Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Beschädigtenversorgung wegen eines Impfschadens nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) streitig.
Der 1949 geborene Kläger erhielt am 11. Mai 2021 und am 10. August 2021 eine Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty (Biontech/Pfizer). Diese wurden durch die Impfärztin Dr. C. durchgeführt. Eine unmittelbare Impfreaktion ist bezüglich beiden Impfungen ärztlicherseits nicht dokumentiert.
Am 16. Juli 2021 stellte sich der Kläger erstmals nach der Impfung wegen einer Gangstörung nach einer Corona-Infektion vor einigen Monaten mit rezidivierender Verschlechterung der Gehfähigkeit bei seinem Neurologen vor. Am 22. Juli 2021 stellte sich der Kläger sodann bei der Allgemeinärztin Fr. D. vor und gab an, dass neue Rötungen an einem Unterschenkelödem links aufgetreten seien. Am 18. Oktober 2021 wurde beim Kläger schließlich durch seinen Hausarzt Dr. E. eine tiefe Beinvenenthrombose festgestellt bei einem Zustand nach Covid-19 (Long-Covid-Syndrom) festgestellt.
Den am 13. April 2023 eingegangene Antrag des Klägers auf Gewährung von Versorgung wegen eines Impfschadens nach den §§ 60 ff. IfSG lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 7. Februar 2024 mit der Begründung ab, dass der Kausalzusammenhang zwischen der angeschuldigten Impfung vom 11. Mai 2021 und der geltend gemachten Gesundheitsstörung (erhebliche Gehbehinderung, Nervenstörung beider Beine, Lymphödem beider Beine, Harnblasenentleerungsstörung, Schwerhörigkeit, Funktionsstörung der Wirbelsäule, Versteifung des Fingers) nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu begründen sei. Dagegen spreche unter anderem, dass die Beschwerdesymptomatik mit Gangstörung bereits vor der ersten Corona-Impfung vorgelegen habe, nämlich nach der ersten Corona-Erkrankung im November 2020. Den zeitnahen ärztlichen Befundberichten seien im engen Zusammenhang mit der ersten und zweiten Impfung keine Angaben über eine mögliche Impfreaktion oder eine Impfkomplikation zu entnehmen. Ein impfbedingter Erstschaden, auf den die Beschwerdesymptomatik zurückgeführt werden könnte, sei zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden.
Grundlage der Entscheidung waren die am 26. Juni 2023 beim Hausarzt des Klägers Dr. E. eingeholten Krankenunterlagen seit 2017, die am 11. September 2023 bei Fr. D. eingeholten Krankenunterlagen, der Inhalt der beigezogenen Schwerbehindertenakte, ein Leistungsauszug der Krankenkasse und seitens des Beklagten eingeholtes versorgungsärztliches Gutachten der Dr. F. vom 29. Januar 2024.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 12. März 2024 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2024 als unbegründet zurück.
Dagegen richtet sich die am 12. Juni 2024 beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangene Klage. Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass er seit der Impfung gehbehindert sei und die Beschwerden am Tag der Impfung eingetreten seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Februar 2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2024 zu verpflichten, die bei ihm
bestehenden Erkrankungen als Folgen eines Impfschadens anzuerkennen und bei ihm ab dem 1. April 2023 Leistungen auf Beschädigtenversorgung nach dem IfSG
i.V.m. BVG zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er vollumfänglich auf seine Ausführungen im Bescheid vom 7. Februar 2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2024.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen, im August 2024 einen richterlichen Hinweis erteilt und die Beteiligten mit Schreiben vom 11. Oktober 2024 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, die allesamt Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, da der vorliegende Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG. Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid ordnungsgemäß nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG angehört worden und haben nichts vorgetragen, was einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegenstehen würde.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 7. Februar 2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2024 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung eines Impfschadens und die Gewährung von Leistungen der Beschädigtenversorgung nach dem IfSG i.V.m. BVG wegen der Impfung vom 11. Mai 2021 bzw. vom 10. August 2021. Es fehlt vorliegend sowohl an einer Primärschädigung ("Impfkomplikation") als auch an der auf einen Primärschaden zurückzuführende Schädigungsfolge ("Impfschaden") als zweites und drittes Element der dreigliedrigen Kausalkette im Sinne des Sozialen Entschädigungsrechts.
Es wird zunächst vollumfänglich auf die Ausführungen des Beklagten im Bescheid vom 7. Februar 2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2024 Bezug genommen, denen das Gericht folgt. Insofern wird von einer wiederholenden Darstellung der Ablehnungsgründe abgesehen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Ergänzend:
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Fassung vom 28. Mai 2021 erhält, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die (1.) von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, die (1a.) gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 20i Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a, auch i.V.m. Nr. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) vorgenommen wurde, die (2.) auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde, die (3.) gesetzlich vorgeschrieben war oder die (4.) auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt.
Die Anerkennung als Impfschaden setzt eine dreigliedrige Kausalkette voraus (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25. März 2004, Az. B 9 VS 1/02 R sowie Urteil vom 16. Dezember 2014, Az. B 9 V 3/13 R): Ein schädigender Vorgang in Form einer "Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe", der die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfüllt, muss zu einer "gesundheitlichen Schädigung", also einem Primärschaden in Form einer Impfkomplikation geführt haben, die wiederum den "Impfschaden", d.h. die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also den Folgeschaden bedingt.
Diese drei Glieder der Kausalkette müssen – auch im Impfschadensrecht – im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (ständige Rspr., siehe BSG, Urteil vom 25. Juli 2017, Az. L 20 VJ 1/17; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. Juni 2014, Az. L 1 VE 12/09). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist jedoch ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (und somit eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai1993, Az. 9/9a RV 1/92). Lässt sich der Vollbeweis in Bezug auf die drei Elemente der Kausalitätskette nicht führen oder der Ursachenzusammenhang zwischen den drei Gliedern der Kausalitätskette nicht wahrscheinlich machen und auch über die Kann-Versorgung nicht herstellen, so geht die Nichterweislichkeit der Tatsache bzw. des Ursachenzusammenhangs nach den allgemeinen Regeln der Beweislast zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs hierauf stützen will, vorliegend also zu Lasten des Klägers.
Ausgehend von diesen Grundsätzen, konnte sich die Kammer nicht davon überzeugen, dass beim Kläger ein Impfschaden vorliegt. Vorliegend fehlt es bereits am Nachweis einer Primärschädigung. Auch ist eine dauerhafte gesundheitliche Schädigung infolge der Impfung, also ein Folgeschaden (Impfschaden), nicht zu erkennen.
Hinsichtlich der erforderlichen Primärschädigung finden sich in der gesamten ärztlichen Dokumentation keine Anhaltspunkte für eine unübliche Impfreaktion des Klägers oder eine etwaige Impfkomplikation nach den durchgeführten Impfungen im Mai und August 2021. Ein impfbedingter Erstschaden, auf den die Beschwerdesymptomatik zurückgeführt werden könnte, ist vorliegend nicht nachgewiesen. Die erste ärztliche Vorstellung des Klägers nach der Impfung im Mai 2021 ist am 16. Juli 2021 dokumentiert. Damals hat der Kläger gegenüber seinem behandelnden Neurologen Dr. G. anamnestisch angegeben, seit einer Corona-Infektion im November 2020 an einer Gangstörung und einer rezidivierenden Harnblasenentzündung zu leiden. Die neurologische Untersuchung zeigte unauffällige Befunde. Nach der zweiten Impfung im August 2021 erfolgte erst am 18. Oktober 2021 die nächste Vorstellung bei seinem Hausarzt Dr. E., der beim Kläger eine tiefe Beinvenenthrombose links, eine akute Corona-Infektion und ein Long-Covid-Syndrom im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion im November 2020 feststellte.
Zudem konnte sich die Kammer auch angesichts der nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. F. im Gutachten vom 29. Januar 2024 nicht davon überzeugen, dass der aktuelle Gesundheitszustand des Klägers im Zusammenhang mit der Impfung im Mai 2021 bzw. im August 2021 steht. Der Kläger selbst ist zunächst von einem Zusammenhang der Gangstörung mit seiner Corona-Erkrankung im November 2020 ausgegangen. So hat er bei Vorstellung im Universitätsklinikum A-Stadt am 9. Dezember 2021 angegeben, seit einer Corona-Infektion im November 2020 unter Halluzinationen mit Verwirrtheitszuständen zu leiden. Er sei vor der Corona-Infektion absolut mobil gewesen und habe bis zu fünf Kilometer joggen können. Dort hat er zudem dargelegt, seit ca. drei Wochen (also seit Mitte November 2021) auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein. Die behandelnden Ärzte sind von einem Symptom-Mischbild mit Allgemeinzustandsverminderung bei einem Zustand nach einer Corona-Infektion ausgegangen und empfahlen dem Kläger die Durchführung einer Long-Covid-Rehabilitationsmaßnahme. Auch gegenüber seinem Kardiologen hat der Kläger am 4. Januar 2022 angegeben, seit einer Corona-Infektion vor ca. zwölf Monaten an einer ausgeprägten Kraftlosigkeit und an rezidivierenden Harnwegsinfektionen zu leiden. Dies sei vor der Corona-Infektion nicht so gewesen. Dort wurde ein Post-Covid-Syndrom diagnostiziert. Gleichermaßen hat der Kläger im Rahmen einer stationären Behandlung im Agaplesion Markus-Krankenhaus vom 12. Februar 2022 bis zum 16. Februar 2022 angegeben, seit der Corona-Infektion im November 2020 an einer allgemeinen Schwäche und Kraftlosigkeit zu leiden. Ebenso gegenüber den behandelnden Ärzten der DKD Helios Klinik X-Stadt im Rahmen des stationären Aufenthalts vom 20. Juli bis zum 18. August 2022. Mit E-Mail vom 22. März 2022 hat der Kläger zudem gegenüber dem Hessischen Amt für Versorgung und Soziales im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens erklärt, seit einer Corona-Infektion im November 2020 nicht mehr richtig laufen zu können. In Anbetracht der ärztlichen Dokumentation und den dort enthaltenen anamnestischen Angaben des Klägers konnte sich die Kammer nicht von einem ursächlichen Zusammenhang der geltend gemachten Schädigungsfolgen und der am 11. Mai 2021 und vom 10. August 2021 erfolgten Impfungen im Sinne der Verursachung oder Verschlimmerung überzeugen.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.