Eine Kassenärztliche Vereinigung wird durch die (gesetzlichen und untergesetzlichen) Regelungen zu pharmazeutischen Dienstleistungen nicht in eigenen Rechten verletzt.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2, die dieser selbst trägt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin – eine Kassenärztliche Vereinigung (KV) – wendet sich gegen einen Schiedsspruch der beklagten Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bezüglich pharmazeutischer Dienstleistungen.
Mit dem Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (GSVOA) vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I, 2870), in Kraft getreten am 15. Dezember 2020, wurde in § 129 SGB V folgender (seither unveränderter) Abs. 5e eingefügt:
„1Versicherte haben Anspruch auf pharmazeutische Dienstleistungen durch Apotheken, die über die Verpflichtung zur Information und Beratung gemäß § 20 der Apothekenbetriebsordnung hinausgehen und die die Versorgung der Versicherten verbessern. 2Diese pharmazeutischen Dienstleistungen umfassen insbesondere Maßnahmen der Apotheken zur Verbesserung der Sicherheit und Wirksamkeit einer Arzneimitteltherapie, insbesondere bei
1. der Anwendung bestimmter Wirkstoffe, die nur in besonderen Therapiesituationen verordnet werden,
2. der Behandlung chronischer schwerwiegender Erkrankungen,
3. der Behandlung von Patienten mit Mehrfacherkrankungen und Mehrfachmedikation und
4. der Behandlung bestimmter Patientengruppen, die besondere Aufmerksamkeit und fachliche Unterstützung bei der Arzneimitteltherapie benötigen.
3Diese pharmazeutischen Dienstleistungen können auch Maßnahmen der Apotheken zur Vermeidung von Krankheiten und deren Verschlimmerung sein und sollen insbesondere die pharmazeutische Betreuung von Patientinnen und Patienten in Gebieten mit geringer Apothekendichte berücksichtigen. 4Die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker vereinbart mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung die pharmazeutischen Dienstleistungen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie das Nähere zu den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen, zur Vergütung der erbrachten Dienstleistungen und zu deren Abrechnung. 5Die Vereinbarung nach Satz 4 ist bis zum 30. Juni 2021 zu treffen. 6Kommt eine Vereinbarung bis zu diesem Zeitpunkt ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet die Schiedsstelle nach Absatz 8. 7Die Vereinbarung oder der Schiedsspruch gilt bis zum Wirksamwerden einer neuen Vereinbarung fort.“
Zugleich wurde § 3 Abs. 1 Satz 1, Hs. 1 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) wie folgt ergänzt (Änderung unterstrichen):
„Bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch die Apotheken sind zur Berechnung des Apothekenabgabepreises ein Festzuschlag von 3 Prozent zuzüglich 8,35 Euro zuzüglich 21 Cent zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes zuzüglich 20 Cent zur Finanzierung zusätzlicher pharmazeutischer Dienstleistungen nach § 129 Absatz 5e des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sowie die Umsatzsteuer zu erheben;“
Der Gesetzgeber begründete diese Ergänzungen mit folgenden Überlegungen (BT-Drs. 19/21732, S. 1, 16, 22f, 27):
„Mit dem Gesetzentwurf soll die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch Vor-Ort-Apotheken gestärkt werden. Insbesondere durch die Einführung und Vergütung zusätzlicher pharmazeutischer Dienstleistungen sollen die Vor-Ort-Apotheken gezielt gefördert werden und in ihrer wichtigen Funktion für die qualifizierte Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten gestärkt werden. Auf diese Weise soll die pharmazeutische Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker den Patientinnen und Patienten noch besser zugutekommen. Der Heilberuf des Apothekers und der Apothekerin wird auf diesem Wege gestärkt. […]
Die zusätzlichen Dienstleistungen sollen über die bereits jetzt verpflichtend zu erbringenden Informations- und Beratungsleistungen hinausgehen. Zur Finanzierung der zusätzlichen pharmazeutischen Dienstleistungen wird ein Erhöhungsbetrag des Festzuschlages eingeführt, der bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln zu erheben ist. Die Verteilung dieser zusätzlichen Mittel erfolgt durch die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker. Apotheken sind nicht verpflichtet, pharmazeutische Dienstleistungen anzubieten. Die neu vereinbarten pharmazeutischen Dienstleistungen führen aber dazu, dass Apotheken untereinander in einen Qualitätswettbewerb treten können. Hierfür werden insgesamt rund 150 Millionen Euro netto an zusätzlichen Mitteln zur Verfügung gestellt. […]
Durch die Neuregelung werden die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen verpflichtet, im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen zu vereinbaren, auf die Patientinnen und Patienten einen Anspruch haben. Für bestimme Personen und Personengruppen kann eine besonders enge und intensive pharmazeutische Betreuung zur Förderung der Therapietreue und Vermeidung arzneimittelbezogener Probleme angezeigt sein. Dem trägt die Regelung Rechnung. Sie schafft eine Anspruchsgrundlage und legt den Rahmen für die Vereinbarung entsprechender zusätzlicher Dienstleistungen fest. Ein besonderer Betreuungsbedarf kann sich insbesondere aus Art und Umfang der Medikation (zum Beispiel bei bestimmten Wirkstoffen, die nach einer Organtransplantation oder bei Krebserkrankungen verordnet werden) sowie aus personenbezogenen Faktoren wie dem Krankheitsbild, sonstigen körperlichen oder kognitiven Einschränkungen, geringer Gesundheitskompetenz und Kommunikationshürden ergeben. Als mögliche Dienstleistungen zur Verbesserung der Sicherheit und Wirksamkeit der Arzneimitteltherapie können neben weiteren Maßnahmen des Medikationsmanagements auch das patientenindividuelle Stellen und Verblistern in Betracht kommen.
Als pharmazeutische Dienstleistungen können auch Maßnahmen der Apotheken zur Vermeidung von Krankheiten und deren Verschlimmerung vereinbart werden. Die zu vereinbarenden pharmazeutischen Dienstleistungen sollen insbesondere auch die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung in Gebieten mit geringer Apothekendichte, zum Beispiel im ländlichen Raum, berücksichtigen. So könnten etwa Maßnahmen zur pharmazeutischen Betreuung von Patientinnen und Patienten in häuslicher Umgebung vereinbart werden.
Die zu vereinbarenden Dienstleistungen müssen über die bestehenden Informations- und Beratungsverpflichtungen hinausgehen und sollen zur Verbesserung der Versorgung beitragen. Neben der Definition der zusätzlichen pharmazeutischen Dienstleistungen selbst hat die Vereinbarung in jedem Fall auch Regelungen zu Anspruchsvoraussetzungen für Versicherte der GKV auf die zusätzlichen Leistungen sowie zu deren Vergütung und Abrechnung zu enthalten. Auch insoweit sollen die Vertragspartner der Selbstverwaltung die Sicherstellung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung berücksichtigen. Dies könnte insbesondere durch eine Vergütungsstruktur erfolgen, die darauf ausgerichtet ist, die Arzneimittelversorgung im ländlichen Raum mit einer niedrigen Apothekendichte zu stärken.
Durch die Einführung der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen wird zudem die professionelle Weiterentwicklung des Heilberufs Apotheker gefördert und die Vor-Ort-Apotheke gestärkt.
Absatz 5e regelt, dass bis zum 31. Dezember 2023 die Auswirkungen des Absatzes 3 Satz 2 und 3 auf die Verteilung der Marktanteile von Versandapotheken und Präsenzapotheken vom Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zu evaluieren sind. Die Evaluation soll
insbesondere die Verteilung der jeweiligen Marktanteile von Apotheken und Versandapotheken im Bereich der Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zum Gegenstand haben. Die Evaluation schließt eine Überprüfung der bestehenden Vergütungen für Leistungen der Apotheken und mögliche Maßnahmen zur Anpassung und einer möglichen Kompensation der vorgesehenen Mehrausgaben ein.
Die Finanzierung dieser Dienstleistungen erfolgt durch einen zusätzlichen Erhöhungsbetrag des Festzuschlags in Höhe von 20 Cent je abgegebener Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels.
Nachdem sich die Vertragsparteien – der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (Beigeladener zu 2) und der Deutsche Apothekerverband e.V. (Beigeladener zu 1) – nicht auf die Vereinbarung nach § 129 Abs. 5e Satz 4 SGB V einigen konnten, beantragte letzterer am 19. November 2021 die Einleitung eines Schiedsverfahrens. Im Schiedsverfahren beantragten der Beigeladene zu 1 sechs, der Beigeladene zu 2 drei andere Dienstleitungen als pharmazeutische Dienstleistungen festzusetzen.
Während des Schiedsverfahren verständigten sich die Vertragsparteien auf
- Rahmenbedingungen für die pharmazeutischen Dienstleistungen – beschlossen im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e.V. (PKV-Verband) gemäß § 33 Satz 2 des zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Rahmenvertrags nach § 129 Abs. 2 SGB V (RV) als dessen Anlage 11, mit einem In-Kraft-Treten zum 15. Dezember 2021 und einer erstmaligen Kündbarkeit zum 30. September 2023 (§ 10 Abs. 2 dieser Anlage) –,
- eine die „Benehmensherstellung mit der PKV“ betreffende Protokollnotiz,
- eine Mustervereinbarung zur Inanspruchnahme pharmazeutischer Dienstleistungen sowie
- einen Anhang „Abrechnung“.
Die Beklagte bezog den PKV-Verband durch ein Stellungnahme- und Teilnahmerecht in das Schiedsverfahren ein und verhandelte mit den Vertragsparteien mündlich am 25. Februar, 4. April und 19. Mai 2022.
Während der letzten mündlichen Verhandlung einigten sich die Vertragsparteien auf die Leistungsbeschreibungen (einschließlich der Regelungen ihrer Priorisierung gemäß § 4 Nr. 2 des o.g. Anhanges Abrechnung) für folgende pharmazeutische Dienstleistungen:
1. „Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“,
2. „Pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten“,
3. „Pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie“,
4. „Erweiterte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung mit Üben der Inhalationstechnik“.
In derselben mündlichen Verhandlung erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Schiedsspruch, der die vier o.g. Leistungen beinhaltet sowie – jeweils aufgrund Mehrheitsentscheidung – die „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“ als weitere pharmazeutische Dienstleistung (als Anhänge gemäß § 2 der o.g. Anlage 11) und die jeweilige Vergütung festsetzte.
Gegen den o.g. Schiedsspruch richtet sich die am 10. August 2022 erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt:
Vertragsärztinnen und Vertragsärzte seien nicht unmittelbar Adressaten der festgesetzten pharmazeutischen Leistungen. Dennoch seien die Auswirkungen deren Erbringung auf die vertragsärztliche Berufsausübung kein bloßer Reflex. Die festgesetzten Regelungen hätten berufsregelnde Tendenz. Denn die Beratung durch Apotheken greife in bestimmten Fällen in das Arzt-Patienten-Verhältnis und damit die notwendige vertragsärztliche Therapieentscheidung ein, ohne dass eine Information über das Beratungsgespräch, eventuelle Auswirkungen auf die Compliance der Patienten bei schweren Krankheitsverläufen und die Vollständigkeit der Information der Apotheke über die zugrunde liegenden Diagnosen, Therapien und Verordnungen gewährleistet sei. Hierdurch werde das Patientenwohl gefährdet und die Gewährleistung einer medizinisch qualitativ ordnungsgemäßen Versorgung, welche ihr – der Klägerin – als Aufgabe im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages nach § 72 Abs. 1 SGB V obliege.
Da sie keine Möglichkeit habe, dass Handeln der Apothekerinnen und Apotheker zu unterbinden, stelle bereits der Schiedsspruch aufgrund seiner normativen Wirkung eine Verletzung ihres Sicherstellungsauftrags dar. Dass sie nicht Adressatin des Schiedsspruchs sei, stelle ihre Klagebefugnis nicht infrage, weil auch eine mittelbare Betroffenheit ausreiche.
Der Schiedsspruch sei auch unter Beachtung der der Beklagten zuzubilligenden Einschätzungsprärogative rechtswidrig.
Der Gesetzgeber habe eindeutig vorgegeben, dass die von der Schiedsstelle festzusetzenden Dienstleistungen jedenfalls einen Bezug zur Pharmazie haben müssten. Nicht beabsichtigt habe er eine Gleichstellung von approbierten Apothekerinnen und Apothekern, welche zur Ausübung der genannten Beratungstätigkeiten lediglich einer schulhaften eintägigen Fortbildung betreffend Organtransplantationen und Antitumortherapie beiwohnen müssten, mit den niedergelassenen Vertragsärzten. Die gesetzgeberischen Erwägungen setzten sich nicht einmal mit der Frage potentieller Überschneidungen mit dem vertragsärztlichen Sicherstellungsauftrag auseinander, sondern stellten lediglich einen möglichen wettbewerbsfördernden Anreiz im Verhältnis zu Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V fest.
Indem der Schiedsspruch jedoch den approbierten Apothekerinnen und Apothekern die Erbringung von Leistungen ermögliche, welche nicht nur die Umsetzung der verordneten Therapien unterstützten, sondern darüber hinaus in bestimmten Fällen in das Arzt-Patienten-Verhältnis und damit die notwendige ärztliche Therapieentscheidung eingriffen, habe die Beklagte es unterlassen, ein geordnetes Ineinandergreifen zwischen der vertragsärztlichen Versorgung in Gestalt des konkreten Arzt-Patienten-Verhältnisses im Sinne der §§ 630a ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und den pharmazeutischen Dienstleistungen zu regeln. Damit habe sie den von ihr zu beachtenden Rechtsrahmen verkannt.
Die Bewertung von Laborwerten und ärztlichen Diagnosen in ihrem Zusammenspiel mit verordneten Arzneimitteln sei nur mit ärztlicher Fachkenntnis möglich und dürfe daher nicht Gegenstand pharmazeutischer Dienstleistungen sein. Eine Vielzahl der Aufgaben in der Medikationsanalyse und im Medikationsmanagement setzten ärztliche Kenntnisse voraus und dürfe daher nach der auf § 28 Abs. 1 S. 3 SGB V beruhenden Anlage 24 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) an nichtärztliches Personal nicht delegiert werden.
Weil keine abschließende Information des Vertragsarztes / der Vertragsärztin über das Beratungsgespräch erfolgen müsse, werde das Patientenwohl und die Gewährleistung einer medizinisch qualitativ ordnungsgemäßen Versorgung gefährdet. Organtransplantationen kämen nur in übersichtlicher Anzahl vor, sodass Apothekerinnen und Apotheker in der Beratung nicht routiniert seien.
Der durch den Schiedsspruch verletzte Sicherstellungsauftrag sei ein exklusiver Auftrag, der andere Einrichtungen und Formen der ambulanten Versorgung nur in den im Gesetz vorgesehenen Fällen zulasse. Eine solche Ermächtigung liege durch § 129 Abs. 5e SGB V nicht vor.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Schiedsspruch der Beklagten vom 19. Mai 2022 nichtig ist.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Schiedsspruch greife weder in die Rechtsposition der Klägerin noch in die der Vertragsärzte ein. Der Sicherstellungsauftrag der Klägerin weder durch die gesetzliche Begründung eines erweiterten pharmazeutischen Dienstleistungsbereichs der Apotheken rechtlich nicht tangiert. Insbesondere die Zuständigkeit der KV zur Vereinbarung oder Festlegung vertragsärztlicher Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Verordnung von Arzneimitteln werde durch pharmazeutische Dienstleistungen nicht infrage gestellt. Mit der Möglichkeit Versicherter, Unterlagen über ihre Medikamenteneinnahmen Apotheken vorzulegen und eine pharmazeutische Beratung dazu einzuholen, maßten sich letztere keine ärztlichen Kompetenzen an.
Im Rahmen der zwischen KVen, Apothekerverbänden und Krankenkassen (KKn) vereinbarten Modellvorhaben zur gemeinsamen Erstellung eines Medikationsplanes bezweifle keine KV die pharmazeutische Kompetenz der daran beteiligten Apotheker, eine pharmazeutische Medikationsanalyse zu erstellen.
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unzulässig, aber auch unbegründet. Der Sicherstellungsauftrag regele Verpflichtungen der Klägerin, nicht etwa Rechte. Erst recht gewährten § 72 Abs. 1, § 75 SGB V der Klägerin kein exklusives Anrecht auf die alleinige Überwachung der medizinischen Versorgung oder die Möglichkeit, ergänzende Versorgungsformen zu unterbinden. Die Rechtsordnung gewähre bei der Ausübung beruflicher Tätigkeiten grundsätzlich keinen Konkurrenzschutz.
Der Beigeladene zu 2 stellt keinen Antrag.
Er ist der Auffassung, die Leistungen 1 bis 4 seien im angefochtenen Schiedsspruch zu Recht festgesetzt worden. Ausführungen der Klägerin zu den Leistungen 4 und 5 fehlten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands, insbesondere wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
I. Streitgegenstand ist der Schiedsspruch der Beklagten vom 19. Mai 2022 und der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, dessen Rechtswidrigkeit feststellen zu lassen. Dieser Anspruch richtet sich gegen den gesamten Schiedsspruch, auch wenn die Klägerin gegen die Leistungen 4 („Erweiterte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung mit Üben der Inhalationstechnik“) und 5 („Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“) keine konkreten Einwände vorträgt. Die Klage ist auch nicht beschränkt auf die zwischen den Vertragsparteien bis zuletzt umstritten gebliebenen, originär durch die Beklagte getroffenen Regelungen. Denn aus der Klagebegründung im Übrigen wird hinreichend deutlich, dass die Klägerin sich im Hinblick auf ihren Sicherstellungsauftrag (§ 75 Abs. 1 SGB V) gegen jede Art pharmazeutischer Dienstleistungen wendet.
II. Die Klage ist zulässig.
1. Statthafte Klageart ist die (Normen-)Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Obwohl das SGG im Unterschied zur Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) keine Normenkontrollklage kennt, gebietet es die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), die Feststellungsklage gegen untergesetzliche Rechtsnormen in Ausnahmefällen als statthaft zuzulassen, wenn die Normbetroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können, etwa weil ihnen nicht zuzumuten ist, Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen Norm abzuwarten bzw. die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintreten zu lassen (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2012 – B 1 KR 34/12 R –, Rn. 11 ff.; Urteil vom 12. September 2012 – B 3 KR 10/12 R –, Rn. 24; Urteil vom 31. Mai 2006 – B 6 KA 69/04 R –, Rn. 13 ff.; Urteil vom 15. Juni 2016 – B 6 KA 27/15 R –, Rn. 15 ff; jeweils m.w.N.; vgl. auch Senat, Urteil vom 14. März 2023 – L 4 KR 154/20 KL –, Rn. 54 [Revision beim BSG anhängig unter B 1 KR 16/23 R]; allen Entscheidung hier und im Folgenden zitiert nach juris).
2. Der Statthaftigkeit der Feststellungsklage steht nicht entgegen, dass diese gegenüber einer möglichen Anfechtungsklage subsidiär ist. Die Möglichkeit, sich gegen einen Schiedsspruch mittels Anfechtungsklage zu wehren, steht nur den Beteiligten des Schiedsverfahrens offen (vgl. die Entscheidung des Senats vom heutigen Tag in dem denselben Schiedsspruch betreffenden Rechtsstreit L 4 KR 254/22 KL). Denn ein Schiedsspruch hat rechtlich eine Doppelnatur: im Verhältnis zu den am Schiedsverfahren Beteiligten wirkt er wie ein (vertragsgestaltender) Verwaltungsakt (BSG, Urteil vom 23. Juli 2014 – B 8 SO 2/13 R –, Rn. 11), im Übrigen wirkt er, soweit er – wie hier – einen Vertrag ersetzt, normativ (BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 46/13 R –, Rn. 25; Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 16/13 R –, Rn. 21; jeweils m.w.N.).
3. Erweist sich die Rechtsauffassung der Klägerin, der – ihr gegenüber normativ wirkende – Schiedsspruch verstoße gegen höherrangiges Rechts (SGB V), als richtig, führt dies zu deren Nichtigkeit (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 11. Oktober 1994 – 1 BvR 337/92 –, Rn. 99, 131f; BSG, Urteil vom 18. Dezember 2012 – B 1 KR 34/12 –, Rn. 20; Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 15/15 R –, Rn. 10, 12, 21; Urteil vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 29/13 R –, Rn. 5).
In der Rechtsprechung des BSG wurden in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Normfeststellungsklagen zwar auch abweichende Klageanträge als statthaft angesehen; sie waren z.B. gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 6 KA 27/15 R –, Rn. 8; Urteil vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 28/13 R –, Rn. 12, 22; Urteil vom 31. Mai 2006 – B 6 KA 13/05 R –, Rn. 13), auf Feststellung der Unwirksamkeit (BSG, Urteil vom 31. Mai 2006 – B 6 KA 69/04 R –, Rn. 7) oder auf Feststellung der Überschreitung des dem GBA zustehenden Gestaltungsspielraums (BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 31/09 R –, Rn. 9). Dem entnimmt der Senat indes keine grundlegende dogmatische Abweichung, weil stets das Ziel verfolgt wurde, die Anwendbarkeit einer untergesetzlichen Norm zu verhindern (Senat, a.a.O., Rn. 64 f.)
4. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 55 Abs. 1 Hs. 2 SGG, weil nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass sie durch den angefochtenen Schiedsspruch in eigenen Rechten verletzt ist.
a. Zur Vermeidung einer Popularklage ist auch bei der Feststellungsklage der Rechtsgedanke des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG heranzuziehen (BSG, Urteil vom 14. Mai 2014 –B 6 KA 28/13 R –, Rn. 27 m.w.N.; zum Nebeneinander von Klagebefugnis und Feststellungsinteresse bei Normfeststellungsklagen s.a. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2012 – B 1 KR 34/12 R –, Rn. 11 ff.; BSG, Urteil vom 31. Mai 2006 – B 6 KA 69/04 R –, Rn. 13 ff.). Daher müssen bei einer zulässigen Rechtsverfolgung "eigene" Rechte bzw. "eigenrechtlich geschützte Belange" betroffen sein. Dies ist allerdings nur dann zu verneinen, wenn dem Betroffenen das geltend gemachte Recht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen kann, die Möglichkeit einer Verletzung seiner subjektiven Rechte (in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht) also nicht gegeben ist bzw. wenn die klägerischen Rechte durch die in Rede stehende Entscheidung oder Maßnahme offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können.
Es genügt daher, dass die Klägerin die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstrebt, die sie für nicht rechtmäßig hält; entsprechendes gilt für die Folgen einer Normsetzung. Ob die angegriffene Entscheidung (bzw. Normsetzung) den Anfechtenden tatsächlich in eigenen Rechten verletzt, ist dagegen eine Frage der Begründetheit (BSG, Urteil vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 28/13 R –, Rn. 27 f. m.w.N.).
bb. Genügt danach die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten, ist vorliegend eine rechtliche Betroffenheit der Klägerin auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie nicht Adressatin des angefochtenen Schiedsspruchs bzw. des insoweit in seiner Anlage 11 ergänzten RV ist. Der RV bindet neben den in § 129 Abs. 3 SGB V genannten Apotheken (nur) die Krankenkassen(-verbände) und die Versicherten (§ 217e Abs. 2 SGB V), aber nicht KVen.
"Klagebefugt" sind jedoch nicht nur die Adressaten eines belastenden Verwaltungsaktes, sondern auch Dritte, wenn und soweit deren Verletzung in eigenen Rechten zumindest möglich erscheint und nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Nichts Anderes gilt für die von einer untergesetzlichen Rechtsnorm Betroffenen, sofern den Normen eine objektiv berufsregelnde Tendenz innewohnt. Eine solche für das Grundrecht auf Berufsfreiheit relevante Wirkung ist möglich, wenn Leistungserbringer durch normative Regelungen entweder von der Marktteilnahme im Bereich der GKV ausgeschlossen oder aber bei ihrer Betätigung in diesem Markt gegenüber anderen Anbietern ohne sachlichen Grund benachteiligt werden. Vorliegend hat die Klägerin geltend gemacht, durch den Schiedsspruch werde sie in der Wahrnehmung ihres Sicherstellungsauftrags nach § 75 Abs. 1 SGG beeinträchtigt.
cc. Der Annahme, dass die Klägerin (möglicherweise) in ihren Rechten verletzt sind, steht auch das Urteil des BSG vom 21. März 2012 (B 6 KA 16/11 R) nicht entgegen. Dort hatte das BSG die Möglichkeit einer Verletzung der Rechte der klagenden Betreiber von Druckkammerzentren ausgeschlossen und dies damit begründet, dass die Berufsausübungsfreiheit der dortigen Klägerinnen nicht tangiert sei, weil die Ausgestaltung des Leistungsumfangs der GKV Anbieter von Leistungen, die bisher nicht in diesem Rahmen erbracht werden können, nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG betrifft. Dies war in der dort zu entscheidenden Fallkonstellation zu verneinen, weil das Begehren der dortigen Klägerinnen vorrangig auf den Zugang zum System der GKV gerichtet war, nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2002 – 1 BvL 28/95 –) Eingriffe in den Wettbewerb jedoch nur dann Rechtspositionen betreffen können, wenn keine Regelungen des Leistungsumfangs der GKV im Streit stehen.
Dessen ungeachtet hat das BSG jedoch ausdrücklich betont, dass die Anbieter von Gesundheitsleistungen gegen Fehlsteuerungen innerhalb des Marktes der GKV geschützt sind, insbesondere wenn ein Anbieter einer dem Grunde nach erbringbaren Leistung gegenüber anderen Anbietern benachteiligt wird (BSG a.a.O. Rn. 39). Bereits in seinem Urteil vom 31. Mai 2006 (BSG, Urteil vom 31. Mai 2006 – B 6 KA 13/05 R – [Therapiehinweise "Clopidogrel"], Rn. 35) hatte der 6. Senat des BSG dargelegt, dass Hersteller eines in der GKV prinzipiell verordnungsfähigen Arzneimittels gerichtlichen Rechtsschutz gegen solche staatlichen Maßnahmen beanspruchen können, die den Wettbewerb mit ihren Konkurrenten verfälschen.
Vorliegend zählt die klagende KV bereits zu den Akteurinnen der GKV. Im Zusammenspiel mit ihrem substantiierten Vortrag, sie werde durch die pharmazeutischen Dienstleistungen in der Wahrnehmung ihres Sicherstellungsauftrags beeinträchtigt, genügt dies, um eine "Klagebefugnis" zu bejahen.
III. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Schiedsspruch vom 19. Mai 2022 verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten.
1. Die Prüfung der Begründetheit von Drittanfechtungen erfolgt grundsätzlich zweistufig: Zunächst ist zu klären, ob die Klägerin zur „Anfechtung“ des Schiedsspruchs berechtigt ist. Ist das zu bejahen, muss geprüft werden, ob die angefochtene Entscheidung bzw. Norm in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 28/13 R –, Rn. 38).
2. Die Klägerin ist nicht berechtigt, den o.g. Schiedsspruch gerichtlich prüfen zu lassen. Denn sie wird durch ihn jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt.
a. Personen und Institutionen, die nicht Adressaten einer Norm sind, können diese nach der Rechtsprechung des BSG nur dann gerichtlich überprüfen lassen, wenn zwischen ihnen und den Normadressaten ein Konkurrenzverhältnis besteht und dem Anfechtenden gegenüber den Normadressaten durch das Gesetz selbst ein Vorrang eingeräumt wird (vgl. BSG a.a.O., Rn. 50 ff., m.w.N.).
Der Senat kann offen lassen, ob ein solches Konkurrenzverhältnis zwischen vertragsärztlichen und pharmazeutischen Dienstleistungen besteht; demzufolge kann an dieser Stelle auch dahinstehen, ob bei einem Konkurrenzverhältnis die Klägerin berechtigt wäre, Rechtspositionen ihrer Mitglieder geltend zu machen. Das erforderliche Vorrangverhältnis vertragsärztlicher gegenüber pharmazeutischen (Dienst-)Leistungen besteht jedenfalls nicht.
Die KVen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Dieser Sicherstellungsauftrag verpflichtet KVen zur gesetz- und vereinbarungsgemäßen Durchführung der ambulanten Versorgung, um die Leistungsansprüche der gesetzlich Versicherten in Gestalt ärztlicher Leistungen in bedarfsdeckender Zahl und geschuldeter Qualität zu erfüllen (Hesral in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4.A., § 75 SGB V (Stand: 16.07.2024), Rn. 34). Der Sicherstellungsauftrag der KVen ist demnach die Folge davon, dass die KKn ihre Verpflichtungen gegenüber ihren Versicherten grundsätzlich durch Sachleistungen zu erfüllen haben, diese aber nicht selbst erbringen dürfen (§ 140 SGB V), sondern die Versorgung der Versicherten – von einigen Ausnahmen abgesehen (vgl. § 63, § 73a, § 140a SGB V) – durch Verträge mit den KVen „sicherstellen“ (vgl. § 72 SGB V). Der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 SGB V wird durch die Möglichkeit, pharmazeutische Dienstleistungen zu erbringen, nicht tangiert. Weder aus dem Wortlaut von § 129 Abs. 5e SGB V noch aus der Gesetzesbegründung lässt sich ableiten, dass durch pharmazeutische Dienstleistungen der Auftrag der Klägerin, die vertragsärztliche Versorgung im Bundesland Hessen sicherzustellen, in irgendeiner Form beeinflusst wird.
Von den in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 12 Bundesapothekerordnung (BapO) genannten pharmazeutischen Tätigkeiten weisen allenfalls die Information und Beratung über Arzneimittel als solche, einschließlich ihrer angemessenen Verwendung (Nr. 7), die Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen an die zuständigen Behörden (Nr. 8) sowie die personalisierte Unterstützung von Patienten bei Selbstmedikation (Nr. 9) Überschneidungen mit den vertragsärztlichen Aufgaben im Zusammenhang mit der Arzneimittelversorgung der Versicherten auf. Es existiert insoweit jedoch – mangels entsprechender gesetzlicher Vorgaben – kein Vorrang der vertragsärztlichen Versorgung. § 75 Abs. 1 und § 129 Abs. 5e SGB V bzw. § 2 BApO sind gleichrangiges parlamentsgesetzliches Bundesrecht.
b. Eine Verletzung in eigenen Rechten kann die Klägerin auch nicht aus einem Verstoß gegen Grundrechte herleiten.
aa. Die Klägerin kann als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs. 5 SGB V) nicht Trägerin von Grundrechten sein. Dass sie aufgrund ihres gesetzlichen Auftrags berechtigt wäre, die Grundrechte ihrer Mitglieder geltend zu machen, ist nicht ersichtlich. Selbst wenn sie sich auf eine entsprechende Berechtigung berufen könnte, wären die Mitglieder der Klägerin nicht in ihren Grundrechten aus Art. 12 (Berufsfreiheit) und Art. 3 GG (Gleichheitsgebot) verletzt.
bb. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit liegt vor, wenn die Norm selbst oder eine darauf gestützte Maßnahme berufsregelnde Tendenz hat. Ein Eingriff in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG erfordert nicht, dass eine Berufstätigkeit durch eine hoheitliche Maßnahme unmittelbar betroffen ist; vielmehr entfaltet das Grundrecht seine Schutzwirkung auch gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich zwar nicht unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen, jedoch eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (ständ. Rspr. des BVerfG: vgl. BVerfGE 95, 267, 302; BVerfGE 128, 1, 82). Nach der Rechtsprechung des BSG können dabei grundsätzlich auch Leistungserbringer in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG tangiert sein, die nicht selbst Adressaten der Vorschriften sind (BSG a.a.O., Rn. 50, m.w.N.).
(1) Nach der Rechtsprechung des BVerfG, des BSG wie auch des Bundesverwaltungsgerichts schützt das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG bereits am Markt tätige Leistungserbringer allerdings grundsätzlich nicht vor einer Veränderung der Marktsituation durch das Hinzutreten weiterer Konkurrenten (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 17. August 2004 – 1 BvR 378/00 („Vertragsarzt“) –, Rn. 19; BVerfG, Beschluss vom 23. April 2009 – 1 BvR 3405/08 –, Rn. 9; BSG, Urteil vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 28/13 R –, Rn. 51 ff.; jeweils m.w.N.). Soweit Art. 12 Abs. 1 GG die Freiheit der Berufsausübung als Grundlage der persönlichen und wirtschaftlichen Lebensführung und in diesem Rahmen die Teilnahme am Wettbewerb gewährleistet, bezieht sich dieser Schutz allein auf die Teilnahme am Wettbewerb "nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen" (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. November 2010 – 1 BvR 261/10 –, Rn. 11, m.w.N.). Die Wettbewerber haben keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben. Insbesondere umfasst das Grundrecht keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten. Vielmehr unterliegen die Wettbewerbsposition und damit auch der Umsatz und die Erträge dem Risiko laufender Veränderung je nach den Marktverhältnissen (BVerfG a.a.O. m.w.N.).
Daher schützt Art. 12 Abs. 1 GG die von einem Marktteilnehmer innegehaltene Wettbewerbsposition nur mit dem ihr innewohnenden Risiko einer Veränderung aufgrund der Marktverhältnisse. Zu den marktüblichen – und somit von dem am Markt präsenten Wettbewerbsteilnehmer hinzunehmenden – Veränderungen gehören auch das Hinzutreten weiterer Konkurrenten und die damit einhergehenden potentiellen Umsatzeinbußen. Hiervon ausgehend handelt es sich bei der Anerkennung weiterer, mit der eigenen Behandlungsmethode in wirtschaftlicher Konkurrenz stehender Behandlungsmethoden um ein für Leistungserbringer grundsätzlich hinzunehmendes Marktrisiko (BSG a.a.O.).
(2) Sprechen schon die vorstehend dargelegten Gesichtspunkte dagegen, im bloßen Hinzutreten von Konkurrenz eine Grundrechtsverletzung zu erblicken, gilt dies umso mehr, wenn man den Umstand in den Blick nimmt, dass die Eröffnung zusätzlicher Leistungsbereiche für nicht-ärztliche Leistungserbringer den Leistungsumfang der GKV ausgestaltet; der Wortlaut von § 129 Abs. 5e Satz 1 SGB V („Versicherte haben Anspruch auf pharmazeutische Dienstleistungen“) bringt dies besonders deutlich zum Ausdruck. Nach der – auf die Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2002 – 1 BvL 28/95 –) gestützten – Rechtsprechung des BSG haben Leistungserbringer keine aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuleitende Rechtsposition inne, kraft derer sie zur gerichtlichen Prüfung stellen können, ob die Ausgestaltung des Leistungsumfangs der GKV rechtmäßig ist. Ob die Leistung überhaupt – also unabhängig davon, wer sie anbieten darf – zur Leistungspflicht der GKV gehört, können nur an der Versorgung der Versicherten beteiligte Leistungserbringer für ihren Leistungsbereich, KKn bzw. ihre Verbände und – im Rechtsstreit mit ihrer Krankenkasse – Versicherte zur gerichtlichen Überprüfung stellen (BSG a.a.O. m.w.N.). Vertragsärztliche Leistungserbringer können daher nicht prüfen lassen, welche Leistungen Apotheken im Rahmen der GKV eröffnet sind.
cc. Eine Grundrechtsverletzung durch das Hinzutreten von Konkurrenten kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Wettbewerbsverfälschung begründet werden.
(1) Zwar kommt eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht, wenn eine im Zusammenhang mit staatlicher Planung und der Verteilung staatlicher Mittel stehende, d.h. einen regulierten Markt betreffende Wettbewerbsänderung durch Einzelakt zu erheblichen Konkurrenznachteilen bzw. zu einer "Verwerfung der Konkurrenzverhältnisse" führt (BVerfG Beschluss vom 23. April 2009 – 1 BvR 3405/08 –, Rn. 9; BSG a.a.O.; jeweils m.w.N.). Staatliche Maßnahmen, die auf eine Veränderung des Verhaltens von Unternehmen im Wettbewerb zielen oder den Wettbewerb der Unternehmen untereinander verfälschen, können im Einzelfall die Berufsfreiheit beeinträchtigen (BVerfG, Beschluss vom 25. März 1992 – 1 BvR 298/86 („öffentlich bestellter Sachverständiger“) –; BSG a.a.O. m.w.N.). Das durch Art. 12 Abs. 1 GG begründete Recht auf Teilhabe am Wettbewerb schützt vor ungerechtfertigter staatlicher Begünstigung von Konkurrenten (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 17. August 2004 – 1 BvR 378/00 –, Rn. 18 m.w.N.).
(2) Auch wenn es sich beim Versorgungssystem der GKV wie auch bei dessen – vorliegend relevanten – Sektor der ambulanten Versorgung um ein öffentlich reguliertes Marktsegment im Sinne der vorstehend dargestellten Grundsätze handelt (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 17. August 2004 – 1 BvR 378/00 –, Rn. 24), fehlt es sowohl für die Eröffnung zusätzlicher Leistungsbereiche für Apotheken durch die Einführung pharmazeutischer Dienstleistungen als auch für die Definition der o.g. fünf pharmazeutischen Dienstleistungen bereits an einem die Wettbewerbsbedingungen verfälschenden Eingriff. Die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags aus § 129 Abs. 5e SGB V durch die Beigeladenen und die Beklagte zielte nicht auf eine Veränderung des Verhaltens vertragsärztlicher Leistungserbringer im Wettbewerb. Denn den o.g. Gründen des Gesetzgebers zur Einführung von § 129 Abs. 5e SGB V lässt sich schon nicht entnehmen, dass er einen Wettbewerb zwischen vertragsärztlichen und pharmazeutischen Leistungserbringern, der nach dem o.G. ohnehin nur in einem kleinen Überschneidungsbereich stattfinden könnte, anstrebte. Eine Wettbewerbssteuerung ist demzufolge nicht einmal mittelbarer Zweck der Einführung pharmazeutischer Dienstleistungen. Deren Auswirkungen auf die vertragsärztliche Leistungserbringung stellen allenfalls einen tatsächlichen Reflex der gesetzlichen Neuregelung in § 129 Abs. 5e SGB V dar.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt, dass (nur) der Beigeladene zu 1 durch seinen Abweisungsantrag ein Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) übernommen hat.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).