlich schwer wie die dort beschriebenen Patienten verletzt worden noch traten bei ihm Symptome einer Dissektion innerhalb maximal eines Monats nach dem Unfall auf. Die Aussage des Sachverständigen Dr. M in seiner mündlichen Anhörung, Dissektionen würden nach der Literatur auch bis zu 220 Tage nach einem Unfall auftreten können, ist nicht belegt. Die vom Sachverständigen Dr. M angenommene hohe oder höchste Wahrscheinlichkeit einer traumatischen Verursachung der ACI-Dissektion beim Kläger ist für den Senat nicht nachvollziehbar.
Auch das im Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholte Gutachten des Herrn Prof Dr. K vom 20.06.2016, das wie eine Urkunden i.S.d. § 118 Absatz 1 Satz 1 SGG iVm §§ 415 ff ZPO verwertet werden kann (BSG vom 30.03.2017 - B 2 U 181/16 B - juris Rn. 9; BSG vom 22.12.2021 - B 5 R 175/21 B - juris Rn. 7), enthält keine Argumente, die eine traumatische Verursachung der beidseitigen ACI-Dissektion durch den Unfall am 28.10.2014 wahrscheinlicher machen als eine spontane Dissektion. Das MRT vom 28.01.2015 lag dem Sachverständigen nicht vor und wurde somit nicht in die Begutachtung einbezogen. Der Sachverständige legt im Gutachten ausführlich unter Auswertung einschlägiger Literatur dar, dass eine traumatische Carotisdissektion ein sehr selten beschriebenes Ereignis sei und Symptome einer Carotisdissektion durchschnittlich nach 12,5 Stunden auftreten würden, wobei ein Großteil klinisch stumm verlaufe. Im Ergebnis schloss er bei dem Kläger ein Zusammenhang mit dem Unfallereignis nicht vollständig aus. Aufgrund einer möglichen Überstreckung der HWS hielt er eine posttraumatische Genese für denkbar. Risikofaktoren für eine spontane Dissektion waren beim Kläger nicht vorhanden. Im Ergebnis hat sich der Sachverständige nach Auffassung des Senats weder in die eine noch in die andere Richtung festgelegt. Die Aussage, eine traumatische Verursachung der Dissektion durch den Unfall vom 28.10.2014 sei nicht vollständig auszuschließen, ist aber nicht geeignet, die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer solchen Verursachung zu belegen. Und auch der bloße Ausschluss von Risikofaktoren bedeutet nicht, dass einzig eine traumatische Ursache der Dissektionen in Betracht kommen würde.
Herr PD. Dr. E hat in seinem Gutachten vom 07.06.2017 nach sorgfältiger Abwägung eine spontane beidseitige ACI-Dissektion für wahrscheinlicher gehalten.
Zusammenfassend bieten weder das Gutachten des Herrn Dr. M noch das Gutachten des Herrn Dr. K hinreichend Anhaltspunkte, die in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. B und Prof. Dr. D1 zu widerlegen oder auch nur in Zweifel zu ziehen. Auch wenn eine traumatische Verursachung der Dissektionen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, sprechen die von den Sachverständigen Prof. Dr. B und Prof. Dr. D1 dargestellten MRT-Befunde und der klinische Verlauf mit einer symptomfreien Phase über drei Monate nach dem Unfall gegen einen kausalen Zusammenhang.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).