L 8 U 2697/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 716/24
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2697/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.08.2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für ein Master-Studium sowie von Zertifikaten als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA).

Die 1999 geborene Klägerin erlitt am 28.06.2005 als Kindergartenkind einen bei der Beklagten versicherten Wegeunfall mit Schädelhirnverletzung mit Bruch der Schädelbasis und der Schädelkalotte, Bruch der knöchernen Augenhöhle links, Milchzahnverlust im linken Oberkiefer, Zahnfleischverletzung linker Oberkiefer, Einriss der Nasenschleimhaut links, Teilverlust der linken Ohrmuschel, Quetschung des Brustkorbes, Verlust des rechten Oberschenkel im mittleren Drittel, Bruch des Fersenbeines links mit Hautabscherung an der linken Ferse. Die Beklagte gewährt der Klägerin wegen der Folgen des Versicherungsfalls eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100.

Die Klägerin besuchte nach dem Unfall zunächst die Grundschule in U1 und anschließend die E1schule in K1, das T1Gymnasium in S1 und die S2 Schule (Internat) in N1, welche sie mit der Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife am 10.07.2018 beendete. Die Beklagte übernahm die Kosten für die stationäre schulische Ausbildung der Klägerin an der S2-Schule in N1 als Leistung zur Teilhabe (LTA) mit Bescheid vom 18.01.2016.

Mit Email vom 26.03.2014 übersandte der Sachbearbeiter B1 den Eltern der Klägerin auf deren Bitte anlässlich eines vorangegangenen Beratungsgesprächs vom 10.03.2014 Informationen zur Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes (JAV).

Der Vater der Kläger (nachfolgend Klägerbevollmächtigter) bat mit Email vom 27.03.2014 um Übersendung einer fiktiven Beispiel-Berechnung des JAV und Rentenhöhe „bzgl. Studium/Rechtswissenschaften inkl. Abschluss (erste und zweite juristische Prüfung/Abschlussnote Prädikatsexamen / 9 Punkte = vollbefriedigend)“.

Der Sachbearbeiter B1 teilte mit Email vom 28.03.2014 mit, dass eine fiktive Beispielberechnung der Beklagten bedauerlicherweise und ohne erheblichen Ermittlungsaufwand nicht möglich sei. Zum einen müsse eruiert werden, welcher Weg eingeschlagen werde (mit diesem Abschluss kämen unendliche Möglichkeiten in Betracht: von der angestellten Juristin bei einer Firma über selbständige Rechtsanwältin, Staatsanwältin, Angestellte im Verwaltungsdienst oder Beamtin - um nur einige zu nennen), zum anderen müssten dann entsprechende Tarifverträge angefordert, die in diesem Bereich eher selten und die Ausnahme seien, oder ein ortsüblicher Lohn/Gehalt ermittelt werden. Wie die Rentenleistung anhand des Jahresbruttoverdienstes errechnet werde, habe er in seiner ersten Email ordentlich veranschaulicht. Eindeutig bleibe festzustellen, dass je besser der Abschluss und je höher die Qualifikation, desto höher der JAV und somit auch der monatliche Rentenbetrag sei.

Der Klägerbevollmächtigte teilte daraufhin per Email am 28.03.2014 mit, dass auch diese Antwort nicht weiterhelfe, da die Klägerin nach dem zweiten juristischen Staatsexamen höchstwahrscheinlich eine längere Businesssprachreise (3 bis 4 Jahre Auslandsaufenthalt) antreten werde. Aus diesem Grund werde eine verbindliche Rechtsberatung und -auskunft benötigt. Welchen Anspruch auf Unfall-Rente erwerbe die Klägerin mit einem juristischen Prädikatsexamen/vollbefriedigend? Die Klägerin strebe die Mitarbeit bei den Vereinten Nationen (Hauptorgan/Bereich Menschenrechte) an. Er bitte um eine adäquate Beratung und rechtsverbindliche Auskunft gemäß den §§ 14,15 SGB I.

Mit Email vom 01.04.2014 erklärte der Sachbearbeiter B1, dass es der Beklagten bedauerlicherweise nicht möglich sei, die Anfrage in der vom Klägerbevollmächtigten gewünschten Art und Weise zu beantworten. Auch sei eine derartige fiktive Annahme und Berechnung sicherlich nicht Gegenstand und Zweck der §§ 14 und 15 SGB I. Die Beklagte sei durch die bereits gelieferten Erläuterungen und Beispiele ihrer Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflicht vollumfänglich nachgekommen. Nachdem die Berechnungsgrundlagen aufgrund der vorausgegangenen Erläuterungen hinreichend bekannt sein dürften, stehe es dem Klägerbevollmächtigten selbstverständlich frei bei den Vereinten Nationen das Jahresbruttogehalt einer juristischen Mitarbeiterin im Hauptorgan / Bereich Menschenrechte zu erfragen.

Die Klägerin studierte ab dem Wintersemester 2018/2019 Sonderpädagogik an der Pädagogischen Hochschule H1. Sie wurde dann im Dezember 2018 krankheitsbedingt beurlaubt. Von Oktober 2019 bis Juni 2024 absolvierte sie den Fernstudiengang Soziale Arbeit an der F1 Hochschule, welchen sie mit dem Bachelor of Arts (B.A.) erfolgreich abschloss. Die Beklagte übernahm die Kosten für das Fernstudium im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages mit der Klägerin über die Bereitstellung eines Persönlichen Budgets nach §§ 39 SGB VII i.V.m. §§ 53 bis 61 SGB X und § 29 SGB IX vom 26.08.2019 zunächst ab dem 01.12.2019 und in der Folge bis zum Ende des Fernstudiums im Juni 2024.

Am 05.10.2023 wandte sich die Klägerin per E-Mail an die Beklagte. Sie stehe nun kurz vor dem Abschluss ihres Bachelorstudiengangs der Sozialen Arbeit an der F1 Hochschule. Ihr nächstes Ziel sei die Bewerbung für den Masterstudiengang Gesundheits- und Sozialrecht an der anerkannten S3 Hochschule H1. Sie stelle einen Antrag auf die Fortführung der Erstausbildungskosten für die Ermöglichung der Vervollständigung ihrer wissenschaftlichen Hochschulausbildung an der S3 Hochschule H1 und damit der Gewährleistung der Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt. Bezüglich § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB Vll übernehme der Unfallversicherungsträger die Kosten für die Erstausbildung. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sei der Versicherungsträger dazu verpflichtet, die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 49 bis 55 Neuntes Sozialgesetzbuch (SGB IX) zu erbringen. Mit Bezug auf § 49 Abs. 1 SGB IX fielen die Leistungen darunter, die die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit herstellten, erhielten und verbesserten. Der Abschluss im Studiengang der Sozialen Arbeit B.A. qualifiziere sie für eine Aufnahme in ihren Wunschmasterstudiengang. Der Master im Gesundheits- und Sozialrecht setze das Vorhandensein von mind. 30 CP (Credit Points) im Rechtsgebiet voraus. Deshalb beantrage sie zusätzlich die Kostenübernahme von drei Zertifikaten, wodurch sie das geforderte Rechtswissen vervollständigen könne. Der Studiengang der Sozialen Arbeit werde mit 15 CP im Rechtsgebiet abgeschlossen, weshalb sie diese durch weitere 15 CP vervollständigen müsse. An der F1 Hochschule habe sie die Möglichkeit, zwei entsprechende Zertifikate zu belegen: Bürgerliches Recht (5 CP) sowie Gesundheitspolitik und Sozialrecht (5 CP). Die restlichen 5 CP könne sie auf die Empfehlung von G1 bei N2 erlangen. N2 biete an der S3 Hochschule H1 das Zertifikat Reha- und Teilhabemanagement an. Dabei könne sie ein Einzelmodul Zivilrechtliche Bezüge belegen. Tabellarisch seien die Kosten wie folgt zu beziffern:
Zertifikat Bürgerliches Recht:                                               637 Euro
Zertifikat Gesundheitspolitik Sozialrecht:                              637 Euro
Zertifikat Reha- und Teilhabemanagement:                         150 Euro
Masterstudiengang Gesundheits- und Sozialrecht/
Dauer 24 Monate:                                                                 690 Euro/Monat
Einmalige Immatrikulationsgebühr:                                       750 Euro

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 05.12.2023 ab. Die Bewilligung von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben werde abgelehnt. Leistungen für den Masterstudiengang als auch die dafür benötigten Zertifikate könnten nicht erbracht werden.
Ein Anspruch auf LTA bestehe grundsätzlich dann, wenn eine versicherte Person wegen Art und Schwere der Folgen des Versicherungsfalles ihren bisherigen Beruf/ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr auf Dauer ausüben könne und einer beruflichen Rehabilitation zustimme. LTA seien dabei nach §§ 49 bis 55 SGB IX hinsichtlich Art, Umfang und Durchführung nach pflichtgemäßen Ermessen zu erbringen. Im Hinblick auf die im Einzelfall auszuführenden Maßnahmen stehe dem Unfallversicherungsträger ein Auswahlermessen zu. Bei der Ermessensentscheidung über die einzelnen Maßnahmen seien die persönlichen Verhältnisse des Versicherten, die örtlichen Gegebenheiten und die allgemeinen Grundsätze der wirksamen Leistungserbringung und der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu berücksichtigen. In Ausübung des Ermessens sei festgestellt worden, dass bereits der Bachelor von der Beklagten gefördert worden sei. Diese Maßnahme entspreche der Förderung der Erstausbildung. Die Notwendigkeit der beantragten Maßnahmen (Übernahme der Kosten für den Masterabschluss sowie der Zertifikate) zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung sei daher nicht zu begründen.

Hiergegen erhob der Klägerbevollmächtigte am 08.12.2023 Widerspruch. Der Bachelorabschluss entspreche nicht der Erstausbildung. Für das Ermessen sei § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) relevant, da hierin die Definition von Erstausbildung enthalten sei. Ein Masterstudium gelte somit als Erststudium, wenn es Teil einer einheitlichen Erstausbildung sei, die auf den vorhergehenden Bachelorstudiengang abgestimmt sei und das Berufsziel erst über den Masterabschluss erreicht werden könne. Es sei unstreitig, dass die Schwere der unfallbedingten Behinderung das angestrebte Teilhabeziel mehr als rechtfertige. Die Klägerin habe bereits in einer E-Mail vom 15.11.2017 an die Beklagte erklärt, Rechtswissenschaften studieren zu wollen. Nach dem Masterstudium wolle sie in H1 Jura studieren, um später im Bereich Gesundheits- und Sozialrecht als Rechtsanwältin arbeiten zu können. Der Bescheid verstoße gegen materielles Recht, sei nichtig und stehe einer Rechtsbeugung gleich. Ergänzend verwies der Bevollmächtigte der Klägerin auf mehrere finanzgerichtliche Entscheidungen. Mit Schreiben vom 27.01.2024 rügte der Bevollmächtigte der Klägerin zudem eine Verletzung des Grundrechts auf freie Berufswahl (Art. 12 Grundgesetz [GG]).

Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 18.01.2024 mit, dass nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB VII in Verbindung mit § 49 Abs. 1 SGB IX zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht würden, um die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.
Nach der Kausalitätslehre der rechtlich wesentlichen Bedingung sei wertend zu entscheiden, ob die Notwendigkeit einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben rechtlich auf den Versicherungsfall zurückzuführen sei. Erforderlich seien die Leistungen dann, wenn die Erwerbsfähigkeit oder die Wettbewerbschancen auf dem Arbeitsmarkt behinderungsbedingt nicht unerheblich beeinträchtigt sind. Der Bachelor gelte als erster berufsqualifizierender Hochschulabschluss und sei durch die Beklagte vollumfänglich gefördert worden. Aufgrund des Bachelorabschlusses stehe der Klägerin ein vielfältiges Einsatzgebiet mit vielseitigen Erwerbsmöglichkeiten im Bereich der Sozialen Arbeit offen, welche eine leidensgerechte Tätigkeit aufgrund der unfallbedingten Einschränkungen ermögliche. Es sei nicht ersichtlich, dass aufgrund der unfallbedingten Einschränkungen keine Tätigkeit im Fachbereich des Bachelorstudiums aufgenommen werden könne. Ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen den Unfallfolgen und der Notwendigkeit von LTA im Sinne der Förderung eines Masterstudiengangs und der hierzu noch benötigten Zertifikate sei daher nicht ersichtlich, und entsprechende Leistungen seien demzufolge nicht zu Lasten der Beklagten zu erbringen. Auf der Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle könne die Beklagte die Klägerin aber beispielsweise mithilfe des Vermittlungsportals DGUV Job unterstützen.

Der Klägerbevollmächtigte teilte mit Schreiben vom 27.01.2024 mit, dass es sich um einen gestuften Studiengang handele und die Erstausbildung der Klägerin nicht mit dem Bachelor (undergraduate), sondern nur mit dem Master (graduate) ende (vgl. Bl. 8946 eVA). Die Klägerin strebe die Befähigung zum Richteramt an und sei daher an die Ausbildungsvoraussetzungen der Bundesverwaltung gebunden. Ein Bachelorabschluss entspreche keiner abgeschlossenen Hochschulausbildung wie dem Master of Law (graduate). Für das Ermessen und die Bewertung sei § 2 Abs. 1 Nr. 6 BAföG relevant, welcher den Begriff der Erstausbildung definiere. Ein Masterstudium gelte als Erststudium, wenn es Teil einer einheitlichen Erstausbildung sei, die auf den vorhergehenden Bachelorstudiengang abgestimmt sei und das von Eltern und Kind bestimmte Berufsziel erst über den weiterführenden Masterabschluss erreicht werden könne.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2024 zurück. Mit der Vollfinanzierung des Bachelorabschlusses seien zuvor vollumfänglich LTA erbracht und hierdurch die Wettbewerbschancen zum Ausgleich der unfallbedingten Beeinträchtigungen verbessert worden. Nach dem Bachelorabschluss stünden der Klägerin auf einem vielfältigen Einsatzgebiete vielseitige Erwerbsmöglichkeiten im Bereich der Sozialen Arbeit offen. Es sei nicht ersichtlich, dass aufgrund der unfallbedingten Einschränkungen keine Tätigkeit im Fachbereich des Bachelorstudiums vollumfänglich und wettbewerbsfähig aufgenommen werden könne. Die Erbringung von LTA über den Bachelorstudiengang hinaus lasse sich nicht begründen, und ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen den Unfallfolgen und der Notwendigkeit von LTA im Sinne der Förderung eines Masterstudiengangs und der hierzu noch benötigten Zertifikate sei nicht ersichtlich. Die Unfallversicherungsträger seien frei in der Ausgestaltung der Leistung, und § 2 Abs. 1 Nr. 6 BAföG sei bezüglich dieser Leistungen unerheblich. Entgegen der Annahme des Klägerbevollmächtigten sei der Berufswunsch zwar ein Anhaltspunkt, welcher bei LTAs berücksichtigt werden müsse, allerdings sei für die Ausgestaltung der Leistung der objektive Rehabilitationsbedarf maßgeblich (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25.03.2009 - L 3 U 239/07) und dieser sei durch die Förderung der Beklagten bereits befriedigt worden.

Der Klägerbevollmächtigte hat am 15.03.2024 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Ergänzend zu seinem Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren hat er erklärt, die Beklagte sei bereits in einer E-Mail vom 15.11.2017, 09:44 Uhr darüber unterrichtet worden, dass die Klägerin Juristin/Rechtsanwältin oder Richterin werden wolle. Der Beklagten seien nicht nur die unfallbedingten Reha-Ausbildungsverzögerungszeiten der Klägerin lückenlos, mit insgesamt 2,5 Jahren, aus der UKBW-Unfallakte bekannt gewesen, sondern auch die von der Klägerin angestrebten konsekutiven Studiengänge (Bachelor mit Master LL.M). Ebenso bekannt sei der Beklagten auch der einstufige lange Studiengang mit Abschluss des ersten und zweiten Staatsexamens gewesen (Abschlussprüfung für den Eintritt in einen staatlichen oder staatlich überwachten Beruf/hier mit Befähigung zum Richteramt). Dem Widerspruchsbescheid vom 14.02.2024 stehe eine fehlerhafte Hochschulabschlusseinstufung und Annahme sowie auch das BFH-Urteil vom 03.09.2015, VI R 9/15 entgegen. Es sei im Rahmen des Bologna-Prozesses überprüf- und feststellbar, dass die Klägerin die für das angestrebte juristische Erstausbildungsziel im Bereich „Soziale Arbeit mit Gesundheits- und Sozialrecht" erforderliche Qualifikation (hier: Master of Law/graduate), mit dem ersten zu erlangenden Hochschulabschluss im Frühjahr 2024 (hier: Bachelor/undergarduate), noch nicht beendet habe. Aufgrund der vorliegenden Widerspruchsbescheide vom 14.02.2024 und den damit verbundenen Rechtsverletzungen durch die Beklagte werde die Klägerin wiederholt und erneut gezwungen, ihr angestrebtes Erstausbildungs- und Berufsziel (hier Master of Law und anschließendes Jura-Studium) abzubrechen. Die durch die Beklagte amtlich erzwungene Zukunftsentscheidung zu Lasten der Klägerin stelle nicht nur im Sinne des Strafrechts eine Rechtsbeugung, sondern gleichzeitig auch eine Nötigung dar. Hinzu komme eine vorsätzliche Missachtung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), zumal alle Deutschen das Recht hätten, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die „Erst-/Hochschulausbildung" der Klägerin ende nachweislich nicht mit dem Bachelor (undergraduate), sondern nur mit dem Master of Law (graduate). Erforderlich sei ein langer einstufiger/konsekutiver Studiengang schon deshalb, weil es auch das Bundesverwaltungsamt im Rahmen der Bildungsabschlüsse im TVöD Bund rechtsverbindlich vorgebe. Die Klägerin strebe nachweislich die Befähigung zum Richteramt an und sei somit an die Ausbildungsvoraussetzungen der Bundesverwaltung gebunden. Ein Bachelorabschluss (undergraduate) entspreche keiner abgeschlossenen Hochschulausbildung wie dem Master of Law (graduate). Ein durch die Beklagte rechtswidrig erzwungener Abbruch eines konsekutiven Hochschulabschlusses (graduate), stelle eine verfassungswidrige Rechtsverletzung und Erheblichkeit im Sinne des Art. 1 und 12 GG dar. Eine rechtswidrig geforderte leidensgerechte Zwangsarbeit begründe den Anspruch auf Schadensersatz, denn die Klägerin sei weder Wehr- noch Sozialdienstleistende und auch nicht Täterin, die von einem Gericht verurteilt worden sei. Das Gesetz definiere vier Formen der Leistungen zur Teilhabe an Bildung, § 75 SGB IX. Auch nach der klassischen ersten Bildungsphase (Bachelor B.A.) stünden der Klägerin gemäß dem Gesetz Leistungen zur Teilhabe an Bildung (Masterstudiengang) zu, da sie das 35. Lebensjahr noch nicht erreicht habe. Dabei spiele es keine zwingende Rolle, ob der Masterstudiengang grundsätzlich konsekutiv auf dem Bachelorstudiengang aufbaue oder diesen interdisziplinär ergänze. Der zeitliche Zusammenhang zwischen Bachelor- und Masterausbildung werde in der Gesetzesbegründung mit Blick auf das Bundesausbildungsförderungsgesetz (bspw. § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG) näher erläutert. Danach komme die Förderung eines Masterstudiums grundsätzlich in Betracht, wenn die Leistungsberechtigte zu Beginn des Studiums noch keine 30 Jahre alt sei. Dies treffe auf die Klägerin unstreitig zu. Die Beklagte habe sich wegen mehrfacher Falschberatung und Rechtsbeugung gegenüber der schwerstbehinderten Klägerin strafbar gemacht. Sie schädige nicht nur mit Vorsatz die Klägerin, sondern auch die Zukunft der Klägerin und ihrer Familie.

Die Beklagte hat zur Klageerwiderung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.

Das SG hat mit Beschluss vom 17.04.2024 die Agentur für Arbeit K1-R1 zum Verfahren beigeladen.

Die Agentur für Arbeit teilte mit Schreiben vom 17.05.2024 mit, dass sie die Entlassung aus der Beiladung beantrage. Bei einem Masterstudium mit Schwerpunkt Gesundheits- und Sozialrecht einschließlich der benötigten Zertifikate handele es sich nicht um LTA, sondern um Leistungen zur Teilhabe an Bildung nach § 112 SGB IX. Die Beigeladene sei kein zuständiger Leistungsträger für Leistungen zur Teilhabe an Bildung. Zuständiger Leistungsträger könne im vorliegenden Fall der Träger der Eingliederungshilfe nach § 6 Abs.1 Nr. 7 SGB IX sein.

Mit Beschluss vom 29.05.2024 hat das SG die Beiladung der Agentur für Arbeit aufgehoben und mit weiterem Beschluss vom 29.05.2024 den Landkreis K1, Landratsamt, Amt für Versorgung und Rehabilitation - Eingliederungshilfe (nachfolgend Beigeladene) beigeladen.

Einen von dem Klägerbevollmächtigten am 28.05.2024 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 11 U 1359/24 ER) hat das SG mit Beschluss vom 12.6.2024 abgelehnt. Die hiergegen von dem Klägerbevollmächtigten erhobene Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat das LSG mit Beschluss vom 22.07.2024 zurückgewiesen.

Der Klägerbevollmächtigte hat zur Beiladung mit Schreiben vom 05.06.2024 ausgeführt, es gebe keinen ersichtlichen Grund, den Landkreis K1, hier das Amt für Versorgung und Rehabilitation - Eingliederungshilfe, in den laufenden Prozess mit einzubeziehen, zumal Recht aus Tatsachen hervorgehe und genau aus diesem Grund die Teilhabe im Sinne des SGB IX durch den Bereich Bildung erweitert und ergänzt worden sei. Die Beklagte habe außerdem die Zuständigkeitsprüfung und Widerspruchsfrist nachweislich verletzt. Die Voraussetzungen des Eintritts einer Genehmigungsfiktion seien somit erfüllt. Das Ausbleiben einer Entscheidung durch die Beklagte innerhalb der festgelegten Frist führe nachweislich zu einem positiven Bescheid auf den von der Klägerin eingereichten Antrag (hypothetische Annahme durch die Beklagte). Der Umgang mit der Klägerin sei menschenverachtend und erneut traumatisierend. Das SG habe das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und das Vertrauen der Klägerin in den Rechtstaat und Datenschutz massiv erschüttert. Hier könne der Eindruck entstehen, dass das SG seine Autorität gegenüber einer schwerstbehinderten jungen Frau, bspw. gemäß § 75 Abs. 3 Satz 3 SGG, unter Beweis stellen wolle, um somit zu verdeutlichen, dass das Prinzip der Rechtssicherheit, des Bestands-, Vertrauens- und Datenschutzes in Deutschland für Verunfallte und Schwerstbehinderte nicht gelte.

Die Beigeladene hat mit Schreiben vom 24.06.2024 Stellung genommen. Nach den § 75 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX in Verbindung mit § 112 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SGB IX umfassten Leistungen zur Teilhabe an Bildung die Hilfen zur schulischen oder hochschulischen Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf. Hilfen für ein Masterstudium würden abweichend des § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB IX auch erbracht, wenn das Masterstudium auf ein zuvor abgeschlossenes Bachelorstudium aufbaue und dieses interdisziplinär ergänze, ohne in dieselbe Fachrichtung weiterzuführen. Im vorliegenden Fall wolle die Klägerin den Masterstudiengang Gesundheits- und Sozialhilferecht an der S3 Hochschule H1 belegen, welcher zeitlich an ihr Bachelorstudium Soziale Arbeit anschließen solle. Da ein Masterstudium laut der Empfehlungen der BAGüS zur Hochschulhilfe (Stand 22.09.2020) als Weiterbildung gelte, könne eine Hochschulhilfe gemäß § 112 Abs. 2 SGB IX im Rahmen der Teilhabe an Bildung während des Masterstudiums geleistet werden. Diese umfasse jedoch lediglich die behinderungsbedingten Mehrbedarfe. Sofern notwendig, könnten beispielsweise Hilfsmittel, Kosten für Studienhelfer, Fahrtkosten und/oder Kraftfahrzeughilfen geleistet werden. Allerdings seien laut der Empfehlungen der BAGüS zur Hochschulhilfe (Stand 22.09.2020) studienbedingte Regelaufwendungen wie z.B. Studien- sowie Immatrikulationsgebühren nicht als behinderungsbedingter Mehrbedarf anzusehen. Daher könnten die Gebühren i.H.v. 690 €/monatlich sowie die einmalige Immatrikulationsgebühr i.H.v. 750 € nicht im Rahmen der Teilhabe an Bildung nach dem SGB IX übernommen werden.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.08.2024 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für ein Masterstudium mit dem Schwerpunkt Gesundheits- und Sozialrecht einschließlich der benötigten Zertifikate abgelehnt. Ein Anspruch ergebe sich nicht aus § 18 Abs. 3, Abs. 4 SGB IX.
Zwar habe die Beklagte vorliegend nicht innerhalb von zwei Monaten über den Antrag der Klägerin entschieden; denn abzustellen sei hinsichtlich der Fristwahrung auf das Datum der Bekanntgabe. Jedoch ergebe sich aus § 18 Abs. 4 SGB IX bereits nach dem Wortlaut lediglich ein Anspruch auf Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen; es gehe vorliegend aber nicht um einen Kostenerstattungs-, sondern um einen Kostenübernahmeanspruch, weil die geltend gemachten Kosten bisher nicht selbst beschafft worden seien. Darüber hinaus scheide bei von vornherein auf Geldleistungen gerichteten Ansprüchen ein Erstattungsanspruch gem. § 18 Abs. 3, Abs. 4 SGB IX aus.

Soweit die Beklagte den Anspruch als LTA gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB VII in Verbindung mit § 49 Abs. 1 SGB IX abgelehnt habe, sei dem im Ergebnis zuzustimmen.
Grundvoraussetzung sei dementsprechend, dass eine Teilhabe am Arbeitsleben bisher nicht auf Dauer gesichert worden sei. Ein behinderter Mensch könne die berufliche Förderung nicht allein deshalb beanspruchen, weil er den Status eines behinderten Menschen habe, sondern nur so lange, wie ein Rehabilitationsbedarf bestehe. Deshalb richte sich die Rehabilitation grundsätzlich auf die erstmalige Eingliederung. Wenn diese gelinge und erhalten bleibe, seien weitere Maßnahmen nicht erforderlich. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass ein weiterer Rehabilitationsbedarf in Gestalt einer Kostenübernahme für das begehrte Masterstudium bestehe. Dass der Klägerin mit ihrem bereits erlangten Bachelorabschluss eine berufliche Eingliederung nicht möglich sein sollte, sei nicht ersichtlich. Für Bachelorabsolventen im Bereich Soziale Arbeit böten sich unterschiedliche Tätigkeitsfelder im öffentlichen Dienst und in der freien Wirtschaft an z.B. Sozialberatung, -arbeit oder Sozial-, Gesundheitsmanagement. Dass eine Teilhabe am Arbeitsleben dauerhaft nur mit dem Abschluss des begehrten Masterstudiums zu erreichen und die Beklagte dahingehend in der Ausübung ihres Ermessens auf Null reduziert wäre, sei damit gerade nicht nachgewiesen und finde zudem auch in dem eigenen Vortrag der Klägerin keine Stütze. Denn diese strebe selbst eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben mit dem Abschluss des Masterstudiums nicht an. Nach ihrem ausdrücklichen Vortrag beabsichtige sie vielmehr, im Anschluss an den Masterabschluss noch ein Jura-Studium an- und abzuschließen. Der in dem Masterstudiengang vermittelte Lerninhalt ersetze ersichtlich kein rechtswissenschaftliches Studium. Für den von der Klägerin geäußerten Berufswunsch Richterin sei aber ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und ein anschließender Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abzuschließen. Für den von der Klägerin geäußerten Berufswunsch Rechtsanwältin gelte nichts Anderes.

Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus §§ 75, 112 SGB IX.
Unterstützende Leistungen seien, wie bereits aus der Überschrift der Leistungsgruppe deutlich werde, Leistungen zur Teilhabe an Bildung und damit jedenfalls nicht Leistungen, die die unmittelbare Durchführung, Finanzierung bzw. Organisation des Bildungsangebotes als solches zum Inhalt hätten. In § 6 Abs. 1 SGB IX werde als leistungsverpflichteter Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe an Bildung (§ 5 Nr. 4) neben den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung auch die Eingliederungshilfe genannt (Nr. 7). Die in § 6 Abs. 1 SGB IX ebenfalls aufgeführte Zuständigkeit der Träger des Sozialen Entschädigungsrechts setze einen entsprechenden Leistungsfall voraus, der hier nicht ersichtlich sei. Die Träger der Kinder- und Jugendhilfe seien nach § 10 SGB VIII nur für junge Menschen (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII i.V.m. §§ 35a, 41 SGB VIII) und nur dann zuständig, wenn eine seelische Behinderung vorliege und die Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleiste. Auch hierfür sei nichts ersichtlich.

Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 112 SGB IX.
Hilfen für ein Masterstudium würden abweichend von Satz 1 Nummer 2 auch erbracht, wenn das Masterstudium auf ein zuvor abgeschlossenes Bachelorstudium aufbaue und dieses interdisziplinär ergänze, ohne in dieselbe Fachrichtung weiterzuführen. Ein Anspruch aus § 112 SGB IX ergebe sich für die Kostenübernahme des begehrten Masterstudienganges bereits deshalb nicht, weil die Voraussetzungen von § 112 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX nicht vorlägen. Dieses ermögliche es der Klägerin nicht, das von ihr angestrebte Berufsziel Rechtsanwältin/Richterin zu erreichen. Mit dem Masterstudium Gesundheits- und Sozialrecht LL.M könne die Klägerin noch nicht einmal zur ersten juristischen Staatsprüfung zugelassen werden, weil sie damit weder die nach § 5a Absatz 1 DRiG erforderliche Studienzeit von viereinhalb Jahren durchlaufen, noch in den zwei der Prüfung unmittelbar vorausgegangenen Semestern an der Universität am Prüfungsort im Fach Rechtswissenschaft eingeschrieben gewesen sei. Ein Anspruch auf Übernahme der beantragten Studienkosten ergebe sich auch deshalb nicht aus § 112 Abs. 2 SGB IX, weil es sich hierbei nicht um Kosten handele, die behinderungsbedingt entstünden. Über § 112 SGB IX werde nur der sogenannte behinderungsbedingte Bedarf gewährt; Kosten, die auch ein nicht behinderter Mensch zu tragen hätte (etwa wie hier allgemeine Ausbildungskosten), könnten nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe übernommen werden.

Der Klägerbevollmächtigte hat gegen den ihm am 09.08.2024 zugestellten Gerichtsbescheid am 08.09.2024 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er hat zur Berufungsbegründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die Beklagte sei nach § 6 SGB IX eindeutig zuständiger Leistungsträger.
Die Beklagte habe seit dem Unfallereignis am 28.06.2005 die Klägerin falsch beraten und mit Vorsatz eine rechtswidrige und vermögensschädigende Einstufung, bezüglich der Verletztenrentenbescheide einschließlich der laufenden Neuberechnungen der Verletztenrente, gemäß der §§ 90, 91 SGB XII a.F. ab 28.06.2005 vorgenommen, § 40 Abs. 1 SGB X. Die Klage sei ausreichend durch die Klägerin begründet worden und damit seien adäquate Ermittlungen von Amts wegen zwingend erforderlich und angezeigt gewesen. Die Vorsitzende der 11. Kammer des SG habe weder das Vorbringen der schwerstbehinderten Klägerin prüfen noch klären wollen und habe alle gestellten Beweisanträge, auch den beantragten Sachverständigenbeweis abgelehnt. Die Vorsitzende sei auch nicht gewillt gewesen, im Sinne des § 106 SGG tätig zu werden, wonach Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden könnten. Die Vorsitzende der 11. Kammer sei auch nicht gewillt gewesen, eine Protokollführung durch eine Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zuzulassen, weil sie an einer granularen Aufklärung, einer jahrzehntelangen falschen Rechtsanwendung ohne ausreichende Begründung durch die Beklagte, nicht interessiert gewesen sei. Die Vorsitzende der 11. Kammer habe auch kein Interesse daran gehabt, eine jahrzehntelange Rechtsbeugung zu Lasten der Klägerin durch die Beklagte aufklären zu wollen, weshalb sie auch das persönliche Erscheinen der Rehabilitationsberater, die in den Jahren ab 2015 bis 2024 für die Klägerin zuständig gewesen seien, gemäß § 111 Abs. 1 SGG nicht angeordnet habe. Die Anfechtungs- und Leistungsklage der Klägerin, besonders in Verbindung mit dem Eintritt einer Genehmigungsfunktion, sei unstreitig statthaft, § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I. Die umfangreichen Ausführungen der Vorsitzenden der 11. Kammer des SG stünden im Widerspruch zum Urteil des SG im Parallelverfahren S 11 U 653/24. Denn in dem Urteil im Verfahren S 11 U 653/24 vom 05.08.2024 führe die Vorsitzende der 11. Kammer aus, dass die Ausbildung der Klägerin mit der zweiten juristischen Staatsprüfung ende und nicht bereits mit dem Abschluss des Bachelorstudiums. Damit stelle die Vorsitzende der 11. Kammer des SG Karlsruhe fest, dass der Bachelor-Abschluss (Soziale Arbeit B.A.) der Klägerin nicht als Erstabschluss/-ausbildung einzustufen und somit eine Teilhabe am Arbeitsleben auf Dauer noch nicht gesichert worden sei. Die abwertenden Ausführungen der Vorsitzenden der 11. Kammer am SG Karlsruhe hinsichtlich der Zulassungsbestimmungen für den Masterstudiengang LL.M. Gesundheits- und Sozialrecht oder Sozialrecht und Sozialwirtschaft seien nicht zielführend und korrekt.

Die Klage sei daher nicht unbegründet, weshalb Ermittlungen von Amts wegen erforderlich seien und somit eine mündliche Verhandlung mit Zeugen- und Sachverständigenbeweis sinnvoll und sachdienlich sei, da die Sache besondere Schwierigkeiten, tatsächlicher oder rechtlicher Art, aufweise und der streitige Sachverhalt und die Zukunft der Klägerin nicht durch Gerichtsbescheid geklärt sei. Aufgrund der rechtsverbindlichen Beratung und Auskunft durch die Beklagte gemäß den §§ 13, 14, 15 ff. SGB I durch die E-Mail des B1 vom 28.03.2014 habe die Klägerin darauf vertrauen dürfen, dass sie nicht mit Erreichen des Bachelor-Abschlusses (undergraduate) ihre angestrebte endgültige Hochschulausbildung LL.M. (graduate) zwangsweise, wegen fehlender aktiver Unterstützung durch die Beklagte in den Bereichen Teilhabe am Arbeitsleben, Soziale Teilhabe und Teilhabe an Bildung abbrechen müsse. Es spiele auch im Fall der Klägerin keine Rolle, dass sich zahlreiche Stellenausschreibungen für das Berufsfeld Soziale Arbeit mit einem Bacheloranschluss in den Stellenportalen finden ließen, zumal man von einem Jurastudenten an einer Universität, z.B. in H1, F2 oder G2 etc. auch nicht verlangen werde, dass er nach der ersten Staatsprüfung abbrechen müsse. Eine solche existenzeingreifende Forderung widerspreche eindeutig dem materiellen Recht, Art. 3 und Art. 12 GG und ganz besonders der BTHG-Umsetzung/Eingliederungshilfe gemäß SGB IX. Denn niemand dürfe wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Das SG sei durch die Klägerin angerufen worden, damit es zwischen den streitigen Parteien für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sorge. Dabei nehme der Vertrauensgrundsatz bzw. das Vertrauensprinzip eine wesentliche Rolle ein, denn die Rechtsprechung sei an Gesetz und Recht gebunden. Die beiden oben genannten Urteile des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.08.2024 und 05.08.2024 hätten das Vertrauen der Klägerin in die sozialrechtlich verbindliche Auskunft und Beratung sowie in die Rechtssicherheit und das Vertrauensprinzip massiv erschüttert und ihre komplette Zukunft schwerwiegend und nachhaltig boykottiert.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung ausgeführt, dass der angefochtene Gerichtsbescheid nicht zu beanstanden sei. Nach der Kausalitätslehre der rechtlich wesentlichen Bedingung sei wertend zu entscheiden, ob die Notwendigkeit einer LTA rechtlich auf den Versicherungsfall zurückzuführen sei. Voraussetzung sei, dass aufgrund der Art oder Schwere der Verletzung der Versicherte seinen bisherigen Beruf nicht mehr wettbewerbsfähig ausüben könne. Mit der Vollfinanzierung des Bachelorabschlusses seien zuvor vollumfänglich LTA erbracht und hierdurch die Wettbewerbschancen zum Ausgleich der unfallbedingten Beeinträchtigungen verbessert worden. Nach dem Bachelorabschluss stünden der Klägerin auf einem vielfältigen Einsatzgebiete vielseitige Erwerbsmöglichkeiten im Bereich der Sozialen Arbeit offen. Es sei nicht ersichtlich, dass aufgrund der unfallbedingten Einschränkungen keine Tätigkeit im Fachbereich des Bachelorstudiums vollumfänglich und wettbewerbsfähig aufgenommen werden könne.
Ein weiterer Rehabilitationsbedarf in Gestalt einer Kostenübernahme für das begehrte Masterstudium bestehe nicht.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2025 mitgeteilt, dass sie seit dem Wintersemester 2024/2025 in K2 den Masterstudiengang Sozialrecht und Sozialwirtschaft studiert.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.08.2024 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.12.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2024 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für den Masterstudiengang „Sozialrecht und Sozialwirtschaft“ in K2 sowie die hierfür benötigten Zertifikate zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 05.12.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2024 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 und § 56 SGG) statthaft, da die Klägerin die Übernahme der Kosten für das Master-Studium sowie der hierfür benötigten Zertifikate als konkrete LTA begehrt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29.11.2011 – B 2 U 21/10 R –, juris Rn. 16).

Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für das Masterstudium sowie der hierfür benötigten Zertifikate gegen die Beklagte noch gegen die Beigeladene.

Eine Genehmigungsfiktion ist, wie das SG zutreffend ausführt, im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 18 Abs. 3 SGB IX setzt die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruches für eine selbstbeschaffte Leistung voraus (vgl. BSG, Urteile vom 10.08.2021 – B 2 U 2/20 R – sowie vom 20.03.2007 – B 2 U 38/05 R –, juris). Vorliegend macht die Klägerin ein Sachleistungsbegehren und keine Kostenerstattung geltend, so dass bereits aus diesem Grund eine Genehmigungsfiktion nach § 18 Abs. 3 SGB IX nicht zur Anwendung gelangt.

Nach § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des SGB IX Anspruch auf unter anderem Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der Unfallversorgungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den Versicherten einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern (§ 26 Abs. 2 Nummer 2 SGB VII). Diese Regelungen geben einen Anspruch dem Grunde nach; die Anspruchsgrundlagen für die einzelnen Leistungen sind in § 35 SGB VII in Verbindung mit den Vorschriften des SGB IX festgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2007 – B 2 U 18/05 R –, juris Rn. 15; LSG Saarland, Urteil vom 21.10.2020 – L 7 U 18/19 –, juris).

Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB VII in Verbindung mit § 49 Abs. 1 SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die LTA umfassen gemäß § 49 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX insbesondere die berufliche Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss einschließen sowie gemäß § 49 Abs. 3 Nr. 5 SGB IX die berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden.
Ist für die vollständige und dauerhafte Eingliederung eines behinderten Menschen ins Arbeitsleben ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium erforderlich, kann dies unter Umständen eine berufliche Weiterbildung sein. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles (vgl. Bernd Götze in: Hauck/Noftz, SGB IX, 1. Ergänzungslieferung 2025, § 49 SGB IX, Rn. 31). Bei der Auswahl der Leistungen sind Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen zu berücksichtigen (§ 49 Abs. 4 Satz 1 SGB IX). Nur dann, wenn der Ermessensspielraum der Beklagten auf Grund der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls derart eingeschränkt ist, dass diese rechtmäßig nur eine einzige Entscheidung, nämlich die Gewährung der konkret verordneten und verlangten Behandlung, treffen dürfte, läge eine Ermessensreduktion auf Null vor (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.09.2023 – L 10 U 2077/20 –, juris Rn. 31).

Die Gewährung einer Berufsausbildung als Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben kann nach § 49 Abs. 1 SGB IX aber nur beansprucht werden, wenn dies erforderlich ist, um die Erwerbsfähigkeit des behinderten Menschen entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und seine Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Erforderlich sind die Leistungen dann, wenn die Erwerbsfähigkeit oder die Wettbewerbschancen auf dem Arbeitsmarkt behinderungsbedingt nicht unerheblich beeinträchtigt sind bzw. dann, wenn die Gefahr besteht, dass eine nicht unerhebliche behinderungsbedingte Erwerbsminderung oder nicht unerhebliche behinderungsbedingte Beeinträchtigung der Wettbewerbschancen einzutreten drohen unter der weiteren Voraussetzung, dass das Rehabilitationsziel mittels der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erreichbar erscheint. Anders als etwa im Recht der Krankenversicherung und der Rentenversicherung (hier Geltung des Finalprinzips) gilt für die Leistungserbringung durch die Unfallversicherung im Wesentlichen das Kausalprinzip, d.h., diese ist abhängig vom Vorliegen der Ursache Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, sofern es um Ausmaß und Höhe einer zu erbringenden Sachleistung im Rahmen der Heilbehandlung/Rehabilitation geht. Generell gilt, dass das Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten (§ 8 Abs. 1 SGB IX i.V.m. § 33 SGB I) sowohl bei der vom Leistungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung über die Leistungen zur Teilhabe als auch bei der Leistungsausführung zu beachten ist. Vom Leistungsberechtigten geäußerte oder anderweitig mitgeteilte Wünsche können sich grundsätzlich auf alle Fragen beziehen, die für die Konkretisierung der Leistung von Bedeutung sind, wie z.B. Ziel und Ausrichtung der Leistung, therapeutisches Konzept, Person, Ort, Qualifikation oder Geschlecht des Leistungserbringers, Gestaltung eines Hilfsmittels. Berechtigt können allerdings nur solche Wünsche sein, die sich innerhalb des durch das Leistungsrecht und andere geltende Rechtsvorschriften gesetzten Leistungsrahmens bewegen. Ein berechtigter Wunsch wird regelmäßig dann zu bejahen sein, wenn das Teilhabeziel durch die gewünschte Leistung qualitativ besser erreicht wird (vgl. Stähler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 26 SGB VII (Stand: 15.04.2024), Rn. 28 ff.). Dabei ist es unerheblich, ob ein verunfallter Schüler sich im Zeitpunkt des Schulunfalls schon für einen bestimmten Ausbildungsweg entschieden hatte, den er nunmehr wegen der Unfallfolgen nicht mehr verfolgen kann, oder ob er noch unentschlossen war. Denn ein Rehabilitationsfall ist immer dann anzunehmen, wenn eine berufliche Ausbildung nach Art oder Schwere der Unfallfolgen ohne Hilfe des Unfallversicherungsträgers beeinträchtigt oder unmöglich wäre (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25.03.2009 – L 3 U 239/07 –, juris Rn. 19). Liegt jedoch kein Rehabilitationsbedarf (mehr) vor, so sind LTA nicht (mehr) zu erbringen (vgl. hierzu LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.09.2010 – L 6 U 155/06 –, juris Rn. 33).

Der Senat stellt fest, dass die Klägerin eine Ausbildung in Gestalt des Bachelorstudiums erfolgreich absolviert hat und daher kein Rehabilitationsbedarf mehr besteht. Der Klägerbevollmächtigte stellt selbst nicht in Abrede, dass es auf dem Arbeitsmarkt zahlreiche Stellenangebote für das Berufsfeld Soziale Arbeit gibt. Eine Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit in diesem Bereich ist daher grundsätzlich möglich. Insbesondere stehen einer Bewerbung der Klägerin für eine Stelle im Bereich Soziale Arbeit keine unfallbedingten Hindernisse mehr entgegen, welche eine weitere Qualifikation erfordern würden. Sonstige, durch die Unfallfolgen verursachte Hindernisse beispielsweise beim Erreichen eines Arbeitsplatzes oder durch unterstützende Leistungen im laufenden Arbeitsverhältnis zur Erhaltung desselben sind erforderlichenfalls von der Beklagten zu prüfen. Die Klägerin hat somit keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Kosten für den Masterabschluss sowie die hierbei benötigten Zertifikate und anschließend für das von der Klägerin beabsichtigte Jurastudium übernimmt, da das Ziel der beruflichen Eingliederung bereits mit dem Bachelorabschluss erreicht werden kann. Die LTA stehen in der gesetzlichen Unfallversicherung unter dem Vorbehalt der fortbestehenden Kausalität der Unfallfolgen für die Beeinträchtigung der beruflichen Ausbildung. Die Kausalität bemisst sich dabei immer am konkret erreichten beruflichen Ausbildungsniveau und nicht den abstrakten Wunschvorstellungen des Schülers bzw. Studenten oder seiner Eltern.

Diesbezüglich weist das SG auch zutreffend darauf hin, dass das zum Zeitpunkt der Entscheidung angestrebte Masterstudium weder unmittelbare Voraussetzung für eine berufliche Tätigkeit im Bereich Soziale Arbeit, noch Voraussetzung für die Aufnahme eines Jurastudiums ist. Das Masterstudium Gesundheits- und Sozialrecht ersetzt insoweit kein Jurastudium. Dies gilt ebenso für das von der Klägerin seit dem Wintersemester 2024/2025 durchgeführte Masterstudium Sozialrecht und Sozialwirtschaft in K2. Die vom Klägerbevollmächtigten in seiner Berufungsbegründung zitierten Zulassungsvoraussetzungen der Universität K2 belegen gerade im Gegenteil, dass ein absolviertes Jurastudium für den Masterstudiengang qualifiziert. Umgekehrt wirkt sich jedoch ein abgeschlossenes Masterstudium Gesundheits- und Sozialrecht nicht auf die Zugangsvoraussetzungen für das Studium der Rechtswissenschaften aus. Es handelt sich insofern um unterschiedliche Studiengänge, welche jeweils für sich eigene Berufsfelder erschließen. Eine berufliche Eingliederung der Klägerin ist jedoch bereits mit dem Studienabschluss Soziale Arbeit erreichbar, so dass die unfallbedingte Beeinträchtigung der beruflichen Ausbildung keine weitere Qualifizierung erfordert. Soweit der Klägerbevollmächtigte vorträgt, dass die Klägerin bereits seit dem Jahr 2014 den Wunsch geäußert habe, Jura zu studieren, hat sie diesen Wunsch in der Folgezeit nicht weiterverfolgt, sondern Sonderpädagogik an der Pädagogischen Hochschule H1 und dann Soziale Arbeit an der F1 Hochschule studiert und sich daher anderen Berufsfeldern zugewandt. Maßgeblich sind jedoch nur die konkret in Angriff genommenen und absolvierten Bildungsmaßnahmen und nicht die abstrakten und grundsätzlich wandelbaren Wunschvorstellungen, sofern diese nicht tatsächlich umgesetzt werden. Der Senat schließt sich daher den Ausführungen des SG nach eigener Überprüfung an und weist diesbezüglich die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Sofern der Klägerbevollmächtigte die Beklagte der Falschberatung und Behinderung der beruflichen Teilhabe der Klägerin bezichtigt, sind diese Vorwürfe haltlos und unbegründet. Die Beklagte hat die Wünsche der Klägerin bezüglich der von ihr gewünschten Studienwahl akzeptiert und gefördert, solange dies zur beruflichen Eingliederung unfallbedingt erforderlich war. Insoweit hätte es der Klägerin auch freigestanden, anstatt der von ihr gewählten Studiengänge Sonderpädagogik und Soziale Arbeit direkt ein Jurastudium aufzunehmen. Es besteht jedoch keine allumfassende und immerwährende Zuständigkeit der Beklagten für die berufliche Teilhabe der Klägerin, sondern diese ist - wie bereits ausgeführt - durch das Erfordernis des Fortwirkens der Kausalität der Unfallfolgen für die Beeinträchtigung der beruflichen Teilhabe begrenzt.

Die Beklagte hat der Klägerin die Förderung des Masterstudiums bzw. des Jurastudiums auch nicht rechtsverbindlich zugesichert. Soweit der Klägerbevollmächtigte insoweit auf die Auskünfte des Sachbearbeiters B1 in den Emails vom 26.03.2014 sowie vom 28.03.2014 verweist, beinhalten diese keine Zusicherung der Förderung einer bestimmten beruflichen Bildung als LTA. Eine einfache Email erfüllt nicht die nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bestehende formale Wirksamkeitsvoraussetzung der Schriftform (vgl. Senatsurteil vom 25.11.2022 – L 8 AL 1596/22 –, juris Rn. 44). Denn die elektronische Form ersetzt die Schriftform nur unter der Voraussetzung, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist (§ 33 Abs. 3 Satz 2 SGB X i.V.m. § 36 a Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch <SGB I>). Im Übrigen ist eine Zusicherung auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet. In den Emails vom 26.03.2014 sowie vom 28.03.2014 wurden jedoch keine konkreten Entscheidungen der Beklagten zugesichert, sondern lediglich allgemein über die Berechnung des JAV nach der damals gültigen Rechtslage beraten. Rechtsverbindliche Zusagen der Beklagten über konkrete Teilhabeleistungen wurden somit nicht erteilt. Der Bildungsweg der zum damaligen Zeitpunkt noch 14jähren Klägerin war im Übrigen noch nicht absehbar, da die Klägerin erst im Jahr 2018 die Allgemeine Hochschulreife erlangt hat.

Es liegt insofern auch keine Falschberatung der Beklagten vor, welche einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen könnte. Denn es liegt bereits keine Verletzung einer behördlichen Auskunfts-, Beratungs- oder Betreuungspflicht vor, was aber Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches wäre (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2001 – B 3 KR 27/01 R –, juris Rn. 27). Soweit der Klägerbevollmächtigte hierzu auf die Ausführungen des Sachbearbeiters B1 in dessen Emails vom 26.03.2014 sowie vom 28.03.2014 verweist, entsprachen diese bezüglich der nachgefragten Thematik der Berechnung des JAV der damaligen Rechtslage. Die konkreten Voraussetzungen der Gewährung von LTA waren nicht Gegenstand der Konversation. Zudem handelte es sich bei dem vom Klägerbevollmächtigten angesprochenen Studienwunsch zum damaligen Zeitpunkt noch um eine abstrakte Wunschvorstellung, welche zunächst die erfolgreiche Absolvierung der Allgemeinen Hochschulreife erforderte. Konkrete Zusagen über die LTA waren somit zum damaligen Zeitpunkt überhaupt noch nicht möglich. Ein Beratungsfehler liegt somit nicht vor. Zudem wird durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nur ein sozialrechtlicher Zustand durch Vornahme einer Amtshandlung hergestellt. Er verschafft kein neues Recht. Er ermöglicht lediglich die Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger vornehmlich seiner Beratungspflicht in vollem Umfang nachgekommen wäre (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.02.2019 – L 22 R 371/14 –, juris Rn. 292 ff.). Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger nur zu einem solchen Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist. In Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum (BSG, Urteil vom 11.03.2004 – B 13 RJ 16/03 R –, juris Rn. 24 ff.). Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann insbesondere keine Rechtsposition vermitteln, auf die nach geltendem Recht kein Anspruch besteht.

Da die Gewährung von LTA nach §§ 26 Abs.1, § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB VII in Verbindung mit § 49 Abs. 1 SGB IX einerseits und die Berechnung des JAV gemäß den §§ 81 ff. SGB VII unterschiedlichen Regelungsvorgaben unterliegen, besteht auch kein Widerspruch zwischen den Entscheidungen des SG im hiesigen Verfahren sowie im Parallelverfahren S 11 U 653/24 (Berufungsverfahren L 8 U 2698/24), in dem die Klägerin die Gewährung einer höheren Verletztenrente unter Neuberechnung des JAV begehrt. Die Gewährung von LTA unterliegt der Bedingung der fortbestehenden Kausalität der Unfallfolgen für die erschwerte berufliche Teilhabe, wohingegen sich der JAV nach §§ 90 SGB VII in der bis zum 31.12.2020 gültigen Fassung sich am voraussichtlichen Ausbildungsverlauf ohne Kausalitätsprüfung orientierte.

Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 02.08.2024 auch zutreffend ausgeführt, dass auch kein Anspruch auf Übernahme der Kosten des Masterstudiums sowie der Zertifikate gegen die Beklagte nach den §§ 75 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4, 112 SGB IX als unterstützende Leistungen besteht. Hierbei kommt nur die Gewährung von unterstützenden Leistungen in Betracht und damit jedenfalls nicht Leistungen, die die unmittelbare Durchführung, Finanzierung bzw. Organisation des Bildungsangebotes als solches zum Inhalt haben (vgl. Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Aufl., § 75 SGB IX (Stand: 01.10.2023) Rn. 28). Hierbei handelt es sich somit um behinderungsbedingte Mehraufwendungen, nicht aber die Finanzierung des Studiums an sich (vgl. Luthe, a.a.O., Rn. 44; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.04.2012 – L 2 SO 906/12 B –, juris).

Auch ein Anspruch gegen die Beigeladene als Träger der Eingliederungshilfe ist nicht gegeben, da die Übernahme der Kosten für ein Masterstudium nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 SGB IX als Hilfe der hochschulischen Ausbildung voraussetzt, dass dieses auf das zuvor abgeschlossene Studium aufbaut und dieses interdisziplinär ergänzt, ohne in dieselbe Fachrichtung zu führen (vgl. hierzu Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Aufl., § 112 SGB IX (Stand: 21.11.2023) Rn. 73). Diesbezüglich weist das SG zutreffend darauf hin, dass das angestrebte Masterstudium Gesundheits- und Sozialrecht für das von der Klägerin angestrebte Berufsziel Rechtsanwältin/Richterin nach den Vorgaben des § 5a Abs. 1 DRiG sowie der JAPrO keine Qualifizierung enthält und auch somit die Voraussetzungen des § 112 Abs. 2 SGB IX nicht erfüllt. Die Tatsache, dass sich das Masterstudium Gesundheits- und Sozialrecht als geeigneter Aufbau oder Qualifizierung nach einem bereits absolvierten Jura-Studium eignet, begründet keine interdisziplinäre Ergänzung im umgekehrten Fall. Im Übrigen gilt auch bei einem Anspruch gegen die Beigeladene als Eingliederungshilfeträger, dass im Rahmen des § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 SGB IX nur unterstützende Leistungen für behinderungsbedingte Mehr- oder Unterstützungsbedarfe und nicht die Übernahme der Studienkosten an sich möglich sind (BSG, Urteil vom 22.03.2012 –, juris Rn. 21; BSG, Urteil vom 15.11.2012 – B 8 SO 10/11 R –, juris Rn. 11 ff.).
Der Senat schließt sich daher auch insoweit den Ausführungen des SG nach eigener Überprüfung an und weist diesbezüglich die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Aus dem vom Klägerbevollmächtigten zitierten Urteil des BFH vom 03.09.2015 (BFH, Urteil vom 03.09.2015 – VI R 9/15 –, juris) folgt keine anderweitige Bewertung des Sachverhalts. Der BFA hat in diesem Urteil entschieden, dass ein Masterstudium jedenfalls dann Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist, wenn es zeitlich und inhaltlich auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmt ist und das - von den Eltern und dem Kind - bestimmte Berufsziel erst darüber erreicht werden kann. Die Entscheidung ist in Bezug auf die Gewährung von Kindergeld ergangen und folgt damit anderen rechtlichen Vorgaben als die Gewährung von LTA in der gesetzlichen Unfallversicherung. Letztere orientieren sich an der Kausalität der Unfallfolgen für die Beeinträchtigung der beruflichen Teilhabe, wohingegen der BFH sich mit dem Begriff der Erstausbildung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu befassen hatte.

Auch der vom Klägerbevollmächtigten gerügte Verstoß gegen Art. 12 GG ist nicht ersichtlich, da es der Klägerin nach wie vor unbenommen bleibt, die von ihr beabsichtige Ausbildungs- und Berufswahl weiterzuverfolgen. Sie wird hieran durch das Nichtbestehen eines Anspruchs auf Förderung im Rahmen einer LTA nicht gehindert. Eine Sicherung des Lebensunterhalts während des Studiums und die Übernahme der Studienkosten hat im Rahmen des Anspruches gegen ihre Eltern auf Ausbildungsunterhalt gem. §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 03.05.2017 – XII ZB 415/16 –, juris) bzw. ggf. durch die Beantragung von BAföG zu erfolgen.

Da in der vorliegenden Fallkonstellation lediglich Rechtsfragen, deren Entscheidung in der originären Zuständigkeit des Gerichts liegen, streitig waren, bedurfte es auch nicht - wie vom Klägerbevollmächtigten beantragt - der Einvernahme von Zeugen und der Erhebung eines Sachverständigenbeweises. Der Untersuchungsgrundsatz nach § 103 SGG bezieht sich – auch auf Beweisantrag eines Beteiligten – nur auf den tatsächlichen Lebenssachverhalt, nicht auf die Auslegung von Rechtsvorschriften (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 103 Rn. 3, 8 m.w.N.). Bei dem insoweit gestellten Antrag handelt es sich zudem lediglich um eine Beweisanregung, da weder ein konkretes Beweismittel noch ein Beweisthema genannt wurden (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 14.08.2023 – B 7 AS 69/22 B –, juris sowie BSG, Beschluss vom 28.11.2022 – B 9 SB 28/22 B –, juris Rn. 8 m.w.N.). Der Senat sieht in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens im vorliegenden Fall keinen Anlass zu Ermittlungen von Amts wegen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens oder die Einvernahme von Zeugen, da der Sachverhalt im Tatsächlichen geklärt ist. Die Ermittlung und Auslegung der anzuwenden Rechtsvorschriften erfolgt dagegen durch das Gericht (vgl. BSG, Beschluss vom 24.10.1958 – 6 RKa 23/57 –, juris Rn. 4).

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.   





 

Rechtskraft
Aus
Saved