Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1967 geborene Kläger absolvierte vom 01.08.1984 bis zum 18.11.1987 eine Ausbildung zum Tischler. Sodann war er vom 19.11.1987 bis 06.08.2019 - unterbrochen durch den Wehrdienst - als Tischler beschäftigt. Im November 2019 äußerte die IG Metall C. gegenüber der Beklagten den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit.
Die Beklagte zog die Arztberichte über erfolgte Behandlungen bei und holte eine Stellungnahme ihrer beratenden Ärztin Dr. K. vom 25.03.2020 ein.
Der Präventionsdienst der Beklagten gelangte unter dem 06.10.2020 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger in dem Zeitraum vom 01.08.1984 bis 06.08.2019 eine berufliche Gesamtdosis in Höhe von 15,4 MNh bestanden hat.
Mit Bescheid vom 09.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2021 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV ab.
Nach dem verwaltungsseitigen, auf die aktenkundige Befundlage gestützten Ermittlungsergebnisse liege bei dem Kläger zwar eine Erkrankung der Lendenwirbelsäule unzweifelhaft vor. Nach arbeitsmedizinischer Auswertung der Befunde sei diese Erkrankung jedoch nicht als belastungsspezifisch im Sinne der BKV zu bezeichnen.
Das Schadensbild der Berufskrankheiten 2108 entspräche der „Volkskrankheit Rückenleiden“ durch chronisch-degenerative Veränderungen der Bandscheiben. Da diese Erkrankungen sich unabhängig sich von ihrer Ursache im klinischen Sinne gleichartig darstellten, seien beruflich verursachte Erkrankungen der Wirbelsäule nur abgrenzbar, sofern ein sogenanntes belastungskonformes Schadensbild festgestellt werden könne, welches auf einschlägige Schädigungsmechanismen hinweise.
Zur Bewertung und Abgrenzung derartiger Beschwerdebilder habe ein interdisziplinäres Expertengremium medizinische Beurteilungskriterien formuliert, welche eine standardisierte Würdigung des arbeitsmedizinischen Tatbestandes ermöglichten, die sogenannten Konsensempfehlungen zu Zusammenhangsbegutachtung beruflich bedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule. Danach sei erforderlich, dass neben einer bandscheibenbedingten Erkrankung noch weitere spezifische Begleiterscheinungen an der Lendenwirbelsäule nachgewiesen würden, das sogenannte belastungskonforme Schadensbild. Dieses werde beschrieben durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Folgen in Kriterien:
- Lebensalter beim Auftreten der Schädigung
- Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter
- Verteilungsmuster der Bandscheibenschäden an der Lendenwirbelsäule
- Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belasteten Wirbelsäulenabschnitten der Person und
- Entwicklung einer Begleitspondylose (vordere und seitliche Randzackenbildung an Wirbelkörpern).
Diese Begleiterscheinungen hätten im konkreten Fall des Klägers jedoch nicht, bzw. nicht im erforderlichen Ausmaß dokumentiert werden können.
Sofern eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliege, die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien und eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung bestehe, wir im Falle des Klägers, sehe die Konsensempfehlung vor, dass der ursächliche Zusammenhang anzunehmen sei, wenn die sogenannte Konstellation B2 vorliege.
Voraussetzung für die Konstellation B2 sei, dass die folgenden Kriterien erfüllt seien:
- Es sind keine konkurrierenden Ursachenfaktoren z.B. aus dem privaten Bereich erkennbar.
- Es liegen keine Begleitspondylosen vor und
- es ist mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt:
- Es besteht eine Höhenminderung und/oder ein Vorfall an mehreren Bandscheiben oder es kann eine besonders intensive Belastung (Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis für weniger als 10 Jahren) nachgewiesen werden oder
- es ist ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen (Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes) erkennbar.
Diese zusätzlichen Kriterien hätten bei dem Kläger nach Auswertung der medizinischen Befunde und nach dem Ergebnis der Ermittlungen des technischen Sachverständigen der Bezirksverwaltung nicht nachgewiesen werden können. Weder könnten Höhenminderungen und/oder ein Vorfall an mehreren Bandscheiben der Lendenwirbelsäule nachgewiesen werden, noch habe eine besonders intensive Belastung in weniger als 10 Jahren oder ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen nachgewiesen werden können.
Dies bedeutet im Ergebnis nicht, dass bei dem Kläger keine krankhaften Veränderungen der Lendenwirbelsäule erkennbar wären; diese könnten jedoch unter Beachtung der besagten Konsensempfehlungen nicht mit erforderlicher Wahrscheinlichkeit ursächlich der beruflichen Tätigkeit angelastet werden, da die Veränderungen nach Art und Ausmaß sich nicht als belastungstypisch im Sinne des arbeitsmedizinischen Tatbestandes darstellten.
Wegen dieser Entscheidung hat der Kläger am 24.03.2021 Klage erhoben.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2021 die Beklagte zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen und Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich in ihrer Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide.
Das Gericht hat den Kläger von dem Orthopäden Dr. U. untersuchen und begutachten lassen. Wegen des Inhalts des Gutachtens vom 24.06.2021 wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die der Entscheidung zugrunde gelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht hat den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger ist durch den Bescheid vom 09.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2021 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Bescheid ist nicht rechtswidrig. Zu Recht hat die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV abgelehnt.
Gemäß § 136 Abs. 3 SGG wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, weil das Gericht der Begründung der ablehnenden Bescheide folgt.
Im Falle des Klägers sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Annahme einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 als erfüllt anzusehen. Die Beklagte hat eine Gesamtbelastungsdosis von 15,4 MNh festgestellt.
Der Kläger leidet auch an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Aber auch der Sachverständige Dr. U. gelangt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, welchem die Kammer folgt, dass das morphologische Schadensbild im Sinne einer Grenzfallbetrachtung für den beruflichen Zusammenhang spricht. Die geringe Gesamtbelastungsdosis von 15,4 MNh spricht jedoch gegen den beruflichen Zusammenhang. Im Ergebnis bestätigt Dr. U. somit die Beurteilung von Frau Dr. K..
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.