Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Stuttgart vom 17. September 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung freiwillig gezahlter Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung i.H.v. 803,56 €.
Mit Bescheid vom 6. November 2009 entsprach die Beklagte einem Antrag des im Jahr 1959 geborenen Klägers auf freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung ab dem 4. November 2009.
Der Kläger war sodann von März 2010 - März 2012 auf (vermeintlich) selbstständiger Basis für die A1 GmbH, N1, tätig, die für verschiedene Autohersteller Testfahrten durchführen ließ. Der Kläger entrichtete während dieser Tätigkeit freiwillig Beiträge in die gesetzliche Arbeitslosenversicherung i.H.v. 17,89 € monatlich in der Zeit von März – Dezember 2010, i.H.v. 38,33 € monatlich im Jahr 2011 und i.H.v. 78,75 € in der Zeit von Januar – März 2012.
Am 29. März 2012 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, dass er sich ab dem 1. April 2012 wieder in einem versicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis befinde und die Antragspflichtversicherung daher hinfällig sei. Mit Bescheid vom 25. April 2012 hob die Beklagte sodann den Bescheid vom 6. November 2009 ab dem 4. November 2009 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auf. Die selbstständige Tätigkeit sei, so die Beklagte, zum 31. März 2012 beendet worden. Ein Rechtsbehelf hiergegen ist nicht erhoben worden.
Nach einer Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund entschied diese mit Bescheid vom 5. Mai 2015 (Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2015), dass von der A1 GmbH Beiträge zur Sozialversicherung für dort tätige Personen, u.a. für den Kläger, i.H.v. insg. 1.586.211,73 € (einschließlich Säumniszuschlägen) nachzuentrichten seien. Im sich anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Karlsruhe (- S 7 R 4180/25 -), zu dem der Kläger mit Beschluss vom 4. Januar 2017 notwendig beigeladen worden ist und in dem dieser (anwaltlich vertreten) die Einschätzung vertreten hat, er sei in seiner Tätigkeit für die A1 GmbH abhängig beschäftigt gewesen (Schriftsatz vom 17. Januar 2017), schlossen die (Haupt-)Beteiligten einen verfahrensbeendenden Vergleich, nach dem für den Zeitraum vom 1. Juli 2010 – 31. Dezember 2012 Beiträge zur Sozialversicherung i.H.v. 1.135.380,26 € erhoben werden (Beschluss nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) vom 30. Dezember 2019).
Unter Hinweis auf das „Urteil“ des Sozialgerichts Karlsruhe beantragte der Kläger unter dem 24. April 2020 bei der Beklagten die Erstattung der von ihm im Zeitraum von März 2010 – März 2012 gezahlten Beiträge zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung.
Mit Bescheid vom 6. November 2020 lehnte die Beklagte die Beitragserstattung ab und führte hierzu aus, die Beiträge seien zwischenzeitlich verjährt (§ 27 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]). Besondere Gründe, die Einrede der Verjährung nicht zu erheben, lägen nicht vor.
Hiergegen erhob der Kläger am 11. November 2020 Widerspruch, mit dem er vorbrachte, dass, nachdem erst mit Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Dezember 2019 festgestellt worden sei, dass seine Tätigkeit im Zeitraum vom 1. Juli 2010 – 31. Dezember 2012 als sozialversicherungspflichtig zu bewerten sei, sein Erstattungsanspruch nicht verjährt sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2021 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie aus, der Erstattungsanspruch verjähre in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden seien. Ein Nachweis der Hemmung der Verjährungsfrist sei nicht vorgelegt worden. Besondere Gründe, die Einrede der Verjährung nicht zu erheben, lägen nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger am 29. Januar 2021 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, eine Nachfrage bei der Einzugsstelle habe ergeben, dass die Sozialversicherungsbeiträge von der A1 GmbH nachentrichtet worden seien. Damit seien auch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für den strittigen Zeitraum doppelt entrichtet worden. Er habe für die Zeit von Juli 2010 – März 2012 Beiträge i.H.v. insg. 803,56 € gezahlt. Erst mit Zustellung des gerichtlichen Beschlusses über den geschlossenen Vergleich im Verfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe am 7. Februar 2020 sei seine Sozialversicherungspflicht rechtskräftig festgestellt worden. Ein früherer Antrag auf Beitragserstattung sei wegen der unklaren Rechtslage zu seinem Beschäftigungsverhältnis nicht möglich gewesen. Die Verjährung sei für die Dauer des Verfahrens wegen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Betriebsprüfungsbescheides der DRV vom 5. Mai 2015 bis zum 7. Februar 2020 gehemmt gewesen. Erst mit dem 7. Februar 2020 sei der Betriebsprüfungsbescheid durch Vergleichsabschluss zwischen der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers und der DRV rechtskräftig geworden. Auch sei die Entscheidung der Beklagten nicht mit Treu und Glauben zu vereinbaren, es entspräche nicht der Billigkeit, von der Verjährungseinrede Gebrauch zu machen. Die Entscheidung der Beklagten lasse nicht erkennen, ob Ermessen ausgeübt worden sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Kläger sei während des streitigen Zeitraumes durch die Entrichtung der freiwilligen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gegen das Risiko des Eintritts der Arbeitslosigkeit versichert gewesen. Dass während dieser Zeit kein Versicherungsfall eingetreten sei, führe i.d.R. nicht dazu, dass entrichtete Beiträge zurückgefordert werden könnten. Für das Jahr 2010 sei bereits mit Ablauf des 31. Dezember 2014 Verjährung eingetreten. Die Erhebung der Klage der Firma A1 GmbH am 18. Dezember 2015 bewirke keine Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung des Erstattungsanspruches des Klägers. Dies gelte insb. deswegen, als der Kläger erst am 4. Januar 2017 zum Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Karlsruhe beigeladen worden sei und selbst nichts unternommen habe, um die Verjährung des Erstattungsanspruchs der freiwillig entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu unterbrechen oder zu hemmen.
Das SG hat die Akte des Sozialgerichts Karlsruhe (- S 7 R 4180/15 -) zum Verfahren beigezogen.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. September 2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Bescheid der Beklagten vom 6. November 2020 (Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2021) sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch des Klägers nach § 351 SGB III i.V.m. § 26 Abs. 2 SGB IV sei nach § 27 Abs. 2 SGB IV verjährt. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV verjähre der Anspruch auf Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden seien. Die Erstattungsansprüche der bis März 2012 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung seien mit Ablauf des Jahres 2016 insg. verjährt. Eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung nach Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB; § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB IV i.V.m. §§ 198 ff. BGB) sei nicht eingetreten. Insb. habe der Kläger einen schriftlichen Antrag auf Erstattung, der die Verjährung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB IV hätte unterbrechen können, erst im April 2020 und damit nach Ablauf des Verjährungszeitraums gestellt. Eine Hemmung ergebe sich auch nicht daraus, dass ein Beitragsverfahren nach § 28p SGB IV beim ehemaligen Arbeitgeber durchgeführt worden sei. Eine solches führe nach § 198 SGB VI ausdrücklich nur zur Hemmung der Verjährung für zu Unrecht entrichtete Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Durch das Gerichtsverfahren beim Sozialgericht Karlsruhe sei gleichfalls keine Hemmung nach § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB IV i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB eingetreten, da die Klage nicht auf Erstattung freiwillig gezahlter Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gerichtet gewesen sei. Selbst ein Antrag auf Feststellung der Sozialversicherungspflicht gemäß § 28h Abs. 2 SGB IV hemme den Ablauf der Verjährungsfrist von zu Unrecht entrichteten Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht. Bei der Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a bzw. § 28h Abs. 2 SGB IV handele es sich um ein gesondertes Verfahren, das nicht gleichzeitig einen Antrag auf zu Unrecht entrichtete Beiträge beinhalte. Das Verfahren bezüglich der Erstattung von zu Unrecht gezahlten Beiträgen sei hiervon unabhängig und stelle nicht nur einen bloßen Annex dar. Auch das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 5. März 2014 (- B 12 R 1/12 R -, in juris) angedeutet, dass ein Verfahren nach § 7a SGB IV den Ablauf der Vier-Jahres-Frist nicht hemme, weil aus einem solchen Verfahren nicht „automatisch“ geschlossen werden könne, dass der Versicherte die Erstattung der Beiträge geltend mache. Wenn hiernach selbst zu Unrecht entrichtete Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung trotz laufenden Verfahrens zur Statusfeststellung verjähren könnten, so gelte dies erst Recht für zu Unrecht entrichtete freiwillige Beiträge zur Arbeitslosenversicherung während eines Verfahrens über die Beitragsnachzahlung nach § 28p SGB IV. Ein Verstoß gegen früheres eigenes bzw. zuzurechnendes Verhalten der Einzugsstelle, welchem die Verjährungseinrede entgegenstehen könnte, liege nicht vor. Die Beklagte habe auch ihr Ermessen zur Erhebung der Verjährungseinrede pflichtgemäß nach § 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ausgeübt. Die Beklagte habe ihr Ermessen erkannt, indem sie im Bescheid vom 6. November 2020 ausgeführt habe, besondere Gründe, die Einrede der Verjährung nicht zu erheben, lägen nicht vor. Sonstige ermessensrelevante Gesichtspunkte im Sinne einer groben Unbilligkeit oder besonderen Härte, die ausnahmsweise hätten Anlass geben können, das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Freiheit von unvorhergesehenen Belastungen hintanzustellen, lägen nicht vor. Insb. hätte der Kläger erkennen können, dass möglicherweise doch ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit der Folge der Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung bestanden habe. Er hätte einen Antrag auf Statusfeststellung nach § 7a SGB IV stellen können und dadurch eine frühere Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status herbeiführen können.
Gegen den ihm am 24. September 2024 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10. Oktober 2024 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, die Verjährung beginne nicht vor Entstehung des Anspruchs auf Rückforderung seiner freiwillig entrichteten Beiträge, d.h. bis die Sozialversicherungspflicht seiner Tätigkeit überhaupt festgestellt gewesen sei (§ 201 BGB analog). Dies sei erst mit dem Vergleichsabschluss vom 30. Dezember 2019 der Fall. Er sei daher auch nicht gehalten gewesen, vor der Entstehung seines Anspruchs auf Beitragserstattung verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten. § 351 Abs. 1 Satz 1 SGB III enthalte insoweit auch eine günstigere Reglung gegenüber § 26 Abs. 2 SGB IV, als vom Erstattungsbetrag nur die Beträge abgezogen würden, die tatsächlich als Leistung erbracht worden seien, die auf Beiträgen beruhten. Leistungen i.d.S. habe der Kläger jedoch nicht bezogen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Stuttgart vom 17. September 2024 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2021 zu verurteilen, dem Kläger die freiwillig gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum 1. Juli 2010 bis 31. März 2012 i.H.v. 803,56 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist sie auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheids.
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2024 hat die Beklagte, mit solchem vom 17. Dezember 2024 der Kläger das Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten wird auf die (elektronisch geführten) Prozessakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) erhobene Berufung des Klägers ist zulässig, insb. ist sie statthaft, da bei einer geltend gemachten Erstattung von Beiträgen i.H.v. 803,56 € der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,- € überschritten ist. Die Berufung, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) entscheidet, führt für den Kläger inhaltlich jedoch nicht zum Erfolg.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 6. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2021, mit dem die Beklagte die vom Kläger beantragte Erstattung zu Unrecht erbrachter Beiträge abgelehnt hat.
Gemäß § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III können Personen auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis begründen, die eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben. Mit dem Beginn der freiwilligen Weiterversicherung entsteht ein Anspruch der Beklagten (vgl. § 349a Satz 2 SGB III) auf Entrichtung der Beiträge (§ 349a Satz 1 SGB III). Das Versicherungspflichtverhältnis endet nach § 28a Abs. 5 Nr. 2 SGB III mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen nach Absatz 1 (des § 28a SGB III) letztmals erfüllt waren.
Seine Rechtsgrundlage findet das Erstattungsbegehren des Klägers in § 26 Abs. 2 SGB IV. Nach dieser Regelung sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Nach § 351 Abs. 1 Satz 1 SGB III gilt für die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abweichend von § 26 Abs. 2 SGB IV, dass sich der zu erstattende Betrag um den Betrag der Leistung mindert, der in irrtümlicher Annahme der Versicherungspflicht gezahlt worden ist.
Erstattet werden hiernach zu Unrecht gezahlte Beiträge. Beiträge sind u.a. zu Unrecht gezahlt, wenn ein materieller Rechtsgrund für die Beitragszahlung fehlt, wenn das Beitragsrecht für die Zeit, für die Beiträge erbracht wurden, entweder dem Grunde oder der Höhe nach keine Beitragspflicht vorsah oder die Beitragspflicht nachträglich entfallen ist. Dies ist insb. der Fall, wenn gar keine Versicherungspflicht bestand oder die Beiträge falsch berechnet worden sind. Nachdem der Kläger im Zeitraum vom 1. Juli 2010 - 31. März 2012 bei seiner Tätigkeit für die A1 GmbH im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen ist, lagen die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht auf Antrag, die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit von minds. 15 Stunden wöchentlich, nicht vor. Da die Beklagte überdies den formalen Rechtsgrund für die Zahlung von Beiträgen, ihren Bescheid vom 6. November 2009, mit Bescheid vom 25. April 2012 wieder aufgehoben hat, bestand im Zeitraum vom 1. Juli 2010 - 31. März 2012 kein materieller Rechtsgrund für die vom Kläger an die Beklagten gezahlten Beiträge, weswegen dem Kläger, dem Gläubiger des Erstattungsanspruchs (vgl. § 26 Abs. 3 SGB IV i.V.m. § 349a Satz 1 SGB III) ein Anspruch auf Erstattung der von ihm entrichteten Beiträge i.H.v. 803,56 € nach § 26 SGB IV zur Seite steht.
Der Anspruch auf Beitragserstattung verjährt nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV innerhalb von vier Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Die Verjährungsfrist beginnt hiernach mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Der Erstattungsanspruch des Klägers hinsichtlich der einschließlich noch im Jahr 2012 (für die Monate Januar bis März 2012) entrichteten Beiträge nach dem Recht der Arbeitsförderung ist hiernach mit Ablauf des 31. Dezember 2016 verjährt gewesen. Maßgeblich für den Beginn der Verjährungsfrist ist nur der Zeitpunkt der Zahlung. Auf die Kenntnis des Beitragszahlers von der Unrechtmäßigkeit seiner Leistungen und die Möglichkeit, eine Erstattung (rechtzeitig) geltend zu machen, kommt es für die Frage des Fristablaufs nicht an. Insofern weicht Absatz 2 Satz 1 vom BGB (§ 199 Abs. 1 BGB) ab. Auch das klägerische Vorbringen zur Begründung der Berufung, die Verjährung beginne in analoger Anwendung des § 201 BGB nicht vor Entstehung des Anspruchs auf Rückforderung der freiwillig entrichteten Beiträge, d.h. bis die Sozialversicherungspflicht seiner Tätigkeit (vorliegend mit dem gerichtlichen Vergleich vom 30. Dezember 2019) überhaupt festgestellt gewesen sei, bedingt keine abweichende Beurteilung. Das BSG (Urteil vom 31. März 2015 - B 12 AL 4/13 R -, in juris, dort Rn. 18 ff.) hat vielmehr ausdrücklich entschieden, dass die Frist für die Verjährung des Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Sozialversicherungsbeiträge auch dann mit dem Ablauf des Kalenderjahrs der Beitragsentrichtung beginne, wenn der Anspruch erst später oder erst nach Ablauf der Verjährungsfrist entstanden sei.
Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten nach § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB IV die Vorschriften des BGB sinngemäß. Da indes weder ein Fall schwebender Verhandlungen über den Anspruch oder die ihn begründenden Tatsachen (§ 203 BGB), eines vereinbarten Leistungsverweigerungsrechts (§ 205 BGB) oder höherer Gewalt (§ 296 BGB) vorliegt und, da im Verfahren beim Sozialgericht Karlsruhe (- S 7 R 4180/25 -) nicht um die Erstattung freiwillig gezahlter Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gestritten worden ist, auch kein Fall einer Maßnahme der Rechtsverfolgung (§ 204 BGB) vorliegt, und schließlich die in § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB IV normierte Hemmung durch einen Antrag auf Erstattung oder durch Erhebung eines Widerspruchs vorliegend bereits deswegen nicht eingreift, weil der Antrag des Klägers auf Erstattung der Beiträge erst unter dem 24. April 2020 und damit nach Eintritt der Verjährung gestellt worden ist, ist der Ablauf der Verjährung, wie vom SG zutreffend angenommen, auch nicht gehemmt gewesen.
Entsprechend den zivilrechtlichen Grundsätzen tritt die Verjährung nicht kraft Gesetzes ein, sondern muss als Einrede erhoben werden. Die Beklagte hat daher in jedem Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie die Einrede der Verjährung erhebt. Die Begründung des angefochtenen Bescheides vom 6. November 2020 lässt in einem § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X noch genügenden Umfang erkennen, dass die Beklagte ihre Pflicht, eine Ermessensentscheidung über die Erhebung der Verjährungseinrede zu erheben erkannt und eine Ermessensentscheidung getroffen hat. Ein eigenes schuldhaftes Verhalten der Beklagten bzw. der Einzugsstelle, welches der Erhebung der Verjährungseinrede hätte entgegenstehen können, lag nicht vor. Sonstige ermessensrelevante Gesichtspunkte im Sinne einer groben Unbilligkeit oder besonderen Härte, die Anlass dafür geboten hätten, im Wege der Ermessensausübung von der Erhebung der Verjährungseinrede abzusehen, sind vom Kläger nicht vorgetragen und auch anderweitig nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass es der Beklagten unter den Aspekten der Treuwidrigkeit oder der unzulässigen Rechtsausübung verwehrt gewesen ist, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen, liegen nicht vor.
Da der Anspruch des Klägers mithin verjährt ist, hat er keinen (durchsetzbaren) Anspruch auf Erstattung der von ihm zu Unrecht gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2021 ist mithin rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinem Rechten; die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 17. September 2024 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt im Rahmen der anzustellenden gerichtlichen Ermessensentscheidung (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Mai 1957 - 6 RKa 16/54 -, in juris, dort Rn. 8), dass der Kläger auch in der Rechtsmittelinstanz mit seinem Begehren nicht durchgedrungen ist und die Beklagte keine Veranlassung für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben hat.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AL 401/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 2987/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
Saved