L 2 AS 293/24

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 27 AS 2076/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 2 AS 293/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Die für die Zeit ab dem 1. Januar 2019 für einen Ein-Personen-Haushalt geltenden Werte für angemessene Unterkunftskosten in der Stadt Halle (Saale) beruhen auf einem schlüssigen Konzept bzw das ab 1. Januar 2017 geltende Konzept ist zulässig fortgeschrieben worden.
2. Eine Gesamtangemessenheitsgrenze iS von § 22 Abs 10 SGB II gilt nur, wenn der Grundsicherungsträger eine solche festgelegt hat.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (jetzt: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende [SGB II]) für den Zeitraum vom 1. Juni 2019 bis zum 29. Februar 2020 (Streitzeitraum). Der Beklagte und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Beklagter) habe ihre Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) vollständig, d.h. in Bezug auf die Bruttokaltmiete nicht begrenzt auf die höchstens als angemessenen angesehenen Kosten eines Ein-Personen-Haushalts als Bedarf zu berücksichtigen.

Die am ... 1956 geborene und alleinstehende Klägerin bezog schon vor dem Streitzeitraum laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten. Daneben erhielt sie von der Bundesagentur für Arbeit bis zum 28. August 2020 Arbeitslosengeld i.H.v. täglich 19,20 Euro (monatlich 576,00 Euro). Im März 2019 bezog sie auch noch Krankengeld.

Zunächst wohnte die Klägerin in der Z. Straße 27 in H. zur Miete. Sie schuldete monatlich eine Grundmiete i.H.v. 275,47 Euro, Betriebskostenvorauszahlungen i.H.v. 97,00 Euro (Bruttokaltmiete: 372,47 Euro) und Heizkostenvorauszahlungen i.H.v. 55,00 Euro (gesamt: 427,47 Euro).

Mit Bescheid vom 14. Februar 2019 bewilligte der Beklagte Arbeitslosengeld II für den Monat März 2019 i.H.v. 57,34 Euro und den Zeitraum April 2019 bis Februar 2020 i.H.v. monatlich 305,47 Euro. Dabei berücksichtigte er die vollen KdUH i.H.v. 427,47 Euro als Bedarf und das monatliche Arbeitslosengeld abzüglich eines Freibetrags von 30,00 Euro sowie nur für März 2019 zusätzlich das Krankengeld als Einkommen.

Zugleich wies der Beklagte sie – im Nachgang zu einer Betriebskostenabrechnung für einen anderen Zeitraum – mit einem Schreiben vom 14. Februar 2019 darauf hin, dass ihre KdUH nach seiner Prüfung unangemessen hoch seien. Monatlich seien statt der Bruttokaltmiete i.H.v. 372,47 Euro nur 319,00 Euro und als Heizkosten bis zu 91,50 Euro bei hier tatsächlichen Kosten i.H.v. 55,00 Euro angemessen. Er forderte sie auf, die Verbrauchskosten für Wasser, Abwasser, Heizung und Strom zu senken, um Nachzahlungen bzw. Erhöhungen der KdUH zu vermeiden. Er sehe bis zur nächsten Betriebskostenabrechnung von einer Umzugsaufforderung aus Wirtschaftlichkeitsgründen zunächst ab.

Am 15. Februar 2019 und mit Wirkung ab 1. Mai 2019 schloss die Klägerin, ohne den Beklagten vorher zu unterrichten und ohne dessen Zusicherung zur Anerkennung der geänderten Bedarfe für die KdUH beantragt zu haben, einen Mietvertrag über die im Streitzeitraum genutzte 41 qm große Wohnung in der K.-Straße 28 a, H. Sie lebte dort weiter allein. Statt der zuvor als Gesamtmiete für die Wohnung anfallenden 427,47 Euro musste die Klägerin nun insgesamt 458,90 Euro monatlich zahlen. Hinzu kamen 7,00 Euro für die Satellitenanlage und 30,00 Euro für den vom Vermieter gelieferten Strom. Dementsprechend war die monatliche Kaltmiete nun höher und betrug 360,00 Euro (zuvor 275,47 Euro), während die sonstigen monatlichen Vorauszahlungen geringer als zuvor ausfielen (Betriebskosten 52,65 Euro statt zuvor 97,00 Euro und Heizkosten 46,25 Euro statt zuvor 50,00 Euro). Am 18. April 2019 meldete die Klägerin bei der Stadt H. sich als dort wohnhaft.

Die Klägerin unterrichtete den Beklagten erst am 30. April 2019 über den bereits vollzogenen Umzug.

Diese Mitteilung bzw. den Umzug nahm der Beklagte zum Anlass, der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme wegen einer beabsichtigten teilweisen Rückforderung der Leistungen für den Monat Mai 2019 i.H.v. 62,22 Euro einzuräumen (Schreiben vom 17. Mai 2019). Mit dem Umzug hätten sich die (gemeint: anzuerkennenden) Bedarfe für die KdUH verringert. Weil der Umzug ohne Zusicherung erfolgt sei, könne nur noch eine angemessene Bruttokaltmiete i.H.v. 319,00 Euro monatlich berücksichtigt werden.

Mit gleichlautender Begründung reagierte der Beklagte auf den Umzug, indem er der Klägerin mit änderndem Bescheid vom 17. Mai 2019 ab Juni 2019 bis Februar 2020 um 62,22 Euro geringere Leistungen (monatlich noch 243,25 Euro) bewilligte. Monatlich berücksichtigte er nur die als angemessen angesehene Bruttokaltmiete i.H.v. 319,00 Euro und wegen der Heizkosten die tatsächlichen Kosten i.H.v. 46,25 Euro (insgesamt 365,25 Euro). Die Einkommensberücksichtigung blieb unverändert.

Gegen diesen Änderungsbescheid erhob die Klägerin mit einem auf den 28. Mai 2019 datierten Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten am 18. Juni 2019 Widerspruch. Sie begehrte die Berücksichtigung der KdUH in bisheriger Höhe. Mit der Kostensenkungsaufforderung sei ihr mitgeteilt worden, dass insgesamt 410,50 Euro angemessen seien. Eine Begrenzung der KdUH-Bedarfe auf insgesamt 365,25 Euro sei daher nicht gerechtfertigt. Zudem bestehe ein Anspruch auf eine Bewilligung insgesamt angemessener KdUH.

Der Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2019).

Am 4. November 2019 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung des Bescheides vom 17. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2019 sowie die Verurteilung des Beklagten zu höheren Leistungen unter Berücksichtigung monatlicher KdUH i.H.v. 422,47 Euro bzw. hilfsweise von 410,50 Euro (Gesamtangemessenheitswert) begehrt hat. Ihr Umzug dürfe trotz fehlender Zusicherung des Beklagten nicht dazu führen, dass in Bezug auf die KdUH geringere Bedarfe anerkannt würden als vor dem Umzug. Hierzu hätte zuvor eine Kostensenkungsaufforderung ergehen müssen. Zudem habe der Beklagte sein Ermessen auszuüben gehabt, wobei seine Gesamtangemessenheitsgrenze zu den KdUH zu beachten gewesen sei.

Mit änderndem Bescheid vom 23. November 2019 hat der Beklagte die Bewilligung für Januar und Februar 2020 wegen der ab dann gültigen höheren Regelbedarfsfestlegung erhöht.

Das SG hat die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen (Urteil vom 15. Dezember 2022). Ein Anspruch auf Berücksichtigung höherer Bedarfe für die KdUH bestehe nicht. Die unangemessene Bruttokaltmiete könne nicht durch geringere als angemessen eingeschätzte Heizkosten kompensiert werden. Zwar sei es nach dem Gesetz grundsätzlich möglich, eine Gesamtangemessenheitsgrenze festzulegen. Hierfür habe sich der Beklagte aber nicht entschieden. Im Übrigen sei das vom Beklagten angewandte Konzept schlüssig, d.h. es seien die angemessenen KdUH berücksichtigt worden.

Nach der Zustellung des Urteils am 16. Februar 2023 hat die Klägerin am 7. März 2023 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung erhoben. Diese hat sie damit begründet, dass ein Anspruch auf eine Gesamtbetrachtung bestehe. Es könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, wenn der Beklagte die im Rahmen des § 22 Abs. 10 SGB II eingeräumte Möglichkeit nicht nutze und damit den Umzug von Leistungsempfängern aus energetisch schlecht errichteten / sanierten Wohnungen in klimafreundliche – und damit dem Willen des Gesetzgebers entsprechende – Wohnungen massiv erschwere oder sogar unmöglich mache. Der Senat hat die Berufung zugelassen (Beschluss vom 6. September 2024). Danach hat die Klägerin keine weitere Begründung der Berufung abgegeben.

Die Klägerin hat keinen konkreten Antrag formuliert.

Der Beklagte hat ebenfalls keinen konkreten Antrag gestellt.

Während des Verfahrens hat der Beklagte sein Konzept zur Ermittlung angemessener KdUH-Bedarfe nachgebessert. Für Ein-Personen-Haushalte hat er bezüglich der Bruttokaltmiete rechnerisch einen Grenzwert von nur noch 311,50 Euro (Konzept 2016) bzw. 317,00 Euro (Fortschreibung Konzept 2016) ermittelt. Aus Vertrauensschutzgesichtspunkten hat er an den bisherigen höheren Werten festgehalten.

Der Berichterstatter hat den Beklagten mit Schreiben vom 6. November 2024 unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Senats vom 9. November 2023 (L 2 AS 328/18 – juris und L 2 AS 547/19 – juris) aufgefordert, zu begründen, warum aus seiner Sicht mit der Heranziehung der Sonderauswertung „Geringverdiener im Leistungsbezug“ die Berücksichtigung der sonstigen Nachfragergruppen am Wohnungsmarkt (insbesondere die Empfänger von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz  [BAföG] und Bezieher von Berufsausbildungsbeihilfe [BAB]) hinreichend sichergestellt wurde oder warum sich die Nichtberücksichtigung nicht auswirken sollte.

Der Beklagte hat hierzu unter dem 24. Januar 2025 eine Stellungnahme der Firma D. C. W. mbH (ehemals A. & K., im Folgenden: A & K) vom 13. Januar 2025 zur Zusammensetzung der Nachfrageanalyse übersandt: Bis 2016 seien bei der Nachfrageanalyse neben den Leistungsbeziehern im SGB II und Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) sowie den Wohngeldempfängern eine Gruppe der „sonstigen Nachfrager“ berücksichtigt worden. Diese sonstigen Nachfrager seien mit 10 % aller Haushalte je Größenklasse angesetzt worden. Grundlage hierfür sei der Forschungsbericht „Kosten der Unterkunft und die Wohnungsmärkte“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) von 2009 gewesen, nach dem etwa 7,5 % aller Haushalte über ein geringes Einkommen verfügten und keine Leistungen bezögen. Diese Größe sei für die Betrachtung der Nachfrage auf 10 % aufgerundet worden. Die Empfänger von BAföG und BAB seien im Bericht beispielhaft genannt worden, seien aber nicht mit konkreten Zahlen einbezogen worden. Nach vielfacher Kritik an diesem Vorgehen habe sie nach einer alternativen Größe für die weiteren Nachfrager gesucht. Seit 2016 werde eine Auswertung der Bundesagentur für Arbeit zur Berücksichtigung der weiteren Nachfrager genutzt. Zusätzlich würden auch die Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) berücksichtigt. Die Bezieher von BAföG und BAB seien in den Daten nicht enthalten. Eine entsprechende textliche Bereinigung sei bei der Konzepterstellung 2016 leider nicht erfolgt, sodass hier fälschlich diese Gruppen noch genannt würden. Im Rahmen der Nachfrageanalyse werde bei den Leistungsempfängern im SGB XII, den Geringverdienern ohne Leistungsbezug und den Leistungsempfängern nach dem AsylbLG aus jeder Person ein Haushalt gebildet, da die tatsächlichen Haushaltszusammensetzungen nicht bekannt seien. Hieraus resultiere eine Überschätzung dieser Gruppen in allen Größenklassen, die aus ihrer Sicht ausreichend sei, um einen Puffer für weitere Gruppen, zu denen keine konkreten Zahlen vorliegen, zu bilden.

Der Berichterstatter hat mit Schreiben von 18. Februar 2025 das Studentenwerk H. um nähere Informationen gebeten: zur Anzahl der Studierenden an den Hochschulen innerhalb der Stadt H. in den Jahren 2016 und 2017; zur Anzahl der Studierenden, welche in den genannten Jahren allein (Ein-Personen-Haushalte) und in einer selbst angemieteten Unterkunft lebten (exklusive Wohnheime, die nur für Studierende angeboten werden) sowie zur Anzahl der Studierenden, die in den genannten Jahren Leistungen nach dem BAföG bezogen haben.

In seiner Antwort hat das Studentenwerk ausgeführt, dass die Anzahl der Studierenden über die Datenbank Destatis nachvollziehbar sei (in allen Hochschulen im Stadtgebiet jeweils zum Wintersemester: 2015 18.594, 2016 18.982, 2017 19.410). Über die Anzahl der Studierenden, die in der angefragten Wohnform lebten, könnten keine Angaben gemacht werden. Im Jahr 2016 seien insgesamt 8.784 Studierende nach dem BAföG gefördert worden, wovon 5.716 an den Hochschulen in H. studierten. 2017 habe die Gefördertenzahl bei 8.855 gelegen; davon hätten in H. 5.778 studiert.

Nach dieser Auskunft hat der Berichterstatter die Beteiligten mit Schreiben vom 30. April 2025 davon in Kenntnis gesetzt, dass keine weiteren Ermittlungen beabsichtigt seien und eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss angekündigt. Die zugleich eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme hat die Klägerin nicht genutzt.

Der Senat hat die Prozessakte des SG und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten beigezogen. Des Weiteren lagen dem Senat das bereits in den Verfahren L 2 AS 328/18 und L 2 AS 547/19 berücksichtigte Konzept des Beklagten zur Festlegung angemessener Wohnkosten sowie die hierzu übersandten Unterlagen und weiteren Stellungnahmen vor.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nicht erfolgreich.

Der Senat kann ihre Berufung gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach entsprechender Anhörung der Beteiligten durch Beschluss der Berufsrichter des Senats zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

A. Mit dem aufgrund der Zulassung durch den Senat gemäß § 145 Abs. 5 SGG als Berufungsverfahren fortzuführenden Verfahren wendet sich die Klägerin gegen das Urteil des SG, mit dem ihre Klage gegen den Verwaltungsakt vom 17. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2019 in der Fassung des verfahrensgegenständlichen (§ 96 SGG) Bescheides vom 23. November 2019 sowie auf Verurteilung des Beklagten zu höheren Leistungen im Zeitraum Juni 2019 bis Februar 2020 unter Berücksichtigung monatlicher KdUH i.H.v. 422,47 Euro bzw. hilfsweise von 410,50 Euro (Gesamtangemessenheitswert) abgewiesen worden ist.

B. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat ihre Klage zu Recht abwiesen. Ihre zulässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist nicht begründet. Die teilweise Aufhebung dieser Leistungen ist nicht rechtswidrig erfolgt. Die Klägerin hat für den streitgegenständlichen Zeitraum über die Bewilligung des Beklagten hinaus keinen höheren Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II.

I. Die rechtlichen Grundlagen für die mit dem Verwaltungsakt vom 17. Mai 2019 erfolgte Änderung bzw. teilweise Aufhebung der Bewilligung vom 14. Februar 2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 23. November 2019 (305,47 Euro monatlich) für den Zeitraum ab Juni 2019 (nur noch 243,25 Euro bzw. ab Januar 2020 251,25 Euro monatlich) ergeben sich aus § 48 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Die Anmietung und Nutzung der neuen Wohnung ab Mai 2019 stellt eine i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X wesentliche Änderung der bei der ersten Bewilligung für den Bewilligungsabschnitt maßgeblichen Verhältnisse dar. Was wesentlich ist, richtet sich nach den für die Leistung maßgeblichen Bestimmungen des materiellen Rechts (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. März 2016 - B 4 AS 18/15 R - juris). Der Bedarf wegen der KdUH ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für den Gesamtbedarf und damit auch für Bewilligung der Leistungen wesentlich und ist daher auch Grundlage der ursprünglichen Bewilligung gewesen. Im Übrigen beziehen sich der Bedarf nach § 22 SGB II und die deswegen bewilligten Leistungen nur auf die tatsächlich genutzte Wohnung. Mithin lagen bei einer veränderten Wohnsituation und anderen Wohnkosten neue und wesentliche Tatsachen vor.

Demzufolge musste der Beklagte in jedem Fall für die Zukunft, d.h. für die Zeit nach der zu erwartenden Bekanntgabe eines teilweise aufhebenden Verwaltungsakts, eine Anpassung bzw. teilweise Aufhebung der Bewilligung erlassen. Dies ist mit dem Verwaltungsakt vom 17. Mai 2019 auch korrekt umgesetzt worden, weil der Klägerin, wie sich aus dem Datum ihres Widerspruchsschreibens vom 28. Mai 2019 ergibt, der Bescheid im Mai 2019 bekannt wurde, so dass eine Teilaufhebung ab Juni 2019 erfolgen musste.

1. Die angefochtenen und die Klägerin belastenden Verwaltungsakte leiden nicht unter formellen Mängeln. Insbesondere ist eine etwaig fehlende Anhörung als nachgeholt anzusehen.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass es der Beklagte versäumt hat, die Klägerin gemäß § 24 Abs. 1 SGB X zu der beabsichtigten Aufhebung für die Zukunft anzuhören (vgl. aber § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X), wäre dieser Anhörungsmangel unbeachtlich. In Kenntnis der Grundlagen der Aufhebung durch den Verwaltungsakt vom 17. Mai 2019 im Rahmen des hiergegen geführten Widerspruchsverfahrens hat sich die Klägerin hinreichend zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen äußern können, so dass hierdurch eine Heilung entsprechend § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X eingetreten wäre (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2001 - B 6 KA 16/00 R – juris). Die nachfolgende Änderung durch den Verwaltungsakt vom 23. November 2019 war für die Klägerin nicht nochmals belastend, sondern günstig, so dass hierzu keine Anhörung durchzuführen war.

2. Die geänderte Bewilligung für Juni 2019 bis Februar 2020 ist auch materiell nicht zu beanstanden, weil die Klägerin aufgrund ihres Umzugs nur noch einen geringeren Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt hatte.

Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen KdUH. Die Klägerin ist im Streitzeitraum leistungsberechtigt i.S.d. §§ 7 ff. SGB II gewesen. Sie hatte das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war erwerbsfähig und hilfebedürftig.

a) Der für sie gültige Regelbedarf betrug monatlich ab 1. Juni 2019 424,00 Euro bzw. ab Januar bis 29. Februar 2020 432,00 Euro monatlich.

b) Mehrbedarfe i.S.d. § 21 SGB II hat die Klägerin nicht geltend gemacht bzw. hierfür keine Umstände vorgetragen. Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte, dass solche bestanden.

c) Weitere zu berücksichtigende Bedarfe waren daher nur noch solche für die KdUH.

Insofern waren im streitgegenständlichen Zeitraum Juni 2019 bis Februar 2020 nach § 22 SGB II in der ab 1. August 2016 gültigen alten Fassung (a.F.) nicht die tatsächlichen (458,90 Euro) bzw. vormals tatsächlichen (427,47 Euro) und auch nicht die sich aus einem Gesamtangemessenheitswert (410,50 Euro) ergebenden Bedarfe, sondern nur die noch angemessenen Bedarfe (hier 365,25 Euro) monatlich zu berücksichtigen.

aa) Die grundsätzliche Begrenzung des Leistungsanspruchs auf angemessene Wohnkosten folgt zunächst aus dem Grundsatz des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wonach nur angemessene Aufwendungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung anzuerkennen sind. Insofern beinhaltet § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. (jetzt § 22 Abs. 1 Satz 6 SGB II) eine Sonderregelung: Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Unangemessene Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung sind als Bedarf nur so lange und in der Regel längstens für sechs Monate anzuerkennen, wie es nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, sie durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II a. F.).

Um die Nachteile aus der Begrenzung der Bedarfe auf angemessene KdUH bei einem Umzug von Leistungsempfängern zu verhindern, regelt § 22 Abs. 4 SGB II in der bis 31. Dezember 2022 gültigen a.F. im Sinne einer Obliegenheit, dass die leistungsberechtigte Person vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen soll. Auch insoweit bleibt es aber dabei, dass eine Zusicherung nur zu erteilen ist, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Das Zusicherungsverfahren bzw. -erfordernis des § 22 Abs. 4 SGB II a.F. gilt auch für Umzüge innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Grundsicherungsträgers bzw. im Vergleichsraum (vgl. Landessozialgericht [LSG] B.-Brandenburg, Beschluss vom 28. Dezember 2021 – L 3 AS 1435/21 B ER – juris; Luthe in: Hauck/Noftz SGB II, 4. Ergänzungslieferung 2025, § 22 Rn. 300; a.A. Luik in: Harich/Luik, SGB II, 6. Aufl. 2024, § 22 Rn. 226). Die Rechtsfolge eines Umzuges ohne Zusicherung ist die Übernahme nur noch der angemessenen Kosten ohne Einräumung einer Übergangszeit (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R – juris; Piepenstock/Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. Stand: 21. März 2025, § 22 Rn. 221).

Dementsprechend sind die hier anzuerkennen Kosten nicht nur schon grundsätzlich, sondern gerade wegen des Umzugs ohne Zusicherung auf die höchstens angemessenen Kosten begrenzt. Die Klägerin ist ohne das – auch für den hier durchgeführten Umzug im Zuständigkeitsbereich des Beklagten – einzuhaltende Zusicherungsverfahren umgezogen. Sie hatte nicht nur keinen entsprechenden Antrag gestellt, sondern dem Beklagten auch keine Information zukommen lassen, auf die er hätte reagieren können. Er hat also weder zugesichert, die bisherigen Kosten als weiter angemessen zu übernehmen, noch hat er sich hinsichtlich der allgemein angemessenen Kosten für zukünftige Leistungsbewilligungen gebunden oder könnte ihm vorgehalten werden, nicht hinreichend auf die rechtlichen Umstände hingewiesen bzw. entsprechend beraten zu haben.

Zu einem günstigeren Ergebnis führt auch nicht die Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. zu den ggf. bei Erforderlichkeit des Umzugs anzuerkennenden höheren KdUH-Bedarfen bzw. der Beschränkung auf die bisherigen Bedarfe bei Nichterforderlichkeit. Mit der Regelung soll lediglich Kostensteigerungen im Bereich der KdUH entgegengewirkt und verhindert werden, dass Leistungsberechtigte nur zum Zweck der Ausschöpfung der durch die kommunalen Träger ermittelten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit zwar höheren, aber gerade noch angemessenen Kosten ziehen (vgl. Begründung zur Einführung der Norm gemäß dem Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende BT-Drs. 16/1410, S. 23; Luik in: Luik/Harich, SGB II, 6. Aufl. 2024, § 22 Rn. 161). Vorliegend waren die Kosten der bisherigen Unterkunft aber bereits nicht mehr angemessen. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II gewährt keinen „Bestandsschutz“ für die bisherigen unangemessenen Kosten.

bb) Die der Leistungsbewilligung zugrunde gelegte Begrenzung der Bedarfe, die aus dem Konzept des Beklagten für angemessene Wohnkosten übernommen wurden, war – ohne Beachtung einer Gesamtangemessenheitsgrenze – nicht zu beanstanden. Insbesondere beruhen die Grenzwerte, die der kommunale Träger auf Grundlage von Berichten der Firma A & K in Richtlinien festgelegt hat, auf einem schlüssigen Konzept.

(1) Soweit der Beklagte auch in dem hier maßgeblichen Konzept bei der Bestimmung der abstrakten Angemessenheitsgrenze für einen Ein-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 50 m² zugrunde gelegt hat, ist dies ist nicht zu beanstanden (vgl. schon Senatsurteil vom 30. Mai 2018 – L 2 AS 543/15 – juris Rn. 63).

(2) In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass das Konzept des Beklagten zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten, dessen Werte durch Verwaltungsrichtlinie erstmals ab 1. Januar 2017 galten, für einen 3-Personen-Haushalt schlüssig ist (vgl. Senatsurteil vom 9. November 2023 – L 2 AS 547/19 – juris; vgl. zum zeitlich vorgehenden Konzept Senatsurteil vom 9. November 2023 – L 2 AS 328/18 – juris; Nichtzulassungsbeschwerden verworfen durch BSG, Beschluss vom 5. Mai 2025 – B 4 AS 18/24 B – n.v.).

Die Grundlagen dieses Konzepts sind hier auch wegen der nach zwei Jahren, also ab 1. Januar 2019, angezeigten und vorgenommenen Fortschreibung der Werte für angemessene KdUH maßgeblich.

Die hier ab 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2020 angewandte Fortschreibung ist nicht zu beanstanden (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 4. April 2024 – L 2 AS 30/24 NZB – juris Rn. 16). Bei einer Fortschreibung sind sowohl die Wahl des herangezogenen Indexes als auch der Anfangs- und Endpunkt des herangezogenen Veränderungszeitraums von der Methodenfreiheit gedeckt (vgl. Senatsurteil vom 9. November 2023 – L 2 AS 328/18 – juris Rn. 94). Dementsprechend ist auch eine Fortschreibung anhand von Verbraucherindizes möglich, wie sie auch bei der Aktualisierung von qualifizierten Mietspiegeln (§ 558d Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) üblich ist. Die erfolgte Fortschreibung nach dem Verbraucherpreisindex für Sachsen-Anhalt (Wert zum Juli 2018) von 106,40 für Wohnungsmieten bzw. 108,00 für Wohnungsnebenkosten und die daraus folgenden Multiplikationsfaktoren von 1,0153 bzw. 1,0198 auf eine Bruttokaltmiete von 319,00 Euro (korrigiert 31. Juli 2000) monatlich (vgl. Neuberechnung, Bericht A & K vom 13. Januar 2020) ist daher rechtlich zulässig und in der Sache – bis auf die rechnerisch korrekt anzuwendenden Indizes – aufgrund der gewährten Methodenfreiheit nicht weiter zu prüfen.

Eine Vollerhebung der Mietdaten fand erst wieder zum 1. Juli 2020 statt, so dass aufgrund des danach erstellten Konzepts ab 1. Januar 2021 – und damit erst nach dem hiesigen Streitzeitraum – ein höherer Wert vom 335,50 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt als angemessen angenommen wurde (vgl. Amtsblatt der Stadt Halle (Saale) vom 29. Januar 2021, S. 12).

(3) Die Feststellungen des Senats zum maßgeblichen Vergleichsraum sowie zur Validität und Repräsentativität der erhobenen Daten gelten für einen Ein-Personen-Haushalt in gleicher Weise wie für Drei-Personen-Haushalte. Bezogen auf die Auswertung dieser Daten sind keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, hinsichtlich derer sich die Situation von Ein-Personen-Haushalten signifikant von derjenigen von Drei-Personen-Haushalten unterscheiden würde.

(4) Unter Berücksichtigung der sonstigen Ausführungen des Senats im Urteil vom 9. November 2023 (a.a.O.) ist auch bezogen auf Ein-Personen-Haushalte nicht zu erkennen, dass der Beklagte das untere Marktsegment, welches für die Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten der Leistungsberechtigten relevant ist, nicht hinreichend bestimmt hat.

Der Senat hat keinen Zweifel, dass mit einem Anteil von 40% an der Gesamtzahl der Ein-Personen-Haushalte in der Stadt H. das relevante untere Wohnungssegment ausreichend unter Beachtung mathematisch-statistischer Grundsätze abgebildet worden ist.

Wie der Senat zum Konzept 2016, das der hier maßgeblichen Fortschreibung zugrunde liegt, bereits ausgeführt hat (a.a.O. Rn. 81), war vom Beklagten aufgrund der nicht erfolgten Begrenzung der Erhebung auf Wohnungen mit einfachem Standard zu ermitteln, welcher Anteil des nach dem geforderten Mietpreis aufsteigend sortierten Wohnungsangebots erforderlich ist, um den Bedarf der Leistungsberechtigten und der mit ihnen konkurrierenden Gruppen von Nachfragern zu decken. Dabei sind neben den Haushalten mit Bezug von Grundsicherungsleistungen noch Haushalte mit Wohngeldbezug sowie weitere Gruppen, insbesondere Geringverdiener ohne Leistungsbezug als konkurrierende Nachfragergruppen zu berücksichtigen.

Zu der dem Senat (a.a.O. Rn. 84) bei Vergleich der Konzepte 2012 und 2016 aufgefallenen Änderung der Zusammensetzung dieser Konkurrenzgruppe hat sich der Beklagte nachvollziehbar geäußert, dass die sog. sonstigen Nachfrager im Konzept 2012 zunächst aufgerundet mit 10 % aller Haushalte je Größenklasse angesetzt wurden, d.h. die Empfänger von BAföG und BAB nur beispielhaft genannt, aber nicht mit konkreten Zahlen einbezogen wurden. Seit 2016, d.h. auch relevant für den hiesigen Streit, werde die Gruppe der weiteren Nachfrager auf Grundlage einer Auswertung der Bundesagentur für Arbeit bestimmt, in die zusätzlich auch die Leistungsempfänger nach dem AsylbLG einfließen. Die Bezieher von BAföG und BAB seien gesondert in den Daten nicht enthalten. Der Erläuterungstext des Konzepts 2016 erwähne diese Gruppe daher fälschlich noch. Im Übrigen sei die angesetzte Zahl der sonstigen Nachfrager unter den Leistungsbeziehern tendenziell zu hoch angesetzt und bilde einen Puffer, weil für jeden Bezieher ein Haushalt angenommen werde.

Ausgehend von dieser Erläuterung und den statistischen Erhebungen ist in nicht zu beanstandender Weise für die hier relevante Gruppe der Ein-Personen-Haushalte eine Gesamtzahl von Haushalten von 57.060 und hiervon eine relative Menge von Nachfragern im unteren Marktsegment im Ergebnis von 40 % (40. Perzentile, ausgehend von einem aufgerundeten Ergebnis von 38 %, zusammengesetzt aus Beziehern von Leistungen nach SGB II, Wohngeldgesetz, SGB XII und AsylbG sowie Geringverdienern ohne Leistungsbezug) zugrunde gelegt worden (Endbericht vom Oktober 2016, Tabelle 7, S. 20; Bericht vom 20. April 2023, Tabelle 9, S. 20).

Die bei den sonstigen Nachfragern ausgenommene Gruppe der Bezieher von Ausbildungsförderung spielt aus Sicht des Senats keine so erhebliche Rolle, dass die Nichteinbeziehung der Schlüssigkeit des Konzepts entgegensteht. Insbesondere die wegen des Hochschulstandorts H. zu erwartende Nachfrage von Studierenden ist nicht so erheblich, dass eine Einbeziehung sich auswirken würde. Insgesamt waren nach Auskunft des Studentenwerks Halle vom 4. März 2025 an den Hochschulen in Halle (Saale) im Jahr 2016 ca. 19.000 Studierende eingeschrieben. Hiervon wurden 5.716 Personen durch BAföG gefördert. Gemäß der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung herausgegebenen Zusammenfassung aus der 21. Sozialerhebung „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2016“, S. 20 (am 14. Juli 2025 verfügbar z.B. unter https://www.studierendenwerke.de/fileadmin/api/files/se21_hauptbericht.pdf) wohnten von den Studierenden nur ca. 17% allein in einer eigenen Wohnung (d.h. insbesondere nicht im Wohnheim o.ä.). Das bedeutet, dass nur rund 970 Studierende ein durch ihre Eigenschaft als Leistungsempfänger nachvollziehbares Interesse an günstigem Wohnraum hatten. Dies würde den Anteil der relevanten Nachfragehaushalte lediglich marginal um einen Prozentpunkt auf 39 % verschieben und damit innerhalb des gewählten Korridors von 40 % verbleiben. Auch die Berücksichtigung der Bezieher von BAB würde keinen relevanten Unterschied machen.

Auch bei einem generellen Vergleich der Methodik der Konzepte 2012 und 2016 (siehe Senatsurteil vom 9. November 2023 – L 2 AS 547/19 – juris Rn. 84) hat der Senat keine Bedenken gegen die Schlüssigkeit des hier anzuwendenden fortgeschriebenen Konzepts 2016. Im Konzept 2012 hatte die Firma A & K statt der „Geringverdiener ohne Leistungsbezug“ die umfassendere Kategorie der „sonstigen Nachfragergruppen“ berücksichtigt und diese zulässiger Weise mit 10 % der Haushalte der jeweiligen Haushaltsgröße quantifiziert (vgl. Senatsurteil vom 9. November 2023 – L 2 AS 328/18 – juris Rn. 76). Würde man diesen – vom Senat für das Konzept 2012 gebilligten – Ansatz auf das Konzept 2016 übertragen, wären in der hier relevanten Gruppe der Ein-Personen-Haushalte 5.706 statt 4.980 „Geringverdiener ohne Leistungsbezug“ und in der Summe 22.156 Nachfrager im unteren Marktsegment zu berücksichtigen. Auch diese höhere Zahl würde im Ergebnis zu keinem anderen Angemessenheitswert führen. Der Anteil aller Nachfrager im unteren Marktsegment läge dann bei 38,83 % (statt 37,56 %, in der Auswertung von A & K sodann gerundet mit 38 % angegeben), so dass der vom Beklagten letztlich angesetzte Wert von 40 % (40. Perzentile) das untere Marktsegment auch bei dieser Kontrollüberlegung ausreichend abbilden würde.

Sofern sich durch die dargestellten Kontrollüberlegungen der Wert der Zahl der konkurrierenden Nachfrager der berücksichtigten Perzentile nähert und den Sicherheitszuschlag vermindert, lässt dies das Konzept nicht unschlüssig erscheinen. Zu bedenken ist, dass die Schätzung der Nachfragergruppe der Geringverdiener ohne Leistungsbezug eher grob erfolgt ist. Für Deutschland insgesamt wird angegeben, dass der Umfang dieser Gruppe bei durchschnittlich 5-15 % der Haushalte liege. Für den Senat nachvollziehbar ist, dass der neben den Leistungsberechtigten zu berücksichtigende „restliche“ Anteil einer Nachfragergruppe an Geringverdienern ohne Leistungsbezug dort niedriger sein dürfte, wo in der Einwohnerschaft bereits ein großer Anteil an Bedarfsgemeinschaften zu verzeichnen ist (vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen, Januar 2013, S. 41). Insbesondere für den Zuständigkeitsbereich des Beklagten spricht nichts dagegen, dass die Annahme des Mittelwerts von 7,5 % an Nachfragern im Geringverdienerbereich ohne Leistungsbezug bzw. jedenfalls die Annahme von 10 % hinreichend gewesen sein dürfte. Die im Jahr 2016 herausgegebene Statistik der Bundesagentur zur Grundsicherung für Arbeitsuchende in Zahlen Oktober 2016 (https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/201610/iiia7/grusi-in-zahlen/grusi-in-zahlen-d-0-201610-pdf.pdf?__blob=publicationFile) ergibt eine deutlich größere Menge gerade an Leistungsbeziehern in Einzelhaushalten in Ostdeutschland (18 %) als in Westdeutschland (11 %). Zudem ist der vom Beklagten genannte Umstand, dass für jeden Leistungsbezieher ein Haushalt angenommen wurde, zu berücksichtigen.

(5) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind Leistungen für KdUH auch nicht bis zur Höhe der Summe aus den Angemessenheitswerte für die Bruttokaltmiete und die Heizkosten (Gesamtangemessenheit) andererseits zu gewähren.

Insbesondere lässt sich aus der zum 1. August 2016 in Kraft getretenen Norm des § 22 Abs. 10 SGB II weder eine generelle Verpflichtung zur Festlegung einer Gesamtangemessenheitsgrenze noch ein im Einzelfall auszuübendes Ermessen zur Tolerierung insgesamt angemessener Mietkosten ableiten.

Nach § 22 Abs. 10 SGB II ist es zulässig, zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II eine Gesamtangemessenheitsgrenze zu bilden; dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre.

Dementsprechend haben die Grundsicherungsträger nur die Wahl, statt einer Einzelbetrachtung der Angemessenheit einerseits der Unterkunftskosten und andererseits der Heizkosten eine Gesamtangemessenheitsgrenze für beide Kostenfaktoren zu bilden. Folglich kann, wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 9. November 2023 – L 2 AS 547/19 – juris Rn. 119 ff. m.w.N.), nur der Grundsicherungsträger eine solche Gesamtangemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 10 SGB II festlegen.

Der Beklagte hat in seinem Konzept aber keinen Gebrauch von dieser Möglichkeit gemacht. Er ist hierzu auch nicht gesetzlich verpflichtet.

Die Norm eröffnet zudem, wie schon aus ihrem Wortlaut ersichtlich ist, nicht die Möglichkeit zur Ausübung eines Ermessens zur Akzeptanz einer insgesamt angemessenen Miete, falls im maßgeblichen Konzept von der Möglichkeit einer Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze kein Gebrauch gemacht wurde.

(6) Die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt der konkreten Angemessenheit unter Berücksichtigung der relevanten Besonderheiten des Einzelfalles zu erhöhen. Die Lebenssituation der Klägerin gebietet es nicht, höhere als die abstrakt angemessenen Aufwendungen anzuerkennen. Es liegen keine Anhaltspunkte für andere, dem Grunde nach anerkennenswerte besondere Umstände zur Berücksichtigungsfähigkeit eines abweichenden Wohnbedarfs vor. Es ist also nicht zu erkennen, dass die Klägerin nicht die konkrete Möglichkeit hatte, eine abstrakt als angemessen (bedarfsgerechte und kostengünstigere) eingestufte Wohnung auf dem Wohnungsmarkt des konkreten Vergleichsraums anmieten zu können. Hierzu hat sie auch nichts vorgetragen.

3. Im Übrigen hat der Beklagte die der Klägerin zustehenden Leistungen korrekt berechnet, insbesondere das Einkommen der Klägerin zutreffend berücksichtigt. Nach den Angaben der Klägerin und dem Akteninhalt bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Klägerin über den Bedarf minderndes Vermögen verfügte.

C. Die Kostentscheidung folgt aus § 193 SGG.

D. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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