L 2 BA 677/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 21 BA 4581/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 BA 677/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. November 2023 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 83.305,68 Euro festgesetzt.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nach einer Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.12.2019 in Höhe von 83.305,68 Euro im Zusammenhang mit der Beurteilung des Status des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin.

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft (KG), deren Komplementärin die J1 GmbH (GmbH) ist. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen sowie die damit vereinbaren Tätigkeiten gemäß § 33 i. V. m. § 57 Abs. 3 Steuerberatungsgesetz (StBerG), einschließlich der Treuhandtätigkeit (vgl. Auszug aus dem Handelsregister, Bl. 9 VerwA).

Der Beigeladene zu 1. ist Steuerberater und war zunächst ab Mai 2004 in der Einzelkanzlei des heutigen Geschäftsführers der GmbH T1 J1 (T.J.) im Angestelltenverhältnis tätig. Mit Bescheid vom 31.10.2005 befreite die Beklagte ihn aufgrund Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ab 03.03.2005 für diese Tätigkeit als Steuerberater von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI, Bl. II 48 VerwA).

Seit Gründung der Klägerin im April 2010 ist der Beigeladene zu 1. -  wie auch T.J. - Kommanditist der Klägerin und zum Geschäftsführer der GmbH bestellt. Nach dem Gesellschaftsvertrag über die Errichtung der Klägerin vom 28.04.2010 (GV KG, Bl. 80 VerwA, Bl. 18 SG-Akte) beträgt das Gesellschaftskapital 20.000,00 Euro. Die Komplementärin, die GmbH, erbringt keine Einlage. Die Einlagen der Kommanditisten betragen nach § 5 Abs. 1 bis 3 GV KG 14.000,00 Euro (70%, T.J.) und 6.000,00 Euro (30%, Beigeladener zu 1.). Die Gesellschafter verpflichten sich gegenseitig, ihre volle Arbeitskraft der Klägerin bzw. der GmbH zur Verfügung zu stellen. Sämtliche Nebentätigkeiten bedürfen der Zustimmung der übrigen Gesellschafter (§ 6 Abs. 3 GV KG). Jeder Gesellschafter hat eine wöchentliche Arbeitszeit von 50 Stunden zu erbringen. Die Kernarbeitszeit beginnt um 8:30 Uhr und endet um 17.00 Uhr mit einer Stunde Mittagspause. Während der Kernarbeitszeit müssen alle Gesellschafter anwesend sein (§ 6 Abs. 4 GV KG). Zur Geschäftsführung ist die Komplementärin berechtigt und verpflichtet (§ 10 GV KG). Die Gesellschaft wird durch die Komplementärin vertreten. Die Komplementärin selbst bzw. ihre Geschäftsführer sind von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreit (§ 11 Abs. 1 GV KG). Beschlüsse der Gesellschafter werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag nicht eine andere Mehrheit vorschreibt. Je 100,00 Euro des Einlagenkontos gewähren eine Stimme. Die Komplementärin hat mangels Kapitalanteil an der Klägerin kein Stimmrecht (§ 12 Abs. 4, 5 GV KG). Eines einstimmigen Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf es insbesondere für die in § 12 Abs. 7 GV KG im Einzelnen aufgeführten Entscheidungen, u.a. die Entziehung von Geschäftsführer- und Vertretungsbefugnis, die Änderung des Geschäftsumfangs oder des Geschäftsbetriebs und die Anschaffung und Veräußerung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Wert von mehr als 1.000,00 Euro im Lauf eines Geschäftsjahrs. Die GmbH erhält als Haftungs- und Geschäftsführervergütung eine Vergütung in Höhe von 5% ihrer Hafteinlage, die ihr auch im Verlustfall zusteht. Vom (nach Buchung von Sondervergütungen gemäß § 5 GV KG) verbleibenden Gewinn erhält T.J. eine Tätigkeitsvergütung von 189.000,00 Euro und der Beigeladene zu 1. eine Tätigkeitsvergütung von 81.000,00 Euro. Diese werden als Betriebsausgabe gebucht und stehen den Gesellschaftern auch dann zu, wenn der Gewinn vor Abzug der Tätigkeitsvergütungen hierzu nicht ausreicht. Die Tätigkeitsvergütung des Beigeladenen zu 1. soll sich erstmals ab dem Geschäftsjahr 2011 um jährlich 7.500,00 Euro erhöhen, bis ein Gesamterhöhungsbetrag von insgesamt 36.000,00 Euro erreicht ist (§ 14 Abs. 3 GV KG). Der nunmehr verbleibende Restgewinn oder Verlust wird im Verhältnis 70% an T.J. und 30% an den Beigeladenen zu 1. verteilt und nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafter ausgezahlt oder auf neue Rechnung vorgetragen, worüber die Gesellschafter einstimmig entscheiden. Die Vorabentnahmen für das jeweilige Wirtschaftsjahr sind gegenzurechnen (§ 14 Abs  4 GV KG). Der Gesellschafter T.J. darf monatlich 15.750,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer (USt.) auf seine Vergütungen bis zum Monatsende zu Lasten seines Kapitalkontos entnehmen, der Beigeladene zu 1. monatlich 6.750,00 Euro (§ 15 GV KG). Kann ein Gesellschafter infolge Erkrankung seine Arbeitskraft der Gesellschaft nicht zur Verfügung stellen, bleibt dessen Gewinnbeteiligung auf die Dauer von drei Monaten, beginnend mit dem ersten Tag der Erkrankung bestehen. Nach Ablauf von drei Monaten sind die übrigen Gesellschafter berechtigt, einen Vertreter einzusetzen, dessen Kosten den Gewinnanteil des erkrankten Partners mindern (§ 19 Abs. 2 GV KG).

Die Komplementärin (GmbH) wurde aufgrund Gesellschaftsvertrag vom 19.12.1986 (GV GmbH, vgl. Handelsregisterauszug Bl. 10 VerwA) errichtet. Zum 07.05.2010 wurde der Beigeladene zu 1. neben T.J. als Geschäftsführer ins Handelsregister eingetragen, mit Einzelvertretungsberechtigung und Befreiung von § 181 BGB. Aufgrund Gesellschafterbeschlusses vom 28.04.2010 wurde das Stammkapital auf 26.000,00 Euro vereinbart. Von diesem halten T.J. 18.200,00 Euro (entspricht 70%) und der Beigeladene zu 1. 7.800,00 Euro (entspricht 30%; Bl. I 25 VerwA). Mit Gesellschafterbeschluss vom 23.04.2015 erfolgte erneut eine Änderung des Gesellschaftsvertrags und die Tochter des T.J., Frau J2 J1-P1 (J.P.), wurde als weitere Geschäftsführerin bestellt (Bl. 40 VerwA). Gegenstand der GmbH ist die Übernahme der persönlichen Haftung sowie der Geschäftsführung für andere Steuerberatungsgesellschaften, insbesondere der Klägerin. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag nicht eine andere Mehrheit vorschreibt. Je 100,00 Euro Geschäftsanteil gewähren eine Stimme. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH (Komplementärin) enthält wie der Gesellschaftsvertrag der Klägerin (GV KG) einen Katalog an Entscheidungen, für die Einstimmigkeit erforderlich ist und der dem Katalog im GV KG entspricht.

Vom 20.05.2019 bis 23.07.2020 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.12.2019 durch. Im Feststellungsbogen (Bl. I 43 VerwA) gab der Beigeladene zu 1. u.a. an, dass er ausschließlich im Rahmen des Gesellschaftsvertrags zur Mitarbeit verpflichtet sei und eine Regelung der Mitarbeit in einem besonderen Arbeitsvertrag oder Dienstvertrag nicht bestehe. Einem Weisungsrecht der Gesellschaft unterliege er nicht. Er könne seine Tätigkeit in der Gesellschaft bestimmen und gestalten. Urlaub müsse er nicht genehmigen lassen. Er erhalte eine monatliche Vergütung von 7.250,00 EUR zuzüglich 19% USt. Lohnsteuer hierauf werde nicht entrichtet. Die Verbuchung der Vergütung erfolge als Betriebsausgabe. Er sei mit 30 % am Restgewinn beteiligt.

Mit Schreiben vom 06.03.2020 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin als abhängige Beschäftigung sowie der daraus folgenden Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 83.305,68 Euro an.

Im Rahmen der Anhörung wies der Klägervertreter u.a. darauf hin, dass der Beigeladene zu 1. bereits 2005 für seine Tätigkeit als Steuerberater von der Rentenversicherungspflicht befreit worden sei. Zudem bestehe kein Abhängigkeitsverhältnis mit der Gesellschaft. Der Beigeladene zu 1. beziehe sein Einkommen allein aus der Beziehung zur Klägerin. Hier sei in § 14 GV KG geregelt, dass er am Gewinn und Verlust beteiligt sei, er trage daher Unternehmerrisiko.

Mit Bescheid vom 03.08.2020 (Bl. I 1 VerwA) stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1. seine Tätigkeit bei der Klägerin seit dem 10.05.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Sie erhob für die Zeit vom 01.01.2015 bis 31.12.2019 eine Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 83.305,68 Euro. Die im Rahmen der Anhörung gemachten Angaben der Klägerin führten zu keiner neuen sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH grundsätzlich dann abhängig beschäftigt, wenn sie funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teilhätten, für ihre Beschäftigung ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhielten und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft hätten, also weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine umfassende Sperrminorität verfügten. Aufgrund der nicht umfassenden Sperrminorität des Beigeladenen zu 1. und der fehlenden Rechtsmacht an der Klägerin sowie der GmbH könne der Beigeladene zu 1. nicht alle Beschlüsse der anderen Gesellschafter verhindern und somit keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben. Dies spreche für eine persönliche Abhängigkeit und damit grundsätzlich für eine abhängige Beschäftigung. Die dem Beigeladenen zu 1. mit Bescheid vom 31.10.2005 als abhängig beschäftigtem Steuerberater nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht stehe dem nicht entgegen. Das Tätigkeitsfeld des Beigeladenen zu 1. habe sich vom angestellten Steuerberater zum Gesellschafter-Geschäftsführer eines Steuerberatungsbüros wesentlich geändert, was einen neuen Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht erforderlich gemacht hätte.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 20.08.2020 Widerspruch (Bl. II 1 VerwA). Zur Begründung führte sie u.a. aus, dass die Entscheidung der Beklagten das in der Satzung der Klägerin enthaltene Einstimmigkeitsprinzip außer Acht lasse. Maßgebliche, die Geschicke der Gesellschaft betreffende Entscheidungen müssten im Konsens getroffen werden. Die Rechtsprechung des BSG zum Befreiungstatbestand „Berufsträger" werde nicht berücksichtigt. Es liege ein Unternehmerrisiko vor. U.a. erhalte der Minderheitsgesellschafter im Krankheitsfall keine Entgeltfortzahlung. Zudem gelte die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 31.10.2005 nach wie vor, da der Beigeladene zu 1. weiterhin als Steuerberater tätig sei.

Auf Antrag der Klägerin setzte die Beklagte die Vollziehung der festgesetzten Beitragsforderung aufgrund der bestehenden wirtschaftlichen Härten für die Klägerin infolge der Coronapandemie aus (vgl. Schreiben vom 01.09.2020, Bl. II 8 VA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2020 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück (Bl. II 58 VerwA).

Hiergegen hat die Klägerin am 23.12.2020 Klage erhoben und zunächst den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend dazu ausgeführt, der Minderheitsgesellschafter nehme aufgrund des vorliegenden Einstimmigkeitskatalogs auf alle für die Gesellschaft maßgeblichen Themen Einfluss. Durch sein Stimmverhalten könne er ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern. Die Beklagte setze sich mit den Themen, die dem Einstimmigkeitsprinzip unterworfen seien, nicht auseinander. Der vorliegende, nicht abschließende Einstimmigkeitskatalog in den Gesellschaftsverträgen decke die gesamte Unternehmenstätigkeit ab. Der Minderheitsgesellschafter trage aufgrund seiner Beteiligung an Gewinn und Verlust ein unternehmerisches Risiko. In § 14 des GV KG werde zwar der Begriff einer „Tätigkeitsvergütung" genannt, de facto gebe es eine solche aber nicht. Denn die Entnahme, möge sie auch regelmäßig erfolgt sein, sei zu Lasten des Kapitalanteils des Gesellschafter-Kommanditisten erfolgt. Falls die unterjährigen Entnahmen höher als der im maßgeblichen Wirtschaftsjahr erwirtschaftete Gewinn seien, weise die Bilanz in Höhe der zu viel entnommenen Beträge eine Forderung der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern aus. Im Wirtschaftsjahr 2011 sei dies tatsächlich der Fall gewesen. Die „Vergütung" stehe daher den Gesellschaftern nicht endgültig zu und verbleibe nicht bei diesen. Würde eine „echte" Tätigkeitsvergütung vorliegen, welche nicht zurückgezahlt werden müsse, würde keine Forderung gegenüber den Gesellschaftern ausgewiesen werden, sondern ein negatives Kapitalkonto. § 14 Abs. 4 GV KG bestimme zudem ausdrücklich, dass Vorabentnahmen für das jeweilige Wirtschaftsjahr der beschlossenen Gewinnauszahlung gegenzurechnen seien. Das bedeute, dass der Gewinn, so denn einer entstehe, nicht on top auf die unterjährigen Entnahmen hinzugerechnet werde, sondern die Obergrenze der möglichen Jahresentnahme darstelle. Nach § 6 Abs. 3 des GV KG seien die Kommanditisten verpflichtet, ihre volle Arbeitskraft der Gesellschaft (Klägerin) zur Verfügung zu stellen, so dass eine unmittelbare Kausalität zwischen dem Gesellschaftsvertrag und dem betroffenen Gesellschafter hergestellt sei, ohne dass es eines irgendwie gearteten Dienstvertrags bedürfe. Im Übrigen gelte die von der Beklagten ausgesprochene Befreiung des Beigeladenen zu 1. von der Rentenversicherungspflicht weiter.

Mit Beschluss vom 24.02.2021 hat das SG den Beigeladenen zu 1., die zuständige Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren beigeladen.

Das SG hat am 09.02.2023 mit den Beteiligten einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. Hier hat der Beigeladene zu 1. u.a. angegeben, dass es keinen Geschäftsführervertrag gebe. Es gebe nur die Gesellschaftsverträge mit der der Klägerin und deren Komplementärin. Die Beklagte hat auf Nachfrage u.a. dargelegt, dass als potentieller Arbeitgeber die Klägerin und nicht die deren Komplementärin angesehen werde, da sich das zum einen aus der Vertretungsregelung ergebe. Die Klägerin werde durch die Komplementärin als Geschäftsführerin vertreten, so dass die Geschäftsführer der GmbH (= die Komplementärin) mittelbar die GmbH & Co. KG (=die Klägerin) vertreten. Zudem sei die Vergütung von der GmbH & Co. KG gezahlt worden. In § 14 Abs. 3 der Satzung der GmbH & Co. KG sei aus Sicht der Beklagten vereinbart, dass die festen Tätigkeitsvergütungen auch dann zustünden, wenn der Gewinn vorab hierfür nicht ausreiche. Dies bringe nach Auffassung der Beklagten zum Ausdruck, dass es sich hier nicht um eine Gewinnbeteiligung der Kommanditisten handle, die lediglich vorab ausgezahlt werde, sondern um eine feste Vergütung. Nach Auffassung der Beklagten sei dies der entscheidende Punkt im vorliegenden Verfahren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen (Bl. 65 SG-Akte).

Mit Schreiben vom 28.03.2023 (Bl. 72 SG-Akte) hat der Klägervertreter nochmals drauf hingewiesen, dass es keinen separaten Geschäftsführervertrag gebe. Zur Vergütung hat er erneut ausgeführt, dass in § 14 des GV KG zwar der Begriff „Tätigkeitsvergütung" genannt werde, de facto gebe es eine solche aber nicht. Denn die Entnahme, möge sie auch regelmäßig erfolgt sein, sei zu Lasten des Kapitalanteils des Gesellschafters-Kommanditisten erfolgt. Falls die unterjährigen Entnahmen höher als der im maßgeblichen Wirtschaftsjahr erwirtschaftete Gewinn gewesen sei, weise die Bilanz in Höhe der zu viel entnommenen Beträge eine Forderung der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern aus. Wie sich aus den in der Anlage beigefügten Unterlagen ergebe, sei dies im Wirtschaftsjahr 2011 tatsächlich der Fall gewesen. Der Auszug aus der Bilanz 2011 zeige, dass die „Vergütung" den Gesellschaftern nicht endgültig zustehe und nicht bei diesen verbleibe.

Mit Schreiben vom 25.07.2023 (Bl. 88 SG-Akte) hat die Beklagte weiter ausgeführt, man gehe auch weiterhin davon aus, dass die Tätigkeitsvergütung des Beigeladenen zu 1. nach § 14 Abs. 3 GV KG gewinnunabhängig gezahlt worden sei; dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des 2. Satzes. Dabei spiele es nach Auffassung der Beklagten auch keine Rolle, dass im Jahr 2011 Rückforderungen gegen den Beigeladenen zu 1. geltend gemacht worden seien, da diese vom Gewinnvorab gedeckt gewesen seien. Ausweislich der Rechnung vom 30.12.2018 habe eine entsprechende Vergütung für Geschäftsführertätigkeiten auch vom Beigeladenen zu 1. gegen die Klägerin geltend gemacht werden können. Hinsichtlich der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei festzustellen, dass der Bestandsschutz für Altbescheide vor dem 31.10.2012 dann nicht mehr gelte, wenn irrtümlich von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen worden sei und während einer Betriebsprüfung (nachträglich) Versicherungspflicht auf Grund abhängiger Beschäftigung festgestellt werde.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.11.2023 (Bl. 109 SG-Akte) haben die Vertreter der Klägerin nochmals darauf hingewiesen, dass die Vorschrift zur Tätigkeitsvergütung in § 14 Abs. 3 GV KG in Zusammenhang mit der Vorschrift des § 14 Abs. 4 letzter Satz GV KG zu lesen sei. Die Tätigkeitsvergütung gem. Abs. 3 werde nur vorläufig in dieser Höhe ausgezahlt, müsse jedoch am Schluss gegengerechnet werden. Im Falle eines nicht hinreichenden Gewinns der Gesellschaft, wie dies etwa 2011 der Fall gewesen sei, müsse der zu viel gezahlte Betrag vom Kommanditisten zurückgezahlt werden. Zudem sei etwa auch im Jahr 2012 die Tätigkeitsvergütung für mehrere Monate nicht ausgezahlt worden, da die finanzielle Lage der Klägerin dies zu dieser Zeit nicht hergegeben habe. Seitens der Gesellschafter der Klägerin sei die Regelung in Abs. 3 immer so verstanden worden, dass lediglich eine vorläufige Auszahlung in dieser Höhe gewollt gewesen sei.

Das SG hat sodann aufgrund mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 29.11.2023 den Bescheid der Beklagten vom 03.08.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2020 aufgehoben. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Der Beigeladene zu 1. habe seine Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 01.01.2015 bis 31.12.2019 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt und damit nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen.
Zunächst sei zu beachten, dass die Gesellschafterstellung ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ebenso wenig wie die Tatsache ausschließe, dass die Klägerin als solche keine juristische Person sei, sondern bei ihr Träger der Rechte die Gesellschafter seien.
Weiter sei maßgeblich für die Tätigkeit eines in einer Kommanditgesellschaft mitarbeitenden Kommanditisten die Abgrenzung zur Mitunternehmereigenschaft. Sei der Kommanditist in seiner ausgeübten Tätigkeit selbst handelnder Mitunternehmer, könne er nicht in derselben Tätigkeit versicherungspflichtig beschäftigt sein. Denn er erbringe in diesem Fall die Leistung/Tätigkeit auch für sich selbst, er sei dann nicht in ein für ihn fremdes Unternehmen eingebunden und weisungsabhängig, sondern in sein eigenes und trage in der Tätigkeit unmittelbar als Gesellschafter das Unternehmerrisiko. Erbringe der Gesellschafter dagegen aufgrund eines außergesellschaftsrechtlichen Tatbestandes eine Leistung gegenüber der Gesellschaft, liege ein Drittverhältnis vor und er könne in diesem im Verhältnis zur Gesellschaft auch Beschäftigter i. S. des § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sein. Für die Abgrenzung, ob die Tätigkeit eine solche als Mitunternehmer darstelle oder eine Beschäftigung vorliege, komme es darauf an, ob das Tätigwerden des Gesellschafters auf der Verpflichtung als Gesellschafter beruhe, d.h., ob sich die Pflicht zur Arbeitsleistung ausschließlich und unmittelbar aus dem Gesellschaftsverhältnis ergebe, oder ob die Tätigkeitsverpflichtung auf einem Vertrag über eine Mitarbeit gründe. Der Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung vorgelagert sei demnach in den Fällen wie dem Vorliegenden die Frage, ob überhaupt eine sozialversicherungsrechtlich relevante „Tätigkeit“ ausgeübt werde. Hiervon ausgehend komme die Kammer zum Ergebnis, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin sich unmittelbar aus dem Gesellschaftsverhältnis ergebe und eine zusätzliche Rechtsbeziehung, die eine abhängige Beschäftigung begründen könne, hier nicht vorliege. Die Tätigkeitspflicht des Beigeladenen zu 1. ergebe sich hier bereits aus dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin. Gemäß § 6 Abs. 3 GV KG sei er - wie auch T.J. - verpflichtet, seine volle Arbeitskraft der Gesellschaft (sprich der Klägerin) bzw. der GmbH zur Verfügung zu stellen. Auch der Umfang der Tätigkeit für die Gesellschaft sei in § 6 Abs. 4 des GV KG und damit unmittelbar im Gesellschaftsvertrag geregelt. Eine daneben begründete eigenständige Dienstleistungspflicht sei schriftlich nicht vereinbart und auch als mündliche Abrede nicht ersichtlich.
Gegen die Einordnung als Mitunternehmer spreche auch nicht, dass der Beigeladene zu 1 wie T.J. gemäß § 14 GV KG eine „Tätigkeitsvergütung“ erhalte, die auch dann gezahlt werden solle, wenn der Gewinn vor deren Abzug nicht ausreiche, was gegen die Vereinbarung eines Vorabgewinns und für ein gesondertes Arbeitsentgelt sprechen könne. Allerdings orientiere sich die Höhe der vereinbarten Tätigkeitsvergütung nicht am Umfang bzw. Erlös der (individuellen) Tätigkeit, sondern dem jeweiligen Kapitalanteil und damit am Haftungsrisiko der Gesellschafter, des Beigeladenen zu 1. und des T.J., was wieder für die Mitarbeit als Gesellschafter spreche. Die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene jährliche Erhöhung der Tätigkeitsvergütung des Beigeladenen zu 1. sei nicht im vereinbarten Umfang erfolgt. Für eine Qualifizierung der „Tätigkeitsvergütung“ als Vorabgewinn spreche aus Sicht der Kammer auch, dass die Höhe der jährlichen Vergütung dem gemäß § 15 GV KG zulässigen Höchstbetrag der monatlichen Entnahmen entspreche. Diese sei für das jeweilige Wirtschaftsjahr, wie in § 14 Abs. 4 GV KG vereinbart sei, gegenzurechnen und stehe den Gesellschaftern damit nicht endgültig zu. Nach alledem liege damit eine sozialversicherungsrechtlich relevante, neben den Gesellschafterpflichten aufgrund eines Dienstverhältnisses geleistete Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht vor. Damit komme es auf die Frage, ob die Rechtsmacht des Beigeladenen zu 1. der Annahme einer abhängigen Beschäftigung entgegenstehe und welche Wirkung der Befreiungsbescheid der Beklagten vom 31.10.2005 noch entfalte, nicht an.

Gegen das der Beklagten gegen elektronisches Empfangsbekenntnis am 30.01.2024 zugestellte Urteil hat diese am 28.02.2024 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass man nach wie vor davon ausgehe, dass der Beigeladene zu 1. seine Tätigkeit im streitigen Zeitraum im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Das SG habe es im angefochtenen Urteil versäumt, eine umfassende Bewertung der vorliegenden Umstände vorzunehmen, die Rechtsverhältnisse der Beteiligten korrekt darzustellen und die verschiedenen Indizien, welche für bzw. gegen eine abhängige Beschäftigung sprechen, gegeneinander abzuwägen. Vom SG werde lediglich nur ein Punkt, nämlich die "Tätigkeitsvergütung" des Beigeladenen zu 1. herausgepickt und das gesamte Urteil darauf gestützt, was fehlerhaft sei. Abgesehen davon, sehe das Gericht selbst, dass die Auszahlung der Vergütung habe erfolgen sollen, auch wenn der Gewinn vor deren Abzug nicht ausreiche, als ein gesondertes Arbeitsentgelt. Es betrachte dies dennoch als Vorabgewinn. Im Hinblick auf die Einzelheiten und BSG-Urteile verweise man auf die behördlichen Bescheide, um Wiederholungen zu vermeiden. Der Beigeladene zu 1. verfüge mit seinen Anteilen weder über eine Rechtsmacht noch über eine umfassende Sperrminorität.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. November 2023 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 26. November 2020 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich in ihrer Erwiderung auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil und weist ergänzend darauf hin, dass in Fällen wie dem vorliegenden nach der Rechtsprechung zunächst zu prüfen sei, ob der Gesellschaftsvertrag eine Mitarbeitspflicht oder Dienstpflicht begründe oder nicht. Deshalb komme es auf den Einwand der Beklagten, das erstinstanzliche Gericht habe nicht geprüft, ob und in welcher Höhe tatsächlich Tätigkeitsvergütungen und Rückzahlungen erfolgt seien, nicht an. Maßgebend sei die gesellschaftsvertragliche Verpflichtung zur Mitarbeit.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 02.04.2025 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. In diesem Termin haben die Klägerin, die Beklagte und der Beigeladene zu 1. ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Mit Schreiben vom 04.04.2025 (Bl. 72 und 73 LSG-Akte) haben auch die Beigeladenen zu 2. und 3. sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten, der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat entscheiden können, ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG).

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Das angefochtene Urteil des SG Freiburg vom 29.11.2023 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 03.08.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2020 aufgehoben, weil dieser rechtswidrig ist.

Das SG hat zutreffend auf der Grundlage der hier maßgeblichen gesetzlichen Regelungen (§§28p, § 7 Abs. 1 SGB IV, § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]) und unter ausführlicher Benennung der durch die einschlägige Rechtsprechung aufgestellten Kriterien in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. während seiner Tätigkeit für die Klägerin im hier streitigen Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.12.2019 nicht in einem abhängigen, die Sozialversicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung begründenden Beschäftigungsverhältnis stand, da er die Tätigkeit nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern als selbst handelnder Mitunternehmer ausübte. Es sind demnach auch für diese Zeit keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 83.305,68 Euro nachzuentrichten. Der Senat schließt sich den Gründen der angefochtenen Entscheidung nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Lediglich ergänzend ist hierzu auszuführen, dass sich auch aus dem Vortrag im Berufungsverfahren nichts Anderes ergibt. In Fällen wie dem vorliegenden ist der Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängender Beschäftigung die Frage vorgelagert, ob überhaupt eine sozialversicherungsrechtlich relevante „Tätigkeit“ ausgeübt wird, d.h. ob sich der Rechtsgrund der zu beurteilenden Tätigkeit allein aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt oder ob daneben eine Verpflichtung aus einem außergesellschaftsrechtlichen Tatbestand vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 27.07.1972 - 2 RU 122/70 - juris Rn. 28; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.12.2018 - L 9 KR 13/13 -, juris Rn. 49; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2020 - L 5 BA 4158/19 - juris Rn. 70). Ein neben den Regelungen im Gesellschaftsvertrag bestehenden Beschäftigungsverhältnis liegt auch unter Berücksichtigung des Vortrages der Beklagten im Berufungsverfahren nicht vor. Vielmehr war der Beigeladene zu 1. in der ausgeübten Tätigkeit selbsthandelnder Mitunternehmer.

Ausgangspunkt der Prüfung der Statusbeurteilung sind die (der jeweiligen Tätigkeit zugrundeliegenden) Vereinbarungen, die die Beteiligten - schriftlich oder ggf. nur mündlich - getroffen haben. Behörden und Gerichte müssen den Inhalt dieser Vereinbarungen feststellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgen. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen „Etikettenschwindel“ handelt, der unter Umständen als Scheingeschäft des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. ist der Inhalt des durch das Scheingeschäft verdeckten Rechtsgeschäftes festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der (der jeweiligen Tätigkeit zugrundeliegenden) Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder zum Typus der selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 R 3/17 R -, juris Rn. 13 und Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R -, juris).

Von diesen allgemeinen Grundsätzen ausgehend ist auch der sozialversicherungsrechtliche Status des Mitarbeiters einer KG oder einer GmbH & Co KG, der gleichzeitig auch Gesellschafter der KG und der GmbH (sowie deren Geschäftsführer) ist, zu beurteilen. Die Gesellschafterstellung in der KG schließt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ebenso wenig aus wie die Tatsache, dass es sich bei der KG um eine Personengesellschaft handelt (BSG, Urteil vom 27.07.1972 - 2 RU 122/70 -, juris, m.w.N.). Bei der Beurteilung der Tätigkeit von Gesellschaftern einer KG sind verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden. Mitarbeitende Gesellschafter, die allein aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafter in der Gesellschaft tätig sind und die außerhalb des Gesellschaftsvertrages keine rechtsgeschäftlichen Beziehungen zur Gesellschaft haben, sind nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt, sondern Mitunternehmer (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2020, - L 5 BA 4158/19 -, juris). Insoweit fehlt es bereits an einer Beschäftigung gegen Entgelt. Die Gewinnanteile, die der Kommanditist einer GmbH & Co KG erhält, sind dann kein Arbeitsentgelt, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Einkommensteuergesetz). Mitarbeitende Gesellschafter, die aufgrund eines zusätzlich zum Gesellschaftsvertrag geschlossenen Vertrages gegen Entgelt für die Gesellschaft tätig sind, können sowohl abhängig beschäftigt als auch selbstständig tätig sein (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.03.2021 - L 11 BA 2509/20 -, juris, Rn. 25 - 26).

Der Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung vorgelagert ist demnach die Frage, ob überhaupt eine sozialversicherungsrechtlich relevante „Tätigkeit“ ausgeübt wird (BSG, Urteil 27.07.1972, a.a.O. und vom 29.02.2012 - B 12 KR 4/10 R -, juris). Dies ist nicht der Fall, wenn die Tätigkeit für die Gesellschaft ihre rechtliche Grundlage allein im Gesellschaftsrecht hat. Eine sozialversicherungsrelevante Tätigkeit kann nur dann vorliegen, wenn sie hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Art nach über das hinausgeht, was gesellschaftsrechtlich an Arbeitsverpflichtungen festgelegt wird, sie mithin (auch) auf der Grundlage einer neben dem Gesellschaftsrecht zusätzlich bestehenden Rechtsbeziehung erbracht wird. Insbesondere die Vereinbarung einer Vergütung macht einen zusätzlichen Vertragsschluss erforderlich (BSG, Urteil vom 04.06.2009 - B 12 KR 3/08 R -, juris, m.w.N.).

Bei der Frage, ob es sich um eine zusätzliche Rechtsbeziehung handelt, kommt es nicht auf die zivilrechtlichen Erscheinungsformen oder auf die von den Vertragspartnern gewählte Bezeichnung an (BSG, Urteil vom 27.07.1972, a.a.O. Rn. 28). Wie das LSG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 05.12.2018 (- L 9 KR 13/13 R -, juris Rn. 51) zu Recht ausführt, schließt die Auferlegung von Pflichten, die inhaltlich typisch für ein Beschäftigungsverhältnis sind, nicht bereits dadurch ein Beschäftigungsverhältnis aus, dass die Auferlegung der Pflichten allein im Gesellschaftsvertrag erfolgt. Die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen zur Beschäftigung und der daraus resultierenden Versicherungspflicht lassen sich nicht dadurch umgehen, dass die typischen Elemente eines Beschäftigungsverhältnisses in das Gewand eines Gesellschaftsvertrags gekleidet werden. Erfolgt die Mitarbeit eines Kommanditisten, ohne dass entweder im Gesellschaftsvertrag oder einem gesonderten schriftlichen Dienst- oder Arbeitsvertrag eine Pflicht hierzu begründet wurde, liegen aber nach dem Gesamtbild der Tätigkeit in dieser die Merkmale einer Beschäftigung vor, d.h. erfolgt sie weisungsgebunden und gegen ein Entgelt in der KG, welches die Merkmale eines Arbeitsentgelts erfüllt, ist von einem mündlich geschlossenen Vertrag über eine Mitarbeit auszugehen und auch regelhaft ein Beschäftigungsverhältnis zur KG im Sinne des § 7 SGB IV begründet, vergleichbar dem faktischen Arbeitsverhältnis nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.12.2018, a.a.O.).

Unter Berücksichtigung all dessen war der Beigeladene zu 1. nach Überzeugung des Senats auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren nicht aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses für die Klägerin tätig.

Die Mitarbeit des Beigeladenen zu 1. beruhte hier zunächst allein auf einer im Gesellschaftsvertrag der Klägerin festgelegten Mitarbeitspflicht. Denn der Beigeladene zu 1. hatte - wie auch der weitere Gesellschafter T.J. - seine volle Arbeitskraft (vgl. so auch BSG, Urteil vom 27.07.1972 a.a.O., Rn. 29) der Klägerin zur Verfügung zu stellen (vgl. § 6 Abs. 3 GV KG). Weiter ist in diesem Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt, dass hierunter eine wöchentliche Arbeitszeit von mindestens 50 Stunden, die in der Kernarbeitszeit zu erbringen sind (§ 6 Abs. 4 GV KG), zu verstehen ist. Ein schriftlich geschlossener Dienst- oder Arbeitsvertrag, der formal ein Beschäftigungsverhältnis neben der Gesellschafterstellung begründete, lag gerade nicht vor. Aus den Angaben der Klägervertreter sowie dem Beigeladenen zu 1. ergibt sich auch nicht, dass der Beigeladene zu 1. aufgrund eines zumindest mündlich geschlossenen Arbeitsvertrags für die Klägerin tätig wurde. Das Vorliegen eines solchen wurde übereinstimmend von der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. stets verneint. Er war auch aufgrund der umfangreichen Regelungen im Gesellschaftsvertrag der Klägerin nicht notwendig, die schon aufgrund der dort vereinbarten Arbeitszeit ein daneben geregeltes Arbeitsverhältnis so gut wie unmöglich machten.

Gegen die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses spricht außerdem, dass entgegen der Ansicht der Beklagten kein Arbeitsentgelt (vgl. zu diesem Kriterium BSG, Urteil vom 27.07.1972 a.a.O., Rn. 30; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.12.2018 - a.a.O., Rn. 55; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2020, a.a.O., Rn. 73) an den Beigeladenen zu 1. gezahlt wurde. Es ist der Beklagten zwar Recht zu geben, dass der in § 14 GV KG verwendete Begriff einer „Tätigkeitvergütung“ zunächst eher für die Zahlung eines (festen) Arbeitsentgeltes spricht. Diese Formulierung ist jedoch missverständlich, da sich die Höhe der vereinbarten Zahlungen nicht nach dem Umfang der (individuellen) Tätigkeit richtet (der nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin für beide Gesellschafter gleich hoch sein soll), sondern sich zunächst an dem jeweiligen Kapitalanteil und damit am Haftungsrisiko der Gesellschafter orientiert. So sollten nach der Regelung des § 14 Abs. 3 GV KG T.J. 189.000,00 Euro (entspricht seinem Anteil von 70 %) und der Beigeladene zu 1 81.000,00 Euro (entspricht seinem Anteil von 30 %) erhalten. Die dann gewählte Formulierung, dass diese den Gesellschaftern auch dann zustehen, wenn der Gewinn vor Abzug der Tätigkeitsvergütung hierzu nicht ausreicht, spricht zwar auch eher für ein Arbeitsentgelt und nicht eine Gewinnentnahme. Unter Berücksichtigung des Vortrages der Klägervertreter, des tatsächlich gelebten Verhältnisses und vor allem unter Berücksichtigung des Absatzes 4 dieser Regelung im Gesellschaftsvertrag kommt der Senat aber wie das SG zu dem Ergebnis, dass eben doch kein gewinnunabhängiges Entgelt gezahlt wurde und der Beigeladene zu 1. einem Unternehmerrisiko ausgesetzt war. Es erfolgte nämlich, anders als man - wie die Beklagte es tut - auf den ersten Blick der Vereinbarung entnehmen könnte, sehr wohl ein Ausgleich der vorab entnommenen Gewinne entsprechend des Kapitalanteils und des erwirtschafteten Gewinns der Gesellschaft. Werden aber die ausgezahlten Vorabgewinne z.B. am Jahresende anhand der Kapitalorientierung ausgeglichen, lässt sich ein Gewinnvorab ohne weiteres als Vorwegentnahme eines Gesellschafters im Sinne einer Vorauszahlung auf seinen Gewinn(-anteil) werten. Dann spricht das unabhängig vom Gewinn während des Geschäftsjahrs gewährte Vorab nicht für eine Beschäftigung (BSG, Urteil vom 27.07.1972, a.a.O., Rn. 30). Genau so war es hier. Ein im oben genannten Sinne nicht tätigkeits-, sondern kapitalanteilorientierter Ausgleich im Nachhinein war hier - auch wenn die Formulierung des Absatzes 3 zunächst für eine andere Einschätzung spricht - in Absatz 4 geregelt und fand auch praktisch statt. Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. haben zur Überzeugung des Senats nachvollziehbar dargelegt, dass sich die Formulierung in Absatz 3 nur auf die Vorabentnahme während des laufenden Geschäftsjahres beziehen sollte, ein Ausgleich, orientiert am Gewinn und dem Umfang des Kapitalanteils am Ende jedes Geschäftsjahres vertraglich gewollt und tatsächlich auch praktiziert wurde. Hier haben die Vertreter der Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es im Geschäftsjahr 2011 z.B. aufgrund der damals schwierigen wirtschaftlichen Situation der Klägerin zu einem niedrigeren Gewinn gekommen sei und der Beigeladene zu 1. letztlich eine geringere Summe als die in Absatz 3 vereinbarten 81.000,00 Euro habe behalten dürfen. Die zunächst zudem in Absatz 3 angedachte Erhöhung des Gewinnvorabs erfolgte ebenfalls nicht. Die Entnahme war nach § 15 GV KG zudem so geregelt, dass sie monatlich erfolgen konnte und hierauf Umsatzsteuer zu entrichten war. Nicht zuletzt wurde sie als Betriebsausgabe verbucht und erfolgte zulasten des Kapitalkontos des jeweiligen Gesellschafters.

Da sich aufgrund dieser, der Abwägung der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Frage von Selbständigkeit und abhängigem Beschäftigungsverhältnis vorgelagerten Prüfung ergibt, dass der Beigeladene zu 1. allein aufgrund seiner Gesellschafterstellung für die Klägerin und nicht aufgrund eines (außerhalb des Gesellschaftsvertrages begründeten) Rechtsverhältnisses für die Klägerin tätig wurde, fehlt es bereits am Vorliegen einer sozialversicherungsrechtlich relevanten „Tätigkeit“ im Sinne des § 7 SGB IV. Demnach kommt es entgegen den Ausführungen der Beklagten eben gerade nicht mehr auf eine umfassende Abwägung von der Rechtsprechung entwickelten Merkmale, welche für bzw. gegen eine abhängige Beschäftigung sprechen, an.

Ebenfalls nicht mehr entscheiden muss der Senat daher, welche Wirkung der Befreiungsbescheid der Beklagten vom 31.10.2005 für die vorliegende Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. hat. Insbesondere kann der Senat offenlassen, ob es sich bei der beurteilten Tätigkeit für die Klägerin um eine neue bzw. andere Tätigkeit als die des angestellten Steuerberaters handelte (vgl. hierzu z.B. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2022 - L 10 R 641/19 -, juris, Rn. 34 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 05.12.2017, B 12 KR 11/15 R, m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen tragen gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Kosten aus Billigkeit der unterliegenden Beklagten aufzuerlegen, weil für die Beigeladenen keine Anträge gestellt worden sind (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, 14. Aufl. 2023, § 197a Rn. 29 m.w.N.).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3, 47 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Höhe des Streitwerts entspricht der Höhe der von der Beklagten festgesetzten Gesamtforderung gegen die Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.12.2019 in Höhe von 83.305,68 Euro.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn.1 und 2 SGG) liegen nicht vor.   

 

Rechtskraft
Aus
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