L 5 KR 74/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 KR 1032/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 74/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10.12.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten allein noch über eine Kostenerstattung für eine beidseitige operative Brustverkleinerung, nachdem sich die Klägerin diese bereits im laufenden Berufungsverfahren selbst beschafft hat.

 

Die 00.00.0000 geborene Klägerin ist als Krankenschwester beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichert. Am 19.11.2020 – der Beklagten am selben Tag zugegangen – beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine operative Brustverkleinerung.

 

Die Beklagte bat den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK - ab 01.07.2021: MD) um eine Beurteilung und unterrichtete die Klägerin hiervon am 21.11.2020. In einem Gutachten nach Aktenlage vom 27.11.2020 kam R. vom MDK zu der Einschätzung, eine operative Brustkorrektur sei zur Behandlung der geschilderten Beschwerden nicht notwendig. Aufgrund der Varianz weiblicher Brüste sei weder von einer Entstellung noch von einer funktionellen Beeinträchtigung des Organs Brust auszugehen. Konservative Maßnahmen zur Behandlung der Wirbelsäulen- und Schulterregion seien nicht ausgeschöpft.

 

Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 02.12.2020 ab; der Bescheid wurde der Klägerin am 04.12.2020 zugestellt.

 

Auf den hiergegen von der Klägerin mit Schreiben vom 10.12.2020 eingelegten Widerspruch kam I. vom MDK nach einer persönlichen Untersuchung der Klägerin am 12.01.2021 im Gutachten vom 20.01.2021 zu der Einschätzung, die begehrte Leistung könne weiterhin nicht befürwortet werden. Eine Entstellung der Klägerin liege nicht vor. Auf die Einwände der Klägerin bestätigte die weitere Sachverständige Z. vom MDK im Gutachten vom 02.03.2021 das bisherige Ergebnis; es bestehe weiterhin keine Indikation für die beantragte operative Brustverkleinerung.

 

Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2021 als unbegründet zurück.

 

Am 11.06.2021 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Detmold erhoben und vorgetragen, bei ihr liege eine Gigantomastie beidseits vor. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen der Größe und Gewicht der Brust und den orthopädischen Beschwerden. Außerdem sei auch eine Entstellung anzunehmen, da die Brüste asymmetrisch seien.

 

Die Klägerin hat beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2021 zu verurteilen, die Kosten für eine beidseitige operative Brustverkleinerung zu übernehmen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Die Fachärztin für Frauenheilkunde P. hat in ihrem Befundbericht vom 13.07.2020 ausgeführt, die Klägerin fühle sich aufgrund der Makromastie in ihrer körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit sehr stark belastet. Aus fachärztlicher Sicht werde eine Brustreduktion dringend empfohlen. N. (Facharzt für Orthopädie) hat in seinem Befundbericht vom 19.08.2021 mitgeteilt, aus orthopädischer Sicht sei eine Kräftigung der Rumpfmuskulatur durch Krankengymnastik zu empfehlen. Eine Brustreduktion könne die Beschwerden in der Rumpfmuskulatur ausgleichen und Verspannungen vermindern.

 

Mit Urteil vom 10.12.2021 hat das Sozialgericht Detmold die Klage abgewiesen und hierzu unter anderem wie folgt ausgeführt:

 

„Die zulässige Klage der Klägerin ist nicht begründet.

 

Der Bescheid der Beklagten vom 02.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine operative Brustverkleinerung zu Lasten der Beklagten.

Im Bereich der Brüste der Klägerin ist ein regelwidriger Körperzustand im Sinne der vorbezeichneten Grundsätze nicht zu erkennen. Vergrößerte herabhängende Brüste stellen für sich genommen unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion keinen krankhaften Befund dar.

Auch …  konnte sich die Kammer nicht davon überzeugen, dass die streitige operative Brustverkleinerung als zweckmäßig im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V anzuerkennen ist. N., Arzt für Orthopädie, bestätigte auf Nachfrage des Gerichts in seinem Befundbericht vom 19.08.2021, dass aus orthopädischer Sicht eine Kräftigung der Rumpfmuskulatur im Rahmen von Krankengymnastik zu empfehlen sei. Dadurch könnten die orthopädischen Beschwerden der Klägerin (vorübergehend) gebessert werden. Bestätigt hat er ferner, dass der Klägerin lediglich einmal ein Therapieintervall von 12 x Krankengymnastik verordnet worden ist. Von einer Ausschöpfung der konventionellen Behandlungsmöglichkeiten im Bereich der Orthopädie ist nach Einschätzung der Kammer nicht auszugehen.

 

Entscheidend ist ferner, dass bisher keine wissenschaftlich statistisch belegten Erkenntnisse zum ursächlichen Zusammenhang zwischen orthopädischen Gesundheitsstörungen und der Brustgröße veröffentlicht sind

Schwerwiegende Funktionsmängel im Sinne von Hautirritationen, die im Erscheinungsbild der Haut mit nachhaltigen Strukturveränderungen als Folge einer Entzündung einhergehen, sind von den behandelnden Ärzten nicht beschrieben worden.

Psychische Beschwerden sind ausschließlich mit den Mitteln der Psychotherapie zu behandeln und können keinen Anspruch auf eine operative Brustverkleinerung rechtfertigen (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2008, B 1 KR 19/07 R; BSGE 100, 119).

 

Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass bei der Klägerin eine entstellende Wirkung im Hinblick auf ihre Brüste vorliegt. …“

 

Gegen das am 23.12.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 24.01.2022 – am selben Tag bei Gericht eingegangen – Berufung eingelegt. Sie trägt vertiefend vor, sie leide unter Gigantomastie. Dies könne auch nach dem erkennenden Senat einen behandlungsbedürftigen Körperzustand darstellen und eine Brustoperation zur Verminderung der Beschwerden der Hals- und Schulterregion erforderlich machen. Es existiere auch eine umfangreiche Studienlage, die die Ursächlichkeit zwischen übergroßer Brust und Wirbelsäulenbeschwerden belege; auf eine überreichte Dissertation werde insoweit verwiesen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10.12.2021 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2021 zu verurteilen, ihr die Kosten für die am 19.05.2025 in der Fachklinik E. durchgeführte Mamareduktionsplastik zu erstatten.

 

Die Beklagte beantragt,

 

                        die Berufung zurückzuweisen.

 

Auf Veranlassung der Klägerin hat X. (orthopädischer Facharzt) sein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 04.10.2022 aufgrund persönlicher Untersuchung der Klägerin am 14.09.2022 erstattet und bei der Klägerin eine Körpergröße von 163 cm bei einem Körpergewicht von 94 kg festgestellt. Er hat sodann folgende Diagnosen gestellt:

 

  • Gigantomastie beidseits mit Ptosis Typ IV
  • Zervikalsyndrom mit altersunüblicher Degeneration
  • Skoliose der Brustwirbelsäule
  • Halteinsuffizienz der Wirbelsäule
  • Anpassungsstörung im Sinne der Verbitterungsstörung mit längerer depressiver Reaktion u.a.

 

Das Gewicht der Brüste betrage links 1,89 kg und rechts 1,48 kg; es bestehe ein Missverhältnis von Körpergröße und Körpergewicht zur Brustgröße. Der BMI betrage 35. Mit der begehrten Operation reduziere sich das Körpergewicht auf 90 Kilo und der BMI auf 34; es läge dann immer noch eine Adipositas vor. Es bestehe ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Größe und Gewicht der Brüste und den Wirbelsäulenveränderungen und der Schultererkrankung. Durch die Operation könne eine Verbesserung der Situation der Wirbelsäule und der Schultererkrankung bewirkt werden. Die Mammareduktionsplastik sei auch geeignet, die Wirbelsäulen- und Schultererkrankung zu reduzieren. Konservative Verfahren zur Behandlung der Beschwerden der Wirbelsäule und der Schulter seien zwar möglich, jedoch bereits ausgeschöpft.

 

Die Beklagte hat anschließend das Gutachten von Frau R. vom MD vom 04.11.2022 zur Gerichtsakte überreicht. Gesichert sei bei der Klägerin nach den Feststellungen des Sachverständigen eine Adipositas Grad II. Diabetes und Bluthochdruck seien mögliche Folgeerkrankungen. Zusätzlich sei der Stütz- und Bewegungsapparat dadurch belastet. Es bestehe aktuell keine Studie mit hohem Evidenzgrad, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen orthopädischen Gesundheitsstörungen und Brustgröße bestätige. Insoweit müsse das Gutachten nicht nachweisen, dass eine Besserung nach Brustverkleinerung eintrete, sondern dass die Beschwerden der Halswirbelsäule und der Brustwirbelsäule allein auf die Brustgröße zurückzuführen seien. Hautreizungen, die einer hautärztlichen Behandlung nicht zugänglich seien, lägen nur dann vor, wenn diese über einen längeren Zeitraum ununterbrochen trotz Wechsel von Therapeutika bestehen blieben. Dies könne aus den vorliegenden Unterlagen nicht bestätigt werden. Die Ptosis (= Hängebrust) Typ IV stelle keine absolute OP-Indikation dar. Die Behandlung der Adipositas Grad II führe zu einer Entlastung des Achsenskeletts und zur Reduzierung der Folgeerkrankungen.

 

X. hat in seiner ergänzende Stellungnahme vom 01.09.2023 mitgeteilt, die ausgeprägte Makromastie sei assoziiert mit schwerwiegenden Beschwerden wie Rücken-, Nacken-, Schulterschmerzen.

 

Anschließend hat der Senat ein orthopädisches Sachverständigengutachten nach § 106 SGG bei dem Facharzt für Orthopädie O. in Auftrag gegeben. O. hat sein Gutachten am 16.11.2023 aufgrund Untersuchung der Klägerin am 14.11.2023 erstattet und folgende Diagnosen gestellt:

 

  • Chronisch muskulärer Schulter- und Nackenschmerz bei Bandscheiben- und Zwischenwirbelgelenksdegeneration C5/6 und geringer C4/5
  • Chronischer thorakaler Rückenschmerz
  • chronisch lumbaler Rückenschmerz ohne radikuläre Symptomatik
  • Pes planus beidseits
  • Hallux valgus beidseits
  • Adipositas

 

sowie fachfremd Makromastie.

 

Die Brustgröße der Klägerin stelle keinen pathologischen Befund dar, sondern sei ein bei einer ausgeprägten Adipositas im Normbereich liegender Körperzustand.  Der Brustumfang sei bestimmt worden und ergebe keine Funktionseinschränkungen. Insbesondere die Wirbelsäulenabschnitte seien frei entfaltbar; auch in der Halswirbelsäule ließen sich keine Einschränkungen nachweisen. Ein auffälliges Missverhältnis von Körpergröße und Körpergewicht einerseits und Brustgröße andererseits könne nicht festgestellt werden. Eine operative Brustverkleinerung könne wegen der Adipositas und fehlender funktioneller Einschränkung der Wirbelsäule als nicht medizinisch notwendig eingeschätzt werden. Die Beschwerden im Bereich der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule sowie der generalisierte Schmerz im Bereich des Bewegungsapparates stünden nicht im Zusammenhang mit der Makromastie. Durch konsequente konservative Behandlung – wie Krankengymnastik, Übungsbehandlung zur Stabilisierung der Rumpfmuskulatur und eine Gewichtsabnahme – sei eine Besserung der Beschwerdesymptomatik erreichbar. Diätetische Maßnahmen seien geeignet, Gewicht zu reduzieren. Diese Behandlungsalternativen seien erfolgversprechend und zumutbar. Insgesamt könne ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Größe und Gewicht der Brüste und einer Wirbelsäulenerkrankung nicht festgestellt werden. Allein durch eine Gewichtsabnahme sei eine deutliche Linderung der Beschwerden erreichbar.  X. habe nicht ausreichend die Adipositas der Klägerin berücksichtigt; der Sachverständige trage zu stark der von der Klägerin vorgetragenen Symptomatik Rechnung. Die funktionellen Einschränkungen seien gering bei altersentsprechenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule.

 

O. hat dann noch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.04.2024 mitgeteilt, Größe und Gewicht habe er abgefragt, die Angaben seien plausibel gewesen und hätten keiner Überprüfung bedurft; eigene Messungen seien insoweit nicht erfolgt. Die Haut der Klägerin sei inspiziert worden, hierbei seien auch die relevanten submammären Hautregionen angesehen worden. Ekzematöse Hautveränderungen hätten sich nicht gefunden. Der Klägerin sei im Untersuchungsverlauf der BH belassen worden. Solche Hautveränderungen seien bei unzureichender Hautpflege plausibel.

 

Den mit anwaltlichem Schriftsatz vom 03.05.2024 gestellten Befangenheitsantrag gegen O. hat der Senat mit Beschluss vom 05.06.2025 zurückgewiesen.

 

Die Klägerin hat sich in der Fachklinik E. aus Münster einer Mammareduktionsplastik beidseitig unterzogen und befand sich hierzu dort in der Zeit vom 19.05.2025 bis zum 21.05.2025 in stationärer Behandlung. Auf Bitten des Senats (Verfügung vom 04.07.2025) hat die Klägerin lediglich eine Kostenaufstellung der Fachklinik E. vom 14.01.2025 über geschätzte Gesamtkosten in Höhe von 7.576,53 EUR überreicht. Aus dem Kostenvoranschlag ergab sich unter anderem als Begründung für einen jeweils erhöhten Faktor (bei Steigerungssätzen von bis zu 6,0), dass es sich um einen ästhetischen Wahleingriff handele.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

A. Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 02.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2021, mit dem die Beklagte die von der Klägerin begehrte Übernahme der Kosten für die Brustverkleinerungen abgelehnt hat. Nachdem sich die Klägerin den operativen Eingriff am 19.05.2025 in der Fachklinik E. selbst beschafft hat, beschränkt sich der Streitgegenstand auf die Erstattung der tatsächlich entstandenen Kosten.

 

B. Die zulässige Berufung ist fristgerecht eingelegt worden. Das Fristende – 23.01.2022 – fiel auf einen Sonntag, sodass die Berufung auch am 24.01.2022 (Montag) noch fristgerecht innerhalb der Monatsfrist (§ 151 Abs. 1 SGG) eingegangen ist; § 64 Abs. 3 SGG.

 

C. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die zulässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 SGG) der Klägerin abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 02.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung der nunmehr geltend gemachten Kosten der selbst beschafften Leistung. Es bestehen insoweit bereits Zweifel an der Zulässigkeit des hier gestellten Berufungsantrags (hierzu unter I.). Jedenfalls besteht der Anspruch materiell-rechtlich nicht, und zwar weder aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V (hierzu unter II.), noch aus der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V (hierzu unter III.).

 

I. Es bestehen schon Bedenken an einem hinreichend bestimmten und damit zulässig gestellten Berufungsantrag; § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 92 Abs. 1 SGG. Ein Kostenerstattungsanspruch hat stets die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zum Inhalt. Es muss grundsätzlich ein bezifferter Zahlungsantrag gestellt und dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt (BSG, Urteil vom 28.01.1999 – B 3 KR 4/98 R –, BSGE 83, 254-266, SozR 3-2500 § 37 Nr 1, Rn. 27). Einen solchen sachdienlichen (bestimmten) Klageantrag sowie einen insoweit hinreichenden Tatsachenvortrag ist die Klägerin jedoch deshalb schuldig geblieben, weil sie lediglich den Kostenvoranschlag zur Gerichtsakte überreicht hat, nicht aber die Schlussrechnung für den Eingriff. Eine konkrete Bezifferung des Forderungsbetrags ist der Klägerin daher nicht gelungen. Auf einen hinreichend bestimmten Berufungsantrag kam es indes nicht an, da bereits die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte Mammareduktionsplastik nicht vorliegen. Der Klägerin war insoweit auch kein Schriftsatznachlass unter Vertagung des Rechtsstreites zu gewähren, und zwar auch nicht angesichts der erst zeitnah vor dem Verhandlungstermin erfolgten Aufforderung des Senats zur Rechnungslegung.

 

II. Der Anspruch auf Kostenerstattung für die nunmehr selbst beschaffte Leistung ergibt sich zunächst nicht aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Danach sind die tatsächlich entstandenen und notwendigen Kosten einer selbst beschafften Leistung durch den Versicherten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Alt. 1) oder die begehrte Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alt. 2). Im Falle der Selbstbeschaffung erledigt sich der Sachleistungsanspruch (§ 39 Abs. 2 SGB X) und wird durch einen Kostenerstattungsanspruch ersetzt (SG Speyer, Urteil vom 13.03.2024 – S 19 KR 450/22 –, Rn. 42, juris; Ulrich, SGb 2021, 280, 284).

 

Der Kostenerstattungsanspruch setzt in jedem Fall voraus, dass der Versicherte einen Primäranspruch auf die entsprechende Dienst- oder Sachleistung hat. Er kann somit die Grenzen des Leistungssystems nicht erweitern, sondern setzt stets einen Leistungsanspruch voraus (zum Ganzen vgl. nur Schiffedecker in BeckOGK, § 13 SGB V, Rn. 75 m.w.N. zur Rspr. d. BSG). Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 39 SGB V (hierzu unter a.) noch aus § 39 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 137c Abs. 1 SGB V (hierzu unter b.).

 

a. Der ursprüngliche Sachleistungsanspruch der Klägerin richtet sich nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB (hier in der Fassung des Hospiz- und Palliativgesetz vom 1.12.2015 (BGBl. I S. 2114) (HPG) – gültig vom 08.12.2015, gültig bis 25.11.2019) in Verbindung mit § 39 SGB V (in der Fassung des Gesetzes zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften vom 18.07.2017 (BGBl. I S. 2757) – gültig vom 29.07.2017, gültig bis 10.05.2019). Diese Voraussetzungen lagen zu keinem Zeitpunkt vor.

 

Der Senat verweist insoweit zunächst auf die Ausführungen des Sozialgerichts Detmold in seinem Urteil vom 11.12.2021 und macht diese zum Gegenstand auch dieser Entscheidung; § 153 Abs. 2 SGG.

 

Auch die noch im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme stützt den Anspruch der Klägerin nicht. Hiergegen spricht das Gutachten von O. vom 14.11.2023 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 12.04.2024. Dessen Gutachten und dessen ergänzende Stellungnahme sind verwertbar (hierzu unter aa.). Der Klägerin ist damit der ihr obliegende Nachweis eines Anspruchs auf Versorgung mit einer Mammareduktionsplastik durch die Beklagte nicht gelungen (hierzu unter bb.).

 

aa. Der Senat kann seine Überzeugungsbildung auf die Ausführungen von O. stützen; materiell-rechtlich Gründe, die auf eine Befangenheit von O. schließen lassen, sind nicht erkennbar. Gemäß § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 406 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 2 ZPO und i.V.m. § 60 Abs. 1 SGG findet die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Entscheidend ist dabei weder die subjektive Sicht des Ablehnenden noch ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist (Bayerisches LSG, Beschluss vom 08.02.2010, L 2 R 513/09 B). Es kommt vielmehr darauf an, ob vom Standpunkt des Beteiligten aus bei vernünftiger Würdigung aller relevanten Umstände Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Sachverständigen ihm gegenüber bei der Gutachtenerstattung zu zweifeln (BSG, Beschluss vom 18.7.2007, B 13 R 28/06 R; LSG NRW, Beschluss vom 02.11.2010, L 8 R 921/10 B; LSG NRW, Beschluss vom 27.11.2012, L 17 U 30/06). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die von der Prozessbevollmächtigten gerügten Befunderhebungen des Sachverständigen sind nicht dazu geeignet, auf eine solche Befangenheit zu schließen. Die Klägerin macht im Wesentlichen für das Befangenheitsgesuch drei Gründe geltend: (1) der Sachverständige habe ihre Brüste nicht in natura in Augenschein genommen, (2) der Sachverständige habe nicht selbst eine Volumen- und Gewichtsbestimmung vorgenommen und (3) der Sachverständige habe nicht alle relevanten Hautregionen geprüft. Auch aus der im Übrigen noch geltend gemachte Rüge, der Sachverständige habe die ekzemtösen Hautveränderungen auf eine fehlerhafte Hautpflege durch die Klägerin zurückgeführt, kann der Senat keinen Rückschluss auf eine Befangenheit des Sachverständigen O. ziehen. Diese Feststellungen sind schon nicht geeignet, auf eine Voreingenommenheit zu schließen. Auch stehen die unterlassenen Befunderhebungen einer Verwertung seiner gutachterlichen Antworten auf die Beweisfragen nicht entgegen.

 

bb. Unter Berücksichtigung der Ausführungen von O. gelingt der Klägerin der ihr obliegende Nachweis eines Anspruchs auf Versorgung mit einer Mammareduktionsplastik nicht, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung des Gutachtens von X..

 

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt mithin das Vorliegen einer behandlungsbedürftige Krankheit voraus. Damit wird nach der Rechtsprechung des BSG ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004, B 1 KR 3/03 R, BSGE 93, 252). Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten; § 12 Abs. 1 SGB V. Eine Mammahypertrophie als solche hat dabei dann keinen Krankheitswert im krankenversicherungsrechtlichen Sinn, solange mit ihr keine Funktionsmängel einhergehen bzw. sie zu körperlichen Beschwerden führt (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R; LSG NRW, Urteil vom 16.10.2024 – L 11 KR 808/20 –, Rn. 50, juris). Für eine organisch kranke Brust bestehen hier keine Anhaltspunkte.

 

Wird im Rahmen einer mittelbar ansetzenden Operation jedoch in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, bedarf es hierzu einer besonderen Rechtfertigung (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2003, B 1 KR 1/02 R, Orientierungssatz 2). Dabei sind Art und Schwere der Erkrankung, das Risiko und der Nutzen der Therapie gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen des Abwägungsvorgangs ist von Bedeutung, ob es sich bei der Operation um die Ultima Ratio, d.h., um die letzte Möglichkeit handelt (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2003, B 1 KR 1/02 R; Rn. 21, juris). Der Begriff der Ultima Ratio als rechtlicher Aspekt der Erforderlichkeit ist jedoch nicht in dem Sinne zu verstehen, dass zunächst stets alle anderen (denkbaren) Behandlungsmöglichkeiten bis zum Ende ausgeschöpft sein müssen und als einzige Therapieoption am Ende nur noch eine - ein gesundes Organ betreffende - Operation verbleibt. Das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) fordert, dass nach dem gesicherten Stand der medizinischen Erkenntnisse, also der bestverfügbaren Evidenz, in medizinischen Fachkreisen Konsens über die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der geltend gemachten Leistung bestehen muss. Sofern Nutzen und Zweckmäßigkeit einer Methode im Grunde anerkannt sind, gebieten es Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot, den Weg des gesicherten Nutzens zu wählen und Gesundheitsgefahren für die Versicherten soweit wie möglich auszuschließen. Dies erfordert eine Abwägung von Chancen und Risiken der in Rede stehenden Operation (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 22.06.2022, B 1 KR 19/21 R, Rn. 21). Dies deckt sich im Übrigen auch mit der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des erkennenden Senats (LSG NRW, Urteil vom 24.06.2004 – L 5 KR 129/03 –, Rn. 19, juris), denn der erkennende Senat hat dort in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.02.2003, B 1 KR 1/02 R) eine Versorgung nur dann anerkannt, wenn zur gerichtlichen Überzeugung ausnahmsweise allein Größe und Form der Mammae als behandlungsbedürftiger Körperzustand einen Eingriff zur Bekämpfung der auf orthopädischem Gebiet liegenden Krankheit – im Sinne einer Ultima-Ratio-Situation – rechtfertigen.

 

Die vorstehenden Voraussetzungen für eine stationär durchzuführende Mammareduktionsplastik sind im Fall der Klägerin nach der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren zur Überzeugung des Senats (§ 128 Abs. 1 SGG) nicht erfüllt. Die Mammareduktionsplastik stellt nach den Feststellungen des Sachverständigen O. – denen der Senat folgt – nicht die Ultima Ratio, auch nicht im Sinne der zuletzt durch das BSG modifizierten Voraussetzungen, dar.

 

Es steht danach nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die beantragte Operation zur Beseitigung einer schwerwiegenden Erkrankung des Bewegungsapparates notwendig ist. Es ist schon zweifelhaft, ob die Klägerin den Nachweis erbracht hat, dass eine schwerwiegende Erkrankung des Bewegungsapparates vorliegt. O. hat hinsichtlich des Halte- und Stützapparats der Klägerin lediglich folgende Diagnosen gestellt:

 

  • chronisch muskulärer Schulter- und Nackenschmerz bei Bandscheiben- und Zwischenwirbelgelenksdegeneration C5/6 und geringer C4/5,
  • chronischer thorakaler (= Brustwirbelsäule) Rückenschmerz und
  • chronisch lumbaler Rückenschmerz ohne radikuläre Symptomatik.

 

Dabei hat der Sachverständige ausdrücklich festgestellt, dass die Wirbelsäulenabschnitte frei entfaltbar sind und sich auch in der Halswirbelsäule keine Einschränkungen nachweisen lassen. Der Senat kann diese Frage aber auch offenlassen, da jedenfalls eine wesentliche Ursächlichkeit zwischen Brustumfang, -größe und -beschaffenheit und Einschränkungen im Bewegungs- und Stützapparat nicht vorliegt. Bei dem Befund der Brustgröße handelt es sich schon für sich genommen um keinen pathologischen Befund, sondern ist ein bei einer ausgeprägten Adipositas im Normbereich liegender Körperzustand. Gerade wegen der Mitursache der Adipositas für eine funktionelle Einschränkung der Wirbelsäule hat O. eine operative Brustverkleinerung als nicht medizinisch notwendig eingeschätzt. Diese Einschätzung ist angesichts eines BMI von 35 (auch nach Operation noch ein BMI von 34), was einer Adipositas Grad II entspricht, plausibel. Deshalb folgt der Senat auch der Einschätzung, dass die Beschwerden der Klägerin im Bereich der Hals-, Brust und Lendenwirbelsäule sowie der generalisierte Schmerz im Bereich des Bewegungsapparates gerade nicht im Zusammenhang mit der Makromastie, sondern vielmehr mit der Adiposität stehen.

 

Der Senat sieht auch keine Unverwertbarkeit dieser Feststellung von O., weil dieser erwiesenermaßen keine eigenen Messungen der Brust der Klägerin vorgenommen und im Übrigen der Klägerin auch den BH belassen hat. Zum einen ist die Bewertung der wesentlichen Ursache für die Bewegungsbeeinträchtigung der Klägerin im Bereich der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule in Form der Adipositas nicht von der Messung und Inaugenscheinnahme der Brust abhängig. Zum andern durfte der Orthopäde O. die vorangegangenen Messungen der Größe und des Gewichts der Brust auch ohne eigene Befunderhebung verwerten und musste die Brust auch nicht vollständig und unbekleidet selbst in Augenschein nehmen; hierzu lag in den Akten auch eine entsprechend auswertbare Fotodokumentation vor. Eine wesentliche Veränderung der so dokumentierten Situation, die eine Neuerhebung des Befundes der Brüste notwendig gemacht hätte, ist weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich. Als Orthopäde liegt eine Vermessung einer Brust auch nicht in seinem Fachbereich.

 

Des Weiteren hat O. ausdrücklich einer Ultima-Ratio-Situation entgegenstehende Feststellungen getroffen. Durch konsequente konservative Behandlung – wie Krankengymnastik, Übungsbehandlung zur Stabilisierung der Rumpfmuskulatur und Gewichtsabnahme – ist danach eine Besserung der Beschwerdesymptomatik erreichbar. Diätetische Maßnahmen sind ebenfalls geeignet, das Gewicht zu reduzieren. Diese Behandlungsalternativen sind auch erfolgversprechend und der Klägerin zumutbar. Auch wenn die Klägerin nach ihren gegenüber den Sachverständigen X. getätigten Aussagen Krankengymnastik in Eigenregie praktiziert und sich in Form von Nordic Walking sowie Radfahren sportlich betätigt, hat sie diätische Maßnahmen bislang noch nicht in hinreichendem Maße durchgeführt. Daneben hat jedenfalls O. keinen wesentlichen altersvorauseilenden Verschleiß im Bereich der Wirbelsäule und zudem eine freie Entfaltbarkeit der Wirbelsäule festgestellt. Auf der Grundlage dieser Gegebenheiten konnte sich der Senat nicht die Überzeugung davon verschaffen, dass der Nutzen der durchgeführten Mammareduktionsplastik im Sinne der Rechtsprechung des BSG die damit verbundenen Risiken überwogen hat.

 

Eine OP-Indikation ergibt sich auch nicht aus etwaigen Hautreizungen. Der Senat folgt auch hier den Ausführungen von O., auch wenn dieser die Brust der Klägerin nicht vollständig entkleidet begutachtet hat. O. hat plausibel erklärt, dass er die Brust der Klägerin auch mit BH hinreichend auf Hautveränderungen untersuchen konnte. Insbesondere konnte der Sachverständige trotzt angelegtem BH die relevanten submammären Hautregionen hinreichend genau inspizieren. Hinreichend gravierende Hautirritationen sind weder festgestellt noch von der Klägerin vorgetragen. Hautreizungen sind regelhaft einer hautärztlichen Behandlung zugänglich. O. hat schon schwerwiegendere Hauterkrankungen – wie bspw. ekzematöse Hautveränderungen – nicht feststellen können und auch darauf verwiesen, dass – sollten solche auftreten – schon allein mit einer normalen und insoweit ausreichenden Hautpflege behandelt werden können.

 

Psychische Beschwerden – wie das Sozialgericht Detmold bereits zutreffend ausgeführt hat – sind ausschließlich mit den Mitteln der Psychotherapie zu behandeln und können keinen Anspruch auf eine operative Brustverkleinerung rechtfertigen (BSG, Urteil vom 28.02.2008, B 1 KR 19/07 R, Rn. 16). Eine entstellende Wirkung im Hinblick auf die Brüste kann der Senat – auch mit Blick auf die Fotodokumentation – nicht erkennen. Allein eine Asymmetrie jedenfalls reicht für eine solche Annahme nicht aus. Auch diesbezüglich verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Detmold in seinem Urteil vom 11.12.2021 und macht auch diese zum Gegenstand auch dieser Entscheidung; § 153 Abs. 2 SGG.

 

Weiter konnte der Senat auch nicht die hinreichende Überzeugung des Nachweises des Sachleistungsanspruchs aus dem Gutachten nach § 109 SGG von X. vom 04.10.2022 unter Berücksichtigung von dessen ergänzender Stellungnahme vom 01.09.2023 gewinnen. O. ist der Einschätzung des Sachverständigen, der einen ursächlicher Zusammenhang zwischen Größe und Gewicht der Brüste und den Wirbelsäulenveränderungen und Schultererkrankung bejaht hatte, derart entgegengetreten, dass der Senat eine Gewissheit dieses Ursachenzusammenhangs nicht erlangen konnte. Die Klägerin leidet neben der Gigantomastie beidseits mit Ptosis (= Hängebrust) Typ IV auch unter einer Adipositas Grad II mit einem BMI von 35. Hierzu hat O. ausdrücklich mitgeteilt, dass X. nicht ausreichend die Adipositas der Klägerin berücksichtigt hat und der Sachverständige zu stark der von der Klägerin vorgetragenen Symptomatik Rechnung trägt. Auch hat O. mitgeteilt, dass schon die funktionellen Einschränkungen bei altersentsprechenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule gering sind. Der Senat kann daher dem Gutachten von X. im Sinne einer notwendigen Überzeugungsbildung nicht folgen.

 

Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass es auf den Stand der Wissenschaft schon deshalb nicht ankommt, da der Klägerin mit der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren der ihr obliegende Nachweis gerade nicht gelungen ist.

 

b. Der ursprünglich geltend gemachte Anspruch ergibt sich des Weiteren auch nicht aus § 39 Ab. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 137c Abs. 1 SGB V. Nach § 39 Ab. 1 Satz 1 SGB V umfasst die Krankenhausbehandlung auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Abs. 1 SGB V getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Ihre Anwendung muss nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgen, also medizinisch indiziert und notwendig sein; vgl. auch § 137c Abs. 3 Satz 1 SGB V. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach § 137c Abs. 1 Satz 1 SGB V gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach § 137c Abs. 1 SGB V noch nicht abgeschlossen ist (§ 137c Abs. 3 Satz 2 SGB V).

 

Ein solcher Anspruch scheidet schon deshalb aus, weil grundsätzlich eine leitliniengerechte Behandlung nach der BSG-Rechtsprechung zur Brustverkleinerung existiert, der Klägerin aber letztlich der Nachweis des notwendigen ursächlichen Zusammenhangs zwischen Größe und Gewicht der Brüste und den Wirbelsäulenveränderungen und Schultererkrankung nicht gelungen ist.

 

III. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus den Regelungen über die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V; hier dann aus § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V (in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung vom 15.11.2019 (BGBl. I S. 1604); gültig ab 01.09.2020).

 

Unter ausdrücklicher Aufgabe seiner Rechtsprechung hat der 1. Senat des BSG (BSG, Urteil vom 26.05.2020 - B 1 KR 9/18 R - BSGE 130, 200 ff. = SozR 4-2500 § 13 Nr. 53) entschieden, dass eine fingierte Genehmigung keinen eigenständigen Sachleistungsanspruch begründet. Eine Genehmigungsfiktion vermittelt dem Versicherten vielmehr nur eine vorläufige Rechtsposition („sui generis“), die es ihm erlaubt, sich die Leistung selbst zu beschaffen (vgl. auch Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 5. Aufl., § 13 SGB V (Stand: 30.04.2025), Rn. 145). Daher ergeben sich die Voraussetzungen für die Genehmigungsfiktion alleine aus den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V und nicht aus den Voraussetzungen des Naturalleistungsanspruchs (vgl. auch bei Mrozynski, SGb 2022, 202).

 

Nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V ist die Krankenkasse zur Erstattung der Kosten verpflichtet, die dadurch entstandenen sind, dass sich der Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist i.S.v. § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eine erforderliche Leistung selbst beschafft. § 13 Abs. 3a Satz 6  SGB V wiederum regelt, dass die Leistung nach Ablauf der Frist insb. i.S.d. § 13 Abs. 3a Satz 1  SGB V als genehmigt gilt, wenn keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die Nichteinhaltung der Frist (§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V) erfolgt. Einschränkend kommt eine Kostenerstattung aber nur insoweit in Betracht, wenn der Versicherte die begehrte Leistung für erforderlich halten durfte – also gutgläubig im Hinblick auf die begehrte Leistung ist – und diese nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag.

 

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar steht grundsätzlich eine die beantragte Leistung ablehnende Entscheidung der Krankenkasse der Selbstbeschaffung nicht entgegen (hierzu unter a.). Der Senat kann jedoch schon kein Fristversäumnis nach der Fristenregelung des § 13 Abs. 3a Satz 1 i.V.m. den Sätzen 2 und 3 SGB V erkennen (hierzu unter b.).

 

a. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 02.12.2020 steht der Selbstbeschaffung nicht entgegen. Das BSG hat in seiner die Genehmigungsfiktion konturierenden Leitentscheidung zwar entscheiden, dass die Krankenkasse weiterhin berechtigt und verpflichtet ist, über den gestellten Antrag zu entscheiden und damit das laufende Verwaltungsverfahren abzuschließen (BSG, Urteil vom 26.05.2020 – B 1 KR 9/18 R –, LS. 4). Das durch die Genehmigungsfiktion begründete Recht der Versicherten auf Selbstbeschaffung der beantragten Leistung auf Kosten der Krankenkasse endet jedoch erst, wenn über den materiell-rechtlichen Leistungsanspruch bindend entschieden oder sich der Antrag anderweitig erledigt hat (BSG, Urteil vom 26.05.2020 – B 1 KR 9/18 R –, LS. 5). Das Selbstbeschaffungsrecht endet daher insbesondere erst dann, wenn ein Gericht eine diesbezügliche Anfechtungs- und Leistungsklage rechtskräftig abgewiesen hat (BSG, Urteil vom 26.05.2020 – B 1 KR 9/18 R, Rn. 27; so auch Mrozynski, SGb 2022, 202, 203).

 

b. Die Beklagte hat schon die einschlägigen Fristen eingehalten. Nach § 13 Abs. 3а Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten; § 13 Abs. 3а Satz 2 SGB V. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung; § 13 Abs. 3а Satz 2 SGB V.

 

Die Klägerin hat die begehrte Leistung am 19.11.2020 (Donnerstag) beantragt. Der Antrag ist am 19.11.2020 bei der Beklagten eingegangen. Für die Fristenberechnung gelten die zivilrechtlichen Regelungen analog; also §§ 187, 188 BGB analog. Damit begann die dreiwöchige Frist nach Antragseingang i.S.d. § 13 Abs. 3а Satz 1 SGB V am Donnerstag am darauffolgenden Freitag, 20.11.2020, 00:00 Uhr und endete daher erst am Donnerstag, 10.12.2020, 24:00 Uhr. Die Beklagte hat der Klägerin zunächst bereits unmittelbar nach Einschaltung des MDK am 21.11.2020 hiervon Nachricht gegeben und hat im Übrigen den Antrag der Klägerin bereits mit Bescheid vom 02.12.2020 (Mittwoch) beschieden. Der Bescheid ist der Klägerin laut Sendungsinformation am 04.12.2020 – also innerhalb der dreiwöchigen Frist (§ 13 Abs. 3а Satz 1 SGB V) – zugestellt worden.

 

D. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

 

E. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

 

 

Rechtskraft
Aus
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