L 7 AS 61/25

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 19 AS 1566/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 61/25
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs nach der Regelbedarfsstufe 1 im Zeitraum 1.7.2019 bis 31.3.2020 

I.    Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. Dezember 2024 wird zurückgewiesen. 

II.    Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.  


 
Tatbestand

Der 1954 geborene Kläger begehrt von dem Beklagten für den Zeitraum von Juli 2019 bis März 2020 die Gewährung von höheren Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), insbesondere in Form eines höheren Regelbedarfs, der Übernahme der Kosten für ein Monatsticket für den Nahverkehr und der Mitgliederbeiträge und Versicherung beim Mieterverein.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 21. Juni 2019 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Juli 2019 bis zum 31. März 2020 i. H. v. monatlich 626,50 €. Er berücksichtigte dabei einen monatlichen Regelbedarf i. H. v. 424 €, eine Grundmiete i. H. v. 127,50 €, Heizkosten i. H. v. 25 € und Nebenkosten von 50 €. Zur Begrenzung der Bewilligung bis zum 31. März 2020 verwies er auf das Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze zum 1. April 2020.

Hiergegen erhob der Kläger am 18. Juli 2019 Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass ihm Kosten i. H. v. 80,00 € (Jahresbeitrag) für den Mieterverein anfallen würden. Das Verhältnis zu seinem Vermieter sei sehr angespannt, insbesondere sei in der Vergangenheit eine erfolglose Eigenbedarfskündigung erfolgt und die Nebenkostenabrechnungen seien regelmäßig fehlerhaft. 2015 seien die Kosten im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens übernommen worden. Zudem sei der Regelbedarf deutlich zu niedrig und damit verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Rechtsprechung außerdem die Bedeutung der Mobilität hervorgehoben, sodass der Beklagte auch die Kosten für das monatliche „9 Uhr Ticket“ des örtlichen Verkehrsbundes zu übernehmen habe.

Mit Änderungsbescheid vom 23. November 2019 passte der Beklagte die bewilligten Leistungen ab dem 1. Januar 2020 bis zum 31. März 2020 an den erhöhten Regelbedarf von 432 € an. 

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2019 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Regelbedarf sei entsprechend den gesetzlichen Regelungen gewährt worden. Die Kosten für den Mieterverein seien nicht zu übernehmen. Dem Kläger stehe die kostenfreie Rechtsberatung des Wohnungsamtes der Stadt Frankfurt am Main zur Verfügung. Aus der Übernahme der Kosten in einem gerichtlichen Verfahren könne kein Anspruch erwachsen, da die ausnahmsweise Übernahme auf einem konkreten Einzelfall aufgrund besonderer Umstände des Klägers beruht habe.

Hiergegen hat der Kläger am 20. Dezember 2019 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) erhoben und zur Begründung sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Das SG hat die Beteiligten zu der beabsichtigen Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid angehört (Schreiben vom 7. November 2024). 

Mit Gerichtsbescheid vom 23. Dezember 2024 hat das SG den Antrag des Klägers, den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21. Juni 2019 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 23. November 2019 und des Widerspruchsbescheides vom 6.  Dezember 2019 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe, insbesondere unter Berücksichtigung eines weiteren Regelbedarfs i. H. v. monatlich 581,50 €, des Nahverkehrstickets i. H. v. monatlich 37 € sowie der Kosten für die Mitgliedsbeiträge und Versicherung beim Mieterverein i. H. v. 80 € zu gewähren, abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf einen höheren Regelbedarf, eine Übernahme der Kosten eines Nahverkehrstickets und der Kosten für die Mitgliedsbeiträge und Versicherung beim Mieterverein habe. Der Beklagte habe bei seiner Leistungsberechnung den Regelbedarf des Klägers unter Zugrundelegung der gesetzlichen Vorschriften (§ 20 Abs. 2 SGB II i. V. m. § 28a Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) i. V. m. der  Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung (RBSFV) 2019 vom 19. Oktober 2018 (BGBl I 2018, 1766) und der RBSFV 2020 vom 15. Oktober 2019 (BGBl I 2019, 1452) zutreffend bewilligt. Dem alleinstehenden Kläger habe für Juli bis Dezember 2019 ein monatlicher Regelbedarf von 424 € sowie für Januar bis März 2020 von monatlich 432 € (jeweils Regelbedarfsstufe 1) zugestanden.

Es bestünden auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Bemessung des Regelbedarfes, sodass das Verfahren nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen sei. Der Gesetzgeber habe die verfassungsmäßige Verpflichtung, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Der gesetzliche Leistungsanspruch müsse so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers decke. Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkomme, sei das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig. Dem Gesetzgeber komme bei der Erfüllung seines Auftrags jedoch ein Gestaltungsspielraum zu, sodass sich die Prüfung darauf beschränke, ob die Regelbedarfe nach dem SGB II zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums evident unzureichend seien. Evident unzureichend seien Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich sei, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen könnten, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen sei. Jenseits dieser Evidenzkontrolle sei zu prüfen, ob die Bemessung der Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen sei (Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175-260; Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 - BVerfGE 137, 34-103; Beschluss vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353-388; alle abrufbar unter juris). Das Bundesverfassungsgericht habe die Vorschriften über die Festsetzung der Höhe des Regelbedarfs sowie deren Fortschreibung bis zum Jahr 2014 für verfassungskonform erklärt (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 - BVerfGE 137, 34-103). Für die streitbefangenen Jahre 2019 und 2020 bestehe kein Anlass hiervon abzuweichen. Das SG mache sich die Ausführungen des 7. Senats des LSG Nordrhein-Westfalen in dessen Beschluss vom 24. März 2020 zum Verfahren L 7 AS 164/20 B (juris RdNr. 9) zu eigen. Dort heiße es:

„Die verfassungsrechtlich gebotene Neuermittlung der Regelbedarfsstufen hat im Jahr 2017 stattgefunden. Mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) vom 22.12.2016 (BGBl. I, 3159) hat der Gesetzgeber eine Sonderauswertung der EVS 2013 vorgenommen (§ 1 RBEG) und nach Fortschreibung der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsangaben aus dem Jahr 2013 (§ 7 RBEG; zu der Verfassungsmäßigkeit dieser speziellen Fortschreibungsregelung vgl. nur Saitzek in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl., § 20 Rn. 53) die Summe der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsangaben für Erwachsene ab 01.01.2017 auf 409 EUR (§ 7 Abs. 3 RBEG) festgesetzt. Die Regelbedarfsermittlung für 2017 folgt denselben Grundsätzen, die der vom BVerfG im Beschluss vom 23.07.2014 geprüften Rechtslage zugrunde gelegen haben. Die Prüfaufträge und Überwachungspflichten, die das BVerfG im Beschluss vom 23.07.2014 vorgegeben hat, sind beachtet worden (Beschluss des Senats vom 05.09.2018 - L 7 AS 193/18 NZB). Die Regelsätze werden jährlich überprüft und fortgeschrieben. Die Fortschreibung der Regelbedarfe wird anhand eines Mischindex errechnet. Dieser setzt sich zu 70 Prozent aus der Preisentwicklung und zu 30 Prozent aus der Nettolohnentwicklung zusammen (§ 28a Abs. 2 SGB XII). Das Statistische Bundesamt ermittelt die Preisentwicklung der Güter und Dienstleistungen, die relevant sind, um ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Auch die Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter wird vom Statistischen Bundesamt berechnet (§ 28a Abs. 3 SGB XII). Für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen werden nicht die Entwicklung der Verbraucherpreise insgesamt und damit auch nicht der allgemeine Verbraucherpreisindex zugrunde gelegt. Vielmehr wird vom Statistischen Bundesamt ein spezieller Preisindex gebildet. Dieser berücksichtigt ausschließlich die Preisentwicklung der regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen. Zur Zulässigkeit dieses Vorgehens hat das BVerfG ausgeführt (BVerfG Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 Rn. 137): "Eine Hochrechnung anhand der Preisentwicklung in den Ausgabepositionen, aus denen sich der regelbedarfsrelevante Verbrauch zusammensetzt, ist mit dem Grundgesetz ebenso vereinbar wie die Orientierung an einem gemischten Index, der neben der Preisentwicklung auch die Entwicklung der Löhne und Gehälter berücksichtigt. Der Gesetzgeber hat tragfähig begründet, warum sich die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nunmehr nach § 28a Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB XII an die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter anlehnt. Eine stärkere Gewichtung der Preisentwicklung nach § 28a Abs. 2 Satz 3 SGB XII ist allerdings erforderlich, weil gerade bei Leistungen zur Deckung des physischen Existenzminimums deren realer Wert zu sichern ist. Die geringere Berücksichtigung der Lohnentwicklung soll Entwicklungsstand und Lebensbedingungen berücksichtigen und in gewissem Maße die Wohlfahrtsentwicklung der Gesellschaft nachzeichnen. Die Lohnentwicklung ist zwar für sich genommen zur Fortschreibung der Höhe der Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nicht tauglich. Entscheidend ist aber auch hier, im Ergebnis eine menschenwürdige Existenz tatsächlich zu sichern.“ Diese Ausführungen gelten auch für die hier maßgebliche Fortschreibung für das Jahr 2019 und 2020.“

Auch weitere Gerichte hätten die Regelsätze für 2019 und 2020 als verfassungsmäßig erachtet (Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Februar 2022 - L 7 AS 930/21 B - streitiger Zeitraum: Juni bis November 2019; Beschluss vom 28. Juni 2021 -  L 7 AS 361/21 B - Januar und Februar 2019; SG Freiburg - Breisgau, Urteil vom 26. Mai 2022 - S 7 AS 1561/22 - Mai 2020 bis April 2021; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. Oktober 2023 - L 4 SO 182/21  - Januar bis Juni 2019; BSG, Beschluss vom 7. April 2020 - B 8 SO 8/20 B  - Februar 2019 bis Januar 2020; juris).

Soweit der Kläger vortrage, dass die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2013 bereits bei der Bestimmung des Regelsatzes für das Jahr 2016 Berücksichtigung hätte finden müssen, und eine frühere Berücksichtigung auch Auswirkungen auf die Folgezeit, nämlich die Jahre 2017 bis 2019, gehabt hätte, sei darauf hinzuweisen, dass die für die Regelsatzbestimmung erforderlichen Daten im Jahr 2015 dem Gesetzgeber noch nicht zur Verfügung gestanden hätten. Zwar habe das Statistische Bundesamt im September 2015 die aufbereiteten und anonymisierten Datensätze veröffentlicht. Für eine neue Regelbedarfsermittlung bedürfe es aber nicht allein der in § 28 Abs. 1 SGB XII genannten neuen EVS. Vielmehr sei die Bundesregierung vom Gesetzgeber beauftragt, bei der Ermittlung der Regelbedarfe Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen. Grundlage hierfür seien die durch die EVS nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen (§ 28 Absatz 2 SGB XII). Hierfür habe das BMAS Sonderauswertungen zur EVS beim Statistischen Bundesamt in Auftrag zu geben (§ 28 Absatz 3 SGB XII). Das Statistische Bundesamt sei regelmäßig erst nach der Veröffentlichung der (Gesamt-) EVS in der Lage, Sonderauswertungen zur EVS durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Sonderauswertungen (u. a. für Einpersonenhaushalte und Familienhaushalte sowie weitere Sonderauswertungen) hätten der Bundesregierung im Jahr 2015 noch nicht vorgelegen, sodass die Ermittlung der Regelbedarfe für das Jahr 2016 auf Grundlage der EVS 2013 nicht möglich gewesen sei (Hinweis auf die Abschlussbegründung des Deutschen Bundestages vom 26. September 2019 bzgl. der Petition Pet 3-18-11-2170-026970, abrufbar unter https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2015/_12/_03/Petition_62499.abschl ussbegruendungpdf.pdf, zuletzt abgerufen am 21. Dezember 2024).

Aus dem vom Kläger benannten Gutachten des paritätischen Wohlfahrtsverbandes „Regelbedarf 2018, Herleitung und Bestimmung der Regelbedarfe in der Grundsicherung“, in dem eine Anhebung des Regelsatzes auf 571,00 EUR gefordert werde, folge für das Gericht keine abweichende Einschätzung der Verfassungskonformität. Das Gutachten trage im Wesentlichen eine sozialpolitisch begründete Forderung vor. Es enthalte keine Aussage über die Einhaltung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen hinsichtlich einer verfassungskonformen Regelsatzbestimmung. Auch das vom Kläger vorgebrachte Gutachten „Verfassungsrechtliches Kurzgutachten zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28 SGB XII zum 01.01.2022“ von Prof. Anne Lenze vermöge keine Zweifel des SG an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen zur Bestimmung des Regelbedarfs hervorzurufen. Das Gutachten beziehe sich ausdrücklich auf die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen zum 1. Januar 2021, sodass für den streitgegenständlichen Zeitraum keine relevante Aussage getroffen werde.

Für das SG seien auch keine Anhaltspunkte gegeben, dass eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter vorliege, die eine Neufestsetzung des Regelbedarfes durch den Gesetzgeber erforderlich gemacht hätte. Soweit der Kläger vortrage, dass die Inflationsrate in der letzten Zeit massiv gestiegen sei, betreffe dies ebenfalls nicht den streitigen Zeitraum, sondern erst spätere Zeiträume (insbesondere ab 2021). So hätten sich die Verbraucherpreise im Jahresdurchschnitt in 2019 um 1,4 Prozent gegenüber 2018 erhöht (https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/01/PD20_019_611.html zuletzt aufgerufen am 23. Dezember 2024). Für 2020 werde eine Steigerung um 0,5 Prozent gegenüber 2019 angegeben, wobei zu beachten sei, dass dieser niedrige Wert insbesondere auf der Mehrwertsteuersenkung ab Juli 2020 beruhe und der Wert im Frühjahr 2020 etwas höher gelegen habe (https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/01/PD21_025_611.html, zuletzt abgerufen am 23. Dezember 2024). Zu beachten sei, dass entscheidend auf die Preisentwicklung der regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen abzustellen sei. Für 2019 hätten sich beispielsweise Nahrungsmittel und Energieprodukte um 1,4 Prozent verteuert (https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/01/PD20_019_611. html, zuletzt aufgerufen am 23. Dezember 2024). Im Jahr 2020 hätten sich Energieprodukte gegenüber dem Vorjahr um 4,8 Prozent verbilligt. Zugleich seien die Preise für Nahrungsmittel überdurchschnittlich um 2,4 Prozent gestiegen (https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/01/PD21_025_611. html; zuletzt aufgerufen am 23.12.2024). Im Ergebnis habe die Erhöhung der Regelsätze (2019: 2,02 Prozent und 2020: 1,88 Prozent) damit den Teuerungsraten entsprochen (Hinweis auf SG Freiburg - Breisgau, Urteil vom 26. Mai 2022 - S 7 AS 1561/22 - juris RdNr. 44).

Soweit der Kläger die Übernahme der Kosten für ein Monatsticket für den ÖNVP begehre, sei er auf den Regelsatz zu verweisen. § 5 Abs. 1 Abteilung 7 RBEG sehe für die Mobilität einen eigenen Kostenpunkt vor. Das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, dass der Gesetzgeber auch mit Blick auf die Lebenshaltungskosten sicherstellen müsse, dass der existenznotwendige Mobilitätsbedarf tatsächlich gedeckt werden könne (Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 - BVerfGE 137, 34-103, juris RdNr. 115). Der Gesetzgeber habe mit Blick auf diese Rechtsprechung im Rahmen der Ermittlung des Regelbedarfes für 2017 eine Sonderauswertung hinsichtlich der Verbrauchsausgaben für Mobilität für Haushalte ohne Ausgaben für Kraftstoffe, Autogas, Strom für Elektroautos und Schmierfette vorgenommen (vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 42 f.). Die für die Mobilität in Ansatz gebrachten Werte (2019: 34,68 EUR und 2020: 35,99 EUR) seien insofern nicht zu beanstanden (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 20. März 2019 - L 11 AS 905/18 - juris RdNr. 22). Den Gesetzgeber treffe auch keine Verpflichtung, den Erwerb einer Monatskarte im öffentlichen Nahverkehr zu ermöglichen.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Mieterverein i. H. v. 80 €. Der Beklagte verweise den Kläger zu Recht auf die für ihn kostenfreie mietrechtliche Beratung des Amtes für Wohnungswesen der Stadt Frankfurt am Main. Dieses berate umfassend zu mietrechtlichen Problem, insbesondere auch zu den vom Kläger vorgetragenen Betriebskostenabrechnungen und Wohnungskündigungen. Sofern es zu einem gerichtlichen Verfahren komme, bestehe zudem die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe. Soweit der Beklagte dem Kläger im Rahmen eines früheren Klageverfahrens (Az. S 19 AS 618/16) einmalig die Kosten erstattet habe, folgt daraus kein Anspruch des Klägers für den hier streitigen Zeitraum. Eine Übernahme der Kosten habe damals im Zusammenhang mit der Eigenbedarfskündigung des Vermieters und einem daraufhin geführten Klageverfahren vor dem Amtsgericht gestanden. Eine vergleichbare Situation sei vorliegend nicht ersichtlich. Auch die vom vormaligen Prozessbevollmächtigten aufgeführte Rechtsprechung führe nicht zu einem anderen Ergebnis. In dem Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 2012 zum Az. L 12 AS 1773/11 B ER werde ausdrücklich darauf abgestellt, dass die weiteren Kosten, wie Kosten eines zivilgerichtlichen Verfahrens, in einem Hauptsacheverfahren zu übernehmen wären, weil diese durch die rechtswidrige Leistungsverweigerung durch den Leistungsträger entstanden wären. Der genannte Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. September 2013 zum Az. S 20 AS 752/13 ER sei durch das Gericht in den verfügbaren Datenbanken nicht aufzufinden gewesen; nach den Ausführungen des ehemaligen Prozessbevollmächtigten solle dort aber ebenfalls auf die rechtswidrige Leistungsablehnung abgestellt worden sein. Die vom Kläger geschilderten Probleme (Nebenkostenabrechnung, früher erfolgte Kündigung) beruhten auf dem Verhältnis zwischen ihm und dem Vermieter, nicht aber auf einer Leistungsverweigerung des Beklagten. Dass der Kläger die Mietkosten sowie Neben- und Heizkosten nicht in voller Höhe übernehme, trage der Kläger gerade nicht vor. Auch die weiteren Bedarfe habe der Beklagte zutreffend ermittelt. Der Kläger habe in seinem Weiterbewilligungsantrag vom 13. Mai 2019 selbst angegeben, dass die Grundmiete 127 € sowie die Nebenkosten mit Heizkosten 75 € monatlich betragen würden. Diese Kosten seien in voller Höhe vom Beklagten übernommen worden.

Gegen den ihm am 31. Dezember 2024 zugestellten Gerichtsbescheid des SG vom 23. Dezember 2024 hat der Kläger am 30. Januar 2025 Berufung bei dem SG eingelegt, welche dieses am selben Tag an das Hessische Landessozialgericht weitergeleitet hat. Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein Begehren weiter und hat zur Berufungsbegründung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Seiner Auffassung nach ist für die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Regelsätze im streitgegenständlichen Zeitraum ein Sachverständigengutachten einzuholen. Er verweist erneut auf seine Ausführungen in seinem früheren Verfahren mit dem Az. S 19 AS 630/15. Der Gesetzgeber dürfe nicht ins Blaue hinein und völlig intransparent den Regelsatz berechnen. Vom BVerfG werde eindeutig gefordert, die festgestellten Unterdeckungen (nicht nur bei den „weißen Geräten“) zu berücksichtigen (Hinweis BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, BvR 1691/13 - RdNr. 120 und 147). Nach der Rechtsprechung des BVerfG habe der Gesetzgeber in dem von ihm gewählten Modell sicherzustellen, dass Unterdeckungen, die aufgrund des statistisch ermittelten, durch nachträgliche Kürzungen modifizierten monatlichen Pauschalbetrags entstünden, im Wege internen Ausgleichs oder Ansparens auch tatsächlich gedeckt werden könnten. Es liege im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, dazu einen hinreichend großen finanziellen Spielraum zu schaffen, einen eigenen Leistungsanspruch auf einen Zuschuss neben dem Regelbedarf für aus dem Pauschalbetrag offensichtlich nicht zu deckende existentielle Bedarfe vorzusehen oder, soweit es sich um öffentliche Dienstleistungen handele, die Kosten für diese zu erlassen oder zu stunden. Die Prüf- und Überwachungspflichten, die das BVerfG dem Gesetzgeber aufgegeben habe, seien von diesem nicht hinreichend beachtet worden. 

Der Kläger beantragt, 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. Dezember 2024 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 21. Juni 2019 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. November 2019 sowie in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2019 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines weiteren Regelbedarfs i. H. v. monatlich 581,50 €, des Nahverkehrstickets i. H. v. monatlich 37 € sowie der Kosten für die Mitgliedsbeiträge und Versicherung beim Mieterverein i. H. v. 80 € zu gewähren, hilfsweise, ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs im streitgegenständlichen Zeitraum einzuholen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. 

Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. 

Der Senat hat die Berufung nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 16. Juni 2025 auf die Berichterstatterin zur gemeinsamen Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen (§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.  


Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in der Besetzung mit nur einer Berufsrichterin und zwei ehrenamtlichen Richtern entscheiden, da das SG den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG entschieden hat und die Berufung mit Beschluss des Senats vom 21. Mai 2025 auf die Berichterstatterin übertragen wurde (vgl. § 153 Abs. 5 SGG).

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig und ist von dem Kläger form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG eingelegt worden. 

Die Berufung ist jedoch unbegründet und war zurückzuweisen. 

Der Gerichtsbescheid des SG vom 23. Dezember 2024 und der Bescheid des Beklagten vom 21. Juni 2019 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. November 2019 sowie in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht und aus zutreffenden Gründen abgewiesen. Der Senat schließt sich nach eigener Überzeugung den Ausführungen des SG an und sieht insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).

Eine andere rechtliche Beurteilung folgt auch nicht aus der Berufungsbegründung.

Der Senat geht - ebenso wie das SG - nicht von einer Verfassungswidrigkeit der Bemessung des Regelbedarfs für die Jahre 2019 und 2020 aus, weshalb keine Veranlassung für eine Aussetzung des Verfahrens und dessen Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) bestand. Das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzgeberische Konzeption des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes (RBEG) 2011, die auch dem RBEG 2017 (gültig vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2020) zugrunde lag, grundsätzlich gebilligt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34; Hess. LSG, Urteil vom 10. März 2021 - L 6 AS 439/18 - juris RdNr. 78; BSG, Beschluss vom 1. August 2024 - B 8 SO 65/23 BH - juris RdNr. 5). Der hier streitgegenständliche Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 für die Zeit vom 1. Juli 2019 bis 31. März 2020 steht in Einklang mit Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG.

Insbesondere vermag der Senat nicht der in der mündlichen Verhandlung nochmals ausführlich dargelegten Auffassung des Klägers zu folgen, dass die Prüfaufträge und Überwachungspflichten, die das BVerfG im Beschluss vom 23. Juli 2014 dem Gesetzgeber aufgegeben hat, nicht hinreichend beachtet worden seien. Vielmehr ist der Gesetzgeber den Prüfaufträgen und Überwachungspflichten nachgekommen, ohne dass sich hierbei zwingende Änderungsbedarfe ergeben hätten (so zutreffend auch das SG unter Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. März 2020 - L 7 AS 164/20 B - juris RdNr. 9; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Februar 2018 - L 19 AS 2324/17 B - juris RdNr. 14 m. w. N.; Beschluss vom 5. September 2018 - L 7 AS 193/18 NZB - juris RdNr. 17; Beschluss vom 28. Juni 2021 - L 7 AS 361/21 B - juris RdNr. 14; Beschluss vom 14. Februar 2022 - L 7 AS 930/21 B - juris RdNr. 6). Ebenso hat sich bereits das Hessische Landessozialgericht ausführlich mit dieser Frage befasst und ist zum selben Ergebnis gelangt (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 10. März 2021 - L 6 AS 439/18 - juris RdNr. 78 ff; Beschluss vom 15. August 2019 - L 4 SO 120/19 B - juris RdNr. 18 ff; Urteil vom 18. Oktober 2023 - L 4 SO 182/21 - juris RdNr. 34 ff). Danach hat sich der Gesetzgeber den Prüfaufträgen des BVerfG gestellt und diese abgearbeitet (vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 23 ff; Hess. LSG, Urteil vom 10. März 2021 - L 6 AS 439/18 - juris RdNr. 85; Beschluss vom 15. August 2019 - L 4 SO 120/19 B - juris RdNr. 18 ff; Hess. LSG, Urteil vom 18. Oktober 2023 - L 4 SO 182/21 - juris RdNr. 34 ff). So wurde hinsichtlich des gesetzlichen Prüfauftrags zum finanziellen Spielraum bei punktuellen Unterdeckungen in der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 26) - nach Überprüfung der im Regelbedarf enthaltenen Verbrauchspositionen sowie unter Berücksichtigung der im jeweiligen Fürsorgesystem geltenden Regelungen zur Behebung von kurzfristig eintretenden Notlagen (z.B. Darlehen nach § 24 SGB II und § 37 SGB XII), die grundsätzlich durch Ansparen aus dem Regelbedarf zu beheben wären - dargelegt, dass keine Notwendigkeit ergänzender Regelungen zur Vermeidung von Bedarfsunterdeckungen im Einzelfall bestehe. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass zum einen bereits bei Feststellung einer Notlage zu berücksichtigen sei, dass hierfür die Deckung des infrage stehenden Bedarfs und nicht zwingend die Anschaffung hierfür notwendiger Ge- und Verbrauchsgüter zum marktüblichen Anschaffungspreis maßgeblich sei. Die Sicherstellung des Existenzminimums erfordere insoweit weder die Anschaffung neuwertiger Güter noch deren Vollfinanzierung, wenn eine Teilfinanzierung aus im Übrigen geschützten Einkommen oder Vermögen möglich und gesetzlich vorgesehen sei, selbst wenn es bei der Feststellung des laufenden Leistungsanspruchs nicht zu berücksichtigen sei. Zum anderen seien die Regelsatzdarlehen hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Rückzahlungsmodalitäten so ausgestaltet, dass ausreichender Spielraum verbleibe, um individuellen Überforderungssituationen bei der Darlehensrückzahlung gerecht werden zu können. So könnten Darlehen im Rechtskreis SGB II erlassen werden, sofern deren vollständige Tilgung während des Leistungsbezugs etwa aufgrund der Tilgungsrate oder aufgrund der Tilgungsdauer unbillig wäre. Hierbei seien finanzielle Überforderungssituationen ebenso zu berücksichtigen wie bei der Tilgung von Regelsatzdarlehen nach dem SGB XII: Diese sähen die Ausübung von Ermessen bei der Höhe der Tilgungsrate vor (vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 26). 

Soweit der Kläger beanstandet, dass die Regelleistung (nicht nur) für die Anschaffung sog. „weißer Ware“ nicht ausreiche, ist in der Leistung zur Deckung der Regelbedarfe ein pauschaler, den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegelnder Einzelbetrag für Innenausstattung, Haushaltsgeräte und Haushaltsgegenstände enthalten (Abteilung 5 für Erwachsene). Die Ausgaben für Waschmaschinen, Wäschetrockner, Geschirrspül- und Bügelmaschinen (EVS 2013 laufende Nummer 24, Code 0531 200, BT-Drucks 18/9984, S. 39) sind dabei zu 100 Prozent berücksichtigt worden. Gegen diese gesetzgeberische Konzeption, wonach Bedürftige Mittel zur Bedarfsdeckung eigenverantwortlich ausgleichen und ansparen müssen, hat auch das BVerfG aus verfassungsrechtlicher Sicht ausdrücklich keine Einwände erhoben (vgl. BVerfG vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a. - BVerfGE 125, 175, juris RdNr. 204, 205; BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 - 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34, juris RdNr. 119; Hess. LSG, Urteil vom 18. Oktober 2023 - L 4 SO 182/21 - juris RdNr. 35). Weiterhin hat das BVerfG darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber eine verfassungswidrige Unterdeckung einmaligen Bedarfs mit § 23 Abs. 1 SGB II (jetzt: § 24 Abs. 1 SGB II) zu vermeiden versucht habe. Danach könnten Hilfebedürftige ein Darlehen erhalten, wenn ein unvermutet auftretender und unabweisbarer einmaliger Bedarf durch angesparte Mittel nicht gedeckt werden könne. Das Darlehen werde zwar in den nachfolgenden Monaten dadurch getilgt, dass der Grundsicherungsträger 10 % von der Regelleistung einbehalte. In Anbetracht der Ansparkonzeption des Gesetzgebers sei eine vorübergehende monatliche Kürzung der Regelleistung jedoch im Grundsatz nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a. - BVerfGE 125, 175 - juris RdNr. 150). Zwar hat das BVerfG auch darauf hingewiesen, dass aus der statistischen Berechnung des Regelbedarfs in Orientierung an den auf der Grundlage einer Stichprobe berechneten Verbrauchsausgaben eines Teils der Bevölkerung die Gefahr folge, dass mit der Festsetzung der Gesamtsumme für den Regelbedarf die Kosten für einzelne bedarfsrelevante Güter nicht durchgängig gedeckt seien. Dem könnten entweder der Gesetzgeber durch zusätzliche Ansprüche auf Zuschüsse zur Sicherung des existenznotwendigen Bedarfs oder die Sozialgerichte durch die verfassungskonforme Auslegung anspruchsbegründender Normen begegnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34 - juris RdNr. 115 ff; Hess. LSG, Urteil vom 18. Oktober 2023 - L 4 SO 182/21 - juris RdNr. 36). Allerdings ist auch im Bereich des SGB II davon auszugehen, dass der verfassungsrechtlichen Relevanz einer längeren Dauer von Aufrechnungen zur Tilgung von Anschaffungsdarlehen im Sinne des § 24 Abs. 1 SGB II durch die im Gesetz vorgesehenen Korrekturmöglichkeiten wie z. B. Erlass oder Teilerlass von Darlehensrückzahlungsverpflichtungen nach § 44 SGB II Rechnung getragen werden kann (zu den Korrekturmöglichkeiten im Einzelnen vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2018 - B 14 AS 31/17 R - juris RdNr. 45 ff). 

Hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine evidente Unterdeckung des Existenzminimums sind nach alledem für den Senat - auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers - nicht erkennbar (vgl. hierzu auch Hess. LSG, Urteil vom 10. März 2021 - L 6 AS 439/18 - juris RdNr. 79). Dies gilt auch, soweit dem Gesetzgeber von dem BVerfG auferlegt worden ist, sicherzustellen, dass der existenznotwendige Mobilitätsbedarf tatsächlich gedeckt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34 - juris RdNr. 145). Das SG ist hinsichtlich des Begehrens des Klägers auf Übernahme der Kosten des Nahverkehrstickets i. H. v. monatlich 37 € im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Kosten für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs bereits in den für Mobilität in Ansatz gebrachten Werten für die Ermittlung des Regelbedarfs (2019: 35,33 EUR, vgl. Schwabe, ZfF 2019, 1, 11; 2020: 36 EUR, vgl. Schwabe, ZfF 2020, 1, 3, 13) beinhaltet sind, und eine vollständige Übernahme dieser Kosten grundsätzlich nicht geboten ist. Insoweit vermag die Regelung des § 21 Abs. 6 SGB II (Härtefallmehrbedarf) Sondersituationen Rechnung zu tragen, in denen ein seiner Art oder Höhe nach auftretender Bedarf von der Statistik nicht aussagekräftig erfasst wird und sich der Regelbedarf als unzureichend erweist (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 10. März 2021 - L 6 AS 439/18 - juris RdNr. 86 m. w. N. unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 8. Mai 2019 - B 14 AS 13/18 R - juris RdNr. 14 ff, 17). Eine solche Sachlage ist im Falle des Klägers jedoch nicht ersichtlich.

Für einen Härtefallmehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II bestehen nach dem Vortrag des Klägers keine Anhaltspunkte. Gemäß § 21 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz SGB II (in der hier anzuwendenden, vom 1. April 2011 bis 31. Dezember 2020 geltenden Fassung des Gesetzes vom 13. Mai 2011, BGBl I 850) wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (§ 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II). Ein solcher Bedarf, der nicht nur die üblichen Fahrten im Alltag betrifft, ist von dem Kläger nicht geltend gemacht worden. Die Härtefallregelung hat auch nicht die Funktion, eine (vermeintlich oder tatsächlich) unzureichende Höhe des Regelbedarfs an sich auszugleichen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Mai 2021 - B 4 AS 88/20 R - juris RdNr. 17 m. w. N; BSG, Urteil vom 26. Januar 2022 - B 4 AS 81/20 R - juris RdNr. 16). 

Auch die Verpflichtung des Gesetzgebers durch das BVerfG in seiner Entscheidung vom 23. Juli 2014, die tatsächliche Deckung existenzieller Bedarfe fortlaufend zu prüfen, führt zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass trotz der jährlichen Fortschreibung des Regelbedarfs in den für den Kläger relevanten Jahren 2019 und 2020 (im Hinblick auf den streitgegenständlichen Zeitraum von Juli 2019 bis März 2020) eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen entstanden wäre, auf die der Gesetzgeber vorzeitig durch eine Neufestsetzung des Regelbedarfs hätte reagieren müssen, sind nicht evident.  Hierzu wurde in der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 26) ausgeführt, um auch kurzfristige Preisentwicklungen beobachten zu können, erhalte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom Statistischen Bundesamt nicht nur einmal jährlich die Veränderungsrate der regelbedarfsrelevanten Preise für die Fortschreibung der Regelbedarfe, sondern auch monatlich den aktuellen Indexwertewert für diesen Preisindex. Zudem veröffentliche das Statistische Bundesamt monatlich zur Monatsmitte zusammen mit der Pressemitteilung zur Verbraucherpreisentwicklung Daten zur Entwicklung aller wichtigen Kategorien von Gütern und Dienstleistungen (Fachserie 17 Reihe 7). Auf Basis dieser Zahlen und der Struktur der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben (siehe Begründung zu Artikel 1 § 7) ließen sich außergewöhnliche Preisentwicklungen und deren Auswirkungen auf das regelbedarfsrelevante Preisniveau unterjährig beobachten. Insoweit ist auf die zutreffenden und nachvollziehbaren Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu verweisen, wonach eine erhebliche Entkopplung der Höhe der Regelsätze von der Inflationsrate im hier maßgeblichen Zeitraum (2019 und 2020) nicht eingetreten war, zumal hierfür nicht die Inflationsrate insgesamt maßgeblich ist, sondern die Preisentwicklung der regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen. 

Nach alledem war kein Sachverständigengutachten zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs im streitgegenständlichen Zeitraum einzuholen.

Der Senat geht wie das SG davon aus, dass eine Übernahme der Kosten für die Mitgliedsbeiträge und Versicherung beim Mieterverein i. H. v. 80 € nicht in Betracht kommt, und verweist auch insoweit auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung. Ebenso wenig ergibt sich ein Anspruch auf höhere Leistungen aus sonstigen Gründen.  

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Entscheidung ergeht in Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).  
 

Rechtskraft
Aus
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