Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts (SG) Stuttgart vom 8. Dezember 2023 sowie unter Fortführung des Klageverfahrens S 20 SO 2361/16 die Zahlung weiterer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Im Verfahren S 20 SO 2361/16 vor dem SG Stuttgart schlossen der anwaltlich vertretene Kläger und die Beklagte im Erörterungstermin vom 24. Februar 2017 folgenden Vergleich:
Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass dem Kläger für den Zeitraum 01.01.2016 bis 31.03.2016 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 570,66 Euro zustehen (vgl. Änderungsbescheid vom 29.03.2016). Der hiernach an den Kläger noch auszuzahlende Betrag wird nach einem Abgleich der bisher für den Zeitraum Januar bis März 2016 zur Auszahlung gelangten Beträge ermittelt und nachgezahlt.
Im Weiteren erhält der Kläger für den Leistungszeitraum Oktober 2015 bis Dezember 2015 einen abschließenden Betrag in Höhe von 330,00 Euro. Damit sind alle wechselseitigen Ansprüche für diesen Zeitraum ab Oktober 2015 erledigt.
Unter Berücksichtigung der Ziff. 1 und 2 werden alle noch offenen Widerspruchsverfahren für den Leistungszeitraum ab Oktober 2015 für erledigt erklärt.
Außergerichtliche Kosten werden zu 1/4 erstattet.
Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit S 20 SO 2361/16 damit übereinstimmend für erledigt.
Ausweislich der Sitzungsniederschrift wurde der Vergleich laut vorgespielt und genehmigt.
Am 9. April 2019 hat der der zwischenzeitlich in M1 wohnhafte Kläger unter dem Aktenzeichen S 11 SO 1627/19 Klage zum SG Stuttgart erhoben und beantragt, die unter dem Aktenzeichen S 20 SO 2361/16 geführte Niederschrift zur nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Stuttgart 20. Kammer vom 24. Februar 2017 zu verwerfen, eine neuerliche mündliche Verhandlung durchzuführen und ihm vollständig und tatsächlich zustehende und auszuzahlende Grundsicherungsleistungen zu bewilligen.
Mit Beschluss vom 6. Oktober 2019 hat das SG Stuttgart den Rechtsstreit S 11 SO 1627/19 an das SG Mainz verwiesen (dortiges Aktenzeichen S 15 SO 92/20).
Mit Beschluss vom 14. April 2022 hat sich das SG Mainz für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Stuttgart verwiesen, nachdem der Kläger im Erörterungstermin am 21. März 2022 ausweislich der Niederschrift angegeben hatte, nach dem Diktat des Richters im Erörterungstermin vom 24. Februar 2017 beim SG Stuttgart sei vollkommen klar gewesen, dass alle Leistungen, die geschuldet seien, ausgezahlt würden, dies wären so zwischen 2.000,00 und 3.000,00 Euro gewesen. Aus der Niederschrift habe sich aber etwas vollkommen Anderes ergeben, als ursprünglich bei dem Diktat gesprochen worden sei. Zur Begründung hat das SG Mainz ausgeführt, aufgrund der in der nichtöffentlichen Sitzung vom 21. März 2022 erfolgten Klageänderung (Erklärung, dass es ausschließlich um die Unwirksamkeit des verfahrensbeendenden Vergleichs gehe), sei das Verfahren S 20 SO 2361/16 beim SG Stuttgart fortzuführen. Beim SG Stuttgart wurden diesbezüglich zwei Verfahren angelegt unter den Aktenzeichen S 20 SO 1451/22 und S 20 SO 2899/22 WA.
Im Verfahren S 20 SO 2899/22 WA hat das SG Stuttgart mit Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2022 entschieden, dass die Klage unter dem Aktenzeichen S 20 SO 2361/16 durch den Vergleich vom 24. Februar 2017 erledigt ist. Eine Fortsetzung des Rechtsstreits komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil der vor dem Sozialgericht Stuttgart am 24. Februar 2017 abgeschlossene Vergleich wirksam sei und das Klageverfahren S 20 SO 2361/16 beendet habe. Der Vergleich sei auch nicht wirksam angefochten worden bzw. nichtig. Schließlich komme auch ein Widerruf der Erklärung nicht in Betracht. Die Voraussetzungen für eine Nichtigkeitsklage nach § 579 Zivilprozessordnung (ZPO) bzw. eine Restitutionsklage nach § 580 ZPO lägen nicht vor.
Die Beklagte hat mitgeteilt (Schreiben vom 15. Mai 2023), die aufgrund des Vergleichs vereinbarten Leistungen im Höhe von 851,96 Euro seien am 21. Dezember 2022 an den Kläger überwiesen worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 8. Dezember 2023 hat das SG Stuttgart die Klage im Verfahren S 20 SO 1451/22 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei inzwischen aufgrund der Sperrwirkung des formell rechtskräftigen Gerichtsbescheids vom 26. Oktober 2022 und dem Abschluss des Verfahrens unter dem Aktenzeichen S 20 SO 2899/22 WA unzulässig, da damit auch die materielle Rechtskraft des Gerichtsbescheides vom 26. Oktober 2022 der vorliegenden Klage gemäß § 105 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 141 SGG entgegenstehe. Denn sowohl die vorliegende Klage als auch das Verfahren S 20 SO 2899/22 WA hätten die Fortführung des Verfahrens S 20 SO 2361/16 zum Gegenstand. Eine nochmalige Entscheidung über denselben Streitgegenstand sei nicht zulässig. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da das Verfahren S 20 SO 2361/16 durch den Vergleich vom 24. Februar 2017 wirksam beendet worden sei.
Gegen den ihm am 20. Dezember 2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18. Januar 2024 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, der im Termin am 24. Februar 2017 diktierte Vergleichstext sei verfälscht wiedergegeben worden, was zur Folge habe, dass ihm lediglich ein geringer Geldbetrag durch die Beklagte nachbezahlt worden sei. In einem ersten Zug sollten alle seine Forderungen ab seinem Eintritt in das Rentenalter im August 2015 bis zu seinem Umzug nach M1 im September 2016 im Gerichtstermin vom 24. Februar 2017 erörtert und dokumentiert werden. In einem zweiten Zuge sollten alle seine Forderungen vor seinem Eintritt in das Rentenalter verhandelt werden. Ein Verhandlungstermin sei insoweit nicht zum Tragen gekommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2023 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Abänderung entgegenstehender Bescheide höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis zum 31. März 2016 zu gewähren und ihm Schadenersatz zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2023 zurückzuweisen.
Die Klage sei zumindest seit Beendigung des Verfahrens S 20 SO 2316/16 durch Vergleich und aufgrund der vorliegenden Sperrwirkung des Verfahrens S 20 SO 2899/22 WA unzulässig. Im Übrigen sei sie auch unbegründet, da das Verfahren unter dem Aktenzeichen S 20 SO 2316/16 durch Vergleich wirksam beendet worden sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben des Klägers vom 31. März 2024, Schreiben der Beklagten vom 11. April 2024).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten des SG Stuttgart (S 20 SO 2899/22 WA, S 20 SO 1451/22, S 20 SO 2361/16), des SG Mainz (S 15 SO 92/20) sowie der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist auch gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.
Dem geltend gemachten Anspruch auf Fortführung des Verfahrens S 20 SO 2361/16 steht die materielle Rechtskraft des in dem Verfahren S 20 SO 2899/22 WA am 26. Oktober 2022 ergangenen Gerichtsbescheids entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2023 – B 12 BA 1/22 R – juris Rdnr. 15). Dieses Verfahren ist zwar unter einem WA-Aktenzeichen (Wiederaufnahme) geführt worden, obwohl gegen Prozessvergleiche eine Wiederaufnahmeklage grundsätzlich nicht zulässig ist (BSG, Urteil vom 28. November 2002 – B 7 AL 26/02 R – juris Rdnr. 21). Das SG Stuttgart hat den Antrag des Klägers auch nicht als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 179 SGG i.V.m. §§ 578 ff. ZPO behandelt, sondern als Antrag auf Fortführung des Verfahrens S 20 SO 2361/16. Dementsprechend hat das SG Stuttgart im Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2022 auch rechtskräftig festgestellt, dass das Verfahren S 20 SO 2361/16 durch den Vergleich vom 24. Februar 2017 beendet worden ist. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens S 20 SO 2361/16 nach § 179 SGG in Verbindung mit §§ 578 ff. ZPO kommt im Übrigen schon deswegen nicht in Betracht, weil angesichts der Beendigung des Verfahrens durch Prozessvergleich ein (rechtskräftiges) Endurteil (vgl. § 578 Abs. 1 ZPO) nicht ergangen ist. Bei Streit über die Erledigung des Verfahrens, insbesondere durch Prozessvergleich, ist das betreffenden Verfahren vielmehr fortzusetzen (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 14. Aufl. 2023, § 179 Rdnr. 3b), was angesichts der rechtskräftigen Feststellung der Erledigung des Verfahrens S 20 SO 2361/16 jedoch ausscheidet.
Abgesehen davon ist kein Grund ersichtlich, weswegen der im Verfahren S 20 SO 2361/16 geschlossene Vergleich vom 24. Februar 2017 unwirksam sein könnte. Die dem Kläger danach für die klagegegenständlichen Zeiträume noch zuerkannten Ansprüche dürften vom Beklagten auch bereits erfüllt worden sein. Nachdem alle wechselseitigen Ansprüche in Bezug auf Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab Oktober 2015 in dem Vergleich für erledigt erklärt worden sind, können diese nicht zum Gegenstand eines weiteren Rechtsstreits gemacht werden. Soweit der Kläger Ansprüche für die Zeit vor Oktober 2015 gegenüber dem Jobcenter S1 geltend macht, sind diese kein zulässiger Klagegegenstand des Verfahrens S 20 SO 1451/22 und auch nicht des Verfahrens S 20 SO 2361/16 gewesen, insbesondere weil das Jobcenter S1 an diesen Verfahren nicht beteiligt war. Dass der Kläger diesbezüglich eine (anfechtbare) Verwaltungsentscheidung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hätte, ist nicht ersichtlich.
Bezüglich vom Kläger geltend gemachter Schadenersatzansprüche mangelt es schon deshalb an einer Erfolgsaussicht, weil der Rechtsweg zu den Sozialgerichten (§ 51 SGG) nicht eröffnet ist. Vielmehr ist eine Amtshaftungsklage, mit der Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden könnten, gemäß § 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit Art. 34 Grundgesetz auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen. Im Übrigen waren diese auch nicht Gegenstand des Verfahrens S 20 SO 2361/16, dessen Fortführung geltend gemacht wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 SO 1451/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 247/24
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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