L 2 AL 37/24

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AL 107/23
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 2 AL 37/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid zu gewährtem Arbeitslosengeld ist hinreichend bestimmt, wenn nach dessen Inhalt und ggf auch dem des Widerspruchsbescheids sowie den Gesamtumständen des Leistungsfalls der aufzuhebende Bewilligungsbescheid (im vorliegenden Fall: die letzte davor erlassene Bewilligung) eindeutig identifiziert werden kann. Eine Nennung des Datums der aufzuhebenden Bewilligung ist hierzu nicht zwingend erforderlich.
2. Es besteht im Recht des SGB III - anders als in dem des SGB II - kein Grundsatz, dass sich der materielle Leistungsanspruch nach Bedarfs- bzw. Bewilligungsmonaten gliedert, so dass innerhalb eines durchgehenden Aufhebungszeitraums keine konkrete Bezeichnung einzelner aufzuhebender Zeitabschnittsteile erforderlich ist.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Der Kläger wendet sich gegen eine rückwirkende Aufhebung des ihm gewährten Arbeitslosengeldes (Alg) i.H.v. 1369,44 Euro sowie die entsprechende Erstattungsforderung.

Der am ... 1995 geborene Kläger beantragte im Januar 2021 bei der Beklagten Alg. Mit der Rückgabe der Antragsformulare versicherte er, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben sowie Änderungen in den Antragsangaben unverzüglich anzuzeigen.

Die Beklagte bewilligte ihm ab 23. Januar 2021 und bis 4. März 2022 bzw. bis auf Weiteres vorläufig Alg i.H.v. 38,04 Euro täglich (Bescheide vom 10. und 11. März 2021 sowie 24. März 2021). Zum Grund der Vorläufigkeit gab die Beklagte an, dass die Identitätsprüfung entweder online oder persönlich auf die verpflichtend wahrzunehmende Einladung nachgeholt werden müsse. Auf die Obliegenheit zur Mitteilung leistungserheblicher Änderungen der Verhältnisse (vgl. Merkblatt 1 für Arbeitslose) wurde er mit Bewilligungsbescheid vom 10. März 2021 nochmals hingewiesen. Die Bescheide vom 11. März bzw. 24. März 2021 enthielten Hinweise, dass sich der Leistungsanspruch durch Ereignisse in der Zukunft (z.B. Aufnahme einer Beschäftigung mit einem Umfang ab 15 Stunden wöchentlich) ändern könne. Beschränkt auf den Zeitraum vom 22. Januar 2021 bis 17. Mai 2021 bewilligte die Beklagte endgültig Alg in selber Höhe (abschließender Bescheid vom 26. Mai 2021).

Mit Bescheid vom 17. August 2021 versagte die Beklagte die weitere Gewährung von Alg an den Kläger ab dem 20. August 2021 und stellte die Zahlungen ein, weil er seinen Mitwirkungspflichten nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen sei und die Voraussetzungen für das Alg nicht nachgewiesen habe. Er habe zwei vorherige Einladungen zur Identitätsprüfung nicht wahrgenommen.

Zuvor hatte der Kläger, ohne die Beklagte hierüber zu informieren, am 14. Juli 2021 eine versicherungspflichtige Tätigkeit mit einem Arbeitszeitumfang von mehr als 15 Wochenstunden aufgenommen. Erst am 15. September 2021 erhielt die Beklagte durch elektronischen Informationsaustausch in der Sozialversicherung Kenntnis des Datums des Beginns dieses Beschäftigungsverhältnisses, des Arbeitgebers und davon, dass es sich um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handele.

Mit Schreiben vom 21. September 2021 gab die Beklagte dem Kläger Gelegenheit zur Äußerung zum vorgenannten Sachverhalt. Mit dem Beginn der Beschäftigung habe er keinen Anspruch auf Alg. Sie müsse prüfen, ob die Bewilligung der Leistung ab diesem Zeitpunkt aufgehoben werde und der Kläger die zu Unrecht erhaltenen Leistungen und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erstatten müsse.

Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ab dem 14. Juli 2021 im Umfang von 40 Wochenstunden bestätigte der Arbeitgeber des Klägers mit Schreiben vom 24. September 2021.

Nachdem der Kläger auf das Schreiben vom 21. September 2021 nicht reagierte, hob die Beklagte die Bewilligung des Alg ab dem 14. Juli 2021 auf; den überzahlten Betrag für die Zeit vom 14. Juli 2021 bis 19. August 2021 i.H.v. 1369,44 Euro müsse der Kläger erstatten (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. Oktober 2021). Er sei ab dem 14. Juli 2021 nicht mehr arbeitslos gewesen, weil er zu diesem Zeitpunkt eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Tätigkeit aufgenommen habe. Mit weiterem Bescheid vom 6. Oktober 2021 (Aufhebungsbescheid) hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg ab 14. Juli 2021 auf und gab als Grund die Aufnahme einer Beschäftigung an.

Erst am 12. Juli 2022 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. Oktober 2021, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2022 als nicht fristgerecht eingegangen verwarf.

Nachdem der Kläger vorbrachte, der Bescheid sei ihm nicht zugegangen, wies die Beklagte (nach erneuter Bekanntgabe des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 6. Oktober 2021 an den Kläger) den nun auf die fehlende Nennung der aufgehobenen Bewilligungs- und Änderungsbescheide gestützten Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. August 2023). Die Entscheidung über die Bewilligung von Alg vom 10. März 2021 in Abänderung durch die Bescheide vom 24. März 2021 und 26. Mai 2021 sei ab 14. Juli 2021 aufzuheben gewesen. Dem Kläger sei mit dem Aufhebungsbescheid vom 6. Oktober 2021 eindeutig dargelegt worden, dass Arbeitslosigkeit aufgrund der Beschäftigungsaufnahme am 14. Juli 2021 nicht mehr vorliege und somit eine Weitergewährung des Alg aufgrund fehlender Arbeitslosigkeit nicht erfolgen könne. Der Kläger sei zudem alleiniger Bescheid- und Leistungsempfänger gewesen, sodass Auslegungsmöglichkeiten des Sachverhaltes nicht gegeben seien. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden sei, seien die Leistungen zu erstatten. Die Höhe der Forderung von 1369,44 Euro errechne sich aus den Zahlungen im streitigen Zeitraum vom 14. Juli 2021 bis 19. August 2021 (Alg für 36 Tage in Höhe von 38,04 Euro täglich).

Der Kläger hat am 18. September 2023 Klage vor dem Sozialgericht Halle (SG) erhoben und diese im Wesentlichen mit der vermeintlichen Unbestimmtheit der Aufhebung begründet.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. August 2024). Zwischen den Beteiligten sei nicht streitig, dass für den Kläger im hier streitigen Zeitraum kein Anspruch auf Alg mehr bestanden hatte und die materiellen Voraussetzungen für eine Rückforderung vorlagen. Der angefochtene Bescheid sei auch formell rechtmäßig, insbesondere hinreichend bestimmt. Die Beklagte habe dargelegt, dass die Bewilligung des Alg für den Zeitraum 14. Juli 2021 bis 19. August 2021 aufgehoben werde und dass der Kläger einen Betrag von 1369,44 Euro zu erstatten habe. Die Nennung aller ursprünglichen Bewilligungsbescheide sei bei einer so eindeutig bestimmten Forderung nicht erforderlich.

Am 2. Oktober 2024 hat der Kläger Berufung gegen das Urteil des SG vom 29. August 2024 eingelegt. Der Aufhebungsverwaltungsakt der Beklagten sei nicht hinreichend bestimmt. Die Beklagte führe nur aus, die Bewilligung von Alg werde „ab dem 14. Juli 2021“ aufgehoben. Ein konkreter Zeitraum, über den sich die Entscheidung erstrecke, lasse sich den Verwaltungsakten nicht entnehmen. Es bleibe aus Sicht eines verständigen Empfängers unklar, welcher konkrete Bescheid für welchen Monat in welchem Umfang aufgehoben werde und in welcher Höhe für welchen Monat weiterhin Leistungen gewährt blieben. Darüber hinaus sei die Erstattungsforderung nicht materiell rechtmäßig, weil nicht alle Änderungsbescheide aufgehoben worden seien. Wegen der Bindungswirkung der Leistungsbewilligung müsse der Aufhebungsbescheid sämtliche für den maßgeblichen Bewilligungsabschnitt relevanten begünstigenden Ausgangsbescheide aufzählen, weil die Erstattungsforderung ansonsten rechtswidrig sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 29. August 2024 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2023 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen. Sie vertrete insbesondere die Rechtsaufassung, dass der Bescheid hinreichend bestimmt gewesen sei, weil der Kläger klar und unzweideutig ihr Ansinnen habe erkennen können.

Der Berichterstatter hat den Kläger mit einem Hinweisschreiben vom 13. Januar 2025 auf die Absicht hingewiesen, die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss zurückzuweisen und dass die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung wegen der Arbeitsaufnahme sowie einer grob fahrlässigen Verletzung der Mitwirkungsobliegenheiten vorliegen dürften. Der Kläger hat dazu ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer Beschlussentscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG nicht vorliegen dürften. Im Hinweisschreiben sei sich noch nicht mit dem Vortrag auseinandergesetzt worden sei, dass für ein wirksames Erstattungsverlangen sämtliche relevanten begünstigenden Ausgangsbescheide aufzuheben seien. Dieses Schreiben hat die Beklagte unter dem 20. Januar 2025 zur Kenntnis erhalten. Dem Kläger ist unter dem 17. Januar 2025 mitgeteilt worden, dass die Hinweise im Schreiben vom 13. Januar 2025 bereits auf die Argumentation der formell bzw. materiell unzureichenden Nennung der Ausgangsbescheide eingehen. Die Ausführungen änderten nichts an der beabsichtigten Entscheidungsform.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schreiben sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

1. Der Senat entscheidet, nachdem die Beteiligten hierauf hingewiesen wurden bzw. die Gelegenheit zur Äußerung hatten, durch Beschluss, weil er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGG).

2. Gegenstand des Verfahrens ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 29. August 2024, mit dem es seine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2023 (§ 95 SGG) abgewiesen hat.

3. Die Berufung ist danach zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 143, 144, 151 SGG). Sie ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Aufhebung und Erstattung des Alg durch den Bescheid vom 6. Oktober 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2023 ist insgesamt rechtmäßig erfolgt.

a) Die angefochtenen Verwaltungsakte sind formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Kläger gemäß § 24 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) durch das Schreiben vom 21. September 2021 hinreichend vor dem Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides angehört worden.

b) Die Aufhebung erfolgte auch materiell zu Recht. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Veränderung eintritt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher oder für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Soweit einschlägig, werden die Regelungen des § 48 SGB X wird auch nicht durch die Möglichkeit der endgültigen Bewilligung nach § 328 Abs. 2 SGB III verdrängt, weil hierin ausdrücklich auf die mögliche Aufhebung bzw. Änderung der vorläufigen Bewilligung verwiesen wird (vgl. Schaumberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Aufl., § 328 SGB III (Stand: 20. Februar 2023), Rn. 20 m.w.N.). Soweit der Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 SGB X).

aa) Die Beklagte hatte dem Kläger zunächst rechtmäßig Alg ab dem 22. Januar 2021 bewilligt. Die Voraussetzungen lagen vor. Der Kläger hatte gemäß § 137 Abs. 1 SGB III Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), weil er im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 138 SGB III arbeitslos war, sich bei der Beklagten am 19. Januar 2021 arbeitslos gemeldet (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 141 SGB III) und durch seine vorangegangene Beschäftigung vom 16. Oktober 2017 bis zur Kündigung zum 30. November 2020 die Anwartschaftszeit erfüllt hatte (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 142 SGB III). Denn arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der wie der Kläger nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand (vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Nur die Ausübung einer Erwerbstätigkeit von 15 Stunden und mehr wöchentlich schließt die Beschäftigungslosigkeit aus, wobei gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt bleiben (vgl. § 138 Abs. 3 Satz 1 SGB III).

b) Die hier zur Aufhebung der Bewilligung berechtigende wesentliche Änderung lag damit in der Aufnahme einer versicherungspflichtigen und im Umfang mehr als 15 Stunden wöchentlich andauernden Beschäftigung durch den Kläger ab dem 14. Juli 2021. Damit war er ab dem 14. Juli 2021 rechtlich gesehen nicht mehr arbeitslos, so dass ihm der ursprünglich bewilligte Anspruch auf Alg nicht mehr zustand. Mangels Anzeige der Aufnahme der Beschäftigung entfiel zudem die Wirkung seiner Arbeitslosmeldung (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 2, § 141 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 SGB III), so dass ihm auch aus diesem Grund kein Alg mehr zustand.

c) Der Kläger verletzte auch zumindest grob fahrlässig seine durch Rechtsvorschrift vorgeschriebene Pflicht zur Mitteilung der Arbeitsaufnahme und somit einer wesentlichen für ihn nachteiligen Änderung der Verhältnisse (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III).

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) war der Kläger als Empfänger von Alg als einer Sozialleistung verpflichtet, Änderungen in den Verhältnissen, die für diese Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich zur Mitteilung verpflichtet.

Unstreitig hatte der Kläger der Beklagten die hier wesentliche Änderung nicht mitgeteilt. Wesentlich war hier, dass er eine Beschäftigung von mehr als 15 Wochenstunden aufgenommen hatte, die seine Arbeitslosigkeit beendete und zum Anspruchsverlust führte (s.o.).

Die diesbezügliche Mitteilung an die Beklagte ist auch wenigstens grob fahrlässig unterblieben. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SGB X). Es ist ein subjektiver Maßstab anzulegen. Danach handelt grob fahrlässig, wer unter Berücksichtigung seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, seines Einsichtsvermögens und der besonderen Umstände des Falles schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Hier hätte der Kläger schon anhand des mit dem Antrag als erhalten bestätigten Hinweisblattes (Merkblatt 1 für Arbeitslose) erkennen können, dass er bei Arbeitsaufnahme eine Mitteilungspflicht hat bzw. dass der zuerkannte Anspruch dann nicht oder jedenfalls nicht in voller Höhe besteht. Denn darin sind entsprechende und sehr deutliche Hinweise auf die Mitteilungspflicht bezüglich einer Arbeitsaufnahme und die Folgen einer Verletzung dieser Pflicht enthalten. Zudem ist auch in der Laiensphäre evident, dass mit der Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung die Arbeitslosigkeit endet, weshalb diese der Beklagten mitzuteilen ist. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. Er hat auf die entsprechenden Vorhalte (vgl. Widerspruchsbescheid vom 23. August 2023) zum Merkblatt 1 für Arbeitslose bzw. auf die Entscheidung des SG, das ausführt, die Prozessbevollmächtigte des Klägers gehe nach einer Erklärung in der mündlichen Verhandlung von der (grundsätzlichen) materiellen Rechtmäßigkeit der Aufhebung aus, nichts Gegenteiliges bzw. für ihn sprechendes geäußert. Auch auf die Hinweise des Berichterstatters im Schreiben vom 13. Januar 2025, dass auf die Obliegenheit zur Mitteilung leistungserheblicher Änderung der Verhältnisse (vgl. Merkblatt 1 für Arbeitslose) mit Bewilligungsbescheid vom 10. März 2021 nochmals hingewiesen worden sei und dass die Bescheide vom 11. März bzw. 24. März 2021 sogar ausdrücklich eine mögliche Änderung des Leistungsanspruchs durch Ereignisse in der Zukunft (z.B. Aufnahme einer Beschäftigung mit einem Umfang ab 15 Stunden wöchentlich) erwähnten, und damit von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden könne, ist der Kläger nicht weiter eingegangen.

d) Die Aufhebung bzw. Festlegung der Erstattungssumme betraf trotz fehlender Bezeichnung des Datums der aufzuhebenden Bewilligung bei der notwendigen Auslegung aus Sicht eines verständigen Empfängers die zeitlich letzte Bewilligungsentscheidung vor der Versagung vom 17. August 2021. Diese konnte unschwer in Form der vorläufigen Bewilligung vom 24. März 2021 erkannt werden, welche für die Zeit nach der endgültigen Bewilligung für den Teilzeitraum bis 17. Mai 2021 noch weiterhin Bestand hatte und aufgrund der auch weiterhin Alg gezahlt wurde. Die Verfügungen waren auch im Übrigen hinreichend bestimmt.

Nach § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz der Entscheidung als auch auf den Adressaten eines Verwaltungsaktes (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R - juris Rn. 25). Das Bestimmtheitserfordernis bezieht sich maßgeblich auf den Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes. Dieser muss zum einen den Adressaten bzw. Betroffenen unzweifelhaft bezeichnen. Der Regelungsgehalt des Verfügungssatzes muss zum zweiten in sich widerspruchsfrei sein, d.h. der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt werden, sein Verhalten daran auszurichten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 20/09 R - juris Rn. 13; BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R - juris Rn. 26). Verkürzt ausgedrückt muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will und von wem sie es will (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R - juris Rn. 25). Es genügt, wenn aus dem gesamten Inhalt des Bescheides einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über die Regelung gewonnen werden kann. Ausreichende Klarheit besteht auch dann, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes neben der Begründung des Verwaltungsaktes auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (BSG, a.a.O., Rn. 26). Im Übrigen richten sich die Anforderungen an die notwendige inhaltliche Bestimmtheit des Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 - B 1 KR 26/16 R - juris Rn. 17). Einer Verfügung fehlt die hinreichende Bestimmtheit dann, wenn auch nach dem geschilderten Vorgehen bzw. methodengerechter Auslegung mehrere Deutungsmöglichkeiten verbleiben und es allein dem Adressaten überlassen bleibt, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang einer Regelung zu bestimmen. Denn die in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Behörde ist verpflichtet, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 196/11 R - juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - B 14 AS 9/17 R - juris Rn. 23; BSG, Urteil vom 15. Juni 2023 - B 9 SB 2/22 R - juris Rn. 24).

Nach diesen Grundsätzen sieht der Senat in dem Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2023 eine die Bewilligung vom 24. März 2021 in der Fassung durch die Versagung vom 17. August 2021 betreffende und nicht unklare Regelung.

Zur Wirksamkeit der Aufhebung bzw. zur Herstellung der Klarheit und Eindeutigkeit der Aufhebung und Erstattung in Bezug auf vor der Versagung vom 17. August 2021 noch verbliebene Bewilligung war es hier nicht erforderlich, sie bzw. ihre konkreten Datumsangaben zu nennen. Ungeachtet dessen macht der Aufhebungsbescheid deutlich, dass die Beklagte die Bewilligung des Alg für den Zeitraum ab dem 14. Juli 2021 im vollen Umfang aufheben wollte. Es ist daher für einen verständigen Empfänger erkennbar, dass die letzte davor ergangene Bewilligung zum Anspruch auf Alg für diese Zeit betroffen war, welche eindeutig als die vom 23. März 2021 erkannt werden konnte, weil die vom 26. Mai 2021 den Aufhebungszeitraum gar nicht betraf. Das unterscheidet den Sachverhalt von dem der Entscheidung, welche der Kläger zitiert (BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 196/11 R - juris Rn. 19, in dem es die Behörde unterlassen hatte, die auf die ausdrücklich als aufgehoben genannten Bewilligungen folgenden, d.h. späteren Bewilligungen mit als aufgehoben zu nennen und diese nicht als (sinngemäß) mitaufgehoben angesehen wurden. Schließlich sind in dem Widerspruchsbescheid vom 23. August 2023 die aufzuhebenden Bescheide bezeichnet worden. Auch dessen Inhalt bzw. Begründung sind zur Entscheidung heranzuziehen, weil er gemäß § 95 SGG den endgültigen Gegenstand der Anfechtungsklage mit bildet. Hierin führte die Beklagte weiter aus: „Die Entscheidung über die Bewilligung von Alg vom 10. März 2021 in Abänderung durch die Änderungsbescheide vom 24. März 2021 und 26. Mai 2021 war somit ab 14. Juli 2021 aufzuheben.“ Spätestens dadurch wurde der Bescheid vom 6. Oktober 2021 auf die Aufhebung des Besitzstandes nach der letzten Bewilligungsentscheidung für den Aufhebungszeitraum hin konkretisiert.

Weiter kann der Aufhebungsentscheidung ein konkreter Zeitraum entnommen werden, über den sie sich erstreckt. Der dem Kläger mit Schreiben vom 15. August 2022 bekannt gegebene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. Oktober 2021 regelt mit den Ausführungen „die Bewilligung von Arbeitslosengeld hebe ich ab dem 14. Juli 2021 auf“ zeitlich eindeutig den Beginn der Aufhebung. Der weiter enthaltene Passus „Den überzahlten Betrag für die Zeit vom 14. Juli 2021 bis 19. August 2021 in Höhe von 1369,44 Euro müssen Sie erstatten“ macht im Zusammenhang klar, dass die Regelung insgesamt einen eindeutig umgrenzten Zeitraum betrifft. Danach und nach den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid, dass die Erstattung ebenso weit reicht wie die Aufhebung und die erhaltenen Zahlungen im Zeitraum vom 14. Juli bis 19. August 2021 umfasst, ist eindeutig eine Aufhebung für den genannten Zeitraum geregelt.

Es besteht auch im SGB III - anders als etwa in der Grundsicherung für Arbeitsuchende - kein Grundsatz, dass sich der Anspruch nach Bedarfs- bzw. Bewilligungsmonaten gliedert, so dass diesbezüglich keine konkrete Bezeichnung einzelner aufzuhebender Zeitabschnittsteile erforderlich gewesen wäre. Die Regelung in § 154 SGB III bestimmt vielmehr, dass das Alg für Kalendertage berechnet und geleistet wird. Es wird lediglich aus Praktikabilitätsgründen nicht für die variable Zahl der Kalendertage, sondern auf 30 Tage berechnet, wenn es für einen vollen Kalendermonat zu zahlen ist.

e) Die Aufhebung erfolgte innerhalb der maßgeblichen Frist von einem Jahr nach Bekanntwerden der die Aufhebung der Bewilligung rechtfertigenden Tatsachen (vgl. § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X).

f) Nachdem der Umfang der Aufhebung der Bewilligung den Zeitraum 14. Juli bis 19. August 2021 betrifft, folgt daraus die Erstattung des für diesen Zeitraum bezogenen Alg. Denn gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Den Aufhebungs- und Erstattungsbetrag hat die Beklagte rechnerisch korrekt aus dem gewährten Alg für 36 Tage in Höhe von 38,04 Euro täglich ermittelt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
Saved