L 8 BA 2821/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 BA 4284/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 BA 2821/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.09.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Feststellung, ob der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit für die Beigeladene im Zeitraum vom 10.04.2017 bis 28.08.2018 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Der 1962 geborene Kläger meldete am 03.12.2015 ein Gewerbe mit dem Gegenstand Trockenbau, Rohbau, Abbruch und Baustellenreinigung an. Die durch Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.04.2022 Beigeladene ist eine GmbH. Ihr Unternehmensgegenstand sind die Ausführung von Putz-, Stuck- und Malerarbeiten sowie der Trockenbau, Mauer- und Betonbau. Am 10.04.2017 unterzeichneten der Kläger und die Beigeladene folgende als „Werkvertragsschließung für diverse Bauvorhaben“ bezeichnete Vereinbarung:

„§ 1 Vertragsgegenstand
(1) Werkleistungen gemäß den vorher schriftlich vereinbarten Montagepreisen. …

§ 2 Durchführung des Projektes
(1) Beginn nach Bedarf.
(2) Nähere Beschreibung des Projektes der zu erbringenden Leistung mit Daten siehe jeweiliges Leistungsverzeichnis der einzelnen Bauvorhaben.

§ 4 Vergütung
(1) Aufgrund eines Angebots in Schriftform.
(2) Rechnungsstellung nach Einheitspreisen und Aufmaß.
(3) Zusätzliche Leistungen müssen von dem Auftraggeber [d.h. der Beigeladenen] schriftlich genehmigt werden.
(4) Nachweistätigkeiten müssen vor der Ausführung angemeldet werden und werden nur anerkannt, wenn diese von dem Auftraggeber [d.h. der Beigeladenen] unterschrieben sind. Taglohnzettel sind tagesgenau bei dem Auftraggeber einzureichen, zu spät eingereichte oder vorher nicht genehmigte Taglohnarbeiten werden nicht anerkannt. …
(6) Für jeden Tag, an dem der Auftragnehmer [d.h. der Kläger] unentschuldigt der Baustelle fernbleibt, stellt der Auftraggeber [d.h. die Beigeladene] pauschal 100 € in Rechnung

§ 12 Sonstige Bestimmungen
... (3) Materialbereitstellung erfolgt durch den Auftraggeber [d.h. die Beigeladene]; beim Entladen geht die Fürsorgepflicht und Sicherung auf den Auftragnehmer [d.h. den Kläger] über. …
(5) Nacharbeiten gehen zu Lasten des Auftragnehmers. …
(7) Es ist keinerlei Werbung im Namen des Auftragnehmers zulässig.

§ 15 EU-Klausel
… (5) Auf Verlangen der Firma „K1bau H1 GmbH“ hat der Auftragnehmer [d.h. der Kläger] entsprechende Arbeitskleidung der Firma „K1bau H1 GmbH zu tragen. …

§ 16 Weisungsungebundenheit
Der Auftragnehmer [d.h. der Kläger] ist keinen Weisungen des Auftraggebers [d.h. der Beigeladenen] hinsichtlich der Auftragserledigung unterworfen, mit Ausnahme der seitens der Bauherrn/Architekten/Sonstigen der Werksleitung betreffenden Vorgaben insbesondere zur mangelfreien Ausführung sowie seitens des Bauherrn/Architekten/der Behörden vorgegebenen Fristen. Ebenso wenig ist der Auftragnehmer in den Betrieb des Auftraggebers in irgendeiner Form eingegliedert. …
Der Auftragnehmer verfügt über ein eigenes Büro, kann aber im Bedarfsfalle auf Büro und Büroeinrichtungen des Auftraggebers zurückgreifen.“


Am 18.12.2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Statusfeststellung nach § 7a Abs. 1 SGB IV. Zur Begründung führte er aus, dass eine Beschäftigung vorliege. Er habe für die Beigeladene im Zeitraum vom 12.04.2017 bis 20.08.2018 gemalt, lackiert, isoliert, verfugt und Reparaturen mit Zement durchgeführt. Er sei mit seinem eigenen Auto zu den Baustellen gefahren und habe dabei auch Mitarbeiter der Beigeladenen mitgenommen. Der Vorarbeiter der Beigeladenen, T1, habe ihm gesagt, wann er was zu tun habe. Er habe die Arbeitszeiten der Beigeladenen einhalten müssen. Er habe mit den Mitarbeitern der Beigeladenen „Schulter an Schulter“ zusammengearbeitet. Er habe keine Werbung für sich gemacht und kein eigenes Kapital eingesetzt. Als eigene Werkzeuge habe er lediglich eine Bohrmaschine, eine Flex und Pinsel verwendet. Die übrigen Werkzeuge und das zu verarbeitende Material seien ihm von der Beigeladenen gestellt worden. Der Vorarbeiter der Beigeladenen habe kontrolliert, ob das Material nach konkreten Vorgaben verarbeitet worden sei. Grundlage der Abrechnung sei ein Stundenlohn gewesen. Die Beigeladene habe ihn jedoch angewiesen, auf den Rechnungen keine Arbeitsstunden, sondern Aufmaße als Berechnungsgrundlagen anzugeben. Tatsächlich sei jedoch die geleistete Arbeitszeit weiterhin wesentliches Abrechnungskriterium gewesen.

Die Beigeladene führte in ihrer Stellungnahme vom 28.01.2021 aus, der Kläger habe für sie auf mehreren Baustellen Maler- und Lackierarbeiten verrichtet, Fassaden verputzt, tapeziert, abgeklebt, verfugt und gespachtelt. Dabei habe er keine regelmäßigen Arbeitszeiten einhalten müssen. Der Kläger habe sein eigenes Werkzeug und sein eigenes Kraftfahrzeug verwendet. Die Ausführung des Auftrags vor Ort sei vom Kläger selbst in Absprache mit dem Bauherrn oder Architekten koordiniert worden. Der Kläger habe Projekte eigenverantwortlich abgewickelt. Abstimmungen seien nur zwischen dem Kläger und dem Bauleiter des Bauherrn erfolgt.

Nach Anhörung der Beteiligten stellte die Beklagte mit Bescheid vom 25.03.2021 fest, dass in der vom 12.04.2017 bis 28.08.2018 verrichteten Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene keine Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Nach Abwägung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit. Der Kläger sei durch den Einsatz eigener Werkzeuge und eines eigenen Fahrzeugs am Markt als Selbständiger aufgetreten. Ferner habe er ein Gewerbe angemeldet und unter Angabe einer eigenen Steuernummer abgerechnet. Der Kläger habe gemäß § 16 des Werkvertrags keinem Weisungsrecht der Beigeladenen unterlegen.

Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 30.03.2021 Widerspruch. Der Kläger sei bei der Beigeladenen abhängig beschäftigt gewesen. Der Werkvertrag sei zustande gekommen, weil der Kläger wegen unzureichender Deutschkenntnisse keine Festanstellung der Beigeladenen erhalten habe und den Vertrag geschlossen habe, um nicht ohne Arbeit dazustehen. Der Kläger sei gegenüber der Beklagten nicht als Selbständiger aufgetreten. Es gebe Handzettel mit dem Logo der Beigeladenen, auf denen der Kläger unter der Überschrift „Taglohnarbeiten“ die geleisteten Arbeitsstunden und jeweils ausgeführten Arbeiten notiert habe. Der Kläger sei zudem den Weisungen der Beigeladenen unterworfen gewesen. Der Vorarbeiter der Beigeladenen habe ihm mitgeteilt, wie er welche Arbeit wann und wo auszuführen habe. Wegen der tatsächlichen Weisungsunterworfenheit des Klägers komme es auf die vertraglich geregelte Weisungsfreiheit nicht mehr an. Zwar habe der Kläger wenige eigene Werkzeuge eingesetzt; größere Maschinen und Leitern seien ihm aber ebenso wie das Baumaterial von der Beigeladenen gestellt worden. Der Kläger habe kein wirtschaftliches Risiko getragen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2021 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene begründe keine Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung. Der Kläger habe keinem Weisungsrecht unterlegen. Soweit er Vorgaben hinsichtlich der Leistungsorte erhalten habe, ändere dies nichts daran, dass er mangels detaillierter Weisungen die Ausführung seiner Tätigkeit überwiegend frei habe bestimmen können. Eine weisungsfreie Gestaltung der Arbeitszeit sei möglich gewesen, da der Kläger in seiner Entscheidung, welche Arbeitsaufträge er ausführe, weitgehend autonom gewesen sei. Nach den vertraglichen Vereinbarungen sei der zeitliche Rahmen für die Ausübung der Tätigkeit nicht detailliert vorgegeben gewesen. Für eine selbständige Tätigkeit spreche, dass die Tätigkeit nicht am Betriebssitz der Beigeladenen, sondern auf den Baustellen ausgeübt worden sei. Obwohl die Vergütung teilweise nach geleisteten Arbeitsstunden erfolgt sei, habe beim Kläger ein Unternehmerrisiko in Form der Aufwendungen für die Beschaffung eigener Arbeitsmittel und der Fahrtkosten sowie der Ungewissheit über den erforderlichen Umfang des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft bestanden.

Am 18.11.2021 hat der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 25.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass der Kläger in der Zeit vom 10.04.2017 bis 28.08.2018 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für die Beigeladene tätig war und somit Versicherungspflicht der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Zur Begründung der Klage hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf die Widerspruchsbegründung Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2022 hat der Kläger ausgeführt, er habe in der Tätigkeit für die Beigeladene nur kleine eigene Werkzeuge wie einen Spachtel eingesetzt. Weitere Investitionen habe er nicht getätigt. Größere Werkzeuge, Hebebühnen und Gerüste seien von der Beigeladenen gestellt worden. Er habe keine Werbung für sich gemacht. Er habe keine eigene Betriebsstätte und keine Betriebshaftpflichtversicherung unterhalten. Der Bauleiter oder ein Angestellter der Beigeladenen habe ihm immer gesagt, wo er hinmüsse und was zu tun sei. Er habe auf den Baustellen mit einer Ausnahme immer mit festangestellten Mitarbeitern der Beigeladenen zusammengearbeitet. Die Tätigkeit für die Beigeladene habe geendet, als er am 20.08.2018 auf einer Baustelle der Beigeladenen von einem Gerüst gestürzt sei.

Der Vertreter der Beigeladenen, T1, hat in der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2022 ausgeführt, er habe zusammen mit dem Kläger auf verschiedenen Baustellen gearbeitet. Je nach Baustelle sei teilweise nach Stunden, teilweise pauschal und teilweise nach Leistungsverzeichnis abgerechnet worden. Der Kläger habe seine eigene Arbeitskleidung und keine Arbeitskleidung mit dem Logo der Beigeladenen getragen. Die Beigeladene habe dem Kläger Werkzeug wie z.B. teure Maschinen und Hebebühnen gestellt. Der Kläger habe auch mit festangestellten Mitarbeitern der Beigeladenen zusammengearbeitet. Natürlich habe es einen Vorarbeiter gegeben, der die auf den Baustellen zu erledigenden Aufgaben koordiniert habe. Der Kläger sei jedoch auf zwei Baustellen alleine gewesen.

Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2022 ausgeführt, er könne nicht erklären, warum die Tätigkeit des Klägers als selbständige bewertet worden sei. Ein Anerkenntnis könne jedoch nicht abgegeben werden.

Durch Urteil vom 07.09.20222 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 25.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2021 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seine Tätigkeit im Bereich Trockenbau für die Beigeladene in der Zeit vom 10.04.2017 bis 28.08.2018 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und nicht selbstständig ausgeübt hat und daher der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte überwögen. Der Kläger sei tatsächlich in die Betriebsorganisation der Beigeladenen eingegliedert gewesen. Er sei regelmäßig vom Bauleiter der Beigeladenen telefonisch oder persönlich informiert worden, wann und wo er zur Arbeit kommen solle. Auf den Baustellen habe der Kläger regelmäßig mit den festangestellten Mitarbeitern der Beigeladenen zusammengearbeitet und mitunter auch dieselben Tätigkeiten verrichtet. In der inhaltlichen Ausführung seiner Tätigkeit sei der Kläger nicht frei gewesen. Vielmehr sei ihm zu Beginn der jeweiligen Baustellen präzise mitgeteilt worden, wie er welche Arbeit wann und wo auszuführen habe. Er habe die Arbeiten persönlich ausführen müssen und auch tatsächlich persönlich ausgeführt. Im Fall seiner Abwesenheit habe er die Erlaubnis der Beigeladenen einholen müssen. Die Möglichkeit des Klägers, einzelne Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, mache ihn nicht zum selbständig Tätigen. Denn tatsächlich habe der Kläger keine Arbeitsaufträge der Beigeladenen abgelehnt. Zudem seien auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Arbeitnehmer überlassen, ob er im Anforderungsfall – etwa auf Abruf oder im Vertretungsfall – ein konkretes Angebot annimmt oder ablehnt. Die Gewerbeanmeldung des Klägers vom 03.12.2015 sei kein Indiz seiner Selbständigkeit, da sie lange vor Beginn seiner Tätigkeit für die Beigeladene erfolgt sei und das Gewerbeaufsichtsamt keine Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status vornehme.

Ein wesentliches unternehmerisches Risiko habe der Kläger nicht getragen. Seine geringfügigen Investitionen in eine Spachtel oder anderes Kleinwerkzeug seien zu vernachlässigen, da er weder Spezialwerkzeug noch sonstige Arbeitsmittel wie Leitern oder Gerüste angeschafft habe. Diese Gerätschaften habe ihm die Beigeladene ebenso unentgeltlich zur Verfügung gestellt wie das komplette Arbeitsmaterial. Der Kläger habe weder eigene Betriebsmittel eingesetzt noch eine eigene Betriebsstätte unterhalten, sondern letztlich nur die eigene Arbeitskraft eingesetzt. Dafür spreche, dass der Kläger Tagelohnzettel mit dem Logo der Beigeladenen ausgefüllt habe und die Abrechnung zumindest zum Teil nach Stunden erfolgt sei. Dass zum Teil auch nach Aufmaß oder Einheitspreisen abgerechnet worden sei, veranlasse keine abweichende Bewertung, da Grundlage der Abrechnung für den Kläger stets der Stundenlohn gewesen sei. Dies ergebe sich aus den vom Kläger vorgelegten handschriftlichen Aufzeichnungen. Der Kläger habe kein Unternehmerrisiko, sondern nur – wie jeder abhängig Beschäftigte – das Insolvenzrisiko der Beigeladenen als Schuldnerin des Vergütungsanspruchs getragen. Die Kosten für die Nutzung seines privaten Kraftfahrzeugs zur Anfahrt und die – zum Teil von der Beigeladenen übernommenen – Benzinkosten begründeten kein unternehmerisches Risiko, da derartige Kosten stets auch bei einem abhängig Beschäftigten anfielen. Ferner sei der Kläger auch nicht am Markt werbend aufgetreten. Unerheblich sei, dass der Kläger im März 2018 in geringfügigem Umfang für einen anderen Auftraggeber tätig geworden sei, da der sozialversicherungsrechtliche Status nicht universell, sondern nur mit Blick auf die konkrete Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu beurteilen sei. Der Umstand, dass diese Tätigkeit nicht am Betriebssitz der Beigeladenen ausgeführt wurde, spreche weder für noch gegen eine selbständige Tätigkeit, da es bei der Tätigkeit eines Bauarbeiters in der Natur der Sache liege, dass diese auf einer Baustelle und nicht am Sitz des durchführenden Bauunternehmens zu erfolgen hat. Das Urteil des SG ist der Beigeladenen am 12.09.2022 zugestellt worden.

Am 29.09.2022 hat der Geschäftsführer der Beigeladenen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Die vom Kläger vorgebrachten Argumente entsprächen nicht den Tatsachen. Die Angaben des Klägers seien nicht wahrheitsgetreu. Eine Beschäftigung bei der Beigeladenen habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Der neue Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen hat ergänzend ausgeführt, es habe keine persönliche Abhängigkeit des Klägers von der Beigeladenen bestanden, da es dem Kläger freigestanden habe, einzelne Aufträge der Beigeladenen anzunehmen oder abzulehnen. Der Kläger sei auch nicht weisungsgebunden gewesen, da er aufgrund seiner Befähigungen selbst habe entscheiden können, wie er die Arbeiten im Einzelfall ausführe, und seine Arbeitszeit und seine Pausen frei habe gestalten können. Die von ihm erbrachten Werkleistungen habe der Kläger nur in Ausnahmefällen nach Stunden abgerechnet. Seine handschriftlich dokumentierten Arbeitszeitnachweise hätten lediglich als Grundlage für die Abrechnungen gegenüber der Beigeladenen gedient. Einmal habe der Kläger mangelhafte Arbeit nachbessern müssen. Ein unternehmerisches Risiko ergebe sich aus der Höhe des Stundensatzes, der mit 25 € netto etwa um 10 € über dem Stundensatz festangestellter Mitarbeiter liege, und aus dem Umstand, dass nicht nur auf Stundenbasis, sondern auch nach Aufmaß abgerechnet worden sei.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.09.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beigeladenen zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Er habe keine eigenen Mitarbeiter beschäftigt und alle Tätigkeiten für die Beigeladene persönlich durchgeführt. Ohne das von der Beigeladenen bereitgestellte Material und die von der Beklagten bereitgestellten großen Werkzeuge wie Leitern, Gerüste und einen schweren Bohrhammer hätte der Kläger die Aufträge nicht erfüllen können. Die Beigeladene habe vom Kläger verlangt, seine Arbeitsstunden aufzuschreiben. Danach habe sie ihn aber angehalten, seiner Abrechnung anstatt Stunden Einheitspreise und Aufmaß zugrunde zu legen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Im Erörterungstermin am 18.07.2023 hat der Vertreter und Bauleiter der Beigeladenen, T1, erklärt, es habe nicht für alle Bauvorhaben im Vorab eine Bestellung beim Kläger gegeben. Bei kleineren Baustellen sei der Kläger auch auf Zuruf tätig geworden. Bei diesen kleineren Baustellen habe er dem Kläger entweder schriftlich oder mündlich mitgeteilt, dass z.B. drei Zimmer weiß zu streichen seien und dass eine Abrechnung auf Stundenbasis oder nach Quadratmetern der gestrichenen Wände erstellt werden solle. Er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob der Kläger in dem streitgegenständlichen Zeitraum auch einzelne Aufträge der Beigeladenen abgelehnt habe. Die vom Kläger auf konkreten Baustellen zu erbringenden Leistungen seien teils mündlich, teils schriftlich vereinbart worden.

Im Erörterungstermin am 18.07.2023 haben sich der Vertreter der Beigeladenen, der Prozessbevollmächtigte des Klägers und der Beklagtenvertreter übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe


Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beigeladenen, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß § 143 SGG statthaft und zulässig. Insbesondere besteht eine materielle Beschwer der Beigeladenen, da es möglich ist, dass diese aufgrund der Bindungswirkung des Urteils gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG unmittelbar in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt ist (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, Vor § 143 Rn. 4a und 8 m.w.N.). Indem das SG durch Urteil vom 07.09.2022 den Bescheid der Beklagten vom 25.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2021 aufgehoben hat, hat es den in diesem Bescheid verkörperten und sowohl dem Kläger als auch der Beigeladenen bekanntgegebenen Verwaltungsakt aufgehoben (vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2023 – B 12 KR 8/21 R – juris Rn. 19), dessen Regelung – die Feststellung, dass die vom Kläger im Zeitraum vom 12.04.2017 bis 28.08.2018 für die Beigeladene verrichtete Tätigkeit keine Versicherungspflicht begründet – sowohl an den Kläger als auch an die Beigeladene gerichtet war (vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2023 – B 12 KR 8/21 R – juris Rn.  18 zur Drittwirkung eines nur an den vermeintlichen Arbeitgeber gerichteten Verwaltungsakts gegenüber dem vermeintlichen Arbeitnehmer). Auch soweit das SG durch Urteil vom 07.09.2022 festgestellt hat, dass die vom Kläger im Zeitraum vom 10.04.2017 bis 28.08.2018 für die Beigeladene verrichtete Tätigkeit aufgrund abhängiger Beschäftigung Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung begründet, ist eine Beeinträchtigung subjektiver Rechte der Beigeladenen möglich, da diese gerichtliche Feststellung Bindungswirkung nicht nur gegenüber der Beigeladenen (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG), sondern gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 2 SGG auch gegenüber der Krankenkasse entfaltet, die als Einzugsstelle über die Beitragshöhe zu entscheiden (vgl. § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV) und gegenüber der Beigeladenen Beitragsansprüche geltend zu machen hat (vgl. § 28h Abs. 1 Satz 3 SGB IV).

Fremdversicherungsträger sind gemäß § 75 Abs. 2b Satz 1 SGG zum Rechtsstreit nicht beizuladen, weil die AOK B1 als Kranken- und Pflegekasse und die Bundesagentur für Arbeit nach Zugang des richterlichen Schreibens vom 27.04.2022, das sie gemäß § 75 Abs. 2b Satz 2 SGG über die Erhebung der Klage und die Möglichkeit einer Beiladung auf Antrag benachrichtigt hat und das der Bundesagentur für Arbeit am 03.05.2022 und der AOK B1 als Kranken- und Pflegekasse am 19.05.2022 zugestellt worden ist, die Beiladung nicht beantragt haben. Die Beiladung des für den Kläger zuständigen Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung ist nicht erforderlich, da dieser die Beklagte selbst ist.

Die Berufung der Beigeladenen ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass die vom Kläger für die Beigeladene im Zeitraum vom 10.04.2017 bis 28.08.2018 verrichtete Tätigkeit aufgrund abhängiger Beschäftigung Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung begründet. Die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 56 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2023 – B 12 BA 1/22 R – juris Rn. 19; BSG, Urteil vom 27.04.2021 - B 12 KR 27/19 R – juris Rn. 16) zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 25.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2021 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte keine Versicherungspflicht des Klägers aufgrund abhängiger Beschäftigung festgestellt hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Gegenstand einer Statusfeststellung nach § 7a SGB IV in der hier noch anzuwendenden, bis 31.03.2022 geltenden Fassung des Art. 160 des Gesetzes zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht des Bundes vom 29.03.2017 (BGBl. I, S. 626) ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG allein das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Versicherungspflicht. Das Vorliegen einer Beschäftigung gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV ist, neben der Entgeltlichkeit, lediglich eine von mehreren Voraussetzungen für die Versicherungspflicht gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB IX und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und damit nur ein Element der mit unmittelbaren Rechtsfolgen verbundenen Feststellung von Versicherungspflicht. Demzufolge sind weder die Deutsche Rentenversicherung Bund als Clearingstelle noch die Gerichte befugt, im Rahmen von § 7a SGB IV isoliert das Vorliegen von Beschäftigung oder Selbständigkeit festzustellen (BSG, Urteil vom 27.04.2021 – B 12 KR 27/19 R – juris, Rn. 12 m.w.N.). Die zum 01.04.2022 in Kraft getretene Neufassung des § 7a SGB IV findet auf das vorliegende Verfahren, in dem die angefochtenen Bescheide vor dem 01.04.2022 erlassen worden sind und der zu beurteilende Sachverhalt am 28.08.2018 endet, noch keine Anwendung (vgl. Senatsurteil vom 14.02.2025 – L 8 BA 426/24 – juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2022 – L 4 BA 3707/20 – juris Rn. 44).

Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV in der vom 05.04.2017 bis 31.03.2022 geltenden Normfassung (s.o.) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl. 2000 I, S. 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit der Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs. 14/1855, S. 6). Die Beklagte war für die vom Kläger beantragte Feststellung zuständig, weil für die streitige Zeit zum Zeitpunkt der Antragstellung am 18.12.2020 kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet war. Entsprechende Anhaltspunkte liegen nicht vor. Etwas Gegenteiliges wird von den Beteiligten auch nicht behauptet.

Versicherungspflichtig sind in der Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB IX) und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 30.04.2013 – B 12 KR 19/11 R – juris Rn. 13; BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 12 KR 17/11 R – juris Rn. 23; BSG, Urteil vom 30.03.2015 – B 12 KR 17/13 R – juris Rn. 15 – jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: BVerfG, Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20.05.1996 – 1 BvR 21/96 – juris Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24.01.2007 – B 12 KR 31/06 R – juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – juris Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 12 KR 17/11 R – juris Rn. 23 ff. – jeweils m.w.N.).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 08.12.1994 – 11 RAr 49/94 – juris Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 01.12.1977 – 12/3/12 RK 39/74 – juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 04.06.1998 – B 12 KR 5/97 R – juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 10.08.2000 – B 12 KR 21/98 R – juris Rn. 17 – jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24.01.2007 – B 12 KR 31/06 R – juris Rn. 17; BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – juris Rn. 16). Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit erfolgt nämlich abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis – entweder in Form der Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit erbracht wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.2016 – B 12 KR 20/14 R – juris Rn. 25 ff. m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Kläger im Zeitraum vom 10.04.2017 bis 28.08.2018 bei der Beigeladenen abhängig beschäftigt. Das SG hat zutreffend dargelegt, dass als maßgebliches, eigenständig neben eine Weisungsgebundenheit der Tätigkeit tretendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung die Eingliederung des Klägers in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu berücksichtigen ist und der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen kein signifikantes Unternehmerrisiko als typisches Indiz einer selbständigen Tätigkeit getragen hat. Das SG hat ferner nachvollziehbar überzeugend begründet, dass in der Gesamtabwägung die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Aspekte überwiegen. Diesen zutreffenden Ausführungen des SG schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die Ausführungen der Beigeladenen im Berufungsverfahren veranlassen keine abweichende rechtliche Bewertung. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen vorgetragen hat, der Kläger sei nicht weisungsgebunden gewesen, da er aufgrund seiner Befähigungen selbst habe entscheiden können, wie er die Arbeiten im Einzelfall ausführe, schließt dies eine Weisungsgebundenheit des Klägers nicht aus, da diese eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein kann (s.o.). Vielmehr zeigt sich in der konkreten Vorgabe des zu verarbeitenden Materials und in der Bereitstellung des dafür erforderlichen Werkzeugs durch die Beigeladene deren Weisungsrecht hinsichtlich der Art der Ausführung durch den Kläger. Für die Weisungsgebundenheit des Klägers spricht auch, dass dieser gemäß dem Vortrag des Beigeladenenvertreters T1 in der mündlichen Verhandlung des SG am 07.09.2022 und im Erörterungstermin am 18.07.2023 bei kleineren Baustellen nicht aufgrund eines zuvor übermittelten Leistungsverzeichnisses, sondern auf Zuruf tätig geworden ist und bei größeren Baustellen den Vorgaben eines Vorarbeiters, der die Baustelle und die dort zu erledigenden Aufgaben koordinierte, Folge leisten musste. Auch § 16 der „Werkvertragsschließung für diverse Bauvorhaben“ vom 10.04.2017 sieht eine Weisungsunterworfenheit des Klägers unter von „Sonstigen der Werksleitung“ gemachte „Vorgaben insbesondere zur mangelfreien Ausführung“ vor. Schließlich zeigt sich die Weisungsunterworfenheit des Klägers auch darin, dass er seine Rechnungen nach den Vorgaben der Beigeladenen teilweise aufgrund der geleisteten Arbeitszeit und teilweise nach Aufmaßen erstellt hat.

Die Rechtsauffassung der Beigeladenen, dass der Kläger nicht in ihren Betrieb eingegliedert gewesen sei, überzeugt nicht. Für die Eingliederung des Klägers in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen spricht, dass der Kläger gemäß § 15 der „Werkvertragsschließung für diverse Bauvorhaben“ vom 10.04.2017 verpflichtet war, auf Verlangen der Beigeladenen deren Arbeitskleidung zu tragen. Dass die Beigeladene ein solches Verlangen nicht geäußert hat, ist unerheblich, da die Nichtausübung eines nicht abbedungenen Rechts unbeachtlich ist (s.o.). Für die Eingliederung des Klägers in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen spricht auch, dass der Kläger gemäß § 16 des Vertrags bei Bedarf auf das Büro und die Büroeinrichtungen des Beigeladenen zurückgreifen durfte. Ob der Kläger von diesem Recht Gebrauch gemacht hat, ist unerheblich (s.o.). Für die Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beigeladenen spricht ferner, dass die Beigeladene dem Kläger nicht nur das gesamte von ihm zu verarbeitende Material, sondern auch Werkzeuge, teure Maschinen, Leitern und Hebebühnen unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat und dass der Kläger auf den Baustellen regelmäßig mit den festangestellten Mitarbeitern der Beigeladenen „Schulter an Schulter“ zusammengearbeitet und mitunter auch dieselben Tätigkeiten verrichtet hat. Dies entnimmt der Senat den glaubhaften Angaben des Klägers im Verwaltungs- und Klageverfahren sowie den Angaben des Vertreters der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2022 und im Erörterungstermin am 18.07.2023.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen im Berufungsverfahren ausgeführt hat, dass der Kläger einen im Vergleich zu festangestellten Mitarbeitern deutlich höheren Stundensatz von 25 € oder nach Aufmaß abgerechnet habe, vermag dies den überwiegenden Eindruck eines fehlenden signifikanten Unternehmerrisikos des Klägers nicht zu erschüttern. Der Kläger hat, wie das SG zutreffend dargelegt hat, weder substantielle eigene Betriebsmittel eingesetzt noch eine eigene Betriebsstätte unterhalten, sondern letztlich nur die eigene Arbeitskraft eingesetzt. Dies zeigt sich daran, dass der Kläger Tagelohnzettel mit dem Logo der Beigeladenen ausgefüllt hat, die Abrechnung häufig nach Stunden erfolgt ist (z.B. Rechnung Nr. 2017-10010 vom 08.05.2017; Rechnung Nr. 2017-10013 vom 25.07.2017; Rechnung Nr. 2017-10014 vom 02.08.2017; Rechnungen Nr. 2017-10016 bis 2017-10018 vom 06.09.2017; Rechnungen Nr. 2017-10019 und 2017-10020 vom 04.10.2017; Rechnungen Nr. 2017-10023 und 2017-10025 vom 22.11.2017; Rechnungen Nr. 2018-26 und 2018-28 vom 08.01.2018; Rechnung Nr. 2018-31 vom 12.03.2018; Rechnung Nr. 2018-33 vom 07.05.2018; Rechnungen Nr. 2018-34 bis 2018-36 vom 11.07.2018) und die Beigeladene dem Kläger sogar Benzinkosten für Fahrten zu den Baustellen erstattet hat (z.B. Rechnung Nr. 2018-37 vom 11.07.2018; Rechnungen Nr. 2018-40 und 2018-42 vom 14.08.2018). Gegen ein unternehmerisches Risiko spricht auch, dass die Beigeladene dem Kläger nicht nur das gesamte von ihm zu verarbeitende Material, sondern auch Werkzeuge, teure Maschinen, Leitern und Hebebühnen unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat. Schließlich unterlag der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beigeladene gemäß § 12 Abs. 2 der „Werkvertragsschließung für diverse Bauvorhaben“ vom 10.04.2017 einem Werbeverbot und ist auch tatsächlich nicht für sich werbend am Markt aufgetreten. Ein signifikantes Unternehmerrisiko als typisches Indiz einer selbständigen Tätigkeit trug der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beigeladene nicht.

In der Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls sprechen die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung des Klägers in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen bei fehlendem unternehmerischen Risiko für eine abhängige Beschäftigung des Klägers. Die vom Beigeladenenvertreter im Berufungsverfahren vorgetragenen Gesichtspunkte vermögen dies nicht durchgreifend zu erschüttern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Der Anwendungsbereich des § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG ist hier nicht eröffnet, da der Kläger im Rechtszug vor dem Landessozialgericht als Berufungsbeklagter zu dem von § 183 Satz 1 SGG gerichtskostenprivilegierten Personenkreis zählt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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