Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 09.08.2024 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Kostenübernahme einer privatärztlichen ambulanten Behandlung durch einen Facharzt für Umweltmedizin.
Die Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich versichert. Mit am 08.09.2023 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 06.09.2025 beantragte sie die Kostenübernahme für eine privatärztliche Behandlung bei einem niedergelassenen Facharzt für Umweltmedizin. Aufgrund einer Tonerintoxikation und einer dadurch bestehenden Medikamenten- und Desinfektionsmittelunverträglichkeit sowie eines Asthmas bronchiale müsse sie erst einen solchen aufsuchen. Erst dann könnten bei ihr bestehende Krebserkrankungen (Hautkrebs und Leukämie) behandelt werden.
Solche, inhaltlich identische, Anträge hatte die Klägerin bereits zuvor, z.B. am 15.06.2020, 15.05.2023 und 02.06.2023 gestellt. Über den Antrag vom 15.05.2023 entschied die Beklagte mit ablehnenden Bescheiden vom 23.05.2023 und 20.06.2023 (Widerspruchsbescheid vom 26.07.2023). Insoweit ist das Verfahren noch im Berufungsrechtszug beim erkennenden Gericht anhängig (L 5 KR 83/25). Den Antrag vom 02.06.2023 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.06.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2023 ab. Diese sind Gegenstand des Parallelverfahrens L 10 KR 583/24, in dem der Senat mit Urteil vom 26.03.2025 entschieden hat.
Mit Bescheid vom 13.09.2023 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme im vorliegenden Verfahren ab. Die ärztliche Behandlung werde durch eine Vielzahl von Vertragsärzten und Vertragsärztinnen sichergestellt. Die Auswahl an zugelassenen Leistungserbringern, Allgemein- und Fachärzten sei groß. Auf die bereits vorhandenen Schriftwechsel, das abgeschlossene Widerspruchsverfahren und die bereits negativ beschiedenen Sozialgerichtsverfahren (z.B. L 11 KR 264/21, LSG NRW, Urteil vom 21.12.2022) werde verwiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin mit am 09.10.2023 eingegangenen Schreiben vom 16.09.2023 Widerspruch und beantragte zudem am 20.12.2023 wiederum die Übernahme der Kosten für eine Behandlung durch einen Facharzt für Umweltmedizin als Privatarzt. Mit Bescheid vom 21.12.2023 lehnte die Beklagte dies erneut ab. Auch hiergegen erhob die Klägerin mit am 22.01.2024 eingegangenen Schreiben vom 02.01.2024 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2024 wies die Beklagte die Widersprüche zurück: Versicherte hätten nach den §§ 27 und 28 SGB V Anspruch auf ärztliche Behandlung. Diese umfasse die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Die Versicherten würden die Leistungen direkt als Dienst- und Sachleistungen erhalten. Es dürften daher grundsätzlich nur die Ärzte in Anspruch genommen werden, die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen bzw. ermächtigt seien (§ 76 Abs. 1 SGB V). Eine Kostenübernahme für die gewünschte Behandlung durch einen Privatarzt sei daher nicht möglich.
Die Klägerin hat am 15.05.2024 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben und vorgetragen, dass weiterhin die medizinische Notwendigkeit für eine Behandlung bei einem Facharzt für Umweltmedizin (Privatarzt) bestehe. Allein durch einen solchen könnten zunächst die bestehende Tonerintoxikation und erst im Anschluss daran die Hautkrebserkrankung und die Leukämie schnellstmöglich behandelt werden.
Auf die Anfrage des Sozialgerichts hatte die Beklagte in den dortigen Parallelverfahren S 24 KR 1350/23 und S 24 KR 1738/23 fünf Vertragsärzte im Umkreis von Z.Z. benannt, die die Zusatzqualifikation für Umweltmedizin erworben hätten.
Auf die Anfrage bei der Klägerin in den o.g. Parallelverfahren, bei welchen Vertragsärzten für Umweltmedizin sie sich bereits vorgestellt habe, insbesondere ob zur Uniklinik Z.Z. oder zur Ambulanz des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin an der K. C. Kontakt aufgenommen worden sei, hat die Klägerin insbesondere ausgeführt, dass allein Privatärzte eine Tonerintoxikation behandeln würden. Ärzte mit einer Kassenzulassung würden eine solche Behandlung nicht übernehmen. Daher könne sie auch keinen Termin bei einem Arzt für Umweltmedizin mit Kassenzulassung wahrnehmen.
Mit Gerichtsbescheid vom 09.08.2024 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit einer Behandlung eines Privatarztes als Facharzt für Umweltmedizin als nicht zugelassener Leistungserbringer bestehe nach §§ 27 Abs. 1, 12 SGB V nicht. Die Krankenkasse erbringe den Versicherten die vertragsärztlichen Leistungen, indem sie - in der Regel vermittelt durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (§ 73 Abs. 2, § 75 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB V) - eine Vielzahl von zugelassenen Leistungserbringern verfügbar halte, unter denen sich die Versicherten den gewünschten Therapeuten frei auswählen und sich dann von ihm behandeln lassen könnten. Anspruch auf Behandlung durch einen Nicht-Vertragsarzt bestehe i.d.R. nicht. Eine andere Beurteilung folge vorliegend auch nicht aus einer dringlichen Bedarfslage im Sinne eines Systemversagens oder von Versorgungslücken. Vorliegend stünden für umweltmedizinische Behandlungen Vertragsärzte mit entsprechender Zusatzausbildung im Großraum Z.Z./D. zur Verfügung, wie sich schon der von der Beklagten vorgelegten Liste von Vertragsärzten in den Parallelverfahren S 24 KR 1350/24 und S 24 KR 1738/23 entnehmen lasse. Nach der Recherche des Gerichts komme auch eine Vorstellung bei dem Institut und der Poliklinik für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin und Präventionsforschung an der Universitätsklinik Z.Z. oder in der Ambulanz des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin an der K. C. in Betracht. Hierzu habe die Klägerin auch auf Anfrage nicht mitgeteilt, aus welchem Grund eine Vorstellung oder weitere Behandlung dort nicht möglich sein solle.
Die Klägerin hat gegen die ihr am 13.09.2024 zugestellte Entscheidung am gleichen Tag Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen rügt, dass durch Gerichtsbescheid entschieden wurde, dass medizinische Unterlagen nicht berücksichtigt worden seien und dass die Beklagte falsche Auskünfte über sie verbreite.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 09.08.2024 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 13.09.2023 und 21.12.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2024 zu verurteilen, die Kosten einer Behandlung bei einem Facharzt für Umweltmedizin als Privatarzt zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Klägerin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, nachdem diese mit der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
Die zulässige Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid vom 09.08.2024 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Diese ist weder zulässig (hierzu 1) noch begründet (hierzu 2).
1. Die Klage war wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) in dem Verfahren L 5 KR 83/25, LSG NRW, unzulässig.
Nach § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 S. 2 GVG kann die Sache während der Rechtshängigkeit von keinem Beteiligten anderweitig anhängig gemacht werden. Die Rechtshängigkeit entfaltet für ein zweites Verfahren über denselben Streitgegenstand Sperrwirkung (vgl. z.B.: BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 4 AS 17/13 R –, juris, Rn. 17).
Diese prozessuale Sperrwirkung führt zur Unzulässigkeit der vorliegenden Klage. Die angefochtenen Bescheide wiederholen lediglich die bereits mit den Bescheiden vom 23.05.2023 und 20.06.2023 getroffene Regelung der Beklagten, dem Begehren der Klägerin auf Kostenübernahme einer Behandlung bei einem Facharzt für Umweltmedizin als Privatarzt stattzugeben. Insoweit fehlt es an einer eigenständigen Regelung in den vorliegend angefochtenen Bescheiden. Die vorliegende Klage betrifft damit denselben Streitgegenstand wie die im Berufungsrechtszug anhängige Klage i.S. L 5 KR 83/25, LSG NRW.
2. Die Klage ist zudem aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides unbegründet. Der Senat nimmt insoweit zunächst nach § 153 Abs. 2 SGG auf die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts Bezug und sieht insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
a) Ergänzend wird unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 21.11.2024 (L 10 KR 577/24 B ER) darauf hingewiesen, dass Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) grundsätzlich nur Ärzte in Anspruch nehmen dürfen, die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind (§ 76 SGB V).
Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs. 1 S. 2 SGB V). Ein Notfall liegt vor, wenn dringende Behandlungsbedürftigkeit besteht und ein teilnahmeberechtigter Behandler nicht rechtzeitig zur Verfügung steht (Hesral in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 76 SGB V <Stand: 15.06.2020>, Rn. 27). Auch die Notfallbehandlung erfolgt im Übrigen grundsätzlich als Naturalleistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung, so dass in Notfällen von Nichtvertragsärzten erbrachte Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und von der KÄV aus der Gesamtvergütung (§ 85 SGB V) vergütet werden (vgl. etwa BSG, Urteil vom 19.11.2019 – B 1 KR 13/19 R –, Rn. 11; BSG, Urteil vom 13.09.2011 – B 1 KR 4/11 R –, juris Rn. 22).
Dass ein teilnahmeberechtigter Behandler, also ein Vertragsarzt, der Klägerin nicht rechtzeitig zur Verfügung steht, ist nicht ersichtlich und kommt zudem schon deshalb nicht in Betracht, weil diese ihr Anliegen bereits seit mehreren Jahren und nicht in einer plötzlichen Notsituation verfolgt. Die Beklagte hat der Klägerin im Übrigen bereits seit 2020 mehrere Vertragsärzte benannt, die die Zusatzbezeichnung „Umweltmedizin“ führen (vgl. Urteil des LSG NRW vom 21.12.2022 – L 11 KR 264/21). Die Klägerin behauptet nicht einmal, dass diese Vertragsärzte nicht zur Verfügung stehen; umso weniger hat sie dies schlüssig dargelegt.
Auch der Fall eines Systemversagens ohne dringende Behandlungsbedürftigkeit, bei dem sich die Versicherten außerhalb des Vertragsarztsystems privat behandeln lassen dürfen, wenn sie keine Vertragsärzte finden, die die Behandlung vornehmen können (Hesral in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 76 SGB V <Stand: 15.06.2020>, Rn. 28), liegt aus diesem Grund nicht vor.
b) Ein Anspruch auf Behandlung bei einem Facharzt für Umweltmedizin als Voraussetzung dafür, dass zunächst eine bestehende Tonerintoxikation und erst im Anschluss daran eine Hautkrebserkrankung und eine Leukämie behandelbar sind, ist im Übrigen auch aus einem anderen Grund fernliegend.
Der Facharzt für (Hygiene und) Umweltmedizin wird nicht in der von der Klägerin angestrebten Art und Weise kurativ tätig. Nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammern umfasst das Gebiet (Hygiene und) Umweltmedizin die Erkennung, Erfassung, Bewertung sowie Vermeidung schädlicher exogener Faktoren, welche die Gesundheit des Einzelnen oder der Bevölkerung beeinflussen sowie die Entwicklung von Grundsätzen für den Gesundheitsschutz und den gesundheitsbezogenen Umweltschutz. Das Gebiet umfasst auch die Unterstützung und Beratung von Ärzten und Institutionen insbesondere in der Krankenhaus- und Praxishygiene sowie der Umwelthygiene und -medizin, der Individualhygiene sowie im gesundheitlichen Verbraucherschutz (vgl. z.B. M.). Die Betreuung von intoxikierten Patienten gehört regelmäßig nicht hierzu. Jedenfalls aber ist die Behandlung ggf. durch eine Tonerintoxikation verursachter Gesundheitsstörungen (primär) durch Vertragsärzte gewährleistet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.
Anlass, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, besteht nicht.