1. Ein Aufenthaltsrecht aus Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 wegen des Schulbesuchs eines Kindes setzt eine Eingliederung des Kindes in das Schulsystem des Aufnahmemitgliedstaates voraus, die über die formale Anmeldung an der Schule, das gelegentliche Aufsuchen des Schulgebäudes oder die seltene Teilnahme am Unterricht hinausgeht. Es muss eine tatsächliche und echte Teilnahme am allgemeinen Unterricht stattgefunden haben. 2. Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht aus Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 steht nicht nur dem Elternteil zu, das die elterliche Sorge für das Schulkind tatsächlich wahrnimmt, sondern auch jüngeren, betreuungsbedürftigen Geschwisterkindern, deren tatsächliche Sorge ebenfalls durch dieses Elternteil ausgeübt wird. 3. Das Berufen auf einen Arbeitnehmerstatus und ein darauf beruhendes Recht nach Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn Unionsbürger die Arbeitnehmerfreizügigkeit allein zu dem Zweck ausüben, in einem anderen Staat Sozialleistungen zu erhalten. Dieser Missbrauchstatbestand ist grundsätzlich eng auszulegen. Allein die Inanspruchnahme von Bürgergeld bzw Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die aufstockend zu einer tatsächlichen und echten Arbeitnehmertätigkeit oder zur (weiteren) Integration in den Arbeitsmarkt gewährt werden, rechtfertigt für sich genommen grundsätzlich noch nicht die Annahme eines Missbrauchs des Freizügigkeitsrechts. Erforderlich ist das Hinzutreten weiterer objektiver Umstände, die den Rechtsmissbrauch belegen.
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 20. Mai 2025 wird aufgehoben. Der Antragsgegner wird vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 6. Februar bis zum 31. August 2025 Bürgergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (im Weiteren: Antragsteller) machen im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 6. Februar bis zum 31. August 2025 geltend.
Der am ... 1998 geborene Antragsteller zu 1) und die am ... 2000 geborene Antragstellerin zu 2) sind rumänische Staatsangehörige. Sie sind seit dem 29. August 2023 miteinander verheiratet und haben vier Kinder, die am ... 2016 geborene Antragstellerin zu 3), die am ... 2020 geborene Antragstellerin zu 4), die am ... 2021 geborene Antragstellerin zu 5) und den am ... 2023 geborenen Antragsteller zu 6). Nach ihren Angaben sind sie im August 2021 nach Deutschland eingereist.
Der Antragsteller zu 1) nahm am 13. September 2021 eine Beschäftigung bei der Firma R auf (durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden, Bruttoverdienst im Oktober 2021 1.211,75 €, im November 2021 682,12 € bei 43 Stunden verschuldeter Fehlzeit, im Dezember 2021 384,46 € bei 61 Stunden verschuldeter Fehlzeit und im Januar 2022 313,38 € bei 36 Stunden verschuldeter Fehlzeit). Mit Schreiben vom 29. Dezember 2021 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis in der Probezeit zum 13. Januar 2022, weil der Antragsteller zu 1) sich als unzuverlässig erwiesen habe. So sei er am 20. und 22. Dezember 2021 nicht an seinem Arbeitsplatz erschienen. Die Bundesagentur für Arbeit erstellte am 16. März 2023 eine Bescheinigung, wonach der Antragsteller zu 1) nicht unfreiwillig arbeitslos geworden sei, weil verhaltensbedingte Gründe zur Kündigung geführt hätten. Dagegen ist der Antragsteller zu 1) gesondert gerichtlich vorgegangen; das Berufungsverfahren L 2 AL 34/24 ist derzeit beim Senat anhängig.
Der Antragsteller zu 1) bezog mit den Kindern ab Oktober 2021 SGB II-Leistungen von dem Antragsgegner, nur die damals unverheiratete Antragstellerin zu 2) erhielt keine Leistungen. Nach einer zunächst vorläufigen Bewilligung bis März 2022 setzte der Antragsgegner Leistungen nur bis zum 13. Januar 2022 fest (dazu ist beim Senat ein Berufungsverfahren unter dem Az. L 2 AS 223/23 anhängig). Auch für den nachfolgenden Zeitraum (April bis August 2022) setzte der Antragsgegner nach einer zunächst vorläufigen Bewilligung die Leistungen endgültig auf Null fest (Berufungsverfahren L 2 AS 224/24).
Von der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Antragsstellers zu 1. erfuhr der Antragsgegner erst am 25. Juli 2022.
Die Antragsteller wohnten bis zum 30. Juni 2022 in einer Wohnung in der F. Straße 19, seit dem 1. Juli 2022 wohnen sie in einer 4-Raum-Wohnung im W. Weg 1 in H. Mit ihnen wohnt noch der Bruder des Antragstellers zu 1) mit drei weiteren Familienmitgliedern in der Wohnung.
Am 21. November 2022 nahm der Antragsteller zu 1) eine Vollzeitbeschäftigung als Kurierfahrer (12,00 € Stundenlohn bei 40 Wochenstunden) bei der Firma F. GmbH auf. Das Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitgeber am 30. November 2022 fristlos und zugleich vorsorglich zum 15. Dezember 2022 gekündigt. In einem arbeitsgerichtlichen Vergleich wurde eine Beendigung zum Ablauf des 5. Dezember 2022 vereinbart. Die Bundesagentur für Arbeit bescheinigte dem Antragsteller zu 1) am 31. Mai 2023, dass er die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zu vertreten habe.
Vom 6. Dezember 2022 bis zum 11. Januar 2023 war der Antragsteller zu 1) bei der Firma M. tätig (durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden). Das Arbeitsverhältnis wurde am 3. Januar 2023 innerhalb der Probezeit gekündigt. Für den 12. Dezember und für die Zeit vom 15. Dezember 2022 bis zum 11. Januar 2023 erhielt der Antragsteller zu 1) laut Arbeitsbescheinigung keinen Lohn („sonstige unbezahlte Fehlzeit“); insgesamt erzielte er für Dezember 2022 517,31 € brutto. Die Bundesagentur für Arbeit bescheinigte ihm am 9. März 2023, dass er nicht unfreiwillig arbeitslos geworden sei. Auch dagegen ging er gerichtlich vor (ebenfalls Berufungsverfahren L 2 AL 34/24).
Für November 2022 bis März 2023 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller zu 1) und den Kindern vorläufig Leistungen, später auch für die Zeit von Mai bis Juli 2023.
Zum Schuljahr 2023/2024 besuchte die Antragstellerin zu 3) ab August 2023 die Grundschule. Am 11. September 2023 reichten die Antragsteller eine Bescheinigung der Schule vom 4. September 2023 ein, wonach die Schülerin die Klasse J3 besuchte. Am 22. September 2023 stellten die Antragsteller einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen ab September 2023. Hierbei gaben sie an, dass der Antragsteller zu 1) am 18. September 2023 eine Arbeit bei der Firma R. Deutschland GmbH & Co. KG als Helfer aufgenommen habe. Diese verlor er durch Arbeitgeberkündigung vom 2. November 2023 zum 11. November 2023 wieder. Mit Schreiben vom 14. Mai 2024 bestätigte die Bundesagentur für Arbeit eine freiwillige Arbeitsaufgabe, weil der Antragsteller zu 1) die Beendigung zu vertreten habe, da verhaltensbedingte Gründe zur Kündigung geführt hätten.
Der Antragsgegner bewilligte den Antragstellern nachfolgend zunächst Leistungen für September 2023 bis Februar 2024 und vorläufig Leistungen für März bis August 2024.
In einer Schulbescheinigung für die Antragstellerin zu 3) vom 21. Juni 2024 teilte die Schule mit, dass die Schülerin im Schuljahr 2023/24 67 Fehltage, davon 57 unentschuldigt aufgewiesen habe. Der Antragsgegner lehnte daraufhin zunächst mit Bescheid vom 23. August 2024 die Leistungen für März bis August 2024 endgültig ab, weil ein kontinuierlicher Schulbesuch nicht nachgewiesen sei. Dagegen legten die Antragsteller Widerspruch ein. Zusammenfassend berichtete die Schule mit Bescheinigung vom 28. Oktober 2024 die Fehltage der Antragstellerin zu 3) ab Beginn des Schulbesuchs am 19. August 2023 wie folgt: Im Schuljahr 2023/2024 habe sie insgesamt an 67 Tagen gefehlt, davon 57 unentschuldigt; im Schuljahr 2024/2025 habe sie im August 2024 an 20 Tagen unentschuldigt gefehlt, im September 2024 an elf Tagen und im Oktober 2024 an einem.
Der Widerspruch der Antragsteller war erfolgreich (Abhilfebescheid vom 18. November 2024). Der Antragsgegner ging ausweislich eines Aktenvermerks davon aus, dass 67 Fehltage bei 200 Schultagen pro Jahr der Annahme eines kontinuierlichen Schulbesuchs nicht entgegenstünden. Er bewilligte den Antragstellern Leistungen. Für August 2024 betrugen diese z.B. insgesamt 2.682,66 €.
Am 1. Juli 2024 stellten die Antragsteller einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab September 2024. Diesen lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 28. Oktober 2024 für den Zeitraum vom 1. September 2024 bis zum 31. August 2025 ab. Die Antragsteller hätten keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil ihr Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche bestehe. Nichts anderes ergebe sich aus dem Schulbesuch der Antragstellerin zu 3). Es sei ausgehend von den Fehlzeiten von August bis Oktober 2024 nicht von einem regelmäßigen Schulbesuch auszugehen. Mit ihrem dagegen gerichteten Widerspruch legten die Antragsteller eine neuerliche Schulbescheinigung vom 20. November 2024 vor, wonach die Antragstellerin zu 3) bis zu diesem Tag an 25 Tagen unentschuldigt gefehlt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2024 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Das Bestehen eines Leistungsanspruchs scheitere am Eingreifen von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. b) SGB II. Die Antragsteller zu 1) und 2) könnten sich angesichts der Fehlzeiten in der Schule nicht auf ein von der Antragstellerin zu 3) abgeleitetes Recht aus Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (VO [EU] Nr. 492/2011) berufen. Hiergegen haben die Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Halle (SG) erhoben, welche unter dem Az. S 22 AS 1174/24 anhängig ist.
Am 6. Februar 2025 haben die Antragsteller, anwaltlich vertreten, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG gestellt. Zur Begründung haben sie auf den Schulbesuch der Antragstellerin zu 3) verwiesen. Diese habe die Schule während des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses des Antragstellers zu 1) besucht und besuche sie immer noch.
Am 10. Dezember 2024 hat die Grundschule O. P. der Antragstellerin zu 3) im laufenden Schuljahr 2024/2025 den Schulbesuch bestätigt. Die Schülerin weise 33 unentschuldigte Fehltage auf. In einem Lernentwicklungsgesprächsprotokoll von diesem Tag werden der Antragstellerin zu 3) eine überwiegende Selbständigkeit, Unterrichtsbeteiligung und Ausdauer bescheinigt, während Lernbereitschaft und Aufmerksamkeit teilweise vorhanden seien (Kategorien der Einschätzung des Lernverhaltens: stark ausgeprägt, überwiegend, teilweise und selten). Von ihrer Lernentwicklung her benötige die Schülerin Förderung für die Vorbereitung des regulären Weiterlernens im 2. Schuljahrgang. In einer weiteren Schulbescheinigung vom 10. Februar 2025 werden insgesamt 33 Fehltage genannt. Nach einer telefonischen Angabe der Schulsekretärin gegenüber der Kammervorsitzenden beim SG vom 10. März 2025 fehlte die Antragstellerin zu 3) durchschnittlich vier bis fünf Tage pro Monat. Aktuell lägen 35 Fehltage im laufenden Schuljahr vor.
Der Antragsgegner hat geltend gemacht, selbst wenn die Voraussetzungen für einen regelmäßigen Schulbesuch vorlägen, sei es für die Antragsteller rechtsmissbräuchlich, sich auf das aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 abgeleitete Aufenthaltsrecht zu berufen. So sei der Antragsteller zu 1) letztmalig im November 2023 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen und habe auch nicht an der Messe job4me im Juni 2024, zu der er eingeladen worden sei, teilgenommen. Die Antragsteller zu 1) und 2) hätten auch keine Plätze für den Besuch von Kindertageseinrichtungen für die kleineren Kinder beantragt, um besser erwerbstätig sein zu können.
Der Antragsteller zu 1) hat im Erörterungstermin vor dem SG am 12. März 2025 erläutert, er sei wohl von 2013 bis 2017 als Jugendlicher in Deutschland gewesen und könne sich an den damaligen Schulbesuch noch erinnern, erst sei er auf die Schule in der K. und dann auf die Schule am R. in H. gegangen. Er habe in dieser Zeit allerdings nicht genug Deutsch gelernt, um einem längeren Dialog zu folgen. Im Jahr 2017 sei er nach Rumänien gegangen und erst 2021 wiedergekommen.
Die Antragstellerin zu 2) hat erläutert, dass sie keine Deutschkenntnisse habe, jedoch froh sei mit ihrer Tochter, die die Schule besuche, ein bisschen Deutsch zu lernen. Sie sei mit der Vorstellung nach Deutschland gekommen, dass ihre Kinder hier eine bessere Zukunft hätten als in Rumänien. In Rumänien sei das Leben schwer. Sie wünsche, arbeiten zu können, habe aber gehört, dass dies ohne Deutschkenntnisse schwierig sei. Eine kurzzeitig verrichte Arbeit habe sie verloren, weil sie viele Fehler gemacht habe, da sie nicht habe lesen können und auch die Sprache nicht verstanden habe. Eine Beratungsstelle für den Spracherwerb und zum Lesen- und Schreibenlernen habe sie nicht aufgesucht, da sie von der Betreuung der Kinder abhängig sei. Sie könne sich vorstellen, ihre Kinder in den Kindergarten zu schicken; sie habe vergeblich mündlich in der nächstgelegenen Kita nach einem Platz gefragt.
Mit Beschluss vom 20. Mai 2025 hat das SG den Antrag auf einstweilige Anordnung abgelehnt. Die Antragsteller hätten keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie gehörten nach den bislang bekannten Umständen nicht zu dem leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, sondern seien nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Die Antragsteller zu 1) und 2) hätten nach summarischer Prüfung im Ergebnis kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht aus dem Schulbesuch der Antragstellerin zu 3). Es könne dahinstehen, ob sich ein solches Aufenthaltsrecht aus dem Schulbesuch der Antragstellerin zu 3) ergeben könne. Die Berufung hierauf erscheine jedenfalls rechtsmissbräuchlich. Die Beschäftigungsverhältnisse des Antragstellers zu 1) seien allesamt von kurzer Dauer gewesen. Seit dem 11. November 2023 gehe er keiner Erwerbstätigkeit mehr nach und komme Aufforderungen, sich zu bewerben, nicht nach. Er habe zwar die formale Position eines Wanderarbeiters mit einem Kind, das während des Arbeitsverhältnisses die Schule besucht habe. Die Kammer gehe aber davon aus, dass er nach der Beendigung der Tätigkeit bei der Firma R. keinerlei Erwerbsbemühungen mehr gezeigt habe. Vielmehr habe er sich auf die Leistungsbewilligung aufgrund der Beschulung seiner Tochter verlassen. Weiter sei davon auszugehen, dass der Antragsteller zu 1), der als Schüler etwa im Zeitraum von 2015 bis 2017 seiner Mutter das Aufenthaltsrecht in Deutschland vermittelt habe, die gleiche Situation mit seiner Tochter wieder herstellen wolle. Da er nicht bereit sei, seine Deutschkenntnisse zu verbessern und sich intensiv zu bewerben, und nicht einmal die ihm aufgezeigte Möglichkeit der Jobbörse wahrgenommen habe, gehe die Kammer davon aus, dass eine freizügigkeitsadverse Leistungserschleichungsabsicht vorliege. Das zielgerichtete Vorgehen zeige sich auch daran, dass mit dem Leistungsantrag im Jahr 2023 bereits eine Bescheinigung der Schule, wonach mit einer Einschulung im August 2023 zu rechnen sei, beigefügt worden sei. Die Kammer gehe davon aus, dass der Antragsteller zu 1) sehr genau wisse – sei es anwaltlich beraten, sei es aufgrund eigener Erfahrungen –, dass der Schulbesuch seiner Tochter eine Leistungsberechtigung nach sich ziehe.
Gegen die ihren Prozessbevollmächtigten am 21. Mai 2025 zugestellte Entscheidung haben die Antragsteller am 12. Juni 2025 Beschwerde erhoben und Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug unter Beiordnung ihres Rechtsanwalts beantragt. Soweit das Gericht seine Entscheidung letztlich auf eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung des Freizügigkeitsrechts stütze, verkenne es, dass mit der Gewährleistung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gerade grundsätzlich der Zugang zu Sozialleistungen verbunden sei und die Annahme eines Rechtsmissbrauchstatbestands deshalb an sehr eng auszulegende objektive und subjektive Voraussetzungen geknüpft sei. Es sei nicht von einem absichtlichen Vorgehen des Antragstellers zu 1) auszugehen. Abgesehen davon enthielten die Erwägungen des SG keine Anhaltspunkte einer Leistungserschleichungsabsicht bei der Antragstellerin zu 2). Die Antragsteller verweisen zudem darauf, dass der Antragsteller zu 1) am 10. Juni 2025 ein Arbeitsverhältnis bei der Firma T. P. GmbH als Lagerhelfer aufgenommen habe, welches die Arbeitgeberin am 13. Juni 2025 innerhalb der Probezeit zum 14. Juni 2025 wieder gekündigt habe. Anschließend habe er zum 1. Juli 2025 ein Anstellungsverhältnis als Reinigungskraft in einem Umfang von 140 Stunden pro Monat (14,53 € Stundenlohn) bei der Firma O. P. P. GmbH aufgenommen. Hierzu hat der Antragsteller zu 1) die Arbeitsverträge nebst Einsatzanweisung vorgelegt.
Mit Beschluss vom 10. Juli 2025 hat der Senat vorsorglich die Stadt H. als Träger der Sozialhilfe zum Verfahren beigeladen.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 20. Mai 2025 abzuändern und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 20. Mai 2025 zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die den Beschluss des SG tragenden Gründe. Auch die aktuelle tatsächliche Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses des Antragstellers zu 1) ändere nichts an der fehlenden Leistungsberechtigung der Antragsteller. Insoweit sei die Berufung des Antragstellers zu 1) auf ein daraus resultierendes Freizügigkeitsrecht ebenfalls rechtsmissbräuchlich. Denn dieser habe erst nach Ablehnung seines vorliegenden Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz und des Antrags auf Weiterbewilligung der Leistungen durch den Antragsgegner eine Arbeit aufgenommen, um unter formaler Berufung auf den Arbeitnehmerstatus und die damit verbundene Freizügigkeitsberechtigung Leistung nach dem SGB II zu erhalten.
Die Beigeladene beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsteller seien nicht leistungsberechtigt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII). Nach ihrer Kenntnis solle ein Rechtsmissbrauch vorliegen, so dass auch ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII ausscheide.
Für weitere Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und die Gerichtsakten verwiesen. Die Akten haben dem Senat bei der Entscheidung vorgelegen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist begründet.
a) Gegenstand der Beschwerde ist der Beschluss des SG vom 20. Mai 2025, mit dem es den Antrag auf einstweilige Anordnung ablehnt hat. Der Antrag der Antragsteller ist so auszulegen, dass sie die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zu Leistungen für die Zeit ab Antragstellung bei Gericht, also ab dem 6. Februar 2025, und bis zum 31. August 2025 begehren. Diese zeitliche Begrenzung findet sich zwar nicht im Wortlaut ihres Antrags- oder ihres Beschwerdeschriftsatzes, ergibt sich aber bei der nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Auslegung. Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass ein Anspruchsteller alles beantragen will, was ihm aufgrund des Sachverhalts zustehen kann, aber auch nicht mehr (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 19/06 R – juris Rn. 14, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 49/10 R – juris Rn. 12 und 14). Bei Leistungen nach dem SGB II ist ein Anordnungsgrund regelmäßig erst für Leistungszeiträume ab Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht anzunehmen, soweit nicht ausnahmsweise ein Nachholbedürfnis geltend gemacht werden kann. Das ist dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller aufgrund zahlreicher Verfahren vor dem Senat bekannt, und seinem Vorbringen ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass er ein solches Nachholbedürfnis geltend machen wollte. Weiter darf die vorläufige Verpflichtung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund des akzessorischen Charakters dieses Verfahrens grundsätzlich nicht über die mögliche Verurteilung in einem Hauptsacheverfahren hinausgehen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 86b Rn. 35b). Der geltend gemachte Anordnungsanspruch ist, soweit der Antragsteller ihn nicht beschränkt, identisch mit dem in der Hauptsache verfolgten materiellrechtlichen Anspruch. In der Hauptsache ist die Leistungsablehnung bis zum 31. August 2025 begrenzt.
b) Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Der Grenzwert für die Beschwer von 750 € gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist überschritten. Die sechs Antragsteller begehren SGB II-Leistungen für die Zeit vom 6. Februar bis zum 31. August 2025 in gesetzlicher Höhe.
c) Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antragsgegner ist für den Zeitraum vom 6. Februar bis zum 31. August 2025 vorläufig zur Zahlung von Leistungen nach dem SGB II zu verpflichten.
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsanspruchs (also eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) als auch eines Anordnungsgrunds (also der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile). Ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn ihre tatsächlichen Voraussetzungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Das erfordert grundsätzlich, dass mehr für als gegen ihr Vorliegen spricht (vgl. Keller, a.a.O., § 86b Rn. 27, Rn. 41). Insoweit sind die Voraussetzungen einer vorläufigen Verpflichtung des Gegners geringer als für eine Verurteilung im Hauptsachverfahren. Dies dient der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG).
Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen. Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich – etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte –, kann eine Entscheidung aufgrund einer Folgenabwägung ergehen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 14. März 2019 – 1 BvR 169/19 – juris Rn. 15).
aa) Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weil bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ein Leistungsanspruch nach dem SGB II für sie wahrscheinlich ist.
(1) Die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, dass sie die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 SGB II erfüllen und nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a) und b) SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind. Die Antragsteller zu 1) und 2) haben das 15. Lebensjahr vollendet, die gesetzliche Höchstaltersgrenze noch nicht erreicht, sind nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens erwerbsfähig und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Die Antragsteller zu 3) bis 6) sind dem Haushalt angehörende unverheiratete Kinder der Antragsteller zu 1) und 2) und bilden mit ihnen eine Bedarfsgemeinschaft.
(2) Die Antragsteller sind mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländer von Leistungen ausgenommen, die kein Aufenthaltsrecht haben (lit. a]) oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche, der Ausbildungs- oder Studienplatzsuche oder aus einer Aufenthaltserlaubnis nach § 20a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ergibt (lit. b]). Nach der Rechtsprechung des BSG erfordert die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II regelmäßig eine „fiktive Prüfung“ des Grundes bzw. der Gründe der Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund hindert die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts „allein aus dem Zweck der Arbeitsuche [usw.]" im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. b) SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R – juris Rn. 23).
(a) Für die Antragsteller zu 1), 2) und 3) lässt sich für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 ableiten. Nach dieser Vorschrift können Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats (hier Rumänien), der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats (hier in der Bundesrepublik Deutschland) beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht teilnehmen. Dieses Recht auf Gleichbehandlung hinsichtlich des Zugangs zur weiteren Teilnahme am Unterricht vermittelt sowohl den Kindern als auch den sie betreuenden Elternteilen ein materielles Aufenthaltsrecht (vgl. im Einzelnen: BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 43/15 R – juris Rn. 29 ff.; Urteil vom 27. Januar 2021 – B 14 AS 25/20 R – juris Rn. 17). Das Recht knüpft an den Arbeitnehmerstatus eines Elternteils an, reicht aber zeitlich über die Beschäftigung hinaus (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R – juris Rn. 24). Soweit und solange die Kinder eines Arbeitnehmers oder ehemaligen Arbeitnehmers für die Wahrnehmung ihrer Ausbildungsrechte aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge des Elternteils bedürfen, um ihre Ausbildung fortsetzen und abschließen zu können, besteht für den Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ein abgeleitetes Recht auf Aufenthalt aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 a.a.O. Rn. 31 m.w.N.). Die früher (bis zum 31. Dezember 2020) bestehende Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c) SGB II a.F., wonach im nationalen Recht ein Leistungsausschluss für Personen bestand, die ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 ableiteten, war mit Europarecht unvereinbar (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union [EuGH], Urteil vom 6. Oktober 2020 – C-181/19 – juris). Die Antragsteller zu 1) und 2) haben nach den Erkenntnissen im Eilverfahren die tatsächliche Sorge für die Antragstellerin zu 3) ausgeübt.
Auch der fünfjährigen Antragstellerin zu 4), der dreijährigen Antragstellerin zu 5) und dem einjährigen Antragsteller zu 6) steht ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen als zur Arbeitsuche usw. zu. Soweit dem sorgeberechtigten Elternteil eines nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 berechtigten Minderjährigen der Aufenthalt im Aufnahmestaat zu sichern ist, ist es notwendige Konsequenz, auch den jüngeren und betreuungsbedürftigen Geschwistern, deren tatsächliche Sorge ebenfalls durch dieses Elternteil ausgeübt wird, ein Aufenthaltsrecht zuzubilligen (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. Beschluss vom 7. Juni 2016 – L 2 AS 84/16 B ER – juris Rn. 52; Beschluss vom 13. März 2019 – L 2 AS 8/10 B ER – n.v.; Beschluss vom 14. August 2019 – L 2 AS 203/19 B ER – n.v.; Beschluss vom 26. August 2019 – L 2 AS 363/19 B ER – n.v.; der Beschluss des Senats vom 27. Dezember 2021 – L 2 AS 582/21 B ER – n.v. betraf dagegen ein erwerbsfähiges, nahezu volljähriges Geschwisterkind; ähnlich das Urteil des BSG vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 43/15 R – juris Rn. 35). Das mit der VO (EU) Nr. 492/2011 verfolgte Ziel der Arbeitnehmerfreizügigkeit erfordert nach Rechtsprechung des EuGH bestmögliche Bedingungen für die Integration der Familie des Arbeitnehmers im Aufnahmestaat. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Kinder das ihnen vom Unionsgesetzgeber zuerkannte Recht verlieren könnten, wenn ihren die elterliche Sorge für sie wahrnehmenden Eltern die Möglichkeit versagt würde, während der Schulbildung ihrer Kinder im Aufnahmestaat zu bleiben (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2020 – C-181/19 – juris Rn. 36). Dies drohte auch dann, wenn betreuungsbedürftige jüngere Geschwister das Land verlassen müssten. Es kann im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allerdings dahinstehen, ob das Aufenthaltsrecht der Geschwisterkinder unmittelbar aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 abzuleiten ist (vgl. Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. November 2021 – L 12 AS 1284/21 B ER u.a. – juris Rn. 62; a.A. der Beschluss des erkennenden Senats vom 7. Juni 2016, a.a.O.) oder aus § 11 Abs. 14 Satz 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) i.V.m. § 32 Abs. 4 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 2024 – L 3 AS 207/23 B ER – juris Rn. 45).
Mit dem Erfordernis der (früheren) Beschäftigung verweist Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 auf den Arbeitnehmerbegriff in Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2021 – B 14 AS 25/20 R – juris Rn. 17). Der Antragsteller zu 1) hat während der Dauer der Schulzeit seiner Tochter in der Zeit vom 18. September 2023 bis zum 11. November 2023 in einem echten, unbefristeten Arbeitsverhältnis mit einem Umfang von 35 Wochenstunden gestanden. Im Monat Oktober 2023 hat er z.B. 1.729 € brutto bzw. 1.296,15 € netto verdient. Es handelte sich bei der Arbeitgeberin um ein großes, bundesweit tätiges Zeitarbeitsunternehmen.
Es liegen auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 vor. Erforderlich, um von einem Schulbesuch des Kindes des Arbeitnehmers im Sinne der Verordnung ausgehen zu können, ist eine Eingliederung in das Schulsystem des Aufnahmemitgliedstaates, die über die formale Anmeldung an der Schule, das gelegentliche Aufsuchen des Schulgebäudes oder die seltene Teilnahme am Unterricht hinausgeht. Es muss eine tatsächliche und echte Teilnahme am allgemeinen Unterricht stattgefunden haben. Nur dann, wenn das Ausbildungsrecht tatsächlich wahrgenommen wird, greift das besondere Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 (vgl. auch BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 43/15 R – juris Rn. 34). Der Schulbesuch der Antragstellerin zu 3) während der Beschäftigung des Antragstellers zu 1) vom 18. September bis zum 11. November 2023 und in der Folgezeit erfolgte tatsächlich und nicht nur zum Schein. Dies zeigt etwa die im Dezember 2024 dokumentierte Einschätzung der Schule zum Lernverhalten, wonach der Schülerin u.a. eine überwiegende Unterrichtsbeteiligung/Aktivität, Ausdauer und Selbständigkeit sowie eine zumindest teilweise Lernbereitschaft und Aufmerksamkeit bescheinigt wurde. Es wurde zwar festgehalten, die Schülerin brauche noch Förderung; es gibt aber keinen Anhaltspunkt, dass sie die Ausbildung faktisch abgebrochen hat oder nur noch zum Schein fortführt. Auch die Fehlzeiten der Schülerin haben kein solches Ausmaß erreicht, dass faktisch nicht mehr von einer Ausbildung auszugehen wäre.
Angesichts des glaubhaft gemachten Aufenthaltsrechts aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 kann dahinstehen, ob und ggf. in welchem Zeitraum ein zusätzliches Freizügigkeitsrecht des Antragstellers zu 1) aus dessen Beschäftigungen vom 10. bis zum 14. Juni 2025 und ab dem 1. Juli 2025 besteht bzw. bestanden hat.
(b) Für den Senat ist es bei summarischer Prüfung nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller zu 1) einen Teil der Voraussetzungen des Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 – nämlich die Arbeitnehmereigenschaft – durch die Aufnahme einer Beschäftigung während der Schulzeit der Antragstellerin zu 3) missbräuchlich geschaffen hat bzw. die Antragsteller von vornherein nur in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind, um hier Sozialleistungen zu beziehen. Die Frage nach einem solchen Rechtsmissbrauch wird im Hauptsacheverfahren abschließend zu klären sein.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH kann das Berufen auf eine unionsrechtliche Rechtsstellung im Einzelfall missbräuchlich sein, was von der Begründung der Arbeitnehmerstellung zu trennen ist. Der Nachweis eines Missbrauchs setzt dabei zum einen voraus, dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde, und zum anderen ein subjektives Element, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2012 – C-364/10 – juris Nr. 58 m. w. N.). Das Berufen auf einen erlangten Arbeitnehmerstatus und ein (u.a.) darauf beruhendes Recht nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 kann missbräuchlich sein, wenn Unionsbürger die Freizügigkeit für Arbeitnehmer allein zu dem Zweck ausüben, in einem anderen Staat Sozialleistungen zu erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2021 – B 14 AS 25/20 R – juris Rn. 30). Neben den Umständen der Aufnahme und Durchführung der Tätigkeit können grundsätzlich auch die Einreisegründe für oder gegen die Missbräuchlichkeit des Berufens auf formal über den erlangten Arbeitnehmerstatus bestehende Rechte sprechen. Je mehr Zeit zwischen Einreise und Beschäftigungsaufnahme vergangen sind, desto weniger Bedeutung haben allerdings die Einreisegründe. Das subjektive Element erfordert die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen (Arbeitnehmereigenschaft, Ausbildung) künstlich bzw. willkürlich geschaffen werden. Es bezieht sich auf Voraussetzungen der Möglichkeit, bleiben zu können; diese ist nicht deckungsgleich mit der Inanspruchnahme von Freizügigkeitsrechten bei der Einreise. (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2021 a.a.O., Rn. 29 und 33).
Der Senat geht davon aus, dass der Missbrauchstatbestand im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Arbeitnehmerfreizügigkeit – als Ausnahme im Einzelfall – grundsätzlich eng auszulegen ist und dass allein die Inanspruchnahme von Bürgergeld bzw. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die aufstockend zu einer tatsächlichen und echten Arbeitnehmertätigkeit oder zur (weiteren) Integration in den Arbeitsmarkt gewährt werden, für sich genommen grundsätzlich noch nicht die Annahme eines Missbrauch des Freizügigkeitsrechts rechtfertigen; erforderlich ist das Hinzutreten weiterer objektiver Umstände, die den Rechtsmissbrauch belegen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27. August 2024 – L 4 AS 212/24 B ER – juris Rn. 43 f.; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. Dezember 2019 – L 6 AS 528/19 B ER – juris Rn. 39 f.). Deshalb rechtfertigt allein der Umstand, dass der Antragsteller zu 1) als Ungelernter mit geringeren Deutschkenntnissen nicht in der Lage war und ist, den Lebensunterhalt für die gesamte, inzwischen sechsköpfige Familie vollständig abzudecken, noch nicht die Annahme eines Missbrauchs, zumal der Bezug aufstockender existenzsichernder Leistungen bzw. der Bezug von Leistungen nach unfreiwilliger Arbeitslosigkeit gerade in den Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit fällt und u.a. von Art. 7 Abs. 2 VO (EU) 492/2011 garantiert wird (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rn. 43).
Unter Beachtung des aufgezeigten Maßstabs ist für den Senat bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellbar, dass die Arbeitsaufnahme im September 2023, die das Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 begründete, nur künstlich und willkürlich erfolgt ist, um die formalen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts zu erfüllen, bzw. eine Einreise nur zum Zweck des Bezugs von Sozialleistungen erfolgt ist. Eine solche Missbrauchsabsicht erscheint möglich, aber nach den bisher bekannten Umständen nicht überwiegend wahrscheinlich.
Aus den Umständen der Aufnahme und Durchführung des Arbeitsverhältnisses im September 2023 kann nicht mit hinreichender Sicherheit darauf geschlossen werden, dass dieses allein als Mittel zum Zweck im Sinne eines Rechtsmissbrauchs dienen sollte. Die am 18. September 2023 aufgenommene Tätigkeit als Helfer bei der Firma war eine echte Beschäftigung mit einem relevanten Verdienst. Der Antragsteller zu 1) verdiente im ersten Teilmonat 845,16 € brutto (624,59 € netto), im zweiten Monat 1.729 € brutto (1.296,15 € netto) und im letzten Teilmonat 523,66 € (418,90 €). Es handelte sich um eine unbefristete Beschäftigung. Es liegen nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keine belastbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller zu 1) diese Beschäftigung von vornherein nur kurze Zeit ausüben wollte, um damit aufenthalts- und leistungsrechtliche Folgen auszulösen. Es erscheint ebenso plausibel, dass sich hier nur die Probleme mit der Zuverlässigkeit zeigten, die auch in der Vergangenheit zu einem Verlust von Arbeitsverhältnissen geführt hatten.
Diese Probleme in der Vergangenheit deuten ihrerseits nicht unbedingt auf ein missbräuchliches Verhalten des Antragstellers zu 1). Bei den früheren Arbeitsverhältnissen handelte es sich nach summarischer Prüfung um echte Beschäftigungen bei Personaldienstleistungsunternehmen. Der Antragsteller zu 1) hatte bereits kurz nach der Einreise nach Deutschland eine Arbeit in einem Umfang von 35 Stunden pro Woche aufgenommen, bevor er im Oktober 2021 einen Antrag auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II gestellt hat. Diese Beschäftigung dauerte fast vier Monate, wenn auch unbezahlte Fehlzeiten aufgetreten sind. Auch weitere Beschäftigungen (21. November bis 5. Dezember 2022 und 6. Dezember 2022 bis 11. Januar 2023) lagen vor dem Schulbesuch der Antragstellerin zu 3). Konkrete, ausreichend belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Beschäftigungen von vornherein nicht ernsthaft aufgenommen wurden, liegen nicht vor. Wäre es dem Antragsteller zu 1) seinerzeit allein um die Freizügigkeitsberechtigung und den Leistungsbezug gegangen, hätte er erreichen müssen, dass diese früheren Arbeitsverhältnisse unfreiwillig enden. Mit den selbst herbeigeführten Beendigungen hatte er für spätere Leistungsgewährungen nichts gewonnen.
Auch der Senat hat zwar aufgrund der Erwerbsbiografie des Antragstellers zu 1) den Eindruck, dass dessen Bemühungen, Arbeit zu finden, regelmäßig erlahmen, wenn der Antragsgegner ihm und seiner Familie Leistungen erbringt (z. B. von Januar bis Juli 2023 und wieder von November 2023 bis Juli 2024). Das mag in der Gesamtschau mit anderen Umständen ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten sein, kann dieses aber für sich genommen nicht belegen. Einer zeitweilig fehlenden Arbeitsbereitschaft und einer Unzuverlässigkeit des Antragstellers zu 1) bei der Durchführung eines Arbeitsverhältnisses kann der Antragsgegner ggf. mit den gesetzlich vorgesehenen Sanktionen begegnen.
Auch die weiteren Umstände, die das SG anführt, um aus ihnen eine Leistungserschleichungsabsicht herzuleiten, sind nicht hinreichend stichhaltig. Sie zeigen die Möglichkeit, aber keine ausreichende Wahrscheinlichkeit eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Antragsteller. So deutet der vom SG angeführte Umstand, dass die Antragsteller frühzeitig eine möglicherweise nur zu diesem Zweck ausgestellte Schulbescheinigung für die Antragstellerin zu 3) beim Antragsgegner eingereicht haben, in der Tat darauf hin, dass ihnen die Leistungsrelevanz des Schulbesuchs bewusst war. Es mag allerdings sein, dass sie dem Schulbesuch nur im Hinblick auf etwaige Bedarfe für Bildung und Teilhabe Bedeutung beigemessen haben. Die Annahme des SG, der Antragsteller zu 1) habe „anwaltlich beraten oder aus eigener Praxis […] bzw. [aufgrund] der Erfahrungen im Familienclan“ gewusst, „dass der Schulbesuch der Kinder eine Leistungsberechtigung einschließlich Leistungsbezug nach dem SGB II nach sich zieht“, ist letztlich spekulativ. U.a. hat sich die Kammer nicht näher mit den Einlassungen des Antragstellers zu 1) zu seinem eigenen Schulbesuch in Deutschland auseinandergesetzt. Doch selbst wenn man annimmt, dass die Antragsteller grundsätzlich um die Voraussetzungen von Art. 10 VO (EG) Nr. 492/2011 und deren Bedeutung für den Bezug von Bürgergeld wussten, rechtfertigt dies noch nicht die Annahme eines Rechtsmissbrauchs.
Auch der von der Antragstellerin zu 2) geschildert Grund für die Einreise (dass es den Kindern besser gehen solle), die Umstände der Einreise und die Erklärungen für eine fehlende Arbeitsaufnahme der Antragstellerein zu 2) bieten nach summarischer Prüfung keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch. Auch auf Grundlage der persönlichen Anhörung des Antragstellers zu 1) hat das SG keine belastbaren konkreten Feststellungen getroffen, aus denen sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Missbrauchsabsicht schließen ließe. Eine abschließende Prüfung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
bb) Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie verfügen nicht über ausreichendes Einkommen oder Vermögen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Es besteht eine aktuelle existenzielle Notlage, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung andauert, denn den Antragstellern stehen bereits seit Monaten keine ausreichenden Mittel zur Deckung ihres Existenzminimums zur Verfügung. Sie haben ihre Mittellosigkeit glaubhaft gemacht. Auch durch die Arbeitsaufnahme des Antragstellers zu 1) vom 1. Juli 2025 kann dieser jedenfalls kein Einkommen erzielen, welches den Gesamtbedarf der sechsköpfigen Bedarfsgemeinschaft abdeckt.
d) Der Senat verpflichtet den Antragsgegner entsprechend § 130 Abs. 1 SGG dem Grunde nach, weil die Beteiligten über die Leistungsberechtigung selbst, nicht aber über die Höhe der Leistungen streiten.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.
3. Der Antrag der Antragsteller auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen. Für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Mit dem vorliegenden Beschluss ist den Antragstellern ein Kostenerstattungsanspruch gegen den Antragsgegner und damit gegen die öffentliche Hand zuerkannt worden, und diese Kostenentscheidung ist nicht mit einem Rechtsmittel anfechtbar. Da das Kostenrisiko der Antragsteller damit vollständig entfallen ist, bedarf es keiner Gewährung von Prozesskostenhilfe mehr (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. August 2015 – 1 BvR 3474/13 – juris Rn. 9).
4. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).