Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. September 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht als selbstständig Tätiger.
Der Kläger übt seit 10. Mai 2011 eine selbstständige Tätigkeit als Versicherungsvertreter aus.
Am 13. November 2018 beantragte er bei der Beklagten eine Entscheidung über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. In einem Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht kraft Gesetzes als selbstständig Tätiger gab er u.a. an, er sei im Verkauf von Versicherungen jeglicher Art tätig. Er habe mehrere Auftraggeber, u. a. die S3versicherung, die U1 Krankenversicherung und Ö1 Rechtsschutz. Hinsichtlich der Preisgestaltung, Rabattgestaltung und Wahl der angebotenen Tarife bestehe komplette Selbstständigkeit, auch führe er selbstständig Werkaktionen durch. Er habe zudem eigenes Personal beschäftigt.
Mit Bescheiden vom 13. November 2018 stellte die Beklagte Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bezüglich der seit 10. Mai 2011 ausgeübten Tätigkeit als Versicherungsvertreter fest und erhob Beiträge.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2019 stellte die Beklagte fest, dass die Zeit vom 11. Mai 2011 bis zum 31. Dezember 2013 der Verjährung unterliege. Für die Zeit ab 1. Januar 2014 bestehe aber Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), da die vom Kläger angestellte Ehefrau nur in geringfügigem Umfang beschäftigt werde, wobei hier maßgebend allein die Höhe des Entgelts sei und nicht der konkrete versicherungsrechtliche Status. Mit dem streitigen Bescheid vom 21. Oktober 2020 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab 1. Januar 2014 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sei und damit Pflichtbeiträge zu bezahlen habe. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2020 stellte die Beklagte fest, dass in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden habe. Mit Bescheid vom 5. November 2020 stellte die Beklagte eine Änderung in der Beitragszahlung ab 2017 fest.
Mit Schreiben vom 23. November 2020 legte der Kläger Widerspruch „gegen den Bescheid 2014 und die folgenden Jahre“ ein. Am 30. März 2021 stellte er einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Reutlingen (SG, S 2 R 751/21 ER).
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2021 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die angegebenen Tätigkeiten für die S1 T1 S2 und S1 T1 T2 für denselben Auftraggeber erfolgten, auch wenn unterschiedliche Verträge vorhanden seien, da die Tätigkeit für denselben Versicherungskonzern erfolge.
Dagegen hat der Kläger am 10. Juli 2021 Klage zum SG erhoben und diese im Wesentlichen damit begründet, dass seine Ehefrau seit 2016 geringfügig angestellt gewesen sei, wobei Beiträge zur Sozialversicherung bezahlt würden. Seit 2021 sei sie als Teilzeitkraft angestellt.
Die Beklagte hat an ihrer Entscheidung festgehalten.
Mit Beschluss vom 5. August 2021 hat das SG dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stattgegeben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 23. November 2020 gegen die Bescheide vom 21. Oktober 2020 und 5. November 2020 angeordnet, weil es den Bescheid vom 21. Oktober 2020 vom Widerspruch als erfasst angesehen hat und es bei der Erhebung von Beiträgen für 2014 im Oktober 2020 von Verjährung gemäß § 25 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bezüglich des Jahres 2014 ausgegangen ist. Auf die hiergegen zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhobene Beschwerde der Beklagten (L 2 R 2841/21 ER-B) hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg den Beschluss des SG vom 5. August 2021 aufgehoben und den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt.
Der Kläger hat die Klage weiterverfolgt und dies im Wesentlichen damit begründet, dass für das Jahr 2014 ein angefallener Umsatz aus dem Verkauf eines Firmenwagens zu berücksichtigen sei, womit die Umsätze, die mit der S1 S2 getätigt worden seien, weniger als 5/6 der Gesamtumsätze ausmachten. Zudem werde der Auffassung des LSG Baden-Württemberg zur Zusammenrechnung nicht gefolgt. Auch liege Verjährung vor, da § 198 SGB VI nicht anwendbar sei, wenn - wie hier – der Kläger ein eigenes Feststellungsverfahren betreibe, weil er damit nicht die Hemmung etwaiger verjährter Beiträge erreichen wolle, sondern Beitragsfreiheit.
Mit Bescheid vom 29. November 2021 hat die Beklagte festgestellt, dass ab 1. Januar 2021 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe, weil seit diesem Datum regelmäßig mindestens ein rentenversicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt werde.
Das SG hat am 14. März 2023 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 26. September 2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet.
Die streitigen Bescheide vom 21. Oktober 2020 und 5. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2021 seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 22. Oktober 2020 für die Jahre 2015 und 2016 keine Versicherungspflicht festgestellt habe und mit dem im Klageverfahren ergangenen Bescheid vom 29. November 2021 festgestellt habe, dass ab 1. Januar 2021 keine Rentenversicherungspflicht des Klägers mehr bestehe, seien hier nur die Jahre 2014 und 2017 bis einschließlich 2020 streitig. Diesbezüglich sei die Beklagte zu Recht von Versicherungspflicht des Klägers ausgegangen. Zur Begründung hat das SG auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2021 verwiesen. Ergänzend hat das SG darauf hingewiesen, dass bezogen auf das Jahr 2014 auch das erkennende Gericht davon ausgehe, dass diesbezüglich keine Verjährung eingetreten sei. Wie das LSG in seinem genannten Beschluss bereits festgestellt habe, gelte für Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung neben § 25 SGB IV darüber hinaus die Sonderregelung des § 198 Satz 2 SGB VI, wonach die Verjährung solcher Beiträge auch durch ein Beitragsverfahren oder ein Verfahren über einen Rentenanspruch gehemmt werde. Nach der Rechtsprechung des BSG zu den inhaltsgleichen Vorläufern dieser Regelung (vgl. § 1420 Abs. 3 RVO a. F., § 142 Abs. 3 AVG a. F., § 134 Abs. 3 RKG a. F.) sei der Begriff des Beitragsverfahrens im Hinblick auf Sinn und Zweck der Sonderregelung weit auszulegen, sodass auch ein Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht darunterfalle (Udsching in Hauck/Noftz, SGB, 04/21, § 25 SGB IV, Rn. 13). Damit habe der Antrag des Klägers vom 13. November 2018 die Verjährung der Beiträge bis zur Entscheidung über die Versicherungspflicht gehemmt, sodass am 21. Oktober 2020 noch keine Verjährung für das Jahr 2014 eingetreten gewesen sei (4 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Auch sei die Beklagte für die Jahre 2014 und 2017 bis einschließlich 2020 zutreffend von Versicherungspflicht des Klägers ausgegangen.
Nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI seien versicherungspflichtig selbstständig tätige Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer habe der Kläger im hier streitigen Zeitraum nicht beschäftigt, nachdem seine Ehefrau bis Ende 2020 nur als Minijobberin nicht versicherungspflichtig bei ihm beschäftigt gewesen sei. Zudem sei der Kläger in den hier maßgeblichen Jahren 2014, 2017, 2018, 2019 und 2020 im rechtlichen Sinne auch nur für einen Auftraggeber tätig gewesen. Der Kläger habe im Wesentlichen Produkte der S3enversicherung S1 vertrieben. Daneben habe er zwar auch Produkte für andere Agenturen (V1 AG, Firma A1 und T3 M1 GbR, Firma B1 G1 B2, Firma F1 24, C1 24) verkauft und mit Datensätzen gehandelt. Die Tätigkeit werde jedoch im Wesentlichen nur dann für einen Auftraggeber ausgeübt, wenn der Selbstständige mindestens 5/6 seiner gesamten Betriebseinnahmen aus der zu beurteilenden Tätigkeit allein für seinen Auftraggeber beziehe (Pietrek in Schlegel/Voelzke, Juris PK-SGB VI, 3. Auflage, § 2 SGB IV Rn. 96, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.02.2011, L 11 R 2461/10, Juris). Maßgeblich seien hierfür die steuerrechtlich auf der Habenseite verbuchten Einnahmen ohne Saldierung der Sollstellungen – wie es jedoch der Steuerberater des Klägers vorgenommen habe -, da ansonsten durch Zahlungsvereinbarungen Einfluss auf das Bestehen von Versicherungspflicht genommen werden könnte. Ausgehend von den Provisionsumsätzen, die im Verfahren als Excel-Tabellen vorgelegt worden seien, habe der Kläger in den genannten Jahren seine Einkünfte zu mehr als 83,33 % (5/6) aus Versicherungsprovisionen für Verkäufe für die S1 erzielt. So ergebe sich z. B. in 2014: 107.280,08 € Gesamteinnahmen abzüglich 16.000 € für Pkw-Verkauf = 91.280,08 €, mal 5 geteilt durch 6 = 76.066,73 €; der Umsatz für das S1 T1 S2 habe jedoch 84.014,34 € betrage und damit über 5/6 der gesamten Einnahmen gelegen. Ebenso verhalte es sich im Jahr 2017. Soweit der Kläger bezüglich des Jahres 2014 noch damit argumentiere, dass hier ein Umsatz für den Verkauf eines Pkw herausgerechnet werden müsse, sei zu beachten, dass entsprechend § 2 Satz 1 Nr. 9 b SGB VI für das Kriterium der Wesentlichkeit auf die Betriebseinnahmen (nicht auf den Gewinn) abgestellt werde. Als Betriebseinnahmen seien hierbei die Zugänge von Wirtschaftsgütern in Form von Geld oder Geldwert, die durch den Betrieb veranlasst seien, zu werten. Daher sei nur eine Einnahme, welche auch tatsächlich als solche in der Bilanz zu buchen wäre, als Zugang zu werten. Dies sei im Falle der Veräußerung des Firmenwagens nicht der Fall. Ab dem Jahr 2018 sei der Kläger zusätzlich als Versicherungsvertreter für die S1 T1 T2 GmbH tätig geworden und habe hieraus Provisionseinnahmen erzielt. In den Jahren 2018, 2019 und 2020 würde die 5/6 Grenze zur Begründung von Versicherungspflicht nur überschritten, wenn die Einnahmen für die S1 T1 S2 GmbH und für die S1 T1 T2 addiert würden. Jedoch gehe das Gericht davon aus, dass die Einnahmen aus den Umsätzen für die beiden Zweige der S1 zusammenzurechnen seien. Würde ein Selbstständiger für mehrere rechtlich und wirtschaftlich verbundene Auftraggeber (Konzern, Kooperationspartner) tätig, bestehe bei tatsächlich und rechtlich gleichgelagerten Auftragsverhältnissen eine Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, wenn aufgrund einer einheitlichen Willensbildung mehrerer Auftraggeber der Selbstständige organisatorisch so gestellt sei, als wäre er für einen einzigen Auftraggeber tätig (Pietrek in Schlegel/Voelzke, Juris PK-SGB VI, 3. Auflage, § 2 SGB VI Rn. 196). Die Praxis gehe dabei auch von einer Tätigkeit nur für einen Auftraggeber aus, wenn der Selbstständige zwar für verschiedene Unternehmen tätig sei, diese aber Konzernunternehmen (§ 18 Aktiengesetz) seien. Die Praxis greife damit in vertretbarer Weise den § 12 a Abs. 2 TVG zugrundeliegenden Rechtsgedanken auf (vgl. Dr. Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, § 2 SGB VI, Rn. 87). Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass diese Voraussetzungen vorlägen, denn die jeweiligen Agenturverträge seien identisch und die S1 stehe unter der H1 der S1 S3versicherung H1 AG (vgl. Bl. III 151 der Verwaltungsakte). Von daher sei von Versicherungspflicht auch in diesen Jahren auszugehen und seien die geltend gemachten Beiträge zu Recht gefordert worden.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 31. Oktober 2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. November 2023 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die Entscheidung des SG zum Jahr 2014 sei schon deswegen falsch, weil der Begriff der Betriebseinnahme, den das SG aus § 2 Satz 1 Nr. 9 b SGB VI ableite, rechtsfehlerhaft interpretiert werde. Das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (Az: L 8 B 7/07) stelle fest, dass es bei Betriebseinnahmen auf die steuerlichen Kriterien ankomme, woran der Sozialträger sogar gebunden sei. Im hier vorliegenden Fall sei der PKW-Verkauf mit 16.000 € deswegen nicht herauszurechnen und somit seien 5/6 89.400,07 € und die 5/6-Schwelle werde nicht erreicht. Auch das LSG habe tendenziell im Beschluss vom 4. April 2008 (AZ: L 7 AS 4626/07 ER-B) auf den Zufluss eines Vermögenswertes abgestellt. Dies könne und müsse natürlich auch die Veräußerung eines Firmenwagens sein und dessen Buchung in die Gesamteinnahmen sowie es steuerlich unverzichtbar und richtig durchzuführen sei. Schließlich sei die Forderung für das Jahr 2014 auch verjährt. Diesbezüglich hat der Kläger auf seine Ausführungen im Schriftsatz vom 14. September 2021 zum Verfahren L 2 R 2841/21 verwiesen. Soweit das LSG in seinem Beschluss vom 2. November 2022 im Eilverfahren entschieden habe, für das Jahr 2014 sei aufgrund eines eigenen Antrages des Klägers vom 13. November 2018 keine Verjährung der Beiträge aus dem Jahr 2014 eingetreten, verkenne diese Rechtsausführung, dass natürlich der Kläger durch eigene Anträge selbst niemals den Lauf der Verjährung hemmen oder unterbrechen wolle. Verjährungsvorschriften dienten dem Schutz des Schuldners und nicht dem Beitreibungsinteresse des Gläubigers.
Für die Jahre 2017 bis 2020 gehe es um die konkrete Anwendung der 5/6-Regelung. Für die Auffassung des SG, dass Einnahmen aus den Umsätzen für verschiedene Gesellschaften der S3nversicherung zusammenzurechnen seien, weil hier mehrere Auftraggeber jeweils zwar selbständig organisatorisch aufgestellt sind, es sich aber trotzdem um einen einzigen Auftraggeber handele, zitiere das SG Literatur, könne aber keine höchstrichterliche Rechtsprechung aufbieten. Zwar habe das LSG insoweit schon in der Eilentscheidung vom 2. November 2021 die vorläufige Rechtsauffassung zur Addition der Einnahmen aus dem S1 –T1 S2 GmbH und aus den Einnahmen der S1 T1 T2 GmbH geäußert, jedoch müsse diese nunmehr im Berufungsverfahren vertieft werden.
Gegen eine Zusammenrechnung spreche, dass hier zwei vollkommen verschiedene und für sich selbstständige juristische Personen bei der Bemessung der Betriebseinnahmen in einen Topf geworfen würden. Auch hier sei der steuerrechtliche Ansatz maßgeblich. Steuerrechtlich sei es vollkommen zweifelsfrei, dass nach den einzelnen Auftraggebern zu unterscheiden sei. Die Einnahmen müssten gesondert ausgewiesen werden und dargelegt werden, woher sie kommen. Auftraggeber des Klägers seien somit verschiedene juristische Personen gewesen, denen gegenüber mit unterschiedlichen Rechnungen, Rechnungsadressen und Rechnungsnummern abgerechnet werden müsse. Selbstverständlich könne der Kläger nicht einfach eine Tätigkeit, die er z.B. für das S1-T1 S2 GmbH ausgeübt habe, der S1-T1 T2 GmbH in Rechnung stellen oder umgekehrt. Er müsse schon sauber differenzieren, von welcher juristischen Person er welchen Auftrag erhalten habe und was dann jeweils abzurechnen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, dass dies sozialversicherungsrechtlich keine Rolle spielen solle.
Die Behauptung, durch die künstliche Aufspaltung könne der Kläger in die Lage versetzt werden, sich der Sozialversicherungspflicht zu entziehen, verfange nicht. Der Kläger habe es nicht in der Hand, mit wem er Verträge schließe und von wem er bezahlt werde. Wo das Gesetz Gestaltungsräume ausdrücklich zulasse (in diesem Fall das Gesellschaftsrecht), müssten die steuerrechtlichen und somit auch die sozialversicherungsrechtlichen Anknüpfungspunkte sich dieser gesetzgeberischen Entscheidung unterwerfen. Es sei nicht Sache des Sozialrechts, zivilrechtliche Gestaltungsformen und -freiheiten zu hinterfragen und auszuhebeln mit dem Verweis darauf, zulässige zivilrechtliche Gestaltungsfreiräume seien öffentlich-rechtlich unwirksam und unbeachtlich. Die Sozialgesetzbücher knüpften an den verschiedensten Stellen an das Steuerrecht an. Das Steuerrecht wiederum knüpfe fast durchgängig an die zivilrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Gesellschaftsrechts an und behandele dementsprechend jeweils ganz individuell GmbHs, Aktiengesellschaften usw. separat. Der Einkommensbegriff des Sozialrechts verweise daher häufig ins Steuerrecht und das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern habe dies mit seiner oben zitierten Entscheidung auch konsequent nachvollzogen. Betrachte man §§ 11 SGB II, 16 SGB IV und vor allem den neuen § 94 Abs. 1 a SGB XII, sei die gesetzgeberische Intension, dass der sozialrechtliche Einkommensbegriff in Ermangelung einer ausdrücklichen anderweitigen sozialrechtlichen Bestimmung, anzuknüpfen sei an steuerliche Normen. Steuerliche Normen wiederum knüpften an die zivilrechtliche Ausgestaltung des Gesellschaftsrechts an. Somit müsse auch im Sozialrecht – wie hier – die Trennung sauber nach den verschiedenen Auftraggebern erfolgen, ohne diese mit dem Argument einer übergeordneten H1 künstlich wieder zusammenzuführen. Da es insoweit keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu geben scheine, müsse diese ggf. herbeigeführt werden. Bei einer Differenzierung nach verschiedenen Auftraggebern (von verschiedenen juristischen Personen) werde die 5/6-Schwelle in keinem der streitgegenständlichen Jahre erreicht werde, so dass in diesen Jahren dann auch keine Sozialversicherungspflicht bestehe.
Die Revision sei zuzulassen, sowohl im Hinblick auf die Frage, ob der Verkauf des Firmenwagens zu berücksichtigen sei als auch im Hinblick auf die Frage, ob trotz exakter Aufspaltung der Auftraggeber in unterschiedlichen GmbHs diese beim Einkommensbegriff und bei der Ausfüllung der 5/6-Regelung zusammengefasst werden dürften oder nicht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. September 2023 aufzuheben und die Bescheide vom 21. Oktober 2020 und 5. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2021 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat an ihrem Rechtsstandpunkt festgehalten und auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist unbegründet.
Die Bescheide vom 21. Oktober 2020 und 5. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2021 sind rechtmäßig.
Gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI ist versicherungspflichtig zur gesetzlichen Rentenversicherung der selbständig Tätige, der im Zusammenhang mit seiner selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft. Die Tätigkeit wird im Wesentlichen für einen Auftraggeber ausgeübt, wenn der Selbständige mindestens fünf Sechstel seiner gesamten Betriebseinnahmen aus der zu beurteilenden Tätigkeit allein für einen Auftraggeber bezieht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Februar 2011 – L 11 R 2461/10 – juris).
Das SG hat – unter Darlegung der vorgenannten Rechtsgrundlage – zutreffend dargelegt, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum als Versicherungsvertreter keinen rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigte und auch im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit als Versicherungsvertreter im Wesentlichen, d.h. im Umfang von wenigstens 5/6 der Betriebseinnahmen, nur für einen Auftraggeber, nämlich die S3versicherung tätig gewesen ist. Das SG hat in diesem Zusammenhang schlüssig dargelegt, dass im Jahr 2014 die 5/6-Grenze erreicht wird, weil die Einnahmen aus dem Verkauf eines PKW nicht zu den (hier maßgeblichen) Betriebseinnahmen zählen.
Ferner ist die vom SG dargelegte Auffassung, dass die Einnahmen aus Aufträgen der S1 T1 S2 GmbH und der S1 T1 T2 GmbH zu addieren sind, weil es sich hierbei um rechtlich und wirtschaftlich verbundenen Auftraggeber handele und diese demnach wie ein Auftraggeber zu behandeln sind, nicht zu beanstanden.
Schließlich hat das SG auch zutreffend argumentiert, dass die Beiträge für das Jahr 2014 noch nicht verjährt sind, weil für Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung neben § 25 SGB IV darüber hinaus die Sonderregelung des § 198 Satz 2 SGB VI gilt, wonach die Verjährung solcher Beiträge auch durch ein Beitragsverfahren oder ein Verfahren über einen Rentenanspruch gehemmt wird und nach der Rechtsprechung des BSG zu den inhaltsgleichen Vorläufern dieser Regelung (vgl. § 1420 Abs. 3 RVO a. F., § 142 Abs. 3 AVG a. F., § 134 Abs. 3 RKG a. F.) der Begriff des Beitragsverfahrens im Hinblick auf Sinn und Zweck der Sonderregelung weit auszulegen ist und auch ein Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht darunterfällt.
Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.
Im Berufungsverfahren haben sich keine wesentlich neuen Erkenntnisse ergeben. Soweit der Kläger im Hinblick auf das Jahr 2014 vorgebracht hat, es komme bei den Betriebseinnahmen auf die steuerrechtliche Beurteilung an und die Einnahmen aus dem PKW-Verkauf in Höhe von 16.000 € seien nicht aus den Gesamteinnahmen herauszurechnen, folgt der Senat dem nicht. Denn unabhängig davon, ob die Einnahmen aus dem PKW-Verkauf steuerrechtlich zu den Betriebseinnahmen zählen bzw. wie diese Einnahmen buchhalterisch zu behandeln sind, kann die Frage, ob ein Selbstständiger im Wesentlichen für einen Auftraggeber tätig ist, zur Überzeugung des Senats nur unter Betrachtung des Verhältnisses der Einnahmen aus den jeweiligen konkreten Auftragsverhältnissen zueinander beurteilt werden. Betriebseinnahmen hingegen, die - wie hier der Verkauf eines PKW – nicht als Einnahme einem bestimmten Auftragsverhältnis zugeordnet werden können, müssen dabei außer Betracht bleiben. Denn für die hier relevante wirtschaftliche Abhängigkeit von (im Wesentlichen) nur einem Auftraggeber sind Einnahmen, die – wie hier - außerhalb des konkreten Auftragsverhältnisses erzielt werden und im Zusammenhang mit der allgemeinen Ausstattung des Betriebs des Selbstständigen stehen, irrelevant.
Soweit der Kläger erneut vorgebracht hat, die Einnahmen der S1 T1 S2 GmbH und der S1 T1 T2 GmbH seien nicht zusammenzurechnen, weil diese verschiedene juristische Personen bzw. selbstständige Unternehmen darstellten und deshalb die 5/6-Schwelle nicht überschritten werde, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass insoweit bereits höchstrichterlich entschieden ist, dass Selbstständige auch dann für einen Auftraggeber i.S.d § 2 S. 1 Nr. 9 lit. b SGB VI tätig werden, wenn sie vertragliche Beziehungen zwar zu mehreren Unternehmen unterhalten, diese jedoch i.S.d. §18 Aktiengesetz als Konzernunternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 1 /10 R – juris).
Im vorliegenden Fall wurde der Kläger - ausweislich der aktenkundigen Verträge (§ 1 Abs. 1) – für die S1 T1 S2 GmbH und die S1 T1 T2 GmbH jeweils in deren Geschäftsstelle der S1 S3-Versicherung H1 AG tätig. Demnach waren sowohl die S1 T1 S2 GmbH als auch die S1 T1 T2 GmbH Teil der S1 S3-Versicherung H1 AG und unterhielten jeweils Geschäftsstellen der S1 S3-Versicherung H1 AG. Sie waren somit unter einer einheitlichen Leitung, der S1 S3-Versicherung H1 AG, zusammengefasst und sind als ein Auftraggeber anzusehen.
Wie bereits das SG unter Hinweis auf die Ausführungen des LSG im Verfahren L 2 R 2841/21 ER-B zutreffend dargelegt hat, sind die Beiträge für das Jahr 2014 auch nicht verjährt. Die Verjährung ist unter Berücksichtigung der hier geltenden Sonderregelung des § 198 Satz 2 SGB VI durch den Antrag des Klägers vom 13. November 2018 gehemmt worden, so dass im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung mit Bescheid vom 21. Oktober 2020 noch keine vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), abgelaufen waren und somit keine Verjährung eingetreten war.
Denn unter den Begriff des Beitragsverfahrens i.S. von Satz 1 (1. Halbsatz) sind nach der Rechtsprechung des BSG zumindest Verwaltungsverfahren zu fassen, die - wie hier - auf die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht sowie die ordnungsgemäße Beitragserhebung abzielen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli 2011 – B 12 R 19/09 R – juris). Im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Hemmung der Verjährung eingetreten ist, kommt es auch nicht darauf an, wer das Beitragsverfahren initiiert hat, sondern allein auf die Verwirklichung des Tatbestands der Hemmungsvorschrift des § 198 Satz 2 SGB VI.
Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Bezüglich der geltend gemachten Verjährung der Beiträge für das Jahr 2014 und der Frage, ob die Einnahmen der S1 T1 S2 GmbH und der S1 T1 T2 GmbH zusammenzurechnen sind, liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil diese Fragen bereits hinreichend höchstrichterlich geklärt sind. Der Senat weicht auch insoweit von keiner Entscheidung des BSG ab.
Bei der Frage, ob der Kläger im Jahr 2014 im Wesentlichen für einen Auftraggeber tätig war, handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die keine grundsätzliche Bedeutung hat. Auch hier weicht der Senat nicht von einer Entscheidung des BSG ab.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 1628/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3082/23
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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